DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-06-2021 08:30
SXEU31 DWAV 210800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 21.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang von Sz (Süd zyklonal) in TrW (Trog Westeuropa)

Zwar nicht mehr so heiß, aber weiterhin Gefahr teils schwerer Gewitter. Am Abend
und in der Nacht zum Dienstag vor allem im Süden (Vorabinfo). Zum Mittwoch hin
abnehmende Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Montag... ist zwar der erste Tag des kalendarischen Sommers, aber auch
gleichzeitig der Tag, der nach der ersten Hitzewelle des Jahres nun erst mal
einen Witterungsabschnitt mit zurückgehenden Temperaturen einleitet. Dabei liegt
eine unruhige Nacht hinter den inzwischen in den wohlverdienten Feierabend
geschickten Diensthabenden, hatten sie es doch mit einem organisierten
Gewittercluster (MCS) zu tun, der von Süden kommend inzwischen (Stand 04:30 UTC)
Norddeutschland erreicht hat. Dabei zeigt sich das System nach Osten noch
gewittrig, während es sonst durch ungewittrigen (Stark)Regen auffällt. Regen und
Gewitter treten auf der Nordflanke einer von NRW bis in den Nordosten
exponierten Tiefdruckrinne auf, initiiert durch einen kleinen KW-Trog, der auf
der Vorderseite eines LW-Troges mit Drehzentrum über der Biskaya langsam
nordwärts gesteuert wird.

Es braucht schon noch etwas Zeit, bis Regen und Gewitter aus Norddeutschland
abziehen. Im Nordosten funktioniert das dadurch, dass die Rinne allmählich nach
Norden schwenkt und der Wind von Nordost auf Süd-Südwest dreht, recht flüssig
bzw. ist es schon passiert. Nach Nordwesten hin braucht´s sehr wahrscheinlich
bis weit in den Nachmittag, an der Nordsee gar bis in di Abendstunden, ehe es
aufhört zu regnen. Zwar beginnt der Luftdruck zu steigen, so dass die Rinne in
ihrem Westteil langsam zugeschüttet wird. Allerdings sorgt andauernder
Gegenstrom (unten Wind um Nord, oberhalb etwa 900 bis 850 hPa auf südliche
Richtungen drehend) für kontinuierliche Hebung und entsprechenden Niederschlag.
Die Gewitterneigung nimmt in den nächsten Stunden ab ("vormittägliche
Depression"), auf Starkregen (auch mehrstündig) gilt es bis Mittag aber noch
erhöhte Aufmerksamkeit zu richten. Vor allem in SH, wo die Verlagerung des
Regens etwas schleppender erfolgt, gibt es sogar Anzeichen für unwetterartige
Mengen, die sich wahrscheinlich aber nicht bewahrheiten werden. Dafür erreicht
der nördliche Wind am frühen Nachmittag auf den Ostfriesischen Inseln in Böen
vorübergehend mal Stärke 7 Bft.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die heiße Luftmasse vom Wochenende im
wahrsten Sinne des Wortes reingewachsen und ihr auch ein Teil an Energie
entzogen wurde. Gleichwohl ist sie mit Ausnahme des Nordwestens, wo eine
deutliche Stabilisierung einsetzt, noch labil und feucht genug, um mit Hilfe der
nun einsetzenden Einstrahlung ML-CAPE zu generieren, das meist zwischen 500 und
1000 J/kg, stellenweise sogar etwas darüber liegt. Dabei zeichnet sich bezogen
auf den Vorhersageraum ein durchaus differenziertes Bild ab. Ein Streifen mit
einem CAPE-Maximum schlängelt sich leicht bogenförmig um die stabilen Luftmassen
im Nordwesten etwa vom nördlichen RP bis ins südliche Niedersachsen. Allerdings
erkennt man in den Prognosesoundings ab etwa 700 hPa eine beginnende
Stabilisierung (zwar keine Inversion, aber in Richtung Isothermie) sowie eine
Abtrocknung, so dass es mit Gewittern schwer werden könnte. Schauer sind aber
auf jeden Fall drin. Ein zweites Maximum zieht sich ebenfalls leicht bogenförmig
von äußersten Osten über Sachsen bis hinunter in die Donauregion. Die Frage, die
sich hier stellt, lautet: wer oder was liefert die Auslöse? Die
Hauptwindkonvergenz ist bereits nach Polen abgereist und synoptisch-skalig
herrscht Flaute. Mit Hilfe der Orografie sowie diabatischer Prozesse
(Auslösetemperatur wird meist erreicht) können sich ein paar wenige pulsierende
Einzel- oder bestenfalls Multizellen entwickeln (die Überlappung von
Labilität/CAPE und Scherung ist alles andere als gut) entwickeln, in denen vor
allem der Starkregen (PPWs um 30 mm, im Osten bis 35 mm) eine prominente,
isoliert sogar unwetterartige Rolle einnimmt. Hagel ist insbesondere im
Anfangsstadium ebenfalls ein Thema, Wind/Sturm zunächst mal weniger.

Kurz noch eine Bemerkung zu den Temperaturen, die lediglich im äußersten Osten
und Südosten (T850 15 bis 17°C) ein vorerst letztes Mal die 30°C-Marke
überschreiten (Maximum um 33°C). Ansonsten stehen 23 bis 29°C, im bedeckten und
regnerischen Nordwesten (T850 bis zum Abend auf 11 bis 6°C runter) sogar nur 16
bis 22°C auf der Karte.

Ab dem späten Nachmittag bzw. in den Abendstunden gilt es den Blick wieder
Richtung Südwesten zu schärfen, wenn in Verbindung mit einem nur schwer
erkennbaren KW-Trog neuerlich Konvektion aus den Alpen (Westteil) und der
Schweiz, evtl. auch aus Ostfrankreich auf deutsches Hoheitsgebiet übertritt. Die
meisten hochauflösenden Modelle zeigen ein erhöhtes Gewitteraufkommen, bei dem
im Zuge leicht zunehmender Scherung auch organisierte Strukturen auftreten
können. Neben Starkregen spielen dann auch größerer Hagel und /(schwere)
Sturmböen (Hinweise bei ICON-D2-EPS) eine Rolle. In den Pseudoreflektivitäten
sind z.T. bogenförmige Strukturen erkennbar, die ein ernstzunehmendes Signal auf
Dynamik und Organisation dieser Gewitter darstellen. Trotzdem dürften Böen > 10
Bft weniger wahrscheinlich sein, am ehesten sind orkanartige Böen noch im
Bodenseeraum vorstellbar.

Im Laufe der Nacht breiten sich die Gewitter über weite Teile Süddeutschlands
ost-nordostwärts aus, wobei bis zum Morgen Main und Mosel knapp überschritten
werden können. Allerdings nimmt die Gewitterwahrscheinlichkeit mit zunehmender
Nachtlänge ganz allmählich ab (hängt freilich vom Organisationsgrad ab), so dass
die ganze Geschichte mehr und mehr in nicht-gewittrigen Starkregen übergeht.
Nach Norden hin bleibt es meist trocken, auch an der Nordsee hört es auf zu
regnen. Während es im Süden und Osten mit 18 bis 15°C ziemlich mild bleibt,
kühlt es im Norden und Westen auf 15 bis 10°C ab.

Dienstag... bleiben wir auf der Vorderseite des LW-Troges über Westeuropa,
dessen Drehzentrum sich in Richtung Nordfrankreich orientiert. Im Bodendruckfeld
arbeitet sich im Norden ein Bodenhochkeil als Fortsatz des Azorenhochs etwas
nach Osten voran. Er unterstützt die zuvor schon eingeleiteten Stabilisierungs-
und Abtrocknungsprozesse. Bei T850 zwischen 6 und 11°C stellt sich teils
wolkiges, nach Nordosten hin auch heiteres und meist trockenes Wetter ein. Dabei
werden zwischen Rheinland und SH nur mit Mühe 20°C erreicht, meist verbleiben
die Höchstwerte darunter.

Im großen Rest des Landes sieht die Sache etwas anders aus. Bei geringen
Luftdruckgegensätzen treten schon am Morgen und am Vormittag teils gewittrige
Regenfälle (lokale Starkregengefahr) aus der Nacht auf, die es warntechnisch zu
verarbeiten gilt. Im Laufe des Tages kommt es dann wieder vermehrt zu Gewittern,
insbesondere im Süden und Südosten, wo die Luftmasse noch am labilsten und am
feuchtesten (PPW um 30 mm, spez. F. um 12 g/kg) ist. Bei DLS bis rund 20 m/s ist
ausreichend Potenzial vorhanden, Superzellen zu generieren, was die
hochauflösenden Modelle offensichtlich genauso sehen. Dort deutet sich im Laufe
des Nachmittags über BW die Bildung einer Gewitterlinie an, die in den
Abendstunden erst auf bayerisch Schwaben, später auch auf andere Teile Bayerns
übergreift. Neben Starkregen ist einmal mehr größerer Hagel wahrscheinlich, aber
auch (schwere) Sturmböen 9-10 Bft, wenn nicht sogar mehr (Andeutungen seitens
der "Hochauflösenden").

Die große Hitze ist erstmal vorbei, mit 21 bis 28°C, in Oberbayern punktuell
29°C bleibt es aber schwülwarm.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich vergleichsweise wenig an der
Großwetterlage. Im Norden passiert wenig bis nichts, gegen Morgen bildet sich
das eine oder andere Nebelfeld. In der Mitte und im Süden bleibt es unbeständig,
wobei weitere Schauer und Gewitter auftreten. Bei abnehmender Unwettergefahr
rückt Starkregen (evtl. auch mehrstündig) weit nach oben auf der Liste
abzuwarnender Parameter.

Mittwoch... rückt die Achse des Höhentroges etwas nach Osten voran, wodurch der
Vorhersageraum stärker in den "Innenraum" des Troges gelangt. Die südwestliche
Höhenströmung - ohnehin nicht besonders flüssig unterwegs - wird noch schwächer,
so dass aus Advektion resultierende Hebungsantriebe nicht zu erwarten sind.
Hinzu kommt, dass die schwülwarme Luftmasse in der Südosthälfte etwas verblasst
respektive an Energie einbüßt. Das PPW liegt meist unter 30 mm, die spez.
Feuchte bei maximal 11 g/kg, was bei leidlicher Labilität ausreicht, ausreichend
CAPE zu generieren. Regionale Windkonvergenzen, die Orografie sowie das teils
frühe Erreichen der Auslösetemperatur sorgen dann dafür, erneut
Überentwicklungen zu initiieren. Dabei nimmt die Unwettergefahr zwar ab,
gleichwohl sind sie lokal möglich durch Starkregen. Bei Höchstwerten von 22 bis
27°C bleibt es schwülwarm.

Das kann man von der Nordwesthälfte nicht behaupten. Dort lässt die aus dem
Hochkeil ausfließende maritime Luftmasse nicht mehr als 18 bis 24°C, an der
Nordsee teils nur 16°C zu. Dabei ist es wolkig, gebietsweise (Ostsee) auch
heiter und weitgehend trocken.

In der Nacht zum Donnerstag kommt es im Süden zu weiteren Gewittern und
Regenfällen mit Starkregengefahr, während es im Norden stabil bleibt.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle liegen gar nicht so weit auseinander, auch was die organisierte
Konvektion angeht. Zumindest sind die Signale ausreichend signifikant, so dass
für den Südwesten eine Vorabinfo herausgegeben wurde. Ggf. muss diese in den
Abendstunden noch etwas nach Osten ausgeweitet werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann