DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-06-2021 07:30
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 19.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
S z
Heute vor allem im Osten und Süden im Tagesverlauf einzelne Gewitter mit
Unwettergefahr durch Hagel und (schwere) Sturmböen. Ansonsten bei Gewittern
vorerst Unwetter nur wenig wahrscheinlich. In der Nacht zum Sonntag von Westen
her nordostwärts übergreifend erneut Gewitter; Unwetter dann durch schwere
Sturm- und orkanartige Böen wie auch durch größeren Hagel wahrscheinlicher als
heute.
Am Sonntag abgesehen vom äußersten Osten und Südosten sowie vom äußersten
Nordwesten und Westen erneut Gewitter, Höhepunkt der Gewitterlage,
wahrscheinlich vielfach Unwetter; Böen bis Orkanstärke, Großhagel, zusätzlich
durch heftigen Starkregen. In der Nacht zum Montag dann auf die östlichen
Landesteile übergreifend. Entspannung wahrscheinlich nur im Nordwesten. Im
Südwesten erneut auflebende Gewittertätigkeit bis hin zum Unwetter.
Am Montag im Mittelgebirgsraum und südlich davon sowie im Osten erneut Gewitter;
Unwettergefahr vor allem im Osten und Südosten, sonst Unwetter nur noch wenig
wahrscheinlich. In der Nacht zum Dienstag von Südwesten bis auf den
Mittelgebirgsraum übergreifend erneut Gewitter; Unwetter durch heftigen
Starkregen und (schwere) Sturmböen nicht auszuschließen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland an der Vorderseite eines vom Raum Island bis nach
Marokko reichenden Troges. Dieser wird durch ein von nahen Ostatlantik
heranziehendes Höhentief regeneriert. Stromab wird der Trog durch einen breiten,
über Osteuropa liegenden Rücken blockiert, der durch ein weiteres Höhentief, das
über dem westlichen Schwarzmeerraum liegt, "unterwandert" wird. Die Lage erweist
sich somit als relativ stabil.
Der Süden und vor allem der Südosten Deutschlands liegt im Einflussbereich eines
Keils, der von Tunesien über die Alpen hinweg nordostwärts gerichtet ist und
eine Verbindung zu dem über Osteuropa liegenden Höhenrücken aufweist. Die
Trogvorderseite mit ihrer leicht flatternden süd-südwestlichen Strömung wird
dagegen nur im Nordwesten und ganz im Westen wetterwirksam. In diese Gebiete
gelangt trockenere (mit einem Flüssigwassergehalt zwischen 25 und etwas über 30
mm und nicht mehr ganz so labil geschichtete Luft, so dass im Nordwesten die
Auslösung hochreichender und erst recht unwetterträchtiger Konvektion eher
unwahrscheinlich ist. Einzelne Gewitter können dennoch nicht ganz ausgeschlossen
werden. Dämpfend auf die Konvektion wirkt in diesen Gebieten auch das durch
schwache Kaltluftadvektion zustande kommende Absinken. Im Grunde genommen ist
gegenüber den Modellläufen des Vortages das Zirkulationsmuster ein wenig nach
Westen verschoben.
Im Osten ist eine flache, bis in den Südwesten Deutschlands reichende
Tiefdruckrinne zu finden, in welcher sich die labilste Luft mit einem Gehalt an
niederschlagbarem Wasser zwischen 30 und 40 mm und CAPE bis 3000 J/kg (vor allem
im Südwesten) hält. Ob der Tagesgang in der Lage ist, diese Rinne zu aktivieren
oder ob diese Rinne zur tagesgangsbedingt aktivsten Zeit bereits über Polen
liegt, ist noch nicht sicher. Konvergente Strukturen, die auf eine bodennahe
Feuchtekonvergenz hindeuten, lassen sich nur "mit Mühe" finden. Schwache Signale
für konvektive Umlagerungen sind von Vorpommern bis in die Lausitz hinein und
für etwas heftigere Ereignisse über dem Erzgebirge zu finden.
Deutlich labiler geschichtet ist die Luftmasse jedoch über dem Süden und vor
allem den Südwesten Deutschlands; dort ist auch eine höhere bodennahe
spezifische Feuchte im Spiel, zudem setzt von Frankreich her Druckfall ein.
Allerdings wirkt hier ebenfalls die fehlende Dynamik als Bremse, so dass
konvektive Umlagerungen (die rasch unwetterartig werden) auf orografische
Unterstützung angewiesen sind. Über dem äußersten Westen und Südwesten kommt
etwas Scherung in Gang, so dass es sich, sollte Konvektion ausgelöst werden,
diese ab dem Abend einen organisierteren Charakter aufweist. Aber sowohl im
Nordosten als auch im Süden und Südwesten sind tagsüber die Signale zu schwach,
als dass sich eine Unwetter-Vorabinformation anbieten würde. Die
Tageshöchsttemperaturen erreichen 28 bis 34, ganz im Osten bis 37 Grad. In
Nordseenähe und im äußersten Nordwesten werden 20 bis 27 Grad erreicht.

In der Nacht zum Sonntag läuft in der nahezu südlichen Strömung ein markanter
Kurzwellentrog nach Nord-Nordost ab, der ausgeprägter ist als die bisherigen
Kurzwellentröge. Da sich aber das Zirkulationsmuster nach Westen verschoben hat,
erfasst dieser Trog von der Bretagne kommend vor allem Nordfrankreich und die
Benelux-Staaten und streift allenfalls den äußersten Westen. Mit diesem Trog
gelangt erneut ein Schwall feuchtlabiler Luft in den Westen Deutschlands (CAPE
aufgrund der Nacht mit Werten bis 1000 J/kg (MU-CAPE) nicht so hoch, aber PPW
bis über 40 mm). Trogvorderseitige Hebung ist dann eine verstärkte Auslösung
konvektiver Umlagerungen vorstellbar, die aufgrund hoher Scherung (bis 20 m/s in
der unteren Troposphäre!) organisierte und möglicherweise sogar rotierende
Strukturen aufweisen können. Dies dürfte nicht ohne schwere Sturmböen abgehen,
ICON-D2 EPS zeigt bei Q90 derartige Signale. Für diese Gebiete wird eine
Unwetter-Vorabinformation ausgegeben. Ob diese Gewitter dann nicht nur auf den
Westen beschränkt ist, sondern auch auf die "westliche" Mitte übergreift, ist
noch nicht sicher, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Die anderen Regionen
sind von dieser Entwicklung unbehelligt, dort sollte die Konvektion alsbald in
sich zusammenfallen. In weiten Teilen Deutschlands ist erneut eine Tropennacht
zu erwarten*

Sonntag... wird die steile süd-südwestliche Strömung insgesamt zyklonaler. Ob
dies in Form eines oder mehrerer, nach Norden ablaufender Kurzwellentröge
erfolgt, und diese möglicherweise zur tagesgangsbedingt interessantesten Zeit
wetterwirksam werden, ist noch nicht sicher. Da sich der zur Iberischen
Halbinsel reichende Trog insgesamt etwas nach Osten vorarbeitet, dürfte sich die
Verteilung der Luftmassen ein wenig nach Osten verschieben. In den äußersten
Nordwesten und Westen gelangt dann bereits etwas gemäßigtere Luft (von stabiler
Luft kann man noch nicht so recht reden), von Vorpommern über die östlichen
Mittelgebirge bis zum östlichen Alpenrand hält sich zwar sehr labile, aber
deutlich trockenere Luft. Diese Austrocknung resultiert aus dem antizyklonalen
Ausfließen, das durch ein sich zwar abschwächendes, aber noch vorhandenes
osteuropäisches Hoch bedingt ist. An den Alpen wird es leicht föhnig, was
ebenfalls die Luftmasse austrocknet. In diesen Gebieten liegt die
Auslösetemperatur oberhalb 34 Grad, was zwar durchaus erreicht wird, aber
mangels Dynamik und Scherung sind in diesen Gebieten kaum konvektive
Umlagerungen zu erwarten.
Im weitaus größten Teil Deutschlands hält sich feuchtlabile Luft, wobei sich am
Charakter der Luftmasse kaum etwas ändert. Kräftige und hochreichende Scherung
und eine bereits knapp oberhalb von 900 hPa einsetzende Konvektion bieten ein
Potential für unwetterartige Entwicklungen mit allen möglichen
Begleiterscheinungen, d.h. für eine großräumige Schwergewitterlage mit Böen bis
hin zu voller Orkanstärke und Großhagel, was den Höhepunkt der aktuellen
Gewitterlage darstellen dürfte. Über dem Süden Deutschlands könnte sich
ausgehend vom Hochrhein und Bodensee in Verbindung mit einer Druckwelle eine
Böenfront entwickeln, selbst ICON-EU zeigt Signale für Böen bis Bft 9. Diese
greift wahrscheinlich auf weite Teile des Mittelgebirgsraumes und in der Nacht
zum Montag dann auf den Nordosten Deutschlands bis nach Sachsen-Anhalt, mit
geringerer Wahrscheinlichkeit und bereits deutlich abgeschwächt auch auf das
südliche Brandenburg über.
Während sich im Nordosten und im Osten keine Temperaturänderung ergibt, sind bei
anhaltender Schwüle in den anderen Gebieten 25 bis 30 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Montag wird durch den in seinem Südteil etwas nach Osten
schwenkenden und nunmehr auf die Biskaya übergreifenden Trog die labilste
Luftmasse in den Nordosten Deutschlands abgedrängt. Im Bereich eines flachen
Tiefs, das sich bis Montagfrüh über den Nordosten Deutschlands hinweg bis ins
Oderhaff verlagert, dürfte die Konvektion nicht so recht zur Ruhe kommen und
weiterhin teils Unwettercharakter (teils auch durch extrem heftigen Starkregen)
aufweisen. Auch rückseitig lassen sich bei mehreren Modellen Signale für
Starkniederschläge finden, wobei dann das 6-std. Kriterium anzusetzen wäre.
In den anderen Gebieten setzt sich zusehends stabilere Luft durch. Ob diese
Stabilisierung hinreichend ist, hochreichende Konvektion komplett zu
unterbinden, ist mehr als fraglich. Die Strömung wird mit Annäherung des Troges
zyklonaler, CAPE erreicht noch bis 1000 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem
Wasser liegt noch bei 25 bis über 35 mm. Mit anderen Worten - bedingt durch die
Annäherung des Troges ist von Südwesten her erneut ein Aufleben der Konvektion -
durchaus bis in den Unwetterbereich hinein - vorstellbar.
Gegenüber den vergangenen beiden Nächten ändern sich die Tiefsttemperaturen nur
unwesentlich.

Montag... greift der wetterbestimmende Haupttrog auf die Britischen Inseln und
in seinem Südteil mit der Achse auf die westlichen Pyrenäen über. Dabei liegt
Deutschland nach wie vor unter einer leicht mäandrierenden, süd-südwestlichen
Strömung. Mit dem allmählichen Vorrücken des Zirkulationsmusters nach Osten wird
die labilste Luft nebst der wetteraktiven Tiefdruckrinne nach Polen abgedrängt.
Im Nordwesten wird dann der Keil eines Azorenhochs wetterwirksam, der durch
Kaltluftadvektion gestützt wird. In den anderen Gebieten ist die
Luftdruckverteilung ausgesprochen flach. Am labilsten ist die Luftmasse noch vom
Mittelgebirgsraum aus südwärts sowie im Osten, wo CAPE noch 1000 bis 1500 J/kg
erreicht - das ist halb so viel wie an den Tagen zuvor. Relativ feuchte Luft mit
einem Flüssigwassergehalt zwischen 30 und über 35 mm hält sich noch über dem
Osten und Südosten. Während im Nordosten und Osten durch Entrainmentprozesse aus
dem Hochkeil heraus, bedingt durch eine nordwestliche bodennahe Windkomponente,
diese Luftmasse allmählichen entschärft wird, kommen vom Mittelgebirgsraum aus
südwärts und verstärkt jedoch in der Donauregion sowie südlich davon erneut
konvektive Umlagerungen zustande. Da die Luftmasse bis dahin in Labilität und
Flüssigwassergehalt eingebüßt hat, dürfte die Konvektion nicht mehr so heftig
ausfallen wie am Sonntag. Die Chance auf unwetterartige Entwicklungen sind
dennoch relativ hoch (was auch den relativ niedrig ansetzenden Kriterien
zuzuschreiben ist), vor allem, was (schwere) Sturmböen und auch Hagel betrifft.

Temperaturmaxima um oder etwas über 30 Grad sind nur noch im Nordosten zu
erwarten. Im weitaus größten Teil Deutschlands werden in Verbindung mit der
einfließenden gemäßigteren Luftmasse 23 bis 29 Grad erreicht.

In der Nacht zum Dienstag arbeitet sich der Trog nach Frankreich vor, wobei die
süd-südwestlich Strömung über dem Vorhersagegebiet bestehen bleibt. Ein darin
eingelagerter, sich zum Zentralmassiv ausweitender Kurzwellentrog bewirkt ein
erneutes Aufsteilen der Strömung, die dann antizyklonaler wird. Durch
kurzwellige Überlagerungen wird diese Antizyklonalität nicht so recht
wetterwirksam. Vielmehr gewinnt durch das Aufsteilen der Strömung die nach wie
vor über dem Südosten liegende sehr feuchte und labile Luft wieder in Richtung
Südwesten und Westen an Boden. Bei ohnehin flacher Bodendruckverteilung ist es
unwahrscheinlich, dass die Konvektion südlich der Mittelgebirge zur Ruhe kommt;
vielmehr werden von Südwesten und möglicherweise auch von Westen her konvektive
Umlagerungen erneut angefacht. Bei einem Gehalt an niederschlagbarem Wasser
zwischen 30 und über 35 mm besteht Unwettergefahr durch heftigen Starkregen,
wobei ggf. auch das 6-std. Kriterium anzusetzen wäre.
Der Norden und größtenteils auch die Mitte bleiben von hochreichender Konvektion
verschont. In diesen Gebieten setzt sich zusehends der über der Nordsee liegende
Bodenhochkeil durch. Für diese Gebiete würde das auch hinsichtlich der
nächtlichen Tiefsttemperaturen, die dann auf Werte deutlich unter 15 Grad
zurückgehen, eine Entspannung ergeben.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Die Passage einer Böenfront am Sonntag, ausgehend vom
Hochrhein und in der Nacht zum Montag bis nach Sachsen-Anhalt ausgreifend, wird
von allen hochauflösenden Modellen, wenngleich mit unterschiedlicher
Verlagerung, gezeigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann