DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-07-2021 08:01
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 10.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrW
Nach kurzer Wetterberuhigung von Westen und Südwesten her neue Gewitter mit
lokalem Unwetterpotenzial vor allem durch Starkregen. Am Sonntag und Montag
gebietsweise weitere, teils auch wieder kräftige Schauer und Gewitter.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... zeigen sich in der Höhe drei Tiefs, die wie bei einem Fidget Spinner
um ein gemeinsames Drehzentrum über der Nordsee kreisen. Höhentief Nr. 1 liegt
am heutigen Samstagmorgen über der westlichen Ostsee und ist verbunden mit dem
Bodentief ARNO in nahezu achsensenkrechter Lage der Minima. Damit hat das
Bodentief sein Entwicklungspotenzial überschritten. Das Höhentief zieht unter
Auffüllung im Tagesverlauf ins südliche Schweden weiter und führt auch Bodentief
ARNO dorthin. Damit lassen die Niederschläge im Nordosten spätestens ab dem
Mittag weitgehend nach.
Mit Abzug des ersten Höhentiefs und vor Ankunft von Höhentief Nr. 2 mit Zentrum
heute Morgen über dem Westausgang des Ärmelkanals wird die Höhenströmung
vorübergehend antizyklonal, sodass sich schwacher Zwischenhocheinfluss
einstellt.
Dieser beschert einigen Teilen des Landes einen heiteren bis wolkigen Tag ohne
nennenswerte Niederschläge mit meist angenehmen Höchsttemperaturen von 21 bis 27
Grad.
Einige Teile des Landes heißt aber nicht alle Teile des Landes, weil Höhentief
Nr. 2 uns schon soweit auf die Pelle rückt, dass nachmittags bereits die Region
Haut-de-France im Nordosten Frankreichs erreicht und damit von NRW bis zum
Saarland und nach Rheinland-Pfalz, im südlichen Baden-Württemberg und an den
Alpen sowie in einem Streifen vom Niederrhein und dem südlichen Emsland bis nach
Sachsen-Anhalt hinein neue Schauer und Gewitter ausgelöst werden.
Untersucht man nun die Bedingungen für Gewitter, fällt zunächst die diffluente
Vorderseite des Höhentiefs auf, die zwar dynamische Impulse setzen kann, die
aber erst in der Nacht zum Sonntag am stärksten sind. Die Lapse Rates sind
anfangs nicht besonders hoch (-0,6 bis -0,65 K/100 m), fallen im Südwesten
jedoch am höchsten aus. ML-CAPE erreicht Werte bis knapp 400 J/kg, die PPW's
liegen bei 25 bis 32 mm. Scherung ist durchaus vorhanden, im Südwesten werden
zwischen 0 und 6 km Höhe punktuell sogar bis 20 m/s angezeigt. So sind Gewitter
im Südwesten wahrscheinlicher als im Westen, in der gut gescherten Umgebung
möglicherweise mit organisierten Strukturen.
Bei den Begleiterscheinungen ist Starkregen wahrscheinlich, der örtlich die
Unwetterschwelle überschreiten sollte. Da die Höhenströmung aber eine gewisse
Zuggeschwindigkeit zulässt, dürfte das eher eine lokale Sache bleiben. Hagel
kann ebenfalls vorkommen, wobei dieser aber mit Durchmessern um maximal etwa 2
cm eher klein bleibt. Beim Wind fehlt es an Oberwinden, so werden in 850 hPa nur
10 bis 15 kn angezeigt und die Modelle reagieren fast gar nicht darauf. Dennoch
können bei organisierten Gewittern Sturmböen Bft 8 schnell mal dabei sein.
Im Streifen mit Schauern oder Gewittern in der nördlichen Mitte sind
Hebungsimpulse hauptsächlich bis in ca. 600 hPa vorhanden, darüber ist eine
Sperrschicht durch eine Inversion zu sehen. Die also nicht sehr hochreichende
Konvektion erlaubt keine stärkeren Gewitter (wenn überhaupt), allerdings sind
die Zellen dort etwas langsamer unterwegs, weshalb das Thema Starkregen
(wahrscheinlich meist nur markant) nicht ganz vom Tisch ist.
Der Wind weht abseits der Schauer- und Gewitterböen meist nur schwach aus
unterschiedlichen Richtungen.

In der Nacht zum Sonntag greift Höhentief Nr. 2 unter Auffüllung auf den Süden
Deutschlands über. Insbesondere im südlichen Baden-Württemberg und im südlichen
Bayern wird dabei kräftige Hebung durch PVA generiert.
Schauer und Gewitter breiten sich vom Westen und Südwesten bis auf eine Linie
südliches Emsland - Hessen - Bayern aus, von Rheinland-Pfalz bis nach
Baden-Württemberg lassen sie in der zweiten Nachthälfte bei abnehmenden Lapse
Rates größtenteils schon wieder nach. Auch im Norden und Nordosten bleibt es
überwiegend trocken mit einigen Auflockerungen.
Bei den Begleitumständen der Schauer und Gewitter rückt bei noch zunehmender
Feuchte und PPW's von nun 26 bis 34 mm vornehmlich der Starkregen in den
Blickpunkt, zumal die Scherung in der Nacht nachlässt und mit MU-CAPE von
maximal 300 J/kg kein großer Staat zu machen ist. Außerdem fehlen die Oberwinde
weiterhin. ICON-D2 simuliert im Süden jedoch ein kleines Sturmfeld an der
Vorderseite der vom südlichen Baden-Württemberg nach Osten ausgreifenden
Gewitter mit Böen bis etwa 85 km/h (Bft 9), die im Verlauf der Nacht schwächer
werden. Dieses Sturmfeld könnte ein Überbleibsel eines organisierten Gewitters
vom Tage sein, das das Sturmfeld noch in die Nacht "rettet".
Bezüglich Starkregen sind im Süden und Südwesten beim ICON-D2-EPS für eine
Stunde geringe Wahrscheinlichkeiten bis 40 % für das Überschreiten der
Unwetterschwelle von mehr als 25 mm vorhanden. Für den sechsstündigen Zeitraum
werden für Unwetter-Starkregen mit mehr als 35 mm vor allem am Alpenrand
Wahrscheinlichkeiten bis fast 100 % gezeigt, allerdings räumlich sehr eng
begrenzt. In den anderen Gebieten liegen die Wahrscheinlichkeiten bei bis zu 40
%.
Summa summarum ist also das Auftreten von Unwettern lokal zu erwarten, aber ohne
größere Verbreitung, womit eine Vorabinformation sich nicht unbedingt aufdrängt.

Die Temperaturen sinken bei nur schwachem Wind und lokal sich bildenden Nebel
(am ehesten im Südwesten hinter den Gewittern) auf 17 bis 10 Grad.

Sonntag... füllt sich das weiter über Süddeutschland liegende Höhentief Nr. 2
auf, wird dabei zu einem Randtrog degradiert und verkürzt seine Wellenlänge. In
der Mitte und im Südosten sorgt es aber noch für Hebungsimpulse. Schauer und
Gewitter verlagern sich daher von der Mitte und dem Südosten im Tagesverlauf in
einem Streifen vom Emsland und dem Niederrhein über das nördliche Hessen und dem
südöstlichen Niedersachsen bis zum Erzgebirge. EZMW zeigt im Vergleich zum ICON
ein weiter nordöstlich ausgreifendes Niederschlagsgebiet, das bis auf eine Linie
von Schleswig-Holstein über dem Hamburger Raum und bis ins südliche Brandenburg
reichen würde. Beim ICON-D2 wird zudem Konvektion über Mecklenburg ausgelöst.
Die PPW's steigen auf 29 bis 35 mm, ML-CAPE wird bis knapp 900 J/kg simuliert,
was kleinen Hagel bis 2 oder 3 cm denkbar macht. Die Lapse Rates bleiben mit
Werten bis -0,6 K/100 m jedoch bescheiden. Scherung ist im Konvektionsgebiet
praktisch keine vorhanden und auch die Oberwinde bleiben schlapp, sodass
Windböen keine große Rolle spielen sollten (vereinzelt Bft 7).
So rückt abermals der Starkregen auf die vorderste Agenda der Warnparameter,
zumal die Höhenströmung im Vergleich zum Vortag um einiges geringer ist. Die
Wahrscheinlichkeiten für unwetterartigen Starkregen betragen nach ICON-D2-EPS
bis etwa 40 % beim einstündigen Kriterium und bis 50 % beim sechsstündigen
Kriterium. Erneut fällt jedoch auf, dass die höchsten Wahrscheinlichkeiten nur
punktuell simuliert werden, womit weiterhin nur lokal statt verbreitet Unwetter
zu erwarten sind.
Abseits von Schauern und Gewittern scheint zeitweise die Sonne, insbesondere im
Nordosten. Dort sind mit 24 bis 29 Grad auch die höchsten Temperaturen zu
erwarten, während es im Westen und Südwesten mit 19 bis 26 Grad etwas kühler
ist.
Der Wind weht abseits von Schauern und Gewitter schwach, ab und zu auch mäßig
aus unterschiedlichen Richtungen.

In der Nacht zum Montag zeigt Höhentief Nr. 2/nunmehr Randtrog weitere
Auffüllungstendenzen und flacht immer weiter ab. Schauer und Gewitter verlagern
sich zwar in den Nordosten, aufgrund des nun immer mehr fehlenden
Hebungsantriebs lassen sie aber größtenteils nach bzw. ziehen über die Nordsee
nach Nordwesten ab.
In den meisten Landesteilen wird die Nacht daher locker bewölkt und weitgehend
trocken verlaufen. In den Gebieten, in denen es tagsüber geregnet hat, bilden
sich gebietsweise Nebelfelder.
Die Temperaturen gehen bei meist nur schwachem Wind auf 17 Grad im Nordosten bis
8 Grad in der Eifel zurück.

Montag... ist die Höhenströmung zwar nicht unbedingt antizyklonal, dennoch
reicht es für vorübergehenden Zwischenhocheinfluss, sodass es zunächst oft
heiter und trocken ist.
Allerdings richtet sich der Blick auch schon wieder gen Westen, wo ein neues
Höhentief (Nr. 4) von der Biskaya in den Westen Frankreichs zieht. Damit steilt
bei uns die Strömung auf, sodass von Süden her warme bis sehr warme Luft mit
T850 hPa von 12 bis 20 Grad den Weg zu uns findet.
Mit dem Höhentief ist ein Bodentief gekoppelt, das tagsüber vom Ärmelkanal nach
Benelux zieht und nordwestlich des Höhentiefkerns noch Entwicklungspotenzial
hat. Das Tief steuert am Nachmittag feuchte Luft in den Westen und Südwesten,
sodass sich neue Schauer und Gewitter bilden.
ML-CAPE beträgt im Westen nur bis zu 250 J/kg, im Süden jedoch zum Teil 1000 bis
2000 J/kg. Die Lapse Rates sind im Süden am höchsten (bis -0,7 K/100 m), im
Westen aber nur gering (bis -0,55 K/100 m). Scherung ist zwischen 0 und 6 km
dagegen üppig vorhanden, womit organisierte Strukturen denkbar sind,
möglicherweise auch eine Konvergenzlinie vor dem Frontensystem des Beneluxtiefs.
Die Modelle zeigen dies bisher jedoch nicht.
Aufgrund der Konvektionsparameter und einer erneuten diffluenten Vorderseite
muss mit Starkregen bis in den Unwetterbereich (etwas abgemildert durch die im
Westen schon nicht mehr ganz so langsame Höhenströmung), Hagel mit Durchmessern
von 2 bis 3 cm (ebenfalls Unwetter) und mit Sturmböen gerechnet werden. Am
größten ist das Potenzial für Unwetter im Süden, während im Westen die
Gewitterparameter nicht so günstig sind.
Die Temperaturen steigen bei schwachem bis mäßigen Wind aus unterschiedlichen
Richtungen auf 21 Grad im Westen bis 31 Grad im Osten.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Höhentief nur noch langsam nach Osten weiter
und erreicht etwas den Pariser Raum. Das Bodentief über Benelux verlagert sich
dadurch ebenfalls nur noch langsam nach Nordwestdeutschland, während das
Frontensystem sich dem Westen Deutschlands nähert.
Über dem Westen und Südwesten nehmen die Hebungsimpulse PVA-getriggert deutlich
zu, sodass Schauer und Gewitter zum Teil zusammenschmelzen und gebietsweise in
mehrstündigen Starkregen übergehen. Die Modelle zeigen entsprechenden Starkregen
von Baden-Württemberg bis nach Rheinland-Pfalz und Südhessen mit Mengen bis 55
mm in 6 Stunden und damit deutlich im Unwetterbereich.
Schauer und Gewitter breiten sich in der Nacht noch etwa bis auf einen Bereich
vom südlichen Emsland bis zum Harz und bis in die Westhälfte Bayerns sowie bis
zum Alpenrand aus. In den anderen Gebieten ist es wolkig, im Nordosten auch nur
locker bewölkt und noch trocken.
Die Temperaturen gehen auf 20 Grad im Osten (lokal Tropennacht) bis 12 Grad im
Westen zurück.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sind sich weitgehend einig. In kleineren Details gibt es
Unterschiede, die im obigen Text bereits erläutert wurden und keine wesentliche
Konsequenzen für das Warnmanagement bedeuten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler