DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-07-2021 08:01
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 13.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TM

In der Südosthälfte schwere Gewitter, dabei heftiger Starkregen, orkanartige
Böen und größerer Hagel möglich. Extremes Unwetter durch extrem heftigem
Starkregen zumindest lokal wahrscheinlich. Im Westen und Südwesten mit
Unterbrechungen bis in den Donnerstag anhaltend Dauerregen, gebietsweise mit
Regenmengen über 100 l/qm.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... wird das Wetter in Deutschland von einem Langwellentrog in 500 hPa
bestimmt, der sich vom Nordmeer über die Britischen Inseln und die Nordsee bis
nach Nordafrika erstreckt. In seinen südlichen Bereich ist ein kräftiges,
abgeschlossenes Höhentief eingelagert. Es ist aktuell etwa über dem
Zentralmassiv positioniert und verlagert sich bis zum Abend zu den Seealpen. Auf
seiner Ostflanke herrscht ein zyklonal geprägte, stark diffluente, meist
südliche Höhenströmung vor, die insbesondere die Südosthälfte unseres Landes
beeinflusst. Im Bodendruckfeld ist eine flache Tiefdruckrinne zu erkennen, die
sich von Norditalien über den östlichen Alpenraum bis nach Norddeutschland
erstreckt. Diese Rinne verlagert sich im Tagesverlauf etwas nach Osten,
verbleibt aber insgesamt hebungsgünstig auf der Vorderseite des
Langwellentroges. Für die Südosthälfte bedeutet dies das Vorherrschen von extrem
feuchter und labil geschichteter Luft. Die 850er Temperaturen im Bereich des
Inns liegen bei über 30 Grad, während dort die Temperaturen in 500 hPa um -11
Grad liegen, was allein aus der thermischen Schichtung Gewitter wahrscheinlich
erscheinen lässt. Ein Blick auf die weiteren gewitteraffinen Parameter zeigt
über dem Südosten PPW-Werte von teils über 40 mm, CAPE_ML-Werte von über 1500
J/kg und die schon angesprochene hohe Labilität (Lapse-Rates um -0,7 K/100m),
wobei die Modelle sich diesbezüglich recht einig sind. Dazu herrschen zwar keine
exorbitanten, aber mit bis zu 20 m/s im Deep-Layer doch zumindest nicht
vernachlässigbare Scherungswerte vor. Da zudem die Auslösetemperaturen, die dort
in einem Bereich von 17 bis 22 Grad liegen, problemlos erreicht werden, spricht
im Grunde nichts gegen die Entwicklung schwerer Gewitter bis in den
Unwetterbereich in der Südosthälfte, zumal die vorhandene Deckelung die
Gewitterbildung nicht wird unterbinden können. Die Gewitter sollen entsprechend
im Tagesverlauf aus den Alpen und aus der Schweiz heraus entstehen und am Abend
Mitteldeutschland erreichen. Die sogenannten Begleiterscheinungen können
(extrem) heftiger Starkregen, Böen bis in den orkanartigen Bereich und größerer
Hagel sein. Vorderseitig der Gewitter, an Oder und Neiße, macht sich noch ein
Höhenrücken bemerkbar, dessen Achse aber schon den Westen Russlands erreicht
hat. Dennoch reicht seine Kraft, um dort wirkungsvoll mögliche Hebung zu
verhindern. Entsprechend zeigt sich dort oft bzw. langanhaltend die Sonne, die
die Temperaturen auch auf bis zu 32 Grad steigen lässt. Im Norden ist es
verbreitet wechselhaft, hier und da gibt es einen Schauer. Problematischer die
Lage wiederum in Westen und Südwesten. Dort kommt es zu länger anhaltenden und
kräftigen Regenfällen. Der Grund hierfür ist u.a. eine Gegenstromlage, die die
oft nördliche oder westliche Bodenströmung auf der Rückseite der Tiefdruckrinne
zusammen mit der o.e. Höhenströmung bildet. Niederschlagsbegünstigend wirkt,
dass es im Bereich der westlichen Mittelgebirge zu Staueffekten kommt.
Letztendlich zeigen die Ensembles (EZMW, ICON, COSMO-LEPS bis zum Mittwochmorgen
Wahrscheinlichkeiten von bis zu 50% für Niederschlagsmengen von mehr als 30
l/qm, wobei ICON im Gegensatz zu EZMW diese Signale großflächiger anbietet. Bei
COSMO-LEPS wird ein weiterer Niederschlagsschwerpunkt mit ähnlichen
Wahrscheinlichkeiten herausgearbeitet, der sich von Nordbayern über Thüringen
und Hessen bis nach Ostwestfalen erstreckt. Dieser dürfte einem...

in der Nacht zum Mittwoch von Nordbayern nach Nordwesten ziehenden
Gewittercluster geschuldet sein, den z.B. ICON-D2 in seinen Prognosen anbietet.
Dieses Niederschlagsfeld ist an ein kleinräumiges Tief gekoppelt, welches in der
sich kaum verlagernden Rinne von Mitteldeutschland nach Nordwesten zieht. Da auf
der Westflanke durch die anhaltende Gegenstromlage die günstigsten
Hebungsbedingungen herrschen, lässt sich diese Argumentation nachvollziehen, sie
wird aber nicht von allen Modellen geteilt. So sehen der deterministische Lauf
von ICON-D2 ebenso wie EURO4 den Niederschlagsschwerpunkt eher von Sachsen bis
ins östliche Niedersachsen verlaufen. In kräftigeren konvektiven Umlagerungen
sind dann weiterhin einzelne Unwetterartige Entwicklungen nicht ausgeschlossen.
Unstrittig ist dagegen bei den Modellen die anhaltende Stau- und Regensituation
im Nordstau der Eifel mit Mengen über 40 l/qm in 12 Stunden. Hochauflösende
Modelle wie ICON-D2 oder EURO4 bringen es punktuell sogar auf Mengen von bis zu
100 l/qm. In der Höhe wandert das Höhentief von den Seealpen in Richtung
Südtirol, wobei seine räumliche Ausdehnung etwas eingedampft wird. Klare
kurzwellige Troge, die um das Höhentief herumgeführt werden, sind nicht zu
erkennen.


Mittwoch... steigt das Geopotential über der Nordsee, so dass sich das Höhentief
zusehends (oder noch weiter) abschnürt. Der Kern des Höhentiefs verlagert sich
über die Alpen hinweg nach Norden und erreicht zum Abend Franken. Durch das
Abschnüren über der Nordsee entwickelt sich ein kurzwelliger Troganteil am
Höhentief, dessen Achse vom Südosten Deutschlands zur Nordsee gerichtet ist. Auf
seiner Vorderseite wird der aus der Nacht heraus erwartete Gewittercluster unter
weiterem Hebungseinfluss etwas nach Westen geschoben und erreicht zum Abend den
Niederrhein und die Eifel. Da der Nordwesten Deutschlands (bei insgesamt
schwachem) dennoch den stärksten Druckfall aufweist, wandert auch das
kleinräumige Tief, und zwar von Ostniedersachsen etwa ins Münsterland. Ihm
stellt sich ein kräftiges Hoch über dem Atlantik entgegen, und in der Folge
kräftigt sich über dem Westen der Druckgradient. Die deterministischen Modelle
(z.B. ICON, EZMW, COSMO-D2) reagieren darauf mit einer Windzunahme, ab den
Mittagsstunden soll es in den Hochlagen der Eifel, am Nachmittag dann auch in
tieferen Lagen vom südlichen Münsterland bis zur Saar zu Böen Bft 7, exponiert
vielleicht auch zu einzelne Böen Bft 8 kommen. Viel bedeutsamer als dieses ist
jedoch, dass die (Nord-)Stausituation an den westlichen Mittelgebirgen anhält.
In der Folge bringen es GFS und ICON in 12 Stunden auf etwa 75 l/qm Regen, EZMW
sogar auf etwa 95 l/qm, wobei EZMW einen von den unmittelbaren Staulagen
abgesetzten Niederschlagsschwerpunkt über dem östlichen Ruhrgebiet simuliert -
Ähnlich übrigens wie Euro 4! Und ICON-D2 probiert es mit einer ganz anderen
Lösung bei den 12-stündigen Niederschlagsmengen, nämlich mit einem Streifen vom
Saarland bis in den Taunus, wo in der Spitze etwa 125 l/qm fallen sollen. Die
Quintessenz daraus: Schon am morgigen Mittwoch zeigen die Modelle teils
deutliche Unterschiede in den Niederschlagsverteilungen! Einigkeit herrsch
dagegen bezüglich der Gewitterneigung. Da auf der Ost- und Nordflanke des
kleinräumigen Tiefs bzw. der Rinne feucht-labile Luft in den Nordosten und
Norden geführt wird, ist dort die Gewittergefahr größer als im Süden (dort wohl
nur wenige Gewitter, aber durchaus mit Unwetterpotential). Im Norden dagegen
wird wieder das ganze Repertoire aufgeboten (Zahlen aus ICON-EU): PPWs bis zu 47
mm, CAPE bis zu 1500 J/kg, Deep-Layer-Shear bis 25 m/s - alles Zutaten, aus
denen schwere Gewitter gebastelt werden. Entsprechend kann insbesondere wieder
(extrem) heftiger Starkregen, aber auch Sturmböen und Hagel auftreten. Die Sonne
(und die 30-Grad-Marke) haben nur im äußersten Nordosten nochmal gute Chancen.
Sonst ist es wechselhaft, teils auch stark bewölkt, wobei die Unsicherheit in
der Bewölkungsprognose bei den Modellen sich dann auch wieder auf die
Gewitterauslöse auswirkt. Mit 16 Grad ist es in den Hochlagen der Eifel etwa so
"warm" wie am Vortag. Spätestens in der zweiten Tageshälfte wird Dauerregen dann
auch wieder im Schwarzwaldumfeld ein Thema. Die "herumgeholte" feuchte Luft
trifft dann, hebungsgünstig von Westen anströmend, den Südwesten, so dass ICON
in 6 Stunden bis zu 15, GFS sogar bis zu 30 l/qm simulieren. Bei EZMW laufen die
Prozesse insgesamt langsamer ab, so dass bei letzterem Modell bi zum Abend im
Schwarzwald noch kein nennenswerter Niederschlag zusammenkommen soll.

In der Nacht zum Donnerstag beginnt das kleinräumige Tief sich aufzufüllen,
allerdings bleibt der recht scharfe Gradient über dem Westen und Südwesten mit
Böen bis Bft 8 erhalten. Im 500-hPa-Niveau verharrt das Höhentief weitgehend
ortsfest, auf seiner Westflanke wird ein kurzwelliger Anteil nach Süden
gesteuert. Dieser kann die intensiven Hebungsprozesse, die vom Schwarzwald bis
ins südliche NRW weiterhin heftige Regenfälle bringen, zusätzlich pushen, auch
vom südlichen Baden-Württemberg bis nach Oberbayern können sich kräftige
Regenfälle entwickeln. Im Norden lassen die Gewitter nach, der Nordosten
präsentiert sich weitgehend trocken.

Donnerstag... und in der Nacht zum Freitag schwächt sich das Höhentief ab, sein
Schwerpunkt wandert in Richtung südlicher Schwarzwald. Über dem Norden steigt
das Geopotential, eine schwache Brücke erstreckt sich ausgangs der Nacht von
England bis ins Baltikum. Da aber die Tiefdruckrinne erhalten bleibt und ihre
Achse weiterhin etwa von Bayern bis zur westlichen Ostsee orientiert ist, kommt
es in der Westhälfte - und durch das Höhentief über dem gesamten Süden - zu
konvektiv durchsetzten Regenfällen. Die Luftmasse hat dabei an Energie
eingebüßt, aber PPWs von um die 30 mm, CAPE-Werte von bis zu 1000 J/kg und auch
Scherungswerte von 20 m/s (Deep-Layer) lassen erneut Unwettergewitter
wahrscheinlich erscheinen. Über dem Nordosten kommt es dagegen, im
Einflussbereich eines abgeschlossenen Höhenhochs über dem Baltikum, nur
vereinzelt zu Schauern.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die großräumigen synoptischen Prozesse ähnlich. Dennoch
ergeben sich in den Niederschlagsmustern, insbesondere am morgigen Mittwoch,
noch deutliche Unterschiede. Die Unterschiede wurden, zumindest zum Teil, im
Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas