DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-06-2021 07:30
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 24.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW
Heute in der Mitte und im Süden teils kräftige, vor allem im Süden nochmals auch
schwere Gewitter. Am Freitag ähnlich, aber mit abnehmender Unwettergefahr.
Samstag nur noch vereinzelte Gewitter und kaum mehr Unwetter.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines flachen,
"breitgelatschten" Höhentroggebildes mit mehreren kleinräumigen Drehzentren über
Benelux, Frankreich und Westdeutschland. Daraus resultiert natürlich ein nur
noch sehr flacher bis gar nicht mehr vorhandener Potenzialgradient über weiten
Teilen des Landes, lediglich der Südosten und äußerste Osten liegen noch
unmittelbar trogvorderseitig unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung, wobei
diese mit Passage eines weiteren kurzwelligen Troganteils, der sich aktuell über
dem Westalpenraum befindet und sich bis zum Abend allmählich nordostwärts bis in
den Nordosten Deutschlands vorarbeitet, von Westen her ebenfalls weiter
auffächert.
Die Druckverteilung im Bodenfeld gestaltet sich erwartungsgemäß ähnlich flau.
Einem nur noch sehr flachen Azorenhochkeil, der sich über den Ärmelkanal bis zur
Deutschen Bucht bzw. nach Nordwestdeutschland erstreckt, steht eine amorphe
Druckverteilung weiter südlich entgegen, wobei sich das überströmungsbedingte
Lee-Tief im Osten Österreichs im Tagesverlauf diabatisch begünstigt verstärkt
und sich von ihm ausgehend eine flache Tiefdruckrinne bis nach Mittelfranken
vorarbeitet. Somit befinden sich nach wie vor weite Teile der Südhälfte des
Landes und teilweise auch noch die mittleren Landesteile weiterhin im
Einflussbereich feuchtwarmer und instabiler Luftmassen (T850 hPa zwischen 9 und
12 Grad), während in den Norden und Nordwesten des Landes am Rande des Hochkeils
stabilere und etwas kühlere Luft gelangt (T850 hPa um 6 Grad). Insgesamt haben
sich die Luftmassengegensätze zwar temperaturtechnisch in den vergangenen Tagen
etwas angeglichen, bzgl. des Gehalt niederschlagbaren Wassers gibt es aber nach
wie vor größere Unterschiede. Im Norden und Nordwesten werden die 20 mm nur
knapp überschritten, ansonsten ist es mit Werten um oder auch über 30 mm
deutlich feuchter.
Die Atmosphäre ist weitgehend ungedeckelt und somit braucht es auch nicht viel
Hebungsantrieb für das Auslösen von Konvektion, zumal die Auslösetemperaturen
mit etwa 20 bis 24 Grad (die höheren Werte im Südosten) dazu noch recht niedrig
sind. Die Schwerpunktsregionen der Gewitteraktivität lassen sich allerdings
einmal mehr nur schwer herausarbeiten, zumal mangels Deckel auch davon
auszugehen ist, dass entstehende Gewitter rasch verclustern und sich erneut
größere Multizellensysteme entwickeln dürften. Hochreichende Scherung ist
aufgrund der Höhenwinde vor allem noch im Südosten Bayerns vorhanden, und das
auch nicht zu knapp (über 20 m/s 0 bis 6 km, an der Grenze zu Österreich sogar
bis nahe 30 m/s), ansonsten werden diese Cluster vor allem auch durch die
Orographie bzw. durch Outflow Boundaries älterer Systeme beeinflusst, die vor
allem nahe der Mittelgebirge und der Alpen kleinräumig durchaus auch einiges an
low Level Shear (um 10 m/s in den unteren 1 bis 2 km, eventuell auch etwas mehr)
generieren können, in erster Linie durch die Richtungsänderung des Windes.
Somit steht zunächst einmal das Verhalten noch bestehender Gewittersysteme aus
der vergangenen Nacht im Fokus. Dabei fallen zwei größere, aktuell nur noch
selten blitzende Cluster ins Auge, die sich inzwischen bis in die südliche Mitte
bzw. in den Osten des Landes vorgearbeitet haben. Diese kommen im Tagesverlauf
noch ein wenig nach Norden voran, schwächen sich dann aber durch das Entrainment
trockenerer Luftmassen von Norden her allmählich ab und "zerbröseln" zusehends.
Dennoch könnte es auch in den mittleren Landesteilen mit etwas Einstrahlung und
auch mit der geringfügig zunehmenden dynamischen Hebung vorderseitig des sich
nähernden kurzwelligen Troganteils für einzelne Gewitter reichen, ICON-D2 z.B.
lässt einzelne Gewitter bis nach NRW, Nordhessen und Sachsen-Anhalt vorankommen.
Dort ist allerdings wohl nur maximal von markanten Entwicklungen, in erster
Linie aufgrund der geringen Zuggeschwindigkeit den Starkregen betreffend,
auszugehen, mehr als 100 bis 300 J/kg Cape stehen dort meist nicht zur
Verfügung. Weiter östlich, wo es im Bereich eines ehemaligen Clusters aktuell
etwas regnet (Brandenburg, Thüringen), könnte es sogar komplett gewitterfrei
bleiben.
Dann aber gilt es, den Fokus auf die Regionen südlich der Cluster bzw. an deren
Südränder zu legen. In Süddeutschland hat sich bereits wieder vielerorts die
Sonne durchgesetzt, mit der Einstrahlung kann auch wieder einiges an Cape
generiert werden, gebietsweise nach Lesart der Konvektion erlaubenden Modelle
auch über 1000 J/kg. Wo genau, lässt sich ebenfalls schwer herausarbeiten. Am
ehesten in Regionen mit viel Einstrahlung und kleinräumigen konvergenten
Windfeldern, die auch meist mit einer Feuchtekonvergenz einhergehen, und da
spielt sicherlich die ein oder andere, aus den Clustern herauslaufende Outflow
Boundary eine Rolle, ansonsten natürlich die Orographie. Entsprechend lassen es
ICON-D2 und SuperHD bereits recht früh im Südwesten "zünden", im weiteren
Verlauf des Nachmittags dann auch aus der Schweiz heraus ganz im Süden sowie an
den Alpen. Vor allem nach Westen zu steht mangels Scherung in erster Linie der
Starkregen warntechnisch im Fokus. Bei sich kaum verlagernden und sich immer
wieder regenerierenden Multizellensystemen sind die Unwetterkriterien rasch
erreicht, auch extremes Unwetter (mehr als 40 l/qm/h) ist sicherlich wieder mit
von der Partie. Bei isolierten Entwicklungen kann es in Zusammenspiel mit
orographisch getriggerter low Level Shear durchaus auch wieder Hagel geben
(meist 2 bis 3 cm, kaum größer), zumindest aber Hagelmassen.
Im Süden und Osten Bayerns, vor allem dort, wo Österreich und Tschechien nah
sind, ist noch mehr Scherung im Spiel. Dort dauert es auch wohl länger bis zur
Auslöse und eventuell können die Zellen dort auch längere Zeit isoliert bleiben.
Der Fokus ist dabei erst einmal (am Nachmittag) auf das Alpenvorland gerichtet,
zum Abend hin dann wohl auch auf den Osten Bayerns. Bei isolierten Entwicklungen
kann durchaus auch größerer Hagel auftreten und auch schwere Sturm- bis hin im
Extremfall zu Orkanböen, in erster Linie im östlichen Alpenvorland, zumal
ICON-D2 im aktuellen Lauf dort auch ein kräftigeres System auf der Agenda hat.
Für den Norden und Nordwesten Deutschlands ist die Wettergeschichte dagegen
schnell erzählt. Dort hält sich gebietsweise dichtere Sc-Bewölkung, die nur
allmählich auflockert, zeitweise ziehen auch mittelhohe Wolkenfelder von den
Gewitterclustern weiter südlich durch, ansonsten lässt sich aber auch mal die
Sonne blicken und es bleibt trocken. Im Nordseeumfeld werden etwa 17 bis 20 Grad
erreicht, ansonsten liegen die Höchstwerte allgemein zwischen 19 und 24 Grad, im
Süden und Südosten können mit Sonne bis zu 26 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Freitag geraten wir mehr und mehr in den zentralen Bereich des
Höhentroges, der immer mehr an Kontur verliert, so dass auch im Südosten kaum
mehr Gradient vorhanden ist. Derweil greift von Nordwesten her ein markanterer
Höhentrog auf die Britischen Inseln über, aus dem ein Höhentief über der
Irischen See abtropft. Unterhalb des Troges bleibt auch die Bodendruckverteilung
im Vorhersagegebiet äußerst gradientschwach, dabei lässt sich konstatieren, dass
der zur Nordsee gerichtete Hochkeil nun endgültig abgebaut wird, dafür aber ein
flacher Keil von Frankreich her auf den Südwesten übergreift.
Erneut dürfte sich die Gewittertätigkeit in Süddeutschland die Nacht über nur
sehr zögernd abschwächen. Dabei verclustern die Gewitter mehr und mehr und
werden als größere Systeme allmählich nordwärts geführt. Nach wie vor besteht
Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen, vor allem anfangs auch noch extrem.
Welche Regionen dabei in erster Linie betroffen sind, lässt sich im Vorfeld nur
schwer abschätzen. Die vorliegenden konvektiven Modelle bieten wie immer mehrere
Lösungsmöglichkeiten an. ICON-D2-EPS setzt die Schwerpunkte zunächst noch über
Südostbayern, aber auch im Schwarzwald, später dann allmählich nach Norden
ziehend Richtung Oberfranken/Vogtland sowie Richtung Odenwald. Auch, wenn das
Unwetterpotenzial wohl nicht so hoch wie in der vergangenen Nacht sein dürfte
(mit der generell mehr auf Nordwest drehenden Grundströmung findet doch ein
gewisses Entrainment trockener Luftmassen statt), steht den Kollegen im
Warndienst erneut eine unruhige Nacht bevor. Extremes Unwetter dürfte aber kaum
mehr mit von der Partie sein.
Wie weit der "Clusterschrott" genau nach Norden ausgreift, ist noch unklar, im
Nordwesten sowie in weiten Teilen der Norddeutschen Tiefebene bleibt es aber
trocken. Im Nordwesten kühlt es dort, wo die Bewölkung stärker auflockert,
gebietsweise auf unter 10 Grad ab, sonst liegen die Tiefstwerte zwischen 16 und
11 Grad.

Freitag... wird der Höhentrog über Mitteleuropa mehr und mehr "zugeschüttet",
während das Höhentief über der Irischen See nur sehr zögerlich nach Süden
vorankommt. Dazwischen beginnt sich ein flacher Höhenkeil über Frankreich und
Benelux aufzuwölben.
Im Bodenfeld bleibt es bei "barometrischem Sumpf", wobei sich - nur in hoher
Isobarenauflösung sichtbar - der flache Keil von Frankreich her etwas ins
Vorhersagegebiet ausweitet. An dessen Ostflanke kann sich die stabilere und
etwas kühlere Luftmasse von Nordwesten her allmählich ein wenig nach Süden
vorarbeiten, vor allem in der Westhälfte. Die Temperatur in 850 hPa geht auch im
Südosten etwas zurück (6 Grad im Nordosten, 10 Grad im Südosten), durch das
Entrainment der trockeneren Luft sinken dort die PPW-Werte ebenfalls etwas und
überschreiten kaum mehr die 30 mm, die spezifische Feuchte überschreitet kaum
mehr die 10 g/kg.
Somit wiederholt sich zwar das Spielchen vom Vortag, aber auf niedrigerem
Niveau. Je nach Einstrahlung können im Süden und Südosten meist nur noch wenige
100 J/kg, maximal 500 bis 700 J/kg Cape generiert werden. Die Atmosphäre bleibt
weitgehend ungedeckelt, die Auslösetemperatur niedrig, so dürfte es mit Hilfe
der Orographie sowie in der Peripherie der alten Cluster alsbald wieder zünden.
Im Südwesten reicht es wohl nur noch für vereinzelte Gewitter, im Südosten, vor
allem in Süd- und Ostbayern bis nach Westsachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt,
wohl auch für Multizellensysteme. Die Unwettergefahr ist dabei deutlich geringer
als an den Vortagen und beschränkt sich auf kleinräumige Starkregenereignisse
bei langsam ziehenden Clustern. Hagel und Sturmböen spielen mangels Scherung
eine eher untergeordnete Rolle.
Eventuell erreichen die Gewitter auch noch Nord- und Mittelhessen sowie den
Süden Brandenburgs, ansonsten bleibt es aber im Norden und Westen des Landes
weitgehend trocken. Eventuell reicht es nahe der niederländischen Grenze für
einzelne Schauer oder kurze Gewitter, die mit einem flachen Bodentief über dem
Osten Englands in Verbindung stehen, auf dessen Vorderseite eine Schliere etwas
feuchterer Luft von Frankreich her nach Benelux geführt wird. Cape wird dort
aber kaum simuliert.
Ansonsten lässt sich im Nordwesten die Sonne aber auch mal länger blicken,
während es in den anderen Regionen meist nur für kürzere Sonnenfenster reicht.
Die Höchstwerte liegen allgemein - je nach Sonne - zwischen 18 und 24 Grad.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich das westeuropäische Höhentief zum
Westausgang des Ärmelkanals. An dessen Ostflanke stützt schwache WLA den flachen
Höhenkeil, der allmählich auf den Westen Deutschlands übergreift. Auch im
Bodenfeld steigt der Druck etwas, über Süddeutschland bildet sich sogar eine
eigenständige Hochdruckparzelle. Diese Gemengelage hat deutlich
konvektionshemmende Wirkung. Somit dürften die Gewittertätigkeit im Laufe der
ersten Nachthälfte weitgehend zum Erliegen kommen, von wenigen, warntechnisch
dann aber gut in den Griff zu bekommenden Ausnahmen abgesehen.
Ansonsten lockern die Wolken vielerorts auch mal stärker auf, innerhalb der
feuchten Luftmasse kann sich dann Nebel bilden. Mit Tiefstwerten zwischen 14 und
8 Grad wird die Nacht angenehm frisch.

Samstag... nistet sich das Höhentief am Westausgang des Ärmelkanals regelrecht
ein. WLA auf dessen Vorderseite stützt nach wie vor den Höhenkeil bzw. -rücken,
der ein wenig nach Osten vorankommt und sich nun direkt über dem
Vorhersagegebiet noch etwas verstärken kann. Ein weiterer, zonal orientierter
Rücken erstreckt sich südlich der weit im Norden verlaufenden Frontalzone vom
mittleren Nordatlantik bis zur südlichen Norwegischen See, beide Systeme
verbindet eine Potenzialbrücke über der Nordsee.
Im Bodendruckfeld bleibt es bei einer vollkommen gradientschwachen, amorphen
Druckverteilung. Vielerorts kann sich im Tagesverlauf die Sonne durchsetzen, mit
der Einstrahlung wird die Luftmasse wieder zusehends labilisiert,
niedertroposphärisch wird es etwas wärmer, die Temperatur in 850 hPa steigt auf
9 Grad im Norden und bis 14 Grad an den Alpen. Reste der feuchten Luft halten
sich vor allem noch von Sachsen bis in den Norden und Osten Bayerns, auch in den
Nordwesten sickert von der Nordsee her etwas feuchtere Luft und lässt die
PPW-Werte auf etwa 25 bis 30 mm steigen. Der Rücken wirkt durch großräumiges,
aber nur schwaches Absinken zwar konvektionshemmend, dennoch kann es in erster
Linie ausgehend von den Mittelgebirgen für einzelne Überentwicklungen reichen,
in erster Linie im Südosten, während vor allem im Südwesten ein doch recht
ausgeprägter Deckel Auslöse verhindern sollte. In diese Kerbe schlagen auch die
Simulationen der Konvektion erlaubenden Modelle (SuperHD, SwissHD), die vor
allem dort, aber auch im Nordwesten einzelne Schauer oder kurze Gewitter
simulieren. Mangels Zuggeschwindigkeit sind vor allem in den Mittelgebirgen
(Erzgebirge, Zittauer Gebirge, ostbayerische Mittelgebirge) auch Unwetter
aufgrund von Starkregen nicht ausgeschlossen.
Im überwiegenden Teil des Landes bleibt es aber trocken und neben Quellwolken
scheint häufig die Sonne, am meisten wohl im Südwesten und Süden sowie an der
Ostsee. Die Höchstwerte erreichen sommerliche 23 bis 28 Grad, an
Küstenabschnitten mit Seewind bleibt es natürlich entsprechend kühler.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Detail sind natürlich auch heute und vor allem in der kommenden Nacht wieder
die Schwerpunktsregionen konvektiver Aktivität nur schwer auszumachen. Mit einer
Vorabinformation wurden vor allem die Regionen versehen, in denen noch recht
markante Scherung simuliert wird, so dass neben Starkregen auch größerer Hagel
und schwere Sturm- bis Orkanböen (im Extremfall) möglich sind.
Im Groben simulieren alle Modelle bis Samstag recht einheitlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff