DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-06-2021 08:01
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 16.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL Sa, Übergang zu Sz
Zunehmende Wärmebelastung in weiten Teilen Deutschlands. Am Donnerstag im Westen
geringes Schwergewitterpotential, zum Freitag dann deutliche zunehmend.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines stark
amplifizierten und kräftigen Rückens, dessen Achse vom westlichen Mittelmeerraum
quer über Deutschland bis zum Baltikum reicht. Die Achse des Rückens verlagert
sich bis zum Abend zögernd ostwärts, sodass die Winde zunehmend auf Süd bis
Südwest drehen. Dadurch verstärkt sich der Zustrom heißer Luftmassen aus
Südwesteuropa und Nordafrika. So steigt die 850 hPa Temperatur in der Südhälfte
des Landes bereits über die 15 Grad Marke (im Südwesten bis 18 Grad am Abend).

Am Boden findet man die Reste der gestern von Norden bis zur Mitte
vorangekommenen Kaltfront. Abgesehen von ein paar Wolken ist die auch schon
gestern nur begrenzte Wetterwirksamkeit, nun kaum noch zu sehen. Allerdings ist
die postfrontale Luftmasse deutlich trockener. Dies zeigt sich unter anderem an
den Taupunkten, die im postfrontalen Bereich häufig einstellig sind, während
südlich davon (z.B. im Rhein-Main Gebiet) bereits Taupunkte von 15 Grad gemessen
werden. Auch die Minima sprechen eine ähnliche Sprache mit teils nur 5 Grad in
Schleswig-Holstein und 19 Grad in Frankfurt am Main.

Im weiteren Tagesverlauf verliert die Luftmassengrenze weiter an Kontur und wird
durch die oben beschriebene Höhenströmung wieder nach Norden geschoben.
Höchstwerte unter 30 Grad werden damit nur noch im Norden erreicht. An den
Küsten sogar angenehme 20 bis 24 Grad. Weiter nach Süden wird die 30 Grad Marke
hingegen häufig erreicht oder sogar überschritten. Im Südwesten werden bis 34
Grad mit einer entsprechend steigenden Wärmebelastung erreicht.

Im Bereich der Luftmassengrenze ist die Grenzschichtfeuchte mit Werten um 10
g/kg etwas erhöht, allerdings ist die Schichtung weitgehend stabil. Zudem liegt
in der Höhe die angesprochene Keilache in der Region, wo zumindest etwas CAPE
simuliert wird. Die Prognosesoundings zeigen einen trockenadiabatischen
Temperatugradienten bis etwa 750 hPa und darüber eine stabile
Schichtung/Inversion.

Das alle spricht der Entwicklung von Gewittern entgegen. In den hochauflösenden
Modellen, wie auch im COSMO-D2 EPS werden aber zumindest Schauer von Sachsen bis
nach NRW gezeigt. Der beschriebenen vertikalen Schichtung folgend sind diese
aber dann wohl nicht sehr hochreichend, sodass diese aller Voraussicht nach
ungewittrig ausfallen. Bei nicht vorhandener Zuggeschwindigkeit können lokal
Starkregen (um 15 mm) und eine Windböe (trockene Grundschicht) nicht
ausgeschlossen werden.

In der Nacht auf Donnerstag verschiebt sich die Achse des Höhenrückens weiter
ostwärts, sodass sich die südwestliche Höhenströmung von Westen her weiter
verstärkt. Die richtig feuchtlabile Luftmasse verbleibt aber weiter über
Frankreich. Dort sind in den Nachtstunden kräftige Gewitter möglich, die sich
auch zu einem größeren Gewitterkomplex vereinigen können. Aller Voraussicht
nähern diese sich zwar Deutschland an, können aber nicht übergreifen.

Mit der zunehmenden Anfeuchtung der Luftmasse geht die Temperatur in den
Nachtstunden nicht mehr so weit zurück. Im Westen und Nordwesten sind auch die
ersten Tropennächte möglich. Gut Durchlüften kann man hingegen noch in Regionen
mit niedrigen Taupunkten, wie beispielsweise Bayern und in Vorpommern.

Donnerstag... liegt der Schwerpunkte des Höhenrückens über Osteuropa, allerdings
ist auch über Deutschland die Höhenströmung weitgehend antizyklonal konturiert,
sodass in weiten Teilen des Landes Absinken mit viel Sonnenschein dominiert.
Durch die noch stärker auf Süd drehende Höhenströmung steigt die 850 hPa weiter
an und liegt nun in ganz Deutschland oberhalb von 15 Grad, im Südwesten erreicht
sie bis 20 Grad.

Folglich ist nun von höheren Bergelagen und Küstenlagen abgesehen in ganz
Deutschland mit einem Hitzetag und zunehmender Wärmebelastung zu rechnen. In der
Spitze werden bis 37 Grad vorhergesagt und damit der vorläufig heißeste Tag des
Jahres erwartet.

Neben der Hitze nimmt auch die Feuchtigkeit der Luftmasse weiter zu, zumindest
im äußersten Westen des Landes. Das lässt sich gut an der Tendenz der
spezifischen Feuchte erkennen. Im Rest des Landes bleibt die Luftfeuchte
hingegen noch gering und mit dem Aufbau der tagesgangbedingten Grenzschicht
setzt Durchmischung und ein Rückgang der Werte der spez. Feuchte im Vergleich zu
den Morgenstunden ein.

Wenn man sich die Frage nach Gewittern stellt, muss man also in Richtung BeNeLux
schauen. Wie angesprochen sind in der Nacht über Ostfrankreich schon erste
größere Gewitterherde vorhergesagt, die dann im Laufe des Vormittags zunächst
zusammenfallen. Immerhin sorgt der verbleibende Coldpool aber dafür, dass der
Wind auf westliche Richtungen dreht und sich damit über dem äußersten Westen
eine Konvergenz im Bodenfeld aufbauen soll. Dies lässt sich auch gut in einem
Maximum der Feuchtflusskonvergenz erkennen. Zusammen mit guten Lapse Rates
werden vom ICON für den Nachmittag CAPE-Werte teils über 1000 J/kg vorhergesagt.


Allerdings ist die Luftmasse gedeckelt, wie man auch gut den Prognosesoundings
entnehmen kann. Bei einer trockenen Grundschicht findet sich etwas CIN in den
Vorhersagen. Damit stellt sich berechtigterweise die Frage, inwiefern genug
Hebung durch die Bodenkonvergenz induziert wird, dass der Deckel gebrochen wird.
Die deutsche Modellkette ist recht konservativ aufgestellt und zeigt kaum etwas.
Auch im Median des ICON-D2 EPS lässt sich nicht finden und man muss schon das
90% Perzentil bemühen um Signale im Westen (Konvergenz) und Südwesten
(Orographie) zu finden. Auch der Rest der Modellwelt ist recht verhalten. Es
lassen sich aber immerhin einzelne Signale finden.

Am wahrscheinlichsten erscheint, dass es ziemlich lange dauern wird, bis
überhaupt Gewitter ausgelöst werden. Zum späten Nachmittag und Abend besteht
dann aber durchaus die Möglichkeit, dass sich einzelne Gewitter entwickeln
können. Diese können dann, wenn sie auftreten aber auch Unwetter zur Folge
haben. Zum einen haben die vereinzelten Gewitter dann die ganze Energie für
sich, zum anderen sprechen auch die Randbedingungen dafür. Die inverse
V-Struktur und erhöhte Werte von DCAPE (>500 J/kg) deuten auch eine erhöhte
Windgefahr. Auch das ICON-D2 EPS zeigt diese Potential deutlich mit zumindest
geringen Wahrscheinlichkeit für schwere Sturmböen (da ohnehin nur von wenige
Membern etwas simuliert wird, ist das schon zu beachten).
Auch die Scherung steigt von Westen langsam bis auf Werte nahe 15 m/s. In
Kombination mit den recht hohen CAPE-Werte muss auch mit größerem Hagel
gerechnet werden (>2 cm).

Das alles aber, wie angesprochen, bei einer nur geringen Verbreitung.

In der Nacht auf Freitag findet sich über Frankreich ein markanter
Kurzwellentrog, der dort schon am Nachmittag einen größeren Gewitterkomplex
entzünden soll und dann auch im weiteren Nachtverlauf für viel Konvektion sorgen
wird. Dies könnte dann vor allem ausgangs der Nacht für den äußersten Westen
interessant wird. Derzeit belassen die Modelle die Gewitter noch über BeNeLux.
Ausgeschlossen ist ein Übergreifen auf den äußersten Westen Deutschlands aber
nicht.

Im großen Rest des Landes verläuft die Nacht ruhig mit einige Regionen wo die
Temperatur nicht unter 20 Grad sinken soll. Vornehmlich in der Nordhälfte, im
Westen und Südwesten des Landes. Richtig kühl wird es eigentlich nur noch in
Richtung Bayern.


Freitag... verbleibt der Osten weiter unter antizyklonalem Einfluss am Rande des
Höhenrückens über Osteuropa. Weiter nach Westen nimmt aber die Zyklonalität zu.
So erreicht der Kurzwellentrog unter Abflachung auch den Westen Deutschlands.
Die Feuchte macht im Westen einen deutlichen Sprung nach oben mit Werten der
spezifischen Feuchte über 12 g/kg und ppw-Werten bis 40 mm. Gleichzeitig ist
viel Labilität vorhanden und in Kombination ergeben sich CAPE-Werte von zum Teil
mehr als 2000 J/kg.

Allerdings zeigen die Prognosesoundings auch weiterhin einen gewissen Deckel,
sodass nicht von verbreiteter Auslöse auszugehen ist. Bleibt die Frage nach dem
Trigger. Die Bodenkonvergenz wird am Nachmittag von Niedersachsen über Hessen
bis nach Ost-BaWü vorhergesagt. Ansonsten kann die Orographie helfen. Und nicht
zuletzt liefert auch der, wenn auch abgeflachte, Kurzwellentrog einen
Hebungsinput.

Es gibt also wieder zunächst einige Fragezeichen bzgl. Auslöse und auch die
Modelle sind wieder zunächst sehr zurückhaltend. Erst im Verlauf des späten
Nachmittags und abends nehmen die Signale für Gewitter im Westen deutlich zu. In
Zusammenhang mit dem weiter vorhandenen Kurzwellentrog sind von Frankreich
kommend in den Bodenwindfeldern neue konvergente Strukturen zu erkennen, die
dann den entscheidenden Input für die Gewitterauslöse bilden.

Die Gefahr von Unwettern ist dabei deutlich erhöht. Die hochreichende Scherung
liegt um 15 m/s (besser organisierte Strukturen) bei recht hohen CAPE-Werten.
Damit ist größerer Hagel (2-4 cm) im Bereich des Möglichen. Zudem ist die
Grenzschicht weiter sehr trocken und die DCAPE - Werte sind erhöht. Folglich
muss auch wieder mit schweren Sturmböen gerechnet werden. Nicht zuletzt besteht
bei hohen ppw-Werten (40 mm) und parallel zur Organisationsform verlaufenden
Höhenwinden ein erhöhtes Starkregenpotential bis in den Unwetterbereich.

Sollten sich die Signale für eine verbreitet Auslöse verfestigen müsste man für
den Freitag dann über eine Vorabinformation nachdenken.

Dazu hält die starke Wärmebelastung an, wobei sich der Schwerpunkt der Hitze der
vorherigen Beschreibungen folgend in die östlichen Landesteile verschiebt mit
Maxima bis 37/38 Grad.

In der Nacht auf Samstag verschiebt sich der zyklonale Einfluss weiter nach
Deutschland. Der Kurzwellentrog schiebt sich in den Westen und Nordwesten. Damit
bleiben auch die (Schwer)gewitter aktiv und verschieben sich weiter in die
zentralen Landesteile. Auch für die Nachtstunden bestehen noch größere
Fragezeichen bezüglich der Verbreitung. Zudem werden vor allem von der deutschen
Modellkette stärkere Entwicklungen aus den Alpen heraus simuliert. Details
bleiben abzuwarten und müssen in den kommenden Tagen geupdatet werden.

Zudem fällt die Nacht in einigen Regionen wieder tropisch aus.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung im Kurzfristbereich wieder von allen vorliegenden
Modellen gleich simuliert. Unsicherheiten bestehen auf der Mesoskala und sind
vor allem an die im Haupttext beschriebenen Fragzeichen bei der Gewitterauslöse
und -verbreitung gebunden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer