DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-06-2021 08:01
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 09.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
BM

In Teilen des Südens und der Mitte heute erneut schwere Gewitter mit Fokus auf
Starkregen. Am Donnerstag nach jetzigem Stand vornehmlich in der Südosthälfte
erneut lokale Unwettergewitter, am Freitag dann nur noch in Südostbayern. Nachts
gebietsweise Nebel.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... erstreckt sich ein bewegungsunwilliger Bodenkeil des Azorenhochs
über den Norden und die Mitte Frankreichs sowie die Mitte Deutschlands hinweg
nach Nordosten. Im Tagesverlauf wird dieser in seinen nordöstlichen Bereichen
etwas abgebaut, so dass die 1020er Isobare von der westlichen Ostsee bis etwa an
die Elbe zurückgedrängt wird. Im Zuge dieser Prozesse ist allerdings kaum eine
Verlagerung der Divergenzachse auszumachen. Diese verläuft quasistationär von
der Biskaya über den Großraum Paris und die Harzregion zur Ostsee. Auch die
Höhenkonfiguration bietet wenig Dynamik. Korrespondierend zum Bodenkeil
erstreckt sich in 500 hPa ein Höhenrücken von Frankreich über Deutschland hinweg
nach Nordosten. Dieser kräftigt sich im Tagesverlauf etwas, so dass das
Geopotential über Deutschland ein wenig ansteigt. Hebungsimpulse lassen sich in
dieser Gesamtkonstellation allenfalls aus einem schwachen Trog in 300 hPa
ableiten, der an der Vorderseite des Rückens abläuft und im Tagesverlauf vom
Nordwesten Deutschlands bis zur Mitte vorankommt. Dabei verliert er allerdings
etwas an Schärfe. Als zweiter Hebungstrigger kommt ein leicht diffluentes Muster
im 500er-Geopotential in Frage, welches vor allem über der östlichen Mitte und
dem Süden zu erkennen ist. Letztendlich könnte man aus diesem Bild schließen,
dass der Tag ruhig verläuft - wenn denn die Luftmasse für einen ruhigen
Wetterverlauf die passende wäre. Ist sie aber nicht! Abgesehen vom äußersten
Westen sowie dem Nordosten herrscht weiterhin eine sehr feuchte und labil
geschichtete Luftmasse vor. Die von ICON-EU avisierten PPW-Werte liegen in der
Spitze knapp über 30mm, die ML-CAPE-Werte knapp über 1000 J/kg. Dies ist eine
Sicht auf die Dinge, die z.B. auch von GFS oder EZMW geteilt wird. Nimmt man die
Feuchte und die potentielle Energie als Maßstab um die Regionen einzugrenzen, in
denen Unwetter wahrscheinlich sind (wenn auch nur lokal), so ergibt sich ein
Bereich, dessen westliche Grenze vom südlichen Niedersachsen/Ostwestfalen und
Hessen bis zum Oberrhein reicht. Nach Osten reicht die "Grenzlinie" etwa vom
Harz bis zum zentralen Erzgebirge. Dabei werden die Auslösetemperaturen, die
meist zwischen 20 und 24 °C liegen, erreicht, ab der Mittelgebirgsschwelle kommt
die Konvektion auch mit Hilfe der Orografie in Gang. Als erstes sollte es,
getriggert durch den 300-hPa-Trog, in den nördlichen der beschriebenen Regionen
auslösen - aber mit Abziehen des Troges auch wieder nachlassen. In Südbayern
werden die Gewitter wohl bis in die zweite Nachthälfte anhalten und dabei
zunehmend in ungewittrigen Starkregen übergehen. Das Unwetterpotential der
Gewitter ergibt sich bei geringer Zuggeschwindigkeit vor allem durch Starkregen
um 30 l/qm in kurzer Zeit, punktuell sind auch Mengen um 50 l/qm denkbar
(extremes Unwetter). Demgegenüber treten kleinkörniger Hagel oder
Hagelansammlungen in den Hintergrund, und auch der Wind erreicht die
Unwetterschwelle bei weitem nicht, Downbursts und mit diesen verbunden
stürmische Böen oder Sturmböen können aber nicht ausgeschlossen werden. Dort, wo
die Luftmasse trockener ist, reicht es nicht zur Schauer- und Gewitterbildung.
Dies ist insbesondere nordöstlich der Elbe und im Westen von der Saar und der
Eifel bis zur Nordsee der Fall. Dort treibt die praktisch ununterbrochen
scheinende Sonne die Temperaturen auf Maxima um 27°C.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich an der synoptischen Situation nur wenig.
Der Höhenrücken in 500 hPa wird durch WLA vorderseitig eines Tiefdruckkomplexes
bei Island gestärkt, dabei verschiebt sich seine Achse leicht retrograd und
kommt zum Morgen über der Nordsee zu liegen. Die Lage des Bodenkeils ändert sich
nur wenig, allenfalls eine leicht südliche Verlagerungskomponente ist
auszumachen. Damit stabilisiert die Luftmasse von Nordwesten her etwas, über dem
Südosten (südlich der Donau und zum Bayerischen Wald hin) halten die Gewitter
aber bis in die zweite Nachthälfte an, wobei sie zunehmend in ungewittrigen
Starkregen übergehen, der aber immer noch Unwetterpotential besitzt. In den
übrigen Gebieten lassen eventuelle Gewitter nach, die Gewittergebiete sind
aufgrund des Feuchteeintrages prädestiniert für Nebel. Die Tiefstwerte liegen
bei Restbewölkung und feuchter Luft in den Gewittergebieten (des Tages) bei 14
bis 10°C, im Westen und Nordosten kühlt es gebietsweise stärker aus, so dass die
Minima dort auch unter 10°C fallen können.

Donnerstag... kommt die Achse des Höhenrückens von der Nordsee her sehr
zögerlich nach Osten voran, bis zum Abend verbleibt Deutschland aber auf der
Vorderseite der Achse des Rückens. Der Bodenkeil nimmt über Mitteleuropa eine
etwas diffusere Kontur an, seine Achse verlagert sich insgesamt aber kaum nach
Südosten. Der sich nähernde Rücken sorgt für eine leicht antizyklonale
Höhenströmung, und insbesondere über dem Nordwesten stabilisiert die Schichtung,
auch sickert dort allmählich trockenere Luft ein. Dies macht sich auch in den
Sonnenscheinstunden bemerkbar. Vom Oberrhein über Westerwald und Eifel bis zur
Nordsee gibt es, wenn überhaupt, nur wenig Wolken. Viel Sonne gibt es auch von
der Oder bis zur Ostsee. Im den Sonnengebieten steigen die Temperaturen dann
auch wieder auf bis zu 28°C. Freundlich, aber nicht mehr so sonnig wie noch
heute, soll es rund um die Elbe werden. Das liegt daran, dass die feucht-labile
Luft etwas nach Osten geschoben wird. So bietet ICON-EU von der Lausitz bis zur
Altmark und von dort bis zur Vorderpfalz PPW-Werte von 25 bis 30 mm an.
Insbesondere über dem Osten gibt es diesbezüglich nunmehr leichte
Modellunterschiede, so sieht beispielsweise GFS, im Gegensatz zu ICON-EU, auch
über weiten Teilen Brandenburgs PPWs über 25mm. Der Blick auf die CAPE-Werte
lässt erkennen, dass die Maxima bei ICON-EU mit knapp 900 J/kg niedriger liegen
als noch heute, damit liegt das Modell auf einer Linie beispielsweise mit GFS
oder EZMW. Insgesamt also etwas weniger günstige Entwicklungsbedingungen als am
heutigen Mittwoch, dafür werden die Auslösetemperaturen, die bei etwa 21 bis
25°C liegen deutlicher als heute überschritten, liegen doch die erwarteten
Höchsttemperaturen in den potentiellen Gewittergebieten bei 22 bis 27°C. Somit
wird es hier und da wieder für Unwetter reichen, und erneut liegt der
Schwerpunkt auf dem Starkregen mit Mengen um 30 l/qm. Ob es punktuell nochmals
für extremes Unwetter reicht, ist im Vergleich zu heute fragwürdiger. Bei den
weiteren Begleiterscheinungen ist wieder mit kleinerem Hagel und stürmischen
Böen zu rechnen, Sturmböen bleiben die Ausnahme.

In der Nacht zum Freitag kommt der Höhenrücken in 500 hPa weiterhin nur sehr
zögerlich nach Osten voran, er kippt dabei sogar etwas nach Südosten ab.
Immerhin greift seine Achse wohl auf die Ostfriesischen Inseln über, mithin
bleibt nicht mehr ganz Deutschland auf seiner Vorderseite. Der Bodenkeil
verschiebt sich etwas nach Süden, Baden-Württemberg und Bayern sind jetzt sein
bevorzugtes Terrain. Dir Gewitter lassen allgemein nach, über der Südhälfte
bildet sich bei Tiefstwerten zwischen 13 und 8°C lokal wider Nebel.

Freitag... und in der Nacht zum Samstag kommt etwas Bewegung in die Sache. Der
Höhenrücken zieht anfangs weiterhin nur wiederwillig nach Osten, in der Nacht
zum Samstag kommt er dann aber deutlicher nach Südosten voran, wobei seine
Amplitude etwas abflacht. Auf seiner Rückseite schiebt sich eine scharf
konturierte Fronttalzone nach Osten, der zugehörige 300-hPa-Jet kommt bis zum
Samstagmorgen bis zur nördlichen Nordsee voran. Dabei beginnt die Frontalzone
allerdings ihre zonale Kontur zunehmend zu verlieren und sich insbesondere in
der Nacht zum Samstag westlich der Britischen Inseln aufzuwölben. Der
entstehende Höhenrücken dominiert schon am Samstagmorgen das Geopotentialfeld
bzw. ist dem alten, abziehenden Rücken ebenbürtig. Südlich der Frontalzone und
vorderseitig des Rückens wird schon am Tage zunehmend stabil geschichtete Luft
nach Deutschland gesteuert, die Gewitterwahrscheinlichkeit nimmt entsprechend
ab. Über dem Südosten Bayerns bleibt die feucht-labile Luft aber bis zum Abend
erhalten, mit PPWs um 25mm und CAPE-werten bis 900 J/kg auch nochmal
(unwetter-)gewitterträchtig. Ansonsten lässt die Gewitteraktivität deutlich
nach. Das heißt auch in weiten Teilen des Südens und der Mitte mehr Sonne. In
den Norden schieben sich aber vornehmlich mittelhohe Wolkenfelder, die die
Himmelssicht etwas trüben. Die Höchstwerte liegen bei 23 bis 28 Grad, nachts,
wenn lokal auch wieder Nebel auftritt, sind es meist 16 bis 11 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die synoptische Situation sowie die gewitterrelevanten
Parameter ähnlich. Die daraus abgeleiteten Niederschlagsmuster sind, auch in den
Folgetagen, naturgemäß noch mit größeren Unsicherheiten behaftet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas