DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-07-2021 08:01
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 24.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL TrW

Heute vom Südwesten bis zur Mitte sowie im Voralpenbereich erhöhtes
Unwetterpotential. Sonntag gebietsweise Unwetter durch Starkregen. Südlich der
Donau auch bis hin zu orkanartigen Böen und großer Hagel. Montag Fokus Unwetter
im Norden, Nordosten sowie erneut im Voralpenbereich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... befindet sich der Vorhersageraum auf der diffluenten Vorderseite
eines kräftigen Höhentiefs, dessen Zentrum noch über der Bretagne liegt und nur
langsam ostwärts vorankommt. Infolge der daraus resultierenden Hebungsprozesse
hat sich über Frankreich in der Nacht ein größeres mesoskaliges
Niederschlagsgebiet mit eingelagerte Gewittern auf seiner Vorderseite
entwickelt. Dieses wird auch von den Modellen recht gut simuliert.

In den Bodendaten lässt sich ein größeres Feld mit erhöhten Feuchtewerten über
Ostfrankreich finden, das nun langsam in den Südwesten von Deutschland gedrückt
wird. Dieser Prozess wird bis zu den Mittagsstunden voranschritten, wie man auch
gut den 6h Feuchtetendenzen entnehmen kann. Dort zeigt sich im Westen und
Südwesten ausgreifend bis zur Mitte ein deutlicher Anstieg. Damit in Verbindung
stehen auch die Reste des mesoskaligen Niederschlagsgebietes, dass im Laufe des
Vormittages immer langsamer nordostwärts vorankommt. Eingelagert kann es dabei
immer mal wieder kurz Gewitter geben und es kann markanter Starkregen auftreten.


Mit dem Niederschlagsgebiet wird der Atmosphäre zunächst einmal Energie entzogen
und lässt sich gut an der deutlichen Abnahme der Labilität bis zum Mittag
erkennen (Lapse Rate Tendenzfeld).

Für den Nachmittag zeigen sich dann drei verschiedene Schwerpunkte. Da sind zum
einen die Reste des MCS. Diese sollten durch die Verlagerung in den diffluenten
Höhenbereich auseinandergezogen werden und als Ergebnis bleibt eine
Bodenkonvergenz zurück, die sich in zonaler Richtung vom nördlichen NRW bis nach
Sachsen-Anhalt erstreckt. Entlang dieser wird es im Laufe des Nachmittags wieder
verstärkt zünden. Während die dichten Wolken nach Westen ehr dämpfend wirken und
nach Osten die bodennahen Luftmassen etwas zu trocken ist, kristallisierst sich
ein "Sweet-Spot" heraus, der sich von Westfalen bis nach Nordhessen und
Südniedersachsen erstreckt. Dort werden die stärksten Signale für Gewitter
prognostiziert. Hagel und Wind spielen aufgrund des Mangels an Scherung und CAPE
eine eher untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht der Starkregen. Da sich die
Gewitter entlang der Konvergenz in der unteren Troposphäre entwickelt und diese
sich kaum fortbewegt, besteht die Möglichkeit länger anhaltender Gewitter und
Starkniederschläge. Darauf springt unter anderem auch das ICON-D2 EPS mit einem
Maximum an, das bei den Wahrscheinlichkeiten bis örtlich in den extremen
Unwetterbereich über 60 l/m² reicht. Im Wesentlichen sollten aber die
Unwetterwarnungen reichen, zudem ist nicht mit einem flächigen Auftreten sondern
lokalen Maxima zu rechnen.

Der zweite Schwerpunkt, der erst ab dem Abend interessant wird, ist an einen
markanten Kurzwellentrog in der oberen Troposphäre (z.B. 300 hPa) gekoppelt.
Dieser schiebt sich von Frankreich kommend nord/nordostwärts in den Südwesten
von Deutschland (RLP, NW BaWü). Die Lapse Rates zeigen nach Abzug der
Niederschläge und dichten Bewölkung am Nachmittag einen Wideranstieg und damit
eine gewisse Erholung der Luftmasse. Die bodennahe Feuchte geht zwar auch
zurück, mit der Zunahme der Labilität reicht es aber für 500 bis 700 J/kg. Durch
den Antrieb mit dem Kurzwellentrog gibt es einen Hebungsantrieb, der für eine
verbreitet linear orientierte Konvektion spricht. Das heißt Gewitter können sich
entlang einer Linie entwickeln. Es wird aber keine durchgehende Linie sein. Bei
ppw-Werten um 30 mm steht natürlich wieder der Starkregen auf dem Zettel, der
lokal bis in den Unwetterbereich geht. Erschwerend kommt aber noch hinzu, dass
die Scherung in diesem Bereich deutlich erhöht ist. ICON-D2 macht in der Spitze
Werte von 22 m/s zwischen 0 und 6 km. Damit sind besser organisierte Zellen bis
hin zu Superzellen mit größerem Hagel und (schweren) Sturmböen im Bereich des
Möglichen.
Hinweise auf die Entwicklung von Superzellen gibt es auch von verschiedenen
hochauflösenden Modellen. Einzelne Member zeigen zudem linienartige Elemente mit
Bogenstrukturen, was das Windpotential noch erhöhen würde. Die Gewitter breiten
sich nordostwärts aus und schwächen sich nachfolgend in den Nachtstunden ab.

Der dritte Schwerpunkt ist aus den Alpen heraus zu finden. Dort können sich in
den Nachmittagsstunden erste kräftige Gewitter entwickeln. Etwas fraglich ist
noch, ob es nicht vielleicht doch etwas länger dauert, infolge der
vormittäglichen Konvektion. Die Bodenwinde sollen im Tagesverlauf wieder auf
östliche Richtungen zurückdrehen. Ein klassisches Setup für die Voralpenregion.
Die Gewitter können von erhöhter Scherung profitieren (DLS: 15 bis 20 m/s, in
BaWü auch über 20 m/s). Es sind entsprechend auch hier Superzellen möglich, die
größeren Hagel und Sturmböen bringen können. In den späteren Abendstunden können
sich die Gewitter dann zu einem größeren Gewittercluster vereinigen, mit dem
Schwerpunkt dann auch Starkregen bis in den Unwetterbereich. Zudem gibt es
einige Modellösungen, die am späteren Abend bis in die Nacht hinein einen
größeren Cluster aus den Schweizer Alpen heraus entwickeln und diesen dann über
die Südosthälfte von BaWü bis nach Bayern schiebt.

Bei all den drei beschriebenen Schwerpunkten gibt es im Detail noch größere
Unterschiede. Im Prinzip lassen sich diese aber in nahezu allen Modellen
wiederfinden und diese sind ja auch an gewisse Antriebe gekoppelt, sodass sie
als recht realistisch einzustufen sind.

Sonntag... liegt das Höhentief nahezu ortsfest über dem Ärmelkanal. Deutschland
liegt auf seiner Vorderseite im Bereich feuchtwarmer Luftmassen, wobei die
richtig feuchte Luft mit den höchsten ppw-Werten sich in den Osten und Südosten
verlagert. Dies ist auch gut in den Feuchtetendenzen zu erkennen. Die Trogachse
aus der Nacht zieht zunächst nordwärts ab. Am Nachmittag/Abend wird ein neuer
kurwelliger Anteil von Südwesten gerechnet.

Zunächst wird man noch mit den Konvektionsresten aus der Nacht zu kämpfen haben,
die weiterhin auch Starkregen bringen können. Im Tagesverlauf wird über allen
Teilen von Deutschland CAPE vorhergesagt. Ein gewisses Minimum an Konvektion
kann von Niedersachsen bis nach MeckPomm erwartet werden. Das zeigt sich zum
Beispiel gut am Median des ICON-D2 EPS. Ansonsten werden in vielen Landsteilen
Konvektionsmaxima gerechnet, wobei die ppw-Werte weiterhin Starkregen bis in den
Unwetterbereich hergeben. Wo genau ist allerdings noch schwer zu
prognostizieren. Ein Schwerpunkt lässt sich dann aber doch finden und da ist der
Südosten und dort bevorzugt der Voralpenbereich. Dort werden erhöhte Scherwerte
um 15 m/s erwartet, die mit CAPE-Werte um 2000 J/kg überlappen können.
Auslösender Faktor ist der Kurzwellentrog in Verbindung mit der Orographie.
ICON-D2 EPS simuliert bis zum Abend 6 h Niederschlagsmengen bis in den extremen
Unwetterbereich südlich der Donau. Immerhin liegen die Wahrscheinlichkeiten
dafür bei bis zu 50%. Zudem muss mit größeren Hagel und örtlich schweren Sturm
gerechnet werden. Die Wahrscheinlichkeiten des ICON-D2 EPS reichen sogar bis in
den Orkanbereich. Das von einzelnen Lösungen auch bogenförmige Strukturen
gezeigt werden, ist dies nicht ausgeschlossen.
Ob es wirklich so stark wird bleibt abzuwarten. Andere Lokalmodellen zeigen zwar
auch mehr Wind, aber nicht in der Ausprägung. Unsicher ist auch, wie weit dieser
angesprochene Bereich nordwärts ausgreift. SuperHD zeigt diesen ausgreifend bis
zum Vogtland, was derzeit eher unrealistisch erscheint.

In der Nacht auf Montag gibt es weiter konvektive Niederschläge, vor allem in
Verbindung mit den nordostwärts sich verlagernden KW-Trog. Die Intensität wird
aber immer mehr abnehmen und die Unwettergefahr lässt nach.

Montag... liegt das Höhentief über der südlichen Nordsee und Deutschland weiter
aus seiner Vorderseite. Entscheidend ist der eingelagerte Kurzwellentrog, der
sich langsam nordostwärts schiebt. Auf seiner Vorderseite ist die höchste
Grenzschichtfeuchte simuliert. In Kombination mit der Labilität werden von ICON
über dem Norden und Nordosten CAPE-Werte zwischen 1000 und 1500 J/kg simuliert.
Die Feuchteanreicherung ist auch mit der bodennahen Strömung zu erklären. So
zeigt sich eine in die rinnenförmige Struktur im Bodendruckfeld eingelagerte
zonal orientierte Konvergenzzone. Dies wird dann auch der Fokus für den Tag
sein. Aufgrund nur eher geringer Scherung, kann zwar mal Hagel um 2cm auftreten,
viel mehr aber wohl nicht. Ach der Wind sollte eher nicht im Mittelpunkt stehen.
Dafür aber einmal mehr der unwetterartige Starkregen. Die ppw-Werte sind
ziemlich hoch mit Werten bis 35 mm.

Ein zweiter Fokus liegt noch auf dem Voralpenbereich. Dort können die Scherwerte
bis 15 m/s (DLS) reichen und mit einem gewissen Feuchtemaximum werden 500 bis
700 J/kg erwartet. In diesem Bereich kann es also wieder ein paar besser
organisierte Zellen mit Starkregen, größerem Hagel und Sturmböen geben.

Im Rest des Landes gibt es wohl nur vereinzelt Gewitter mit örtlichem
Starkregen, Unwetter nicht komplett ausgeschlossen.

In der Nacht auf Dienstag fallen die Gewitter relativ rasch wieder zusammen.
Abgesehen von Nebel sind dann keine Warnungen mehr notwendig.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Großwetterlage wird im Kurzfristbereich soweit konsistent prognostiziert.
Auch lassen sich für die einzelnen Tage die Schwerpunkte recht gut
herausarbeiten.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer