DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-08-2021 08:01
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 07.08.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TB / TrW

Im Nordwesten starke Gewitter mit lokalem Unwetterpotential. Im Südosten schwere
Gewitter mit heftigem Starkregen, orkanartigen Böen und größerem Hagel. Vom
Allgäu bis zum Werdenfelser Land länger anhaltende Regenfälle. Morgen
gebietsweise weitere Gewitter mit geringem Unwetterpotential, im Norden und der
Mitte steife Böen, exponiert stürmische Böen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... wandert schon in den Frühstunden die Achse eines flachen Rückens in
500 hPa nach Polen ab, so dass Deutschland dann komplett auf der Vorderseite
eines Langwellentroges liegt. Dessen Hauptachse überquert im Tagesverlauf die
Biskaya und erreicht am Abend den Westen Frankreichs. Mit dem Langwellentrog
korrespondiert in 300 hPa ein Jet, der im Tagesverlauf von Westen her auf
Deutschland übergreift und dessen zentrales Starkwindfeld am Abend von der Pfalz
bis zur Ostsee orientiert ist. Das mit dem Langwellentrog in Verbindung stehende
Bodentief liegt vor der Westküste Schottlands. Da es von ersterem schon
überlaufen wurde, füllt es sich zögerlich auf (Kerndruck aktuell etwa 988 hPa,
zum Abend dann 990 hPa, wobei es auch um Nuancen nach Osten bis zur Schottischen
Westküste vorankommt. Das Tief weist zwei markante Bodentröge auf, einer davon
ist zur Nord- und Ostseeküste gerichtet. Er nimmt im Tagesverlauf Verbindung zu
einem Tief über dem Baltikum auf, die entstehende Rinne erreicht zum Abend
Südschweden. Der zweite Trog weist, recht scharf geschnitten, in den Frühstunden
über die Bretagne hinweg nach Süden und verlagert sich bis zum Abend nach
Belgien und Ostfrankreich. Damit nähert er sich der Rückseite eines weiteren,
recht schwachen Bodentroges, der im Tagesverlauf vom Süden in die Mitte
vorankommt. Die beschriebene Gesamtkonstellation sorgt für eine südwestliche
Höhenströmung und eine südwestliche bis südliche Höhenströmung. Auf den
Alpengipfeln setzt leichter Föhn ein, der zum Abend sowie in der Nacht zum
Sonntag wohl seinen Höhenpunkt erreicht und auf exponierten Gipfeln durchaus
stürmische Böen oder Sturmböen bringen kann. Neben dem Föhn ist eine weitere
Folge der Strömungsmuster die Ausbildung eines Leetiefs nördlich der Ostalpen.
Gegen 18 UTC verdrahtet ICON besagtes Tief etwa im Raum Passau, EZMW oder
ICON-D2 dagegen etwas weiter östlich über Oberösterreich. Von der Lage des Tiefs
wird entscheidend die Wetterentwicklung über dem Süden und Südosten abhängen.
Dabei gilt, dass sich auf der Westflanke des Tiefs nicht nur eine Gegenstromlage
einstellt (bodennah nördlicher Wind, in der Höhe besagter Südwestwind), sondern
auch die übrigen Gewitterparameter schwere Entwicklungen erwarten lassen. So
liegen die PPW-Werte laut ICON-EU bei bis zu 37 mm, am unmittelbaren Alpenrand
werden CAPE-ML-Werte von knapp über 1000 J/kg simuliert, und weiters sind auch
die Scherungswerte mit einem hohen Anteil an Richtungsscherung bemerkenswert
(Deep-Layer bis knapp 30 m/s, Low-Level bis 5 m/s). Infolgedessen sind im
Südostbayern am Abend und bis in die Nacht hinein schwere Gewitter mit größerem
Hagel, orkanartigen Böen und heftigem Starkregen möglich. An die Gewitterzone
nach Nordwesten anschließend, etwa in einem Streifen vom Elsass bis nach
Ostbayern und ins Erzgebirge (GFS lässt diesen Streifen noch etwas weiter nach
Norden, von Unterfranken bis zur Neiße, ausgreifen), regnet es teils kräftig,
aber überwiegend ungewittrig. Der Grund dafür ist ein wellender Frontenzug, der
sich von Südwesten her in den Süden schiebt und von o.e. Leetief in der
Verlagerung gebremst wird. In der Folge hält vor allem über dem Süden und Osten
Bayerns der Regen bis weit in die zweite Nachthälfte an, während er in weiten
Teilen Baden-Württembergs von Nordwesten her zügig wieder nachlässt. Da der mit
der Front verbundene Regen vor allem im Allgäu und im Werdenfelser Land recht
früh einsetzt und dort, wie auch im übrigen Südostbayern, bis in die zweite
Nachthälfte anhält, ist vom Bodensee bis etwa zur Zugspitze auch Dauerregen
denkbar. Für den Südosten Bayerns sehen die Modelle ferner, auch abseits der
Gewitter, eine markante Windlage. Da sich das Tief zum Abend und in der ersten
Nachthälfte etwas auffüllt und nach Osten verlagert, vor allem aber, weil sich
vom Oberrhein her ein Bodenkeil nach Osten schiebt, wird eine Druckanstiegswette
simuliert. Diese nimmt ihren Ausgang am Abend wohl am Mangfallgebirge und in den
Chiemgauer Alpen und verlagert sich binnen weniger Stunden nach Nordosten zum
Bayerischen Wald. In dieser sind auch abseits von Gewittern durchaus Sturmböen
möglich. An die beschriebene, teils gewittrige Regenzone über dem Südosten
schließt sich ein Streifen "relativer Ruhe" von Rheinland-Pfalz bis nach
Brandenburg an (auch wenn selbst dort einzelne Schauer und Gewitter nicht
ausgeschlossen sind. In der Nordwesthälfte ist die Gewitterneigung dann wieder
größer. Dort macht sich der Höhentrog deutlicher bemerkbar, die Lapse-Rates sind
mit bis zu -0,65 K/100m höher als im Südosten, und die CAPE-Werte erreichen
flächiger 500-700 J/kg. Dennoch sind dort die Scherungswerte geringer, die
Gewitter heben auch eine höhere Verlagerungsgeschwindigkeit. Insgesamt erscheint
dort kleinerer Hagel möglich, ebenso wie stürmische Böen (Höhenwinde in 850 hPa
bis 28 kt) und Starkregen, wobei letzterer allenfalls lokal das Potential für
Unwetter hat.

In der Nacht zum Sonntag wird die Form des schottischen Tiefs etwas diffuser,
wobei es zwei Kerne ausbilden soll. Das Leetief wird mit einer südwestlichen
Strömung über Tschechien hinweg bis nach Zentralpolen geführt. Auf seiner
Rückseite verstärkt sich der o.e. Keil vorübergehend etwas, ihm folgt aber rasch
ein weiterer flacher Bodentrog nach. Dessen Achse erstreckt sich zum Morgen von
der Nordsee bis in die Pfalz, und da damit auch der Gradient anzieht, kommt es
im Nordwesten und Westen zu ersten Böen Bft 7. Im 500 hPa-Niveau greift in der
zweiten Nachthälfte der französische Kurzwellentrog auf den Westen über, während
sich im Bereich Westfrankreich/Biskaya ein weiterer kurzwelliger Trog
intensiviert. Der Kurzwellentrog über dem Westen sorgt über dem Norden und
Westen für ein teils nur sehr zögerliches Nachlassen der Gewitteraktivität.
Insbesondere im Nordseeumfeld simulieren ICON-D2 und ICON bis in die zweite
Nachthälfte hinein Gewitter. Vom Rheinland, der Eifel und der Saar bis an Oder
und Neiße kommt es nur vereinzelt zu Schauern oder kurzen Gewittern, meist
bleibt die Nacht in diesen Gebieten aber trocken. Im Südosten ziehen die
Regenfälle mit der Verlagerung des Tiefs und der mitteltroposphärisch auf West
bis Südwest drehend Strömung zunehmend ab. Allerdings bleiben die Niederschläge
in Nieder- und Oberbayern bis zum Morgen aktiv.

Sonntag... zieht der kurzwellige Troganteil aus dem Westen über das Land hinweg
zur Ostsee. Zum Abend greift dann von Westen her der Kurzwellentrog, der sich in
der Nacht über Westfrankreich intensivierte, auf den Westen über. Letzterer ist
zwar von seiner Ausdehnung her definitiv kurzwellig, er weist aber eine sehr
markante Form auf. Da auch der 300-hPa-Jet zunehmend nach Ost-Südost abgedrängt
wird und sich abschwächt, ferner die Luftmasse von West-Südwest her zunehmend
abtrocknet und auch, insbesondere über dem Nordwesten, die Lapse-Rates und damit
die Stabilität etwas ansteigen, beruhigt sich die Wettersituation insgesamt
etwas. Über dem Südosten bleibt jedoch die Scherung hoch, was eventuellen
Gewittern, die im äußersten Südosten noch denkbar sind, ein gewisses dynamischen
Potential verleiht (eventuell nochmals Starkregen, kleiner Hagel, Sturmböen).
Allerdings wird dort kaum noch CAPE simuliert, was auch der überwiegend dichten
Bewölkung und damit der mangelnden Einstrahlung geschuldet sein könnte. Außerdem
liegen die PPW-Werte im Südosten mit 27 mm etwa 10 mmm über den Werten des
Vortages. Auch im Küstenumfeld verliert die Luftmasse etwas an niederschlagbarem
Wasser, die entsprechenden Werte sind aber mit denen des Südostens vergleichbar.
Hier liegt der Fokus aber auf den Sturmböen. Über dem Nordwesten bleibt der
Gradient etwas angeschärft. Somit erreicht der Wind die Bft 7 nicht nur in
weiten Teilen der Norddeutschen Tiefebene, sondern auch im zentralen
Mittelgebirgsraum, wenngleich dort die Täler außen vor bleiben dürften. Dafür
ist in exponierten Lagen (Brocken, Inseln, Nordfriesland) auch mal die Bft 8 mit
von der Partie. Da sich das Schottland-Tief, das zu diesem Zeitpunkt eigentlich
schon ein Nordsee-Tief ist, zur nördlichen Nordsee verlagert und die Zone des
schärferen Gradienten im Schlepptau mit nach Norden zieht, lässt der Wind schon
im Laufe des Abends wieder nach. Der Wind reicht aber, um eventuellen Schauern
und Gewittern, die auch an den Küsten und im Nordwesten auftreten können, die
eine oder andere stürmische Böe oder Sturmböe aufzuprägen. Starkregen ist, da
die Gewitter doch einiges an "Zug" haben, wohl nicht das Thema. Für den
Nachmittag und Abend kristallisiert sich dann im Westen, in Verbindung mit dem
scharfen Kurzwellentrog ein neues Schauer- und Gewittergebiet heraus, dass auf
den Westen übergreifen soll. Dort sind dann, bei wieder zunehmender Labilität,
Starkregen und stürmischen Böen möglich.

In der Nacht zum Montag wird der scharfe Kurzwellentrog über dem Nordwesten
komplett abgebaut. In der Folge lassen dort auch die Hebungsimpulse nach und die
Gewitter fallen weitgehend zusammen. Allenfalls im unmittelbaren Küstenumfeld
kann es in der Nacht, mit diabatischer Unterstützung des warmen Wassers, noch zu
Schauern und Gewittern kommen, die aber kein großes Potential, nicht einmal für
Starkregen, aufweisen. Allenfalls eine stürmische Böe kann mal mit von der
Partie sein, da auf der offenen See und an den Küsten der Wind weiter frisch
weht. Dies ist auch eine Folge der weiteren, zwar sehr zögerlichen, aber dennoch
erkennbaren nordwärtigen Verlagerung des Nordseetiefs, wodurch der Gradient über
dem norddeutschen Binnenland weiter aufzieht mit entsprechendem Nachlassen des
Windes. Auch in der Mitte und im Süden fallen eventuelle Schauer und Gewitter
zusammen. Vor allem über dem Südosten kann es, wenn die Wolkendecke aufreißt,
Nebel geben.

Montag... und in der Nacht zum Dienstag bleibt der 500-hPa-Langwellentrog für
uns wetterbestimmend. Allerdings sind keine markanten, kurz oder langwelligen
Anteile mit entsprechend verstärktem Hebungspotential auszumachen. Über dem
Nordwesten lebt der Wind wieder auf, weil die weiterhin schwache Tendenz zu
einem Aufweichen des Gradienten von der tagesgangbedingten Konvektion
überkompensiert wird. Somit kommt es am Tage an den Küsten und vereinzelt auch
im Binnenland zu Böen Bft 7. Über dem Norden und der Mitte wird etwas CAPE
simuliert (bis 500 J/kg), außerdem wird die Luftmasse von Westen her wieder
etwas feuchter. Somit kann es in der Nordwesthälfte, wo CAPE, Feuchte und
Labilität zusammenfallen, markante Gewitter geben. Auch aus den Alpen heraus
sind Gewitter nicht ausgeschlossen, dann, durch hohe Scherungswerte, eventuell
organisiert mit Sturmböen, Hagel und Starkregen. Während sich die Gewitter im
Küstenumfeld, wie schon in der vorherigen Nacht, als recht zähe Burschen
erweisen, fallen eventuelle Gewitter im Süden wohl rasch wieder zusammen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage recht ähnlich.
Insbesondere bezüglich des heutigen Abends und der kommenden Nacht gibt es noch
unterschiedliche Auffassungen (Lage Leetief, regionale Verteilung der kräftigen
Regenfälle), wobei speziell GFS gegenüber ICON oder EZMW einen Sonderweg geht.
Diese Unterschiede wurden aber im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas