DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-06-2021 08:30
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 17.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu Sz (Süd zyklonal)

Heiß bis sehr heiß und meist trocken. Von Westen her aber ganz allmählich
zunehmende Gewitterneigung, zunächst aber nur Einzelentwicklungen. Morgen Abend
im Nordwesten evtl. eine Gewitterlinie oder ein MCS.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Donnerstag... verbringt Deutschland im Übergangsbereich zwischen einem vom
westlichen Mittelmeer bis nach Nordeuropa reichenden Höhenrücken mit Zentrum
über Nordpolen/Baltikum und einem zum Abtropfen bereiten Höhentrog über
Westeuropa respektive dem nahen Atlantik. Beide Systeme finden sich auch in der
Bodendruckverteilung wieder: östlich eine meridionale Hochdruckzone mit
Schwerpunkt knapp östlich der Baltischen Staaten (ZOE), westlich eine ebenfalls
meridionale Tiefdruckrinne, ausgehend von einem Tief, das knapp östlich von
Island nordwärts zieht. Mit der daraus resultierenden südlichen, in Bodennähe
ageostrophisch südöstlichen bis östlichen Strömung wird heute die Zufuhr sehr
warmer bis heißer Subtropikluft weiter forciert, so dass am Abend landesweite 17
bis 20°C auf 850 hPa registriert werden können. Dazu kommt in weiten
Landesteilen ungehinderte und vor allem lange Zeit andauernde Einstrahlung (wir
befinden uns kurz vor der Sommersonnenwende mit einer astronomisch möglichen
Sonnenscheindauer von rund 17 h im Norden und rund 16 h im Süden), was auf 2 m
projiziert Tageshöchstwerte von 30 bis 36, lokal vielleicht 37°C zur Folge hat.
Einzig in höheren Lagen des Berglands sowie in Seenähe, wo die auflandige
Windkomponente den Ton angibt, wird es nicht ganz so heiß. Bedingt durch
zunehmende geringe nächtliche Abkühlungsraten (die tropischen Nächte mit Tmin >
20°C werden mehr) sowie allmählicher Feuchtezunahme wächst die Wärme- bzw.
Hitzebelastung. Entsprechende Warnungen laufen bereits. Auch Trockenheit und
Waldbrandgefahr rücken zunehmend in den Fokus.

Eigentlich wäre der heutige Donnerstag damit schon abgehakt, wenn, ja wenn es
nicht die westlichen Landesteile gäbe, die der Tiefdruckrinne am nächsten sind.
Vergangene Nacht gab es in Frankreich einen imposanten Gewittercluster, der
aktuell nach Norden abläuft und dabei Kaltluft produziert. Dabei entstehen
Konvergenzen, von denen eine am späten Nachmittag bzw. den frühen Abendstunden
auf den äußersten Westen und Südwesten übergreifen soll (Windsprung von SO auf
westliche Richtungen). Da gleichzeitig die Luftmasse im Westen immer labiler und
feuchter wird (spez. F. rund 10 g/kg, PPW lokal bis zu 40 mm), kann mit Hilfe
der Einstrahlung auch ML-CAPE generiert werden. Am meisten davon mit etwas über
1000 J/kg wird westlich des Rheins sowie im Grenzbereich zu Belgien und den
Niederlanden simuliert. Im Nordwesten kommt sogar noch etwas Scherung dazu, so
dass man geneigt ist zu sagen "hier geht heute was". Die Haken an der Sache sind
die möglichen Auslösemechanismen sowie die Tatsache, dass die Luftmasse noch
gedeckelt ist. Synoptisch-skalig geht in der leicht antizyklonal angehauchten
Strömung nichts, so dass eigentlich nur die Konvergenz oder aber die Orografie
bleiben. Die Numerik jedenfalls traut den beiden nicht viel zu, werden doch
selbst von den gewitterfreundlichsten Modellen kaum Zellen simuliert. Trotzdem
sollte man ab dem späten Nachmittag etwas genauer auf´s Radar schauen,
insbesondere in NRW und dem westlichen Niedersachsen (Konvergenz). Wenn dort was
hochschießt, dann knallt es richtig mit der Gefahr größeren Hagels (um 3 cm) und
schweren Sturmböen (man beachte die trockene Grundschicht mit inverser
V-Struktur und bis 800/750 hPa reichender trockenadiabatischer Schichtung).
Starkregen ist aufgrund der niedrig angesetzten Schwellen trotz einer gewissen
Zuggeschwindigkeit auch schnell mit von der Partie. Trotzdem noch mal zur
Erinnerung, wir sprechen hier von wenigen Einzelentwicklungen, und ob es weiter
südlich an der Orografie auslöst (z.B. im Schwarzwald), ist derzeit noch
fraglich.

In der Nacht zum Freitag schwenkt ein weiterer KW-Trog mit einem flachen
Bodentief (THANANONT) über Frankreich nordwärts, die dort abermals kräftige und
auch organisierte Konvektion auslösen werden. Inwieweit diese auch schon den
Westen des Vorhersageraums tangieren, ist noch nicht vollständig belastbar zu
beantworten. Ein Ausscheren nach rechts jedenfalls ist aufgrund erhöhter
Helizität nicht auszuschließen. Für die volle Breitseite wird es wahrscheinlich
aber nicht reichen, gleichwohl gilt es für die Nachtdienste in der zweiten
Nachthälfte Hab-Acht-Stellung einzunehmen. Der Vorteil ist, dass die Entwicklung
stromauf zuvor gut beobachtet und eingeschätzt werden kann, Neubildungen vor Ort
sind eher unwahrscheinlich.

Im größten Teil des Landes verläuft die Nacht ruhig und wolkenarm, allerdings
wird es mit dem Lüften immer schwieriger. In der gesamten Westhälfte, aber auch
im Norden nehmen die Gebiete und Orte mit Tiefstwerten oberhalb der 20°C-Marke
weiter zu. Am ehesten klappt es mit der Abkühlung noch in den südöstlichen
Landesteilen.

Freitag... ist der Trog westlich der Iberischen Halbinsel abgetropft, während
sich der Schwerpunkt des Höhenrückens kaum verlagert. Wir verbleiben unter einer
schwachen, noch immer leicht antizyklonal angehauchten südlichen Höhnströmung.
Derweil zieht das o.e. flache Tief über den Norden Frankreichs hinweg in
Richtung südwestliche Nordsee. Östlich davon wird die Konvergenz bei uns
regeneriert bei gleichzeitiger Verlagerung gen Osten. Zur Mittagszeit reicht sie
etwa von SH bis hinunter nach Baden. Auf der Ostseite wird mit südöstlicher
Strömung weiterhin trockene Heißluft advehiert, was bei Sonne satt Maxima von 31
bis 37°C, lokal vielleicht sogar 38°C bedeutet. Am heißesten wird es dabei
östlich von Weser und Werra.

Weit interessanter als im Osten entwickelt sich die Wetterlage im Westen, also
quasi auf der "linken" Seite der zitierten Konvergenz. Dort wird es mit
Winddrehung auf West bis Nord zwar nicht mehr ganz so heiß wie heute bzw. morgen
im Osten, von wenigen Ausnahmen abgesehen reicht es aber für mehr als 30°C, die
dann auch noch von unangenehmer Schwüle begleitet werden. Mehr Schwüle bedeutet
mehr Wasserdampf in der Atmosphäre, und tatsächlich steigen die klassischen
Parameter wie die spez. Feuchte in der Grundschicht (bis zu 13 g/kg) und das PPW
(teils über 40 mm) gegenüber heute noch etwas an. Auch ML-CAPE wird deutlich
mehr und auch verbreiteter angeboten, lokal werden rund 2000 J/kg aufgerufen und
das, obwohl die Einstrahlung durch zeitweilige Bewölkung (u.a. nächtliche
Restwolken von F/Benelux) gedämpft wird.

Auf alle Fälle ist die Gewitterbereitschaft im Westen morgen höher als heute,
auch wenn es weiterhin ein paar Hemmschuhe gibt. So ist nach wie vor eine
gewisse Deckelung der Luftmasse zu erkennen und auch auf dynamische
Unterstützung muss zumindest tagsüber noch verzichtet werden. Gleichwohl, mit
Hilfe er Orografie sowie lokaler Windkonvergenzen dürfte es zwischen BW und
Nordsee am Nachmittag zur Auslöse einzelner Zellen kommen und auch aus den Alpen
heraus könnte die eine oder andere Überentwicklung auf deutsches Territorium
übergreifen. Dort, wo die Scherung am größten ist (nordwestliches NDS) fließt
von der Nordsee her etwas kühlere Luft ein, so dass dort die Entstehungsgefahr
von konvektiven Umlagerungen reduziert ist (Stichwort "kalter Fuß"). Weiter
südlich bis etwa hinunter nach RP reicht die Scherung aber auch noch, um
organisierte Konvektion in Form von Superzellen zu generieren. Neben größerem
Hagel und dem fast schon als obligatorisch zu bezeichnenden Starkregen kommen
auch wieder stärkere Böen bis 10 (11) Bft in Frage, insbesondere, wenn die
Zellen in die weiterhin trockene Grundschicht mit inverser V-Struktur
reinlaufen. Dafür sprechen auch die nach Osten hin zunehmenden DCAPE-Werte von
über 500 J/kg, teils sogar über 750 J/kg.

Richtig interessant könnte es ab den Abendstunden im Nordwesten werden, wenn
dort im Vorfeld des KW-Troges bzw. des flachen Tiefs entweder eine organisierte
Linie oder gar ein MCS nordostwärts gen Deutsche Bucht und SH steuert, die sich
bis in die Nacht zum Samstag halten können. Hinweise seitens der Numerik gibt es
verschiedene, wenn auch noch etwas heterogen hinsichtlich Timing und
Organisation. Gleichwohl gilt es schon mal eine Markierung im Hinterkopf zu
setzen. Wenn, dann kann es ordentlich zur Sache gehen (größerer Hagel,
Starkregen, Böen 10 bis 11 Bft; für das "T-Wort" ist das Ganze wahrscheinlich zu
hochbasig, diesbezüglich sind die Bedingungen etwas weiter west-nordwestlich
besser).

In den übrigen Gebieten nimmt die Konvektion tagesgangbedingt wieder ab, am
ehesten kann es an den Alpen immer noch mal blitzen und donnern. Ansonsten gilt
es die hohen Nachttemperaturen zu verdauen, die nicht unter 23 bis 16°C sinken.


Samstag... zieht er KW-Trog nordostwärts ab und auch das flache Bodentief macht
sich auf den Weg nach Südskandinavien. Die zugehörige schwache Kaltfront
überquert Teile des Vorhersageraums ostwärts, wird aber nach Süden hin
rückläufig respektive geht in die Warmfront einer flachen Tiefentwicklung über
der Iberischen Halbinsel über (ULFERT). Postfrontal gelangt vor allem in den
Westen und Nordwesten ein Schwall warmer Meeresluft (T850 11 bis 14°C), die
trockener und stabiler ist als die Heißluft zuvor. Von der Nordsee her driftet
zudem tiefe Bewölkung ins Landesinnere, so dass es ganz im Nordwesten nicht mal
mehr für 25°C reicht. Aber auch sonst wird es zwischen SH und NRW mit 25 bis
30°C nicht mehr so heiß. Dafür frischt der Südwest- bis Westwind im Nordwesten
im Zuge einer Bodentrogpassage vorübergehend auf mit Böen 7 Bft, an der Nordsee
vereinzelt auch mal 8 Bft.

Die labile und feuchte Subtropikluft wird dafür in den Osten und Süden
verfrachtet, wobei sie aber an Energie einbüßt. Das betrifft vor allem die
latente Wärme, die um einiges zurückgeht. Ohne an dieser Stelle schon ins Detail
zu gehen wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass im Osten nur wenige
Gewitter auftreten, weil Timing der Frontpassage und Überlappung der Zutaten
nicht passen. Außerdem stellt sich zum Nachmittag hin bei 750/700 hPa eine
Sperrschicht ein, die kaum überwindet werden kann.

Etwas höher scheint die Gewitterbereitschaft im Süden und vor allem im Südosten
zu sein. Zwar deutet sich auch dort eine gewisse Stabilisierung der
Mitteltroposphäre an, diese ist aber schwächer ausgeprägt als weiter nördlich.
Außerdem kann noch ausreichend ML-CAPE generiert werden, so dass es zumindest
für einzelne orografisch ausgelöste Gewitter reicht. Scherung ist kaum
vorhanden, ebenso nennenswerter Höhenwind, also rückt der Starkregen gegenüber
dem Hagel wieder mehr in den Vordergrund. Bei weiterhin trockener Grundschicht
sind aus stärker Böen 9 bis 10 Bft nicht ausgeschlossen. Tendenziell simulieren
die Modelle die Konvektion aber sehr zurückhaltend.

Am heißesten wird es im Osten mit bis zu 36/37°C, während im Süden 30 bis 35°C
auf der Karte stehen.

Ganz kurz noch die Nacht zum Sonntag, wo die Gewitterbereitschaft im Westen mit
Annäherung eines Bodentroges von Süden her wieder zunimmt. Wo wie was in welcher
Form passiert und ob Yogis Eleven die nächste Pleite verdauen müssen, dazu
später mehr.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Grundsätzlich ist an der beschriebenen Entwicklung nicht zu rütteln. Unscharf
ist - naturgemäß - weiterhin das Thema "Konvektion", wobei die Numerik bezüglich
heute und auch morgen tendenziell etwas auf die Bremse getreten ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann