DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-07-2021 08:30
SXEU31 DWAV 050800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 05.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa)

Heute im Norden und Nordosten einzelne Gewitter. Morgen schleifende Kaltfront
mit Gewittern (Norden, Mitte), im Süden voraussichtlich nur einzelne präfrontale
Entwicklungen, die aber knackig (Unwettergefahr). In der Nacht zum Mittwoch
frontale Starkregengefahr, am Mittwoch Entspannung.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... schlängelt sich die Frontalzone vom mittleren Nordatlantik kommend bis
nach Mitteleuropa respektive Deutschland, wo erst die westlichen, später dann
die nördlichen Landesteile unter den linken Ausgang des Jets gelangen. Damit ist
schon mal klar, dass in diesen Gebieten Absinken heute kein großes Thema ist,
sondern eher vom Gegenteil ausgegangen werden muss. Da nutzt es auch nicht viel,
dass das Potenzial im Tagesverlauf von Südwesten her etwas ansteigt bzw. die
Isohypsen beginnen aufzuwölben, weil es über dem nahen Atlantik zu einer
markanten Austrogung kommt. Diese befeuert ganz nebenbei die Zyklognese eines
kleinen aber feinen Sommertiefs namens ZYPRIAN, das aktuell noch knapp westlich
der Biskaya liegt, von wo aus es unter Intensivierung in Richtung Landsend
steuert. Wenn es dort zum Tagesende aufschlägt, könnte der Kerndruck auf nahe
990 hPa gefallen sein, was für Anfang Juli schon eine ganz ordentliche
Hausnummer ist.

Doch zurück erstmal in unsere Gefilde, wo wir uns im Nordosten mit einem nur
sehr, sehr zögerlich nordostwärts abziehenden Höhentrog beschäftigen müssen, der
quasi den Ausgang der Frontalzone markiert. Unmittelbar vor der Trogachse hat
sich leichter PVA folgend ein durchbrochenes, leicht gebogenes Regenband
formiert, dass wiederum den "kalten" Rand einer flachen Tiefdruckrinne markiert.
Eingelagert in die Rinne ist eine Okklusion mit Kaltfrontcharakter, die feuchte
und leidlich labil geschichtete Warmluft (T850 um 11°C) prä- von etwas kühlerer,
geringfügig trockenerer und etwas stabilerer Meeresluft postfrontal trennt.
Rinne und Front verlagern sich in den nächsten Stunden peu a peu nordostwärts,
wobei die anfangs noch stratiform anmutenden Elemente des Regenbandes zunehmend
konvektiven Charakter annehmen. Für einzelne Gewitter (meist Einzelzellen) wird
es in der Warmluft vielleicht so gerade noch reichen in einem von Vorpommern bis
ins östliche BB reichenden Streifen (ganz vielleicht ist auch noch Ostsachsen
nicht ganz raus aus der Nummer), auch wenn aufgrund der starken Bewölkung kaum
CAPE aufgebaut werden kann. Über den Status markant (Starkregen, kleiner Hagel,
Böen 7-8 Bft) sollten diese Überentwicklungen jedenfalls nicht hinausgehen.

Ansonsten gilt es den Blick in Richtung Rückseite zu schärfen, wo sich ein
Korridor mit geringer Bewölkung anschließt (doch etwas Absinken, aber
kompensatorischer Natur), der tagsüber aber wieder mit Bewölkung gefüllt wird.
Noch etwas weiter west-südwestlich setzt dann schon wieder Hebung ein, induziert
von einem kleinen Vorticitymaximum mit Unterstützung von WLA sowie einer
weiteren Kaltfront, die aber durch eine flache Welle über Frankreich ausgebremst
wird. Vor allem die PVA steht im Zusammenhang mit einem in den Haupttrog
reinlaufenden Sekundärtrog, der über eine sehr gut gekrümmte diffluente
Vorderseite verfügt. Die zugehörige starke Bewölkung hat bereits in der Nacht
den Westen und Südwesten erreicht, gefolgt von teils konvektivem, teils
stratiformem Regen. Dieser wird sich im Tagesverlauf über Norddeutschland und
die Mitte hinweg nach Osten vorarbeiten, wobei der konvektive Charakter gemäß
der Jahreszeit und dem Tagesgang folgend immer mehr die Oberhand gewinnt. Das
geht sogar so weit, dass sich im Norden etwa ab Mittag einzelne Gewitter
entwickeln können, auch wenn die maritime Luftmasse nicht gerade durch opulente
Labilität auffällt. Das indifferente bis leicht labil geschichtete Profil reicht
aufgrund des hohen Feuchtegehalts der Luftmasse (PPW um 30 mm) so gerade aus, um
einzelne Überentwicklungen zu produzieren. Trotz guter Scherungsbedingungen
reicht es wohl nur für ein paar wenige ziehende Einzelzellen, die teils gelb,
teils ocker (RR um 15 l/qm innert kurzer Zeit, kleiner Hagel, Böen max. 8 Bft)
bewarnt werden müssen.

Abschließend noch ein kurzer Exkurs in die südlichen Landesteile, wo in BW
inzwischen auch schon etwas Regen angekommen ist. Dafür scheint in Teilen
Bayerns die Sonne, was vor allem in Oberbayern tagsüber trotz einiger Wolken
zeitweise auch so bleiben wird. Der Grund ist das kleine Hoch BEATE in den
Alpen, das sich tapfer gegen die weiter nördlich und westlich stattfindenden
Hebungsprozesse wehrt. Die Temperatur erreicht landesweit Höchstwerte zwischen
20 und 26°C.

In der Nacht zum Dienstag macht die Austrogung über dem nahen Atlantik bzw.
UK/Irland weitere Fortschritte, während gleichzeitig das korrespondierende
Bodentief ZYPRIAN Südengland erreicht. Dabei scheint sich ein zweiter Kern
auszubilden, der am Morgen etwa im Bereich der Trentmündung liegt, während der
Hauptkern unweit der Südküste zu finden ist. Das zughörige Frontensystem wurde
in den Vorhersagekarten klassisch nach Norwegischer Schule eingefügt, auch wenn
das Tief durchaus Züge einer Shapiro-Keyser-Zyklone aufweist. Allerdings soll
das an dieser Stelle nicht vertieft werden, vielmehr gilt es sich der
Wetterentwicklung zu widmen.

Da gilt es zu berichten, dass die Warmfront den Westen und Nordwesten ankratzt
mit mehrschichtiger Bewölkung, aber kaum Regen. Auch sonst bleibt es nach
raschem Zusammenfallen abendlicher Restkonvektion trocken bleibt. Dort, wo es
für längere Zeit aufklart und tagsüber geregnet hat, können sich flache
Nebelfelder bilden. Der Wind dreht zurück auf südöstliche Richtungen und lebt in
einigen exponierten Hochlagen der Mittelgebirge auf, wobei der Brocken mit 8-9
Bft ganz oben auf der Agenda steht.

Dienstag... rückt das Drehzentrum des positiv geneigten Höhentrogs über
Westeuropa bzw. dem nahen Atlantik dichter an den Vorhersageraum heran, genau
zur westlichen Nordsee. Dort zieht es auch das Bodentief hin, wobei noch nicht
ganz sicher ist, wie es mit den beiden Kernen weitergeht (Fusion oder weiterhin
isoliert). Das Haupttief jedenfalls kommt unter dem Höhentief zu liegen, womit
klar ist, dass der Höhepunkt überschritten ist. Am Abend dürfte der Kerndruck
rund 995 hPa betragen. Wichtiger als das ist aber die Tatsache, dass die
Kaltfront auf Deutschland übergreift, was im Norden progressiver vonstattengeht
als im gradientschwächeren Süden, wo nicht zuletzt auch wegen der weitgehend
höhenströmungsparallelen Exposition der Front der Schleifprozess droht.

Vorderseitig gelangt ein Schwall sehr warmer bis heißer Mittelmeerluft in den
Osten und Süden (T850 14 bis 18°C, in Südostbayern mit Föhnunterstützung sogar
über 20°C), die zwar labil geschichtet, aber auch stark gedeckelt ist. Das
erklärt zu einem Großteil, warum die Numerik trotz vorlaufendem Bodentrog
("Gewittersack") mit eingelagerter Konvergenz kaum präfrontale Konvektion im
Angebot hat. Vielleicht geht am Spätnachmittag/Abend vereinzelt aus den Alpen
heraus bzw. im Alpenvorland was, wenn sich ein flaches Tief (teil orografisch,
teils thermisch induziert) löst und eine kleine Druckwelle von Westen
durchläuft, die zum Zünglein an der Waage werden könnte. Wenn sich Gewitter
bilden, dann können diese rasch unwetterartig ausfallen durch Starkregen,
größeren Hagel (gute Scherung) und (schweren) Sturmböen (Downburstgefahr durch
inverse V-Struktur). Ob es im Süden direkt an der Front, ausgelöst z.B. durch
frontale Querzirkulation, für Gewitter reicht, ist angesichts zunehmender
Stabilität der Luftmasse fraglich. ICON-D2 scheint hier deutlich zu übertreiben,
allerdings sollte man zumindest ungewittrigen Starkregen auf dem Zettel haben.

In der Mitte und im Norden dürfte die Kaltfront zunächst mal "nur" mit Regen,
aber weitgehend ungewittrig nach Osten vorankommen. Auf der Rückseite strömt ein
Schwall etwas kühlerer (T850 10 bis 7°C) und stabilerer Meeresluft in den Westen
und Nordwesten, deren Wasserdampfgehalt deutlich reduziert ist. Entsprechend
bleibt es dort nach Abzug des Regens überwiegend trocken mit einigen
Wolkenauflockerungen. Derweil nimmt die Gewitterwahrscheinlichkeit an der Front,
aber auch rückseitig im Norden und in der Mitte im Tagesverlauf zu, wobei die
genauen Abläufe noch mit gewissen, vom alternden Verfasserauge nicht vollständig
zu durchdringenden Schleiern versehen sind. Fakt ist, dass die relevante
Luftmasse sehr feucht ist (PPW 35 bis 40 mm, s.F. um 12 g/kg), aber nur mäßig
labil (Lapse Rate 2-4 km bei rund
-0,6 K/100 m), was in Verbindung mit wenig Einstrahlung die vergleichsweise
limitierten CAPE-Werte von meist unter
500 J/kg erklärt. Dafür wird Scherung im Überfluss angeboten von bis zu 15 m/s
LL bis zu rund 35 m/s DL. High Shear Low Cape, da heißt es ausfgepasst. Trotzdem
sollte man bei den erwarteten Gewittern in der Basis erstmal von markanten
Entwicklungen ausgehen. Für Starkregen ist eigentlich zu viel Zug vorhanden,
auch wenn 25 l/qm innert kurzer Zeit rasch erreicht sind. Für Böen ab 11 Bft ist
zu wenig Höhenwind vorhanden respektive die Downburstgefahr zu gering (relativ
feuchte Grundschicht). Und beim Hagel fehlt es etwas an CAPE, als dass die ganz
großen Körner vom Himmel fallen könnten. Aber 2 cm reichen ja schon, um das
WU-Kriterium zu reißen.

Etwas unklar ist derzeit auch noch, wie sich die Höhenströmung auf die
Entwicklung auswirkt. So wird sich im Tagesverlauf von Frankreich her via
Westdeutschland der Jet bis in den Norden vorarbeiten, der anfangs auf der
hebungsungünstigen rechten Ausgangsseite liegt, um dann später mehr und mehr in
den günstigen linken Ausgangsbereich zu gelangen. Darüber hinaus fällt auch noch
auf, dass das HKN im Norden in stark geschertem Umfeld weit absinkt auf z.T.
deutlich unter 1000 m. Damit steigt in erster Näherung auch die Gefahr von
Funnels oder gar Tornados. Allerdings mangelt es etwas an der notwendigen
Richtungsscherung im unteren Troposphärenbereich (zu viel Süd- und zu wenig
Ostkomponente), so dass die relative Helizität nicht ausreichen könnte.

Bliebe nur noch der nicht konvektive und aus dem Gradienten generierte Wind zu
erwähnen, der insbesondere im Westen und Nordwesten sowie in der Mitte auf sich
aufmerksam macht mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, Brocken 9 bis 10 Bft. Imposant
sind die großen Temperaturgegensätze: Während vom Alpenrand bis hoch nach
Vorpommern mit Unterstützung der für lange Zeit scheinenden Sonne 29 bis 34°C
erreicht werden, wird es in der (höheren) Eifel schwer, auf 20°C zu kommen.

In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der leicht positiv geneigte Höhentrog
westlich des Vorhersageraums bis zur Iberischen Halbinsel aus. Dadurch steilt
die südwestliche Höhenströmung bei uns noch etwas auf, was der Progression der
Kaltfront überhaupt nicht schmeckt. Sie wird weiter schleifen und möglicherweise
sogar eine kleine Welle schlagen. Zudem wird der Anacharakter der Front immer
deutlicher, weil sie in unteren Schichten von westlichen Winden überlaufen wird,
um oberhalb etwa 800 hPa auf Süd bis Südwest zu drehen (=> Gegenstrom). Kurzum,
eigentlich alle Modelle simulieren eine frontnahe Intensivierung der Regenfälle
in einem Korridor, der etwa von Südbaden über Franken und Sachsen bis nach BB
reicht. Unklar ist derzeit noch, wo genau wie viel Regen fällt, was nicht nur an
Modellunterschieden per se, sondern auch an der allenfalls mittelmäßigen
Konsistenz der Rechnungen liegt. Die Gefahr, dass gebietsweise nicht-gewittriger
Starkregen fällt, ist jedenfalls definitiv gegeben. Auch können im Süden bis in
die Nacht hinein noch einzelne kräftige konvektive Umlagerungen auftreten.

Im Osten und Südosten bleibt die Nacht sehr mild bis warm mit Tiefstwerten von
20 bis 17°C. Im Westen und Nordwesten stehen hingegen 14 bis 9°C auf der Karte.



Mittwoch... verbleiben wir trogvorderseitig, wobei die südwestliche
Höhenströmung allmählich eine indifferente bis antizyklonale Kontur annimmt.
Auch am Boden steigt der Luftdruck etwa an, so dass sich eine schwache Brücke
bildet, die das Azorenhoch mit einem Hoch über Russland verbindet. Angesichts
dieser Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass die weiterhin nur zögerlich
ostwärts vorankommende Kaltfront an Wirksamkeit sowie Baroklinität verliert.
Zwar regnet es in einem diagonal von Südwesten bis in den Osten reichenden
Streifen anfangs noch weiter, die Starkregengefahr nimmt aber immer weiter ab
und spätestens zum Nachmittag auch allgemein die Regenwahrscheinlichkeit.

Postfrontal stellt sich im Westen und Norden eine weitgehend trockene Mischung
aus Sonne und Quellungen ein. Ganz im Nordwesten, wo die höhenkalte Luft des
Troges am nächsten ist, entwickeln sich einzelne Schauer. Ob es auch für ein
Gewitter reicht, ist vor dem Hintergrund einer bei 650 bis 600 hPa
positionierten leichten Sperrschicht sowie Wolkenoberflächentemperaturen über
-10°C fraglich.

Die eingeflossene Meeresluft (T850 8 bis 13°C) kann sich erwärmen auf maximal 22
bis 28°C.

In der Nacht zum Donnerstag deuten sich aus der Schweiz und Ostfrankreich neue,
schauerartig verstärkte und mit Gewittern durchsetzte Regenfälle an. Mehr dazu
in den Folgeübersichten.



Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft differieren die Modelllösungen vornehmlich im Hinblick auf
Niederschlag und Gewitter. Ansonsten passt alles ganz gut.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann