DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-07-2021 08:30
SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 06.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Tr W

Heute im Norden, Osten und Südosten einzelne unwetterartige Gewitter mit
heftigem Starkregen, Hagel und Sturmböen gering wahrscheinlich. Nachts im Osten
Starkregen bis Unwetter möglich. Am Mittwoch ruhiger. Am Donnerstag erneut teils
Starkregen, teils Gewitter jeweils mit Unwetterpotential.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegen wir vorderseitig eines Troges über Westeuropa in einer
südwestlichen Strömung. Das in den positiv geneigten und sich bis Portugal
ausweitenden Trog eingelagerte Drehzentrum kommt etwas nordostwärts, bis in die
Nordsee voran. Dorthin zieht auch das Sturmtief im Bodendruckfeld, wobei es dann
achsensenkrecht liegt und beginnt sich abzuschwächen. Der Kerndruck liegt abends
knapp unter 995 hPa. Vor allem an dessen Südflanke setzt eine merkliche
Gradientverschärfung über der südwestlichen Nordsee ein mit verbreiteten, teils
schweren Sturmböen.

Aufgrund der Entfernung wird es über Deutschland bei weitem nicht so windig,
aber immerhin sind im Tagesverlauf im Westen und Nordwesten steife Böen aus
Südwesten zu erwarten, exponiert sind auch stürmische Böen (Bft8) mit dabei.

Derweil hat die Kaltfront ab den Frühstunden von Westen auf Deutschland
übergegriffen und gestützt durch einen Randtrog sind damit kräftige Regenfälle
(eventuell Starkregen, Signale in ICON D2 EPS)) und eingelagerte Gewitter
verbunden.
Sie kommt im Norden schneller nach Osten voran als im gradientschwächeren Süden,
wo auch wegen der strömungsparallelen Lage die Verlagerung verlangsamt ist und
sie ins Schleifen gerät. Bis zum Abend erreicht sie etwa eine Linie
Vorpommern-Vogtland-Allgäu.

Vorderseitig gelangt ein Schwall sehr warmer bis heißer Mittelmeerluft in den
Osten und Süden (T850 14 bis 18°C, in Südostbayern mit Föhnunterstützung sogar
20°C). Diese ist labil geschichtet, aber teils auch stark gedeckelt (teilweise
dreistellige CIN-Werte). Das erklärt, warum die Numerik trotz vorlaufendem
Bodentrog mit eingelagerter Konvergenz kaum präfrontale Konvektion im Angebot
hat. Die Feuchte nimmt zu auf PPW Werte von 30 bis 40 mm.

Eventuell entwickeln sich spätnachmittags oder abends aus den Alpen heraus oder
im Alpenvorland Gewitter, wenn dort an der Westflanke der vorlaufenden Rinne
eine kleine Druckwelle durchläuft.
Diese könnte rasch unwetterartig ausfallen durch heftigen Starkregen, größeren
Hagel (gute Scherung, u.a. weil der Wind im Vorfeld nochmal gen Ost oder Nordost
rückdreht)) und schweren Sturmböen (Downburstgefahr durch inverse V-Struktur).
Auch isolierte Superzellen sind nicht ausgeschlossen - aufgrund des CINs ohne
schnelle Verclusterung. Ob es dann
an der Front für Gewitter reicht, ist angesichts der stabileren Luftmasse
fraglich. Eher ungewittriger Starkregen scheint plausibel, mit höchstens
einzelnen Gewittern am warmen Rand.

In der Mitte und im (westlichen) Norden dürfte die Kaltfront eher mit Regen
durchziehen, da sie im Gewitterminimum am Vormittag durchgeht, der thermische
Gradient beginnt aufzuweichen und Kaltluftadvektion die Front überläuft. Auf der
Rückseite strömt ein Schwall etwas kühlerer (T850 10 bis 7°C) und stabilerer
Meeresluft in den Westen und Nordwesten. Nach Abzug des Regens bleibt es dort
überwiegend trocken mit einigen Wolkenauflockerungen.

Von Schleswig-Holstein über den Nordosten in den Osten wird die Kaltfront dann
am Nachmittag und Abend wieder etwas aktiviert. Der Deckel wird abgebaut und
strahlungsbedingt kann sich CAPE bis über 500 J/kg aufbauen. In Verbindung mit
großer Scherung sind organisierte Strukturen mit stürmischen Böen oder Sturmböen
(in etwas trockenerer Grundschicht nach Osten zu) nicht ausgeschlossen.

Bei HKNs im Norden unter 1000 m besteht zudem ein geringes Potential für
Tonados. Bei derartigen Low CAPE-High Shear Lagen keine Seltenheit. Von
dynamischer Seite aus betrachtet liegt zwar das Gros der Gebiete ungünstig auf
der rechten Seite des Jetausgangs. Allerdings stößt der Jetstreak mit über 100
Knoten in 300 hPa bis zum Abend von NRW bis nach Schleswig-Holstein vor, so dass
die Überlappung von labiler Luftmasse und linkem Jetausgang von der Elbmündung
bis zur Dänischen grenze hinauf gerade noch rechtzeitig kommen könnte.

Allerdings wurden die Signale für die kräftigen Gewitter heute tagsüber im
Norden, aber auch für die im Süden in den letzten Läufen (ICON D2, Super HD)
teilweise deutlich zurückgefahren. Die Entwicklung schon für den heutigen Tag
ist somit weiter unsicher. Entweder es passiert fast nichts, oder die einzelnen
Zellen erreichen schnell den Unwetterbereich.

Das Temperaturgefälle ist jedenfalls beachtlich mit bis zu 34 Grad in
Niederbayern und kühlen 20 Grad in der Eifel.

In der Nacht zum Mittwoch läuft ein Randtrog südostwärts Richtung Iberischer
Halbinsel ab und weitet den westeuropäischen Trog nach Süden aus. Dadurch steilt
die Strömung über Deutschland noch etwas auf. Zwischen einem sich aufbauenden
Hochkeil, der sich von Frankreich bis nach Norddeutschland ausweitet und dem
Hitzetief über dem Böhmischen Becken überlaufen kühle Nordwestwinde nicht nur
die Front, sondern auch weite präfrontale Bereiche.
Ein bisschen was an MU CAPE ist vielleicht noch da, aber der Hauptantrieb für
die schauerartig verstärkten Niederschläge wird nun vielmehr durch die
Gegenstromlage induziert (in der Höhe weiterhin Süd bis Südwest) und
die Front nimmt Anacharakter an.

Vor allem vom Süden über die östliche Mitte fällt gebietsweise schauerartiger
Regen, der sich mit einem Randtrog auch nochmal intensivieren kann. Am warmen
Rand nach Osten hin sind auch eingelagerte Gewitter zu erwarten. Wahrscheinlich
im Zusammenhang mit anfänglichen Gewittern kann dann von Franken, eventuell auch
vom Böhmischen Becken ausgehend Starkregen (ein oder mehrstündig) bis in den
Unwetterbereich auch weit nach Nordosten bis in den SE Brandenburgs ausgreifen.
Die Temperatur geht auf 20 bis 17 Grad im Osten zurück. Im Westen und Nordwesten
kühlt es bei teils klarem Himmel auf 14 bis 9 Grad ab.


Mittwoch... schwenkt die Südachse des Troges etwas ostwärts zu den Pyrenäen,
womit sich an der strammen, süd-südwestlichen Strömung über Mitteleuropa kaum
etwas ändert, nur, dass sie eher indifferent konturiert ist. Reste des
nächtlichen Starkregens toben sich voraussichtlich noch in Ostdeutschland bis
zum Mittag aus und lassen dann mit Annäherung der schmalen Hochdruckbrücke, die
sich von den Alpen bis zur südlichen Ostsee erstreckt (bis nahe 1020 hPa), nach.
Dabei weicht auch der thermische Gradient im Frontbereich südlich und östlich
von uns immer mehr auf.

Im übrigen Gebiet gibt es einen freundlichen Mix aus Sonne und Wolken, wobei
aufgrund der Nähe zum Trog der Nordwesten und Westen im Tagesverlauf einzelne
Schauer abbekommen kann.
Ob im Tagesverlauf ein flacher Randtrog zu den Westalpen schwenkt und von der
Schweiz neue schauerartige Regenfälle auf den Südwesten übergreifen ist noch
unsicher. Sonderlich intensiv wird dieser aber nicht, starke Bewölkung und
leichte Regenfälle halten sich aus der Nacht kommend aber wahrscheinlich bis
weit in den Nachmittag hinein vom Hochrhein bis zur Alb.

In der eingeflossenen erwärmten Atlantikluft mit T850 zwischen 8 Grad im
Nordwesten und 12 Grad im Südosten sind die Höchstwerte im sommerlich angenehmen
Bereich bei 22 bis 27 Grad anzusiedeln. Die kurze Hitze im Osten und Südosten
ist damit nur ein kurzes Intermezzo.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der westeuropäische, langgestreckte Trog
vor allem in seinem Südteil ostwärts. Dadurch wird ausgehend von den Alpen
nordwärts ausgreifend bis zum Main durch PVA Hebung erzeugt. Gewissermaßen wird
dabei die einst stillgelegte Luftmassengrenze wieder reaktiviert und auch leicht
nordwärts geführt. Die PPW's sind dabei nach wie vor hoch mit 30-35mm, die
Schichtung jedoch nur schwach labil (etwas MU Cape). Somit rückt Starkregen,
eventuell mit eingelagerten Gewittern im Süden in den Bereich des Möglich, Ort
und Ausprägung sind aber noch unsicher.

Im Norden und Nordwesten zeigen sich dagegen größere Wolkenlücken bei
Tiefstwerten zwischen 16 und 10 Grad.


Donnerstag... erreicht die Trogachse bis zum Abend den äußersten Westen des
Landes, während im Bodendruckfeld nur schwache Luftdruckgegensätze auszumachen
sind. Der Trog beginnt dabei zu den Westalpen hin abzutropfen.
Kurzwellige Randtröge laufen dabei von Süd nach Nord über Deutschland hinweg und
lösen von Süddeutschland ausgehend, vor allem aber noch von Bayern aus
nord-nordostwärts - im Grenzbereich zur schwül-heißen Luftmasse mit Theta850 hPa
Werten über 60 Grad über Österreich und dem Böhmischen Becken - Starkregen,
(teils einstündig, teils mehrstündig) aus.

Hier wirken auch die Scherungsbedingungen mit gegenläufigen Windprofilen
(nördliche Winde am Boden und Süd in der Höhe) förderlich, wenngleich es mit der
Labilität nicht allzu weit her ist.

Anders verhält es sich in der Westhälfte und der Mitte des Landes, wo im
Tagesverlauf verbreitet ML CAPE um 500 J/kg generiert wird, was bei nur wenig
Scherung von 10-15 m/s zwischen 0 und 6 km in stark pulsierende Einzel und
Multizellen umgesetzt wird, die sich kaum verlagern. Da wird man natürlich
sofort hellhörig, was potentiellen Starkregen betrifft und die PPW's sind mit 25
bis 30 mm ausreichend hoch, um lokale Unwetter aufgrund heftigen Starkregens
nicht auszuschließen. Nach Nordosten hin passiert in etwas trockenerer Luft
konvektiv am wenigsten.

Vor allem in Küstennähe zeigt sich bei Seewind auch mal längere Zeit die Sonne
bei maximal 21 bis 27 Grad.

In der Nacht zum Freitag zieht das neu entstandene Höhentief über dem Alpenraum
nach Osten wodurch bei uns die Höhenströmung auf Süd bis Südost dreht. An der
Nordflanke des Tiefs und bei schwachem nördlichen bis nordwestlichem Bodenwind
kommt es im Süden zu teils starken Regenfällen, die zunächst auch von Gewittern
begleitet sein können. Hier simulieren die Modelle (IFS und ICON)
Niederschlagsmengen bis in den Unwetterbereich. Auch im Bereich der Trogachse,
die sich zu uns hereinschiebt und dann bogenförmig vom Norden über den Westen
nach Südwestdeutschland reicht, lassen die Schauer und Gewitter nur langsam
nach, vor allem anfangs verbunden teils mit Starkregen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Abläufe werden im synoptischen Scale weitgehend ähnlich simuliert. Die
Unsicherheiten im Detail verbleiben. Auf eine Vorabinformation wird verzichtet,
weil die Modelle die Entwicklung der Gewitter aktuell deutlich verhaltener
simulieren, als zuletzt. Einzelne Gewitter werden ganz im Norden, aber auch nach
Südosten hin zwar schnell zu Unwettern, fraglich ist, ob überhaupt welche
entstehen. Und wenn dann bleiben die Entwicklungen lokal.
Auch danach bleiben Fragezeichen.

Für die kommende Nacht steht im Osten Starkregen an, dessen genaue
Position/Intensität unklar ist und die eventuelle Beteiligung von Gewittern.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner