DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-07-2021 08:01
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrW

Heute allgemein Schauer, teils gewittrig, über dem Norden und Nordosten sowie
dem Süden erhöhtes Unwetterpotential. *

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... wird das Wettergeschehen in der Höhe (500 hPa) von einem
Langwellentrog über Westeuropa geprägt. Dieser erstreckt sich vom Nordmeer über
die Nordsee und Frankreich bis zur Iberischen Halbinsel und nach Nordwestafrika,
sodass wir auf seiner Vorderseite liegen. In den Höhentrog sind zwei recht
immobile, kleinräumige Höhentiefs eingelagert, wovon das südlichere im
Tagesverlauf vom Ostausgang des Ärmelkanals zur südlichen Nordsee zieht, das
nördlichere hingegen über der nördlichen Nordsee zu finden ist. Weitgehend
lotrecht unterhalb der Höhentiefs sind im Bodendruckfeld zwei ebenfalls
kleinräumige Tiefs auszumachen, die weitgehend der Bewegungsrichtung der
Höhentiefs folgen. Damit ist das Entwicklungspotential der Tiefs im
Bodendruckfeld limitiert, im Tagesverlauf lässt sich nur ein moderater Druckfall
über Nordwesteuropa ausmachen. Immerhin ist aber zu erkennen, dass sich im
Bodendruckfeld ein Trog etabliert, der zunehmend von der Nordsee her in Richtung
Westpolen ausgreift. Dieser Bodentrog korrespondiert mit einem kurzwelligen
Troganteil, der im Laufe des Tages von Nordfrankreich her in Richtung Benelux,
Westdeutschland und Ostfrankreich schwenkt. Die über Deutschland liegende
Luftmasse ist dabei weiterhin recht feucht, über dem Westen liegen die PPW-Werte
bei bis zu 30 mm, über dem Norden und Nordosten sowie dem Süden erreichen sie
bis knapp an die 40 mm. Dies sind auch die Gebiete, in denen sich im
Tagesverlauf die höchsten CAPE-Werte aufbauen. Laut ICON-EU sollen sie im
Südosten bis zu 800 J/kg betragen, im Nordosten dagegen bis zu 1500 J/kg. GFS
arbeitet die gleichen CAPE-Schwerpunkt heraus, wobei bei den Amerikanern über
dem Norden und Nordosten die CAPE-Werte kaum über 1000 J/kg steigen. Da über dem
Norden und Nordosten zusätzlich der Höhentrog eine diffluente Kontur aufweist
und die Lapse-Rates mit Werten unter -0,6 K/100m die Hebung unterstützen, ist
dort mit kräftigen Gewittern bis in den Unwetterbereich zu rechnen, wobei der
Schwerpunkt auf Starkregen liegt und sowohl Hagel als auch der Wind nur eine
Untergeordnete Rolle spielen. Letzteres lässt sich aus den Soundings ableiten,
die, wenn überhaupt, bodennah nur eine schwach ausgeprägte inverse V-Struktur
aufweisen. Dazu kommen "gedämpfte" Höhenwinde mit, grob gepeilt, etwa 10 kt in
850 hPa, nur über dem Nordwesten liegen diese mit etwa 15 kt etwas höher. Über
dem Südosten zeigen die Lapse-Rates ähnliche Werte wie über dem Nordosten,
allerdings ist über dem gesamten Süden die (Richtungs-)Scherung etwas besser
ausgeprägt als über dem Norden und Nordosten, so dass dort der Organisationsgrad
der Gewitter ausgeprägter sein dürfte. In der Folge sind dort die
Hagelwahrscheinlichkeit sowie die Wahrscheinlichkeit für (schwere) Sturmböen
etwas erhöht. In den übrigen Gebieten sind die genannten Gewitterparameter
schwächer ausgebildet. Damit sind Gewitter zwar nicht ausgeschlossen, sie
sollten aber seltener auftreten und meist schwächer ausfallen. Die genannten
Gewitterschwerpunkte lassen sich auch in den Ensembles von ICON-D2 erkennen. Die
Wahrscheinlichkeiten für 6-stündigen Starkregen über 20 l/m² liegen über dem
Nordosten, über Baden-Württemberg und am Alpenrand lokal bei über 70%,
diejenigen für Starkregen über 35 l/m² im gleichen Zeitraum und in den gleichen
Regionen bei über 40 %. Bei ICON-EU sind die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten
nahe null, was auch für die 12-stündigen Wahrscheinlichkeiten für mehr als 35
l/m² bei EZMW und ICON-EU gilt. Letzteres kann aber nicht über das erhöhte
Unwetterpotential im Norden und Süden hinwegtäuschen, wobei die Regenmengen
punktuell auch in den extremen Bereich gehen könnten, was dann mehr als 40 l/m²
in einer Stunde entspricht. Der Wettercharakter ist insgesamt ein freundlicher,
bei 850er Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad liegen die Höchstwerte in einem
Bereich zwischen etwa 24 Grad in den westlichen Hochlagen und bis zu 31 Grad im
Osten.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der kurzwellige Troganteil bis in den
Nordosten durch, der ihm vorlaufende Bodentrog erreicht die westliche Ostsee.
Ein weiterer kurzwelliger Troganteil liegt über Frankreich, zwischen den beiden
zeigen sich, beispielsweise in den Omega-Feldern, keine nennenswerten
Hebungssignale. Die Gewitter fallen dabei laut ICON-EU oder auch IFS teils nur
zögerlich zusammen, was dem bis in die zweite Nachthälfte über dem Nordosten
weiter vorhandenen Hebungsantrieb des Kurzwellentroges geschuldet sein könnte.
Dagegen simuliert GFS ein schnelles Nachlassen der Gewittertätigkeit. Danach ist
es insbesondere über dem Nordwesten teils dichter bewölkt, in den übrigen
Gebieten dagegen wechselnd oder gering bewölkt, so dass sich lokal Nebel bilden
kann. Die Minima liegen im Süden teils nur knapp über 10 Grad, an Oder und Neiße
dagegen bei bis zu 19 Grad.


Dienstag... bleibt der westeuropäische Langwellentrog im 500-hPa-Niveau das
dominierende Geopotentialgebilde, wobei die recht kleinräumigen Höhentiefs kaum
mehr erkennbar ist. Geprägt wird das Geschehen in der Höhe nunmehr von einem
kräftigen Höhentief, das im Tagesverlauf südlich von Island nach Südosten
vorankommt. Der aus der Nacht heraus erkennbare, sehr schwach ausgeprägte
kurzwellige Troganteil wird im Laufe des Tages von Südwest nach Nordost über
Deutschland hinweggeschoben, zum Abend erreicht er die Ostsee, während zu diesem
Zeitpunkt sein etwas prägnanterer Vorgänger, der ja ausgangs der Nacht schon
über dem Nordosten zu finden war, schon die Ostsee erreicht hat. Dazu kommt als
dritter Protagonist ein markanter Troganteil (den man durchaus auch als DEN
Langwellentrog bezeichnen kann), der zum Abend über Zentralfrankreich landet.
Die Höhenströmung bleibt diffluent, während das Bodendruckfeld über Deutschland
weiterhin keinen kräftigen Gardienten ausbildet, es ja ist schon vermessen,
überhaupt das Wort Gradient in den Mund zu nehmen. Was nicht heißt, dass der
Wind nicht mitunter böig auffrischt. Da die Höhenwinde etwas zunehmen (Norden
und Mitte 15 bis 20 kt) kann der Höhenwind in Verbindung mit Konvektion
heruntergemischt werden. Für Windwarnungen reicht das aber nicht. Über
Nordwesteuropa und von dort in den Ostseeraum ausgreifend zeigt sich eine
Tiefdruckamöbe mit mehreren flachen Kernen, wovon einer zum Abend seinen Weg
nach Schottland findet. Für eine gewisse Dämpfung der Hebung sorgt ein flacher
Rücken in 850 hPa, der sich von Südosten hereinschiebt. Die Luftmasse hat bei
Weitem nicht mehr das Unwetterpotential des heutigen Tages. Die höchsten
PPW-Werte liegen um die 30 mm, wobei diese Werte aus dem Nordosten
herausgeschoben werden, während sie im Westen und Südwesten im Tagesverlauf
wieder auf dieses Niveau ansteigen. Dazwischen findet sich ein großes Gebiet, in
dem die PPW-Werte unter 30 und die Werte der spezifischen Feuchte unter 10 g/kg
liegen. Über Vorpommern liegen die CAPE-Werte laut ICON-EU um die Mittagszeit
nochmal bei etwa 800 J/kg, wobei diese im weiteren Tagesverlauf mit dem
Einsickern trockenerer Luft sinken. Im Westen erreichen die CAPE-Werte im
Maximum 300 J/kg, dort wie auch im Südwesten kann die zum Abend übergreifende
Hebung, die dem Frankreichtrog geschuldet ist, aber für kräftigere Umlagerungen
sorgen. In der Gesamtschau sollten sich im Tagesverlauf wieder verbreitet
Gewitter bilden, die zumeist aber nicht das Potential der heutigen Gewitter
besitzen. Gewitterschwerpunkte sind wohl der Alpenrand, die Gebiete zwischen
Hochrhein und Nordsee sowie, mit im Tagesverlauf nachlassender Intensität, der
Nordosten. Diese Schwerpunkte arbeitet auch ICON-D2-EPS heraus, wobei die
Wahrscheinlichkeiten für mehr als 20 l/m² in 6 Stunden mit bis zu etwa 40%
deutlich niedriger liegen als noch heute, was auch (Wahrscheinlichkeiten von
maximal etwa 30%) für die Wahrscheinlichkeiten von mehr als 35 l/m² in 6 Stunden
gilt. Die 850er Temperaturen gehen auf 9 bis 14 Grad zurück, was nur noch
Höchstwerte von 23 bis 29 Grad erwarten lässt.

In der Nacht zum Mittwoch greift von Westen her der Frankreichtrog auf den
äußersten Westen über. In seinem Vorfeld verlagern sich die Hebungsgebiete aus
dem Westen bis in die Mitte und den Norden Deutschlands. Die Gewittertätigkeit
lässt dabei nach, während die Niederschlagsgebiete zusammenlaufen und der
Niederschlag eher einen länger anhaltenden, konvektiv durchsetzten Charakter
annimmt. Über dem Süden, wo die Scherung eine bessere Organisation der Gewitter
ermöglicht, können die Gewitter auch bis weit in die zweite Nachthälfte anhalten
und dann weiterhin für Starkregen, auch für unwetterartigen Starkregen sorgen.
Lokal kann sich erneut Nebel bilden.


Mittwoch... und in der Nacht zum Donnerstag dreht sich das markante Höhentief
über den Britischen Inseln ein, am Donnerstagmorgen soll es dann eine Position
über der zentralen Nordsee einnehmen. Der zugehörige Langwellentrog flacht in
seinem Südteil ab, so dass sich seine Amplitude deutlich verringert. Damit dreht
die Höhenströmung auf West-Südwest, was auch für die bodennahe Strömung gilt. Da
auf der Vorderseite der Druck sinkt, erreicht das mit dem Höhentief
korrespondierende Bodentief auf unter 1000 hPa. Jetzt lohnt es sich, von
Gradient zu sprechen, denn dieser zieht in der Folge über dem Norden deutlich
an. An der Küste sind dann steife, bei südwestlicher Anströmung und großem
Fetsch in der Nacht zum Donnerstag an der nordfriesischen Küste auch stürmische
Böen möglich. Auf dem Brocken können Sturmböen auftreten. Während in den Westen
und die Mitte trockenere und stabiler geschichtete Luftmassen einsickern,
bleiben über dem Norden und Süden sehr feuchte (PPW-Werte bis 30 mm) und labil
geschichtete (Lapse-Rates kleiner -0,6 K/100m) Luftmassen erhalten. Entsprechend
kann man schließen, dass die Luftmasse wieder Unwettergewitter hergibt. Aber
durch den kräftigen Zug und die entsprechend hohe Verlagerungsgeschwindigkeit
wird es im Norden wohl nicht für Unwetter-Starkregen reichen, und der Höhenwind
dort reicht trotz 35 kt in 850 hPa nur für (schwere) Sturmböen. Somit bleiben am
Mittwoch die Unwetter-Gewitter wohl auf den Süden beschränkt. Das Zurückdrehen
der Strömung sorgt für den Zustrom kühlerer Luft, die 850er Temperaturen liegen
am Donnerstagfrüh im Nordwesten bei 6 und im Südosten bei 13 Grad, die
Höchstwerte werden bei 22 bis 28 Grad verdrahtet.

Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt prognostizieren die Modelle ähnlich, insbesondere auch, was die
Schwerpunkte der Gewittertätigkeit angeht. Einige Detailunterschiede wurden im
Text angesprochen. Diese betreffen - wie immer - speziell die genaue Verteilung
der Niederschläge.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas