DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-07-2021 07:01
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 08.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Tr W. Weiterhin Gewitter bis hin zum Unwetter. Nur vorübergehend stabile
Abschnitte. Mäßig warm bis warm.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... liegt Deutschland an der Vorderseite eines von der Nordsee über
die Bretagne bis nach Katalonien reichenden Troges. Dieser wird von einem über
Osteuropa liegenden Höhenhoch blockiert, so dass diesem Trog nichts Anderes
übrigbleibt, als mit seinem Südteil ostwärts zu schwenken. Dieser gelangt dann
auch ins westliche Mittelmeer, vorderseitig wird feuchtwarme Subtropikluft ins
östliche Mitteleuropa geführt. Dabei gelangt die feuchteste und labilste Luft
nach Tschechien, in die Slowakei und nach Polen. Aber abgesehen davon ist auch
die nach Deutschland einfließende Luftmasse wieder gewitterträchtig. Im Südosten
erreicht der Gehalt an niederschlagbarem Wasser 30 bis etwas über 35 mm und CAPE
mehr als 1000 bis etwa 1500 J/kg. Zudem wird durch die "flatternde" Südströmung
Hebung induziert. Vom östlichen Alpenrand löst sich im Tagesverlauf ein flaches
Tief ab, dessen Zugbahn zwar noch unsicher ist, aber aller Wahrscheinlichkeit
nach über Tschechien hinweg nordostwärts gerichtet ist. Aus den Alpen heraus
entwickeln sich Gewitter, die an der Nordwestflanke des entstehenden flachen
Tiefs verclustern und als MCS dann in Richtung Bayerischer Wald gesteuert
werden. Hierdurch kommen Starkniederschläge bis weit in den Unwetterbereich
hinein zustande; auch (mehrstündige) extreme Niederschlagmengen können nicht
ausgeschlossen werden. Allerdings dürfte es sich hierbei meist um abgehobene
Konvektion handeln, entlang der Zugbahn dieser Struktur ist die Schichtung nicht
allzu labil.
Problematisch ist die Prognose der Böen an dieser Struktur. Sollten einigermaßen
organisierte Entwicklungen zustande kommen, sind durchaus (schwere) Sturmböen
vorstellbar, wenngleich von Seiten der jüngeren Modellläufe die Signale hierfür
etwas reduziert wurden. Ganz im Südosten, etwa von den Berchtesgadener Alpen bis
nach Niederbayern, kann aufgrund der hohen Labilität und Scherung größerer Hagel
nicht ausgeschlossen werden. Für den Südosten wäre die Ausgabe einer
Unwetter-Vorabinformation sinnvoll.
Als weiterer Schwerpunkt der Gewittertätigkeit kristallisiert sich der Westen,
etwa die Gebiete von Schleswig-Holstein über NRW und den gesamten Westen bis zum
Hochrhein heraus. Dort ist die Schichtung aufgrund der Nähe des Troges und der
damit verbundenen Höhenkaltluft labiler. CAPE (MU, KKN) erreicht bis 1000 J/kg,
der Flüssigwassergehalt Werte um 30 mm. Das ist zwar weniger als im Südosten,
aber für Gewitter bis hin zum Unwetter durchaus hinreichend. Aber in diesen
Gebieten ist die Konvektion durch Bewölkung zunächst gedeckelt; zudem ist
aufgrund der schwächeren Strömung (diese Gebiete sind ja der Trogachse näher)
die Hebung weniger ausgeprägt. Somit ist die Auslösung hochreichender Konvektion
über den Mittelgebirgen am wahrscheinlichsten. Da aufgrund der schwächeren
Strömung die Verlagerung der Konvektionszellen langsamer erfolgt, sind genauso
gut auch in diesen Gebieten Starkniederschläge bis in den Unwetterbereich hinein
vorstellbar. Dies ist jedoch mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit als im
Südosten Deutschlands der Fall; zudem handelt es sich eher um lokale Ereignisse,
so dass sich (um einen Unterschied zum Südosten zu verdeutlichen) sich eine
Unwetter-Vorabinformation nicht aufdrängt.
Auflockerungen kommen zuvor am ehesten im Norden und Nordwesten sowie ganz im
Südosten zustande. In diesen Gebieten werden bis 26 Grad erreicht, wogegen sonst
18 bis 24 Grad zu erwarten sind.

In der Nacht zum Freitag erreicht die Trogachse den Westen Deutschlands, wobei
die "Spitze" des Troges auf Oberitalien übergreift. In Verbindung mit einem nach
Norden ablaufenden Kurzwellentrog verstärkt sich über dem Osten Deutschlands die
Hebung, wodurch erneut von den Alpen ausgehend gewittrige und teils mehrstündige
Starkniederschläge bis hin zum (extremen) Unwetter ausgelöst werden können.
Diese greifen dann, der südlichen Strömung folgend, nordwärts bis nach Franken,
ggf. auch nach West- und Südthüringen sowie Osthessen, aus. Gleichzeitig wird
dem MCS vom Vortag, der dann von Tschechien her noch den Erzgebirgsraum und die
Lausitz streift, neues Leben eingehaucht, so dass auch im Verbindung mit dieser
Struktur noch Starkniederschläge, bei einem Flüssigwassergehalt bis über 40 mm
durchaus auch Unwetter durch mehrstündigen heftigen Starkregen, auftreten
können. In den anderen Gebieten dürfte die Konvektion alsbald in sich
zusammenfallen und Wetterberuhigung einsetzen. Da durch das über Polen hinweg
nordostwärts ziehende flache Tief etwas Gradient gegeben ist, sollte die
Nebelneigung gering bleiben.

Freitag... schwenkt der Trog zum südöstlichen Mitteleuropa. Ein weiterer Trog,
ausgehend von einem Höhentief über der Irischen See, nähert sich der Biskaya.
Zwischen beiden Trögen stellt sich über Mitteleuropa eine leicht antizyklonale
westliche Strömung ein. Als Folge setzt sich von Westen und Südwesten her
Zwischenhocheinfluss durch. Nennenswerte oder gar unwetterträchtige Konvektion
sollte in diesen Gebieten unterbunden werden. Auflockerungen, nach Südwesten hin
vielleicht auch längere sonnige Abschnitte, sind in diesen Gebieten am
wahrscheinlichsten.
Anders sieht es dagegen im Bereich des nur allmählich ostwärts schwenkenden
Troges aus. In den Gebieten östlich der Weser und im Südosten hält sich noch
feuchtere Luft mit einem Flüssigwassergehalt, der im Nordosten durchaus 30 mm
übersteigt. In diesen Gebieten, die noch an der Vorderseite des Troges
verbleiben, wird erneut hochreichende Konvektion ausgelöst. Unwetterartige
Entwicklungen, vor allem durch mehrstündigen heftigen Starkregen, sind zwar
nicht mehr so wahrscheinlich wie heute und in der Nacht zuvor, aber dennoch
nicht auszuschließen. Zudem wird weniger CAPE (nur noch bis etwa 500 J/kg)
generiert; allerdings ist die Schichtung bei weitem nicht mehr so labil.
Wahrscheinlich kann daher aber auf eine Vorabinfo verzichtet werden.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 18 bis 24, südlich der westlichen
Mittelgebirge bis 26 Grad.

In der Nacht zum Samstag greift der "neue" Trog auf die Bretagne über und lässt
die nach wie vor noch leicht antizyklonale Strömung über dem Vorhersagegebiet
wieder auf Südwest drehen. Großräumiges Absinken sollte die Konvektion dann auch
im Nordosten alsbald zum Erliegen bringen und im Westen und Süden den
Zwischenhocheinfluss konservieren. Aufgrund der geringen Luftdruckgegensätze
können sich in diesen Gebieten flache Nebelfelder bilden. Im Bergland und im
Südosten können die Temperaturen auf einstellige Minima zurückgehen.

Samstag... nähert sich der von der Bretagne hereinschwenkende Trog und lässt die
südwestliche Strömung aufsteilen. Allerdings reicht dieser Trog nicht so weit
nach Süden wie der vorherige Trog, so dass die vorderseitig einfließende
Luftmasse doch eher etwas gemäßigt ist. Dennoch steigt der Flüssigwassergehalt
von Westen her wieder auf 30 bis 35 mm und CAPE Auf etwa 500 J/kg. Zudem kommt
von Südwesten her verstärkt Scherung auf. Was noch fehlt, ist Hebung. Diese
kommt erst mit der weiteren Annäherung des Troges etwa ab dem Abend im Westen
und Südwesten Deutschlands in Gang. Zudem gelangen diese Gebiete an die
diffluente Trogvorderseite. Dort kann sich eine flache Tiefdruckrinne
entwickeln, wobei an einer darin eigelagerten Konvergenz Konvektion initiiert
wird. Hierfür kämen dann hauptsächlich die Gebiete westlich des Rheins, der
Schwarzwald und das Allgäu in Frage. Aufgrund der raschen Verlagerung möglicher
Konvektionszellen sollte heftiger Starkregen als Unwetterkriterium nicht ganz
die große Rolle spielen und vielmehr Fokus auf (schwere) Sturmböen gelegt
werden.
In den anderen Gebieten und somit im weitaus größten Teil Deutschlands hält sich
noch schwacher Zwischenhocheinfluss. Absinken sollte in diesen Gebieten
hochreichende Konvektion unterbinden, so dass sich längere sonnige Abschnitte
einstellen. Dies lässt die Temperatur auf 25 bis 29 Grad steigen, während im
Nordwesten und ganz im Westen 20 bis 24 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Sonntag greift der Trog von Frankreich her auf Deutschland
über. Dessen Achse erstreckt sich Sonntagfrüh vom Niederrhein zur Adria. Zuvor
verstärkt sich die Konvektion über dem Westen und greift auf die Mitte
Deutschlands über. Auch aus den Alpen heraus (wo die Luft noch am labilsten ist)
können sich erneut Gewitter (mit einer geringen Wahrscheinlichkeit bis hin zum
Unwetter) entwickeln. Ob sich hieraus erneut ein MCS bilden kann, ist noch nicht
sicher. Sehr wahrscheinlich dürfte sich dann diese Struktur entsprechend des
Maximums der Vorticityadvektion über das Alpenvorland hinweg ostwärts verlagern
und maximal nur bis etwa zur Donau ausgreifen.
In den anderen Gebieten sollte die Konvektion mangels dynamischer Unterstützung
in der zweiten Nachthälfte weitgehend zum Erliegen kommen. Aufgrund der geringen
Luftdruckgegensätze ist erneut die Bildung flacher Nebelfelder vorstellbar.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder sin keine prognoserelevanten Unterschiede
erkennbar. Erst in der Nacht zum Montag zeigen einige externen Modelle ein
Austropfen des Troges über Deutschland. Dies würde diesen trog in seiner
Ostverlagerung etwas ausbremsen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann