DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-07-2021 07:30
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 17.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang TM zu HB
An den Alpen bis in die Nacht zum Montag hinein unwetterartiger Dauerregen,
teils gewittrig durchsetzt. Ansonsten heute im Südosten und Osten erneut
Gewitter, Unwettergefahr durch heftigen Starkregen. Extreme Regenmengen im
Erzgebirgsraum und in der Lausitz wenig wahrscheinlich, aber nicht
ausgeschlossen. Ansonsten weitgehende Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... gelangt Deutschland unter den Einfluss eines Höhenkeils. Dieser Keil
ist Bestandteil eines Höhenrückens, der sich von Nordwestafrika in die Biskaya
erstreckt und einen weiteren, in den mittleren Nordatlantik gerichteten Keil
aufweist. In der vom Raum Island über Mittelskandinavien zum nördlichen Ural
verlaufenden Frontalzone greift ein Trog auf das Nordmeer über, der vorerst in
unser Wettergeschehen noch nicht eingreifen kann. Das bisher wetterbestimmende
Höhentief zieht zur mittleren Adria ab. Ein von diesem Höhentief ausgehender
Trog schwenkt zur Ungarischen Tiefebene, vorderseitige Hebung erfasst heute noch
einmal den Osten und Südosten Deutschlands. In diesen Gebieten hält sich noch
feuchtlabile Luft (mit CAPE bis über 1000 J/kg und einem Gehalt an
niederschlagbarem Wasser zwischen 35 und 45(!) mm). Die Luftmasse ist vor allem
im Osten hochreichend durchfeuchtet, wodurch der vertikale Temperaturgradient
geringer ist und die Lapse rate nicht auf die Labilität anspricht und diese
vielmehr anhand des KO-Indexes sichtbar wird. Demzufolge entwickeln sich in
diesen Gebieten erneut Gewitter, wobei im Stau des Erzgebirges ein zusätzlicher
Hebungsantrieb durch die Orografie geliefert wird. Dort werden sogar Signale für
extreme Niederschlagssummen, teils auch durch mehrstündigen gewittrigen
Starkregen, geboten. Dies wird aber nur von ICON-D2(EPS) und zum Teil von EURO4
gestützt, andere hochauflösende Modelle sprechen nicht darauf an. Daher drängt
sich eine Unwetter-Vorabinformation für diese Gebiete nicht auf.
Am Alpenrand ist die Schichtung inzwischen derartig stabil, so dass es sich dort
heute um ein klassisches Dauerregenereignis handeln sollte, das, wenngleich noch
nicht begonnen und später durchaus mit Unterbrechungen, bis in die Nacht zum
Montag hinein andauert und vor allem am östlichen Alpenrand zu mehr als 100 mm
(an den Berchtesgadener Alpen durchaus um 150 mm) Niederschlag führen kann. Im
Allgäu setzt mit Gewittern durchsetzter Starkregen ein, was per Nowcasting
abzuwarnen wäre. Auch im Laufe des Sonntags kann der Dauerregen am Alpenrand
auch konvektiv durchsetzt mit eingelagerten Gewittern sein.
Insgesamt setzt sich sonst aber mehr und mehr antizyklonaler Einfluss durch, was
auf ein ausgedehntes Bodenhoch mit Schwerpunkt über den Britischen Inseln
zurückzuführen ist. Ausgehend von diesem Hoch weitet sich ein Keil nach
Norddeutschland aus. Zwischen diesem Keil und tiefem Luftdruck über Südosteuropa
kommt eine nordwestliche bis nördliche bodennahe Windkomponente zustande. Dies
lässt an der Nordsee und vielleicht auch etwas bis ins nordfriesische Binnenland
hinein Windböen aufkommen. Antizyklonal ausfließende trockenere Luft setzt sich
im Norden, Westen und in Teilen der Mitte durch. In diesen Gebieten sind daher
größere Auflockerungen und auch längere sonnige Abschnitte zu erwarten.
Allerdings wird durch diese Anströmung der Stau am Erzgebirge und an den Alpen
verstärkt, was die dort simulierten, zum Teil extremen Niederschlagssummen
erklärt.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 23 bis 28, an der Nordsee und im höheren
Bergland sowie in Alpennähe nur Werte um 20 Grad.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der in der Frontalzone eingelagerte Trog vom
Nordmeer nach Skandinavien und weitet sich dabei ein wenig nach Süden aus.
Hierdurch stellt sich über dem Norden Deutschlands eine zyklonale Westströmung
ein. Der über Deutschland liegende Höhenkeil schwächt sich hierdurch ab, kann
aber den von dem Hoch über den Britischen Inseln ausgehenden breiten
Bodenhochkeil weiterhin stützen. Dies lässt das antizyklonale Ausfließen
andauern. Der kräftigste Gradient verlagert sich dann etwas nach Osten, so dass
nunmehr an der Ostseeküste Windböen bis Bft 7 auftreten können.
Mit der nordwestlichen bis nördlichen bodennahen Strömung setzt sich dann auch
über die Mittelgebirgsschwelle hinweg trockenere und stabilere Luft durch. Die
Gewittertätigkeit sollte hierdurch im Erzgebirgsraum und in der Lausitz in der
ersten Nachthälfte zum Erliegen kommen, wobei bis dahin nach wie vor
unwetterartige Entwicklungen (vor allem durch heftigen Starkregen) vorstellbar
sind. An den Alpen dauert hingegen die oben beschriebene Dauerregenlage
unverändert an. Ansonsten dürfte es verbreitet aufklaren, wobei aufgrund des
Gradienten die Nebelneigung gering ist.

Sonntag... schwenkt der über Skandinavien liegende Trog unter weiterer leichter
Ausweitung nach Süden in die Ostsee, was die Strömung über dem Norden
Deutschlands zyklonaler werden lässt. Der von dem Bodenhoch über den Britischen
Inseln ausgehende und über Deutschland liegende Bodenhochkeil wird dann nicht
mehr durch einen Höhenkeil, sondern vielmehr durch Kaltluftadvektion gestützt.
Eine dem Trog vorgelagerte schwache Kaltfront greift später am Tag auf die Küste
über, gelangt aber unter antizyklonalen Einfluss, so dass sich deren
Wetterwirksamkeit auf ein leichtes Auffrischen des Windes (auch im küstennahen
Binnenland vor allem der Ostsee mit einzelnen Böen bis Bft 7), mehrschichtige
Bewölkung und geringe Niederschläge beschränkt.
Abgesehen vom Alpenrand, wo (staubedingt und nicht mehr aus der Dynamik
resultierend) vor allem nach Osten hin noch länger andauernde (und im
tagesverlauf möglicherweise noch einmal leicht konvektiv durchsetzte)
Niederschläge zu erwarten sind, setzt sich Absinken durch. Während auf den
Nordwesten und Norden Wolkenfelder übergreifen und sich auch im Südosten noch
mehrschichtige Bewölkung hält, sind ansonsten größere Auflockerungen, im Westen
und Südwesten auch längere sonnige Abschnitte zu erwarten. Die
Tageshöchsttemperaturen ändern sich gegenüber heute nur unwesentlich.

In der Nacht zum Montag schwenkt der nördliche Teil des über Skandinavien
liegenden Troges nach Karelien, dessen südlicher Teil hängt von Südschweden in
die Nordsee gerichtet zurück. Dank dieser Konstellation arbeitet sich die
stabile aktive Kaltfront vom Küstenraum bis etwa zu den Mittelgebirgen vor, ohne
nennenswert wetterwirksam zu sein. Vielleicht reicht es im Stau des Erzgebirges
für ein paar Millimeter Niederschlag.
An den Alpen lassen die Niederschläge nach, so dass spätestens ab Mitternacht
(sehr wahrscheinlich bereits ab dem Abend) die dort aktive Dauerregenwarnung
aufgehoben werden kann. Ansonsten dauert das Absinken im Bereich des
Bodenhochkeils an. Vor allem südlich der Mittelgebirge klart es auf, wobei die
Nebelneigung gering bleibt.

Montag... schwenkt der "zurückhängende" Teil des über Skandinavien liegenden
Haupttroges nach Deutschland. Dieser Teiltrog ist vor allem in höheren
Troposphärenschichten markant ausgeprägt und liefert auch entsprechende
dynamische Antriebe. Dies dürfte für den Süden und Südosten Deutschlands
interessant werden. Die dort eingeflossene, gegenüber der bisherigen Luft eher
gemäßigte Luftmasse weist immerhin einen Flüssigwassergehalt um 25 mm auf; auch
etwas CAPE (bis 500 J/kg) wird generiert, so dass im Tagesverlauf durchaus
Gewitter ausgelöst werden können. Am wahrscheinlichsten sind diese im Südosten
und dort vor allem zum Bayerischen Wald hin. Dabei besteht die Gefahr von
Starkregen und stürmischen Böen, die Unwettergefahr ist jedoch gering.
Im Trogbereich selbst sollte es kaum zu konvektiven Umlagerungen kommen. Diese
werden nach wie vor durch den mit seiner breiten Achse etwa über der Mitte
Deutschlands liegenden Bodenhochkeil unterbunden. Im Bereich dieses Keils ist
eine Absinkinversion zwischen 700 und 800 hPa zu finden, die wohl nicht
durchstoßen werden kann.
Bevor die Konvektion in Gang kommt, ergeben sich vor allem südlich der
Mittelgebirge längere sonnige Abschnitte. Dies lässt die Temperatur noch einmal
auf 24 bis 28 Grad steigen, wogegen sonst 18 bis 23 Grad zu erwarten sind.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der über Deutschland liegende Trog
südostwärts. Von Westeuropa bis nach Island reichend hat sich währenddessen ein
Höhenkeil etabliert. Somit ergibt sich über Mitteleuropa eine nordwestliche bis
nördliche Strömung. Mit dieser setzt sich die kühlere, stabile und trockenere
Luft bis ins Alpenvorland durch, wogegen sich unmittelbar an den Alpen noch
Reste der vorherigen, aber immerhin bereits gemäßigten Luftmasse halten.
Allerdings ist auch dort durch Entrainmentprozesse trockenere Luft untergemischt
worden, so dass der Flüssigwassergehalt nur noch wenig über 20 mm liegt und ein
erneutes Aufleben der Niederschläge eher unwahrscheinlich ist. Großräumiges
Absinken lässt den Himmel aufklaren. Vor allem im Nordwesten und Westen, aber
deutlich abseits der Küste sowie im Bergland sind dann einstellige
Temperaturminima zu erwarten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebe Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Auf die Unsicherheiten hinsichtlich der Niederschläge im
Erzgebirgsraum und in der Lausitz ist bereits weiter oben hingewiesen worden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann