DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-06-2021 07:30
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HM (Hoch Mitteleuropa), zum Ende hin Übergang zu Sz (Süd zyklonal)

Meist Hochdruckeinfluss und kontinuierlich wärmer bzw. heißer mit entsprechender
Belastung. Heute nur schwache Kaltfront im Norden. Ab Donnerstagnachmittag im
Westen steigende Gewitterwahrscheinlichkeit.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befinden sich weite Teile Mitteleuropas unter Hochdruckeinfluss,
wobei sich die Szenerie gar nicht so statisch darstellt, wie es der erste Teil
des Satzes vermuten lässt. So wird uns das eine Hoch (YONA) heute zwar in
Richtung Südosten verlassen, doch vom nahen Atlantik rückt schon das nächste
Exemplar (ZOE) an. In Form eines klassischen Keils hat es bereist die Nordsee
erreicht, wo es nun durch kontinuierlichen Potenzialanstieg von Südwesten her
zunehmend gestützt wird.

Ganz geräuschlos erfolgt die Staffelübergabe der beiden "Ladys" freilich nicht,
was dem Kollegen ROBERT geschuldet ist. Zwar ist dieses Tief über Lappland weit,
weit weg von Deutschland, doch in der Regel verfügen Tiefdruckgebiete ja über so
genannte Ausläufer, die dann auch anderen Orten zyklonale Impulse setzen können.
In diesem Fall handelt es sich um eine Kaltfront, die zwischenn den Hochs nach
Norddeutschland eingedrungen ist und nun die Mitte ansteuert, was ihr in
antizyklonalem Umfeld aber zusehends schwerfällt. Ohnehin ist diese Kaltfront
alles andere als ein Gigant seiner Zunft, ihre Wetterwirksamkeit beschränkt sich
im Wesentlichen auf mehr oder weniger dichte Wolken in allen Stockwerken, aus
denen aber nicht viel rauszuholen ist. Klar, die Einstrahlung wird gedämpft,
aber Regen? - eher nein. Vielleicht reicht es ab Mittag im zentralen
Mittelgebirgsraum und im Osten mal für den einen oder anderen schlappen,
hochbasigen Schauer (geringes CAPE + Feuchteakkumulation im Frontbereich),
allerdings dürfte es schwer werden, die bei 700 hPa liegende Sperrschicht ohne
weiteren fremden Antrieb - der überlagerte KW-Trog ist sehr schwach - zu
überwinden. Während es also in der Mitte immer wolkiger wird, reißt es von
Norden her bereits wieder auf, was heute Morgen von Jütland her schon gut
erkennbar ist.

Dass die Kaltfront ihren Namen trotzdem verdient, liegt vor allem an der
moderaten Baroklinität, die sie ausstrahlt respektive dem Unterschied der beiden
Luftmassen, die sie voneinander trennt. Während in der Südhälfte in der
alternden Warmluft heute Nachmittag rund 15°C auf 850 hPa gemessen werden, sind
es von den Küsten bis weit in die Norddeutsche Tiefebene hinein in maritimer
Polarluft nur 5 bis 10°C. Bei Wolken und auflandiger Windkomponente bedeutet das
direkt an der See und auf den Inseln keine 20°C, im norddeutschen Binnenland 20
bis maximal 25°C. Derweil stehen in der Südhälfte, wo präfrontale Cirren die
Einstrahlung nur marginal dämpfen, 27 bis 32°C auf der Karte (die höchsten Werte
am Oberrhein und seinen Nebenflüssen). Damit steigt auch die Wärmebelastung so
ganz allmählich an, allerdings bewahren uns die vergleichsweise niedrigen
Taupunkte (unter 15°C, teils sogar unter 10°C) noch vor größerem Ungemach durch
unerträgliche Wasserdampfpartialdrücke.

In der Nacht zum Mittwoch macht die Regeneration des Höhenrückens weitere
Fortschritte, so dass der Vorhersageraum morgen früh genau darunterliegt. Seine
Hauptachse reicht von Algerien über die Schweiz und Deutschland bis nach
Südschweden. Dass das unserer Kaltfront alles andere als schmeckt, ist evident,
und da auch der gute ROBERT als "Verwalter" lieber auf Nordlandfahrt geht und
Nowaja Semlja ansteuert, ist ihr Karriereende spätesten in der Nacht amtlich.
Ein paar Wolken werden insbesondere in der Mitte aber noch übrigbleiben, während
es im Norden und Süden vielfach auflockert oder nur noch einige Cirren am Himmel
entlangstreifen. Dabei wird es im norddeutschen Binnenland mit 11 bis 5°C ganz
schön frisch (Küste milder), während sonst die Tiefstwerte zwischen 11 und 17°C,
unter Wolken sowie in einigen Hoch- und Hanglagen bis zu 19°C liegen.


Mittwoch... wandern der Rücken nebst korrespondierender, inzwischen stark
meridional exponierter Hochdruckzone ganz langsam gen Osten. Der Schwerpunkt der
Hochdruckzone (immer noch ZOE) soll zur Mittagszeit über dem Seegebiet knapp vor
den Nehrungen liegen. Derweil etabliert sich - ausgehend von einem Tief zwischen
Island und Schottland - eine breite, ebenfalls Nord-Süd ausgerichtete Rinne über
Westeuropa, die einen veritablen Höhentrog in ihrem Schlepptau hat. Zwar
verbleibt dessen Achse am morgigen Mittwoch noch knapp westlich von UK/Irland,
gleichwohl sollte man sich vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung durchaus
schon vertraut machen damit, was übrigens auch für die besagte Tiefdruckrinne
gilt.

Doch zunächst noch mal zurück nach Deutschland, wo das Geschehen weitgehend
antizyklonal geprägt ist. Der weiterhin überwiegend schwache, allenfalls durch
Sonnenböigkeit mal leicht aufmuckende Wind dreht von heute nördlichen Richtungen
auf Ost bis Südost. Damit gelangt vor allem in den Norden wieder wärmere Luft
(T850 am Abend 12 bis 15°C), aber auch weiter südlich macht die Erwärmung bzw.
Aufheizung Fortschritte (T850 14 bis 19°C mit den höchsten Werten im Südwesten).
Am Oberrhein und (tiefer) Umgebung werden 34°C angesteuert, aber auch sonst ist
bei 28 bis 33°C Schwitzen angesagt. Einzig ganz weit im Norden wird es mit 24
bis 28°C nicht ganz so heiß, an Küstenabschnitten, wo noch auflandige
Windkomponente am Start ist, etwas darunter.

Wettermäßig scheint größtenteils die Sonne von einem nur locker bewölkten
Himmel. Allerdings können sich etwa in einem von NRW bis in den zentralen bzw.
östlichen Mittelgebirgsraum im Tagesverlauf etwas stärkere Quellungen sowie
einzelne schwache Schauer bilden, die bis zur zwischen 700 und 650 hPa
positionierten Sperrschicht reichen und abermals sehr hochbasig ausfallen. Noch
immer liegt im besagten Korridor ein Feuchtemaximum vor, das von der heutigen
Kaltfront herrührt und in der etwas CAPE generiert werden kann. Neben
thermischer Auslöse könnte im Westen auch noch eine Windkonvergenz ins Spiel
kommen. Ursache ist ein kleiner, nach Osten gerichteter Ast der Tiefdruckrinne,
in der der Wind auf Südwest dreht.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Höhentrog unter Vergrößerung seiner
Amplitude etwas nach Osten voran, wodurch sich die Tiefdruckrinne noch etwas
vertieft. Für uns hat das aber noch keine Auswirkungen, hier steht einmal mehr
eine ruhige und wolkenarme Nacht auf der Agenda. Allerdings - und das darf
natürlich keinesfalls unter den Tisch fallen - haut es mit der Abkühlung nicht
mehr ganz so gut hin wie in den Nächten zuvor. Insbesondere in der Westhälfte
reicht es vor allem in den Ballungsgebieten sowie in den Mittellagen der
Mittelgebirge für die ersten Tropennächte, heißt, es kühlt nicht unter 20°C ab.
Grausam, wenn auch subjektiv.

Donnerstag... bereitet der Höhentrog knapp westlich der Iberischen Halbinsel
seine Abtropfung vor, die wahrscheinlich aber erst in der Nacht zum Freitag
vollzogen wird. Fakt ist, dass der Trog in seinem Nordteil weiter ostwärts
vorankommt, wenn auch in kleinen Schritten. Und auch die vorgeschaltete
Tiefdruckrinne zeigt sich so progressiv, dass die eingelagerte Windkonvergenz am
Nachmittag auf die westlichen Landesteile übergreift (Süd-Südost davor vs.
Südwest-West dahinter). Damit gelangt der Westen unter verschärfte Beobachtung,
weil mit der Konvergenz auch eine deutliche Anfeuchtung und Labilisierung der
Luftmasse einhergeht. Sind die Lapse-Rates mit nahe -0,7 K/100 m noch
einigermaßen human, zeigen die Feuchteparameter mit rund 40 mm PPW und rund 13
g/kg spezifischer Grundschichtfeuchte durchaus imposante Werte, so dass es wenig
verwundert, dass bis zu 1500 J/kg ML-CAPE generiert werden können. Im Nordwesten
kommt sogar noch etwas Scherung dazu (LLS bis zu 10 m/s, DLS bis zu 20 m/s), so
dass es - rein von der Zutatenmethode - schon ganz gut zur Sache gehen könnte.

Dass sie Numerik zumindest tagsüber noch relativ verhalten agiert, ist
offensichtlich eine Folge mangelnder Dynamik respektive synoptisch-skaliger
Antriebe. Windkonvergenzen bzw. von Westen einlaufende Outflow-Boundaries sind
zwar ganz schön, taugen aber nicht in allen Fällen als "Zündkerze", vor allem
dann nicht, wenn noch etwas CIN vorhanden ist. Trotzdem, mit Hilfe der Orografie
werden am Nachmittag und Abend wahrscheinlich die ersten Zellen ausgelöst, die -
wenn sie denn erstmal da sind - auch kräftig ausfallen können (lokal WU durch
Hagel und/oder Starkregen).

Fast wichtiger als potenzielle Gewitter (die auch nur einen Bruchteil von uns
treffen) ist die Hitzeglocke, die sich am Donnerstag über das ganze Land legt.
Auf 850 hPa steigt die Temperatur mit Ausnahme der äußeren Flanken im Westen und
Osten auf 18 bis 20°C, was landesweit 30 bis 36°C zur Folge hat - na Prost
Mahlzeit. Selbst an der See und auf den Inseln kann es ziemlich bullig werden,
je nachdem, welche Windrichtung sich einstellt (die Vorhersage zeigt aktuell
noch verschiedene Anströmrichtungen, teils ab-, teils auflandig).

In der Nacht zum Freitag könnte es im Westen unruhig werden, auch wenn sich die
Rinne etwas auffüllt und die abendlichen Einzelgewitter erst mal wieder
zusammenfallen. Dafür könnten (man beachte den Konjunktiv) im Laufe der Nacht
von Frankreich und/oder Benelux her übergreifen. Ob das tatsächlich der Fall
sein wird und wenn ja, welche Form und Intensität die Gewitter haben, steht
derzeit noch etwas in den Sternen. Das Potenzial für Gewitter an sich ist auf
alle Fälle da.

Ansonsten bleibt nur noch die Erkenntnis, dass die Nächte auch im Osten immer
wärmer werden mit Tiefstwerten, die z.T. nicht mehr unter die 20°C-Marke
rutschen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Was die Basisfelder angeht, herrscht weitgehender Konsens unter den Modellen.
Etwas diffuser wird es ab Donnerstagnachmittag, wenn die konvektive Komponente
ins Spiel kommt. Die oben gemachten Kernaussagen behalten aber ihre Gültigkeit,
es geht eher um Details.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann