DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-06-2021 08:01
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.06.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: "S" (wie Sumpf; gibt es bei Hess-Brezowsky leider nicht). Das vom
hauseigenen Algorithmus vorgeschlagene HNFa (Hoch Nordmeer-Fennoskandien
antizyklonal) trifft es nicht wirklich, auch wenn der Nordosten von
ausfließender trockener Warmluft profitiert.

Heute und morgen gebietsweise Schwergewitter, insbesondere durch (extremen)
Starkregen. Auch am Sonntag noch kräftige Gewitter, aber nicht mehr so
zahlreich.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... sind sowohl die Potenzial- als auch die Druckverteilung geprägt von
extrem geringen Gradienten, die bis in große Höhen kaum Strömung zulassen.
Dadurch fehlen auch die entsprechenden Antriebe für synoptisch-skalige
Hebungsprozesse, die Musik wird auf andere Art gespielt. So spielt z.B. die
Tatsache keine oder nur eine minimale Rolle, dass Deutschland sich unter
Höhenrücken befindet, dessen Hauptachse sogar leicht westlich bzw. an der
Westgrenze zu Benelux und Frankreich verläuft. Nennenswertes Absinken ist nicht
erkennbar, stattdessen fängt es schon bald wieder an zu brodeln.

Entscheidender Faktor dafür ist die Luftmasse, die sich inzwischen im
Vorhersageraum eingefunden hat und durch die gestrigen Regenfälle und Gewitter
noch weiter angefeuchtet wurde (was auch die morgendlichen Nebelfelder erklärt).
Die subtropische Warmluft (T850 12 bis 15°C, nur im Nordosten etwas darunter)
ist sehr feucht mit verbreitet 30 bis 35 mm PPW und spez. Grundschichtfeuchten
von rund 12 g/kg, was wirklich satte Werte sind. Hinzu kommt eine sehr solide
bis gut ausgeprägte und vor allem weitgehend ungedeckelte Labilität, die nur
darauf wartet, in Energie umgesetzt zu werden. Und tatsächlich wird je nach
Einstrahlung CAPE von gebietsweise über 1000 J/kg, lokal bis zu 1500 J/kg
generiert, wobei die genaue räumliche Verteilung - naturgemäß möchte man sagen -
von Modell zu Modell etwas anders gesetzt wird. Gleichwohl lassen sich größere
Regionen eingrenzen, in denen die Wahrscheinlichkeit kräftiger konvektiver
Umlagerungen sehr hoch ist, während in anderen Gebieten nur wenig bis nichts los
ist.

Bevor wir die Regionen beim Namen nennen kurz noch ein Blick auf die
Bodendruckverteilung, die sich als äußerst amorph darstellt. Selbst bei höchster
Auflösung der Isobaren im "1:1" lässt sich nur mit etwas Fantasie eine gewisse
Struktur in Form einer Rinne (der "zerrupfte" PETER, so der teiloffizielle Name
des "Tiefs") erkennen, die irgendwie diagonal von Nordwest nach Südost über
Deutschland verläuft. Auf der Ostflanke der nennen wir es mal brüchigen Rinne
wird mit schwachem östlichen Wind zwar labile, aber ansonsten relativ trockene
Luft advehiert, in der konvektionstechnisch wenig bis nix geht. Namentlich
sprechen wir von Teilen Bayerns (östlicher Bereich), wo es durchweg trocken
bleibt und die Gebiete östlich der Elbe, wo sich wegen der Anfeuchtung durch den
morgendlichen Regen aber einzelne Schauer entwickeln können. Eine "Schwachzone"
stellt auch der Norden und Nordwesten des Landes dar, wo der schwache Wind z.T.
von der Nordsee kommt und dabei eine gewisse Stabilisierung bewirkt. Die
CAPE-Werte sind jedenfalls deutlich herabgesetzt, gleichwohl können sich
einzelne Gewitter bilden, die vor allem mit Starkregen einhergehen können.

Kommen wir nun zu den Landesteilen, wo heute am meisten die Post abgehen soll.
Von NRW, RP und dem Saarland bis etwa hinüber nach Thüringen, dazu noch die
angrenzenden Peripherien wie das südliche NDS, das südliche Sachsen-Anhalt,
Westsachsen, das westliche Bayern und Nordbaden sind die Rahmenbedingungen so
gestrickt, dass davon die höchste Unwettergefahr ausgeht. Bereits am Vormittag
geht´s los, wobei als Impulsgeber mangels dynamischer Antriebe insbesondere die
Orografie und regionale Windkonvergenzen, später dann auch Outflow-Boundaries
bestehender Systeme sowie etwas Energieinput durch Strahlung dazukommt
(diabatische Komponente). Bei null Komma null Scherung und kaum Höhenwind ziehen
die Gewitter kaum und neigen zur Verclusterung respektive luvseitigen Anbau, was
Starkregen ganz weit oben auf der Agenda begleitender Parameter erscheinen
lässt. Dabei besteht durchaus die Gefahr - ICON-D2-EPS spricht eine deutliche
Sprache -, dass die Mengen z.T. bis in den extremen Unwetterbereich gehen,
sprich > 40 l/qm einstündig oder >60 l/qm mehrstündig. Wo genau das der Fall
sein wird, kann leider erst im Nowcasting beantwortet werden. Hagel spielt
sicherlich auch eine gewisse Rolle, allerdings mehr durch größere
Hagelansammlungen als wirklich großen Hagel, der vielleicht punktuell mal im
Frühstadium der Zelle auftritt (2-3 cm). Ganz unten auf der Liste steht der
Wind, der am ehesten dort auf sich aufmerksam macht, wo die Grundschicht noch
etwas trockener ist. Mehr als Stärke 7 bis max. 9 Bft sollte aber nicht drin
sein.

Kräftige Gewitter mit ähnlichen Begleitparametern stehen auch im Südwesten BWs
auf der Karte, jedoch nach den meisten Modellen etwas weniger frequent als
weiter nördlich. Auch am Alpenrand können aus den Alpen heraus einzelne Gewitter
auftreten, die im Fall des Falles wahrscheinlich etwas hagellastiger ausfallen.

Temperaturmäßig hat sich der Sommer inzwischen etabliert, auch wenn aus der
anfangs trockenen nun vielfach eine feuchte, schwüle Wärme geworden ist. Die
Maxima liegen zwischen 23 und 29°C mit den höchsten Werten im Osten, an den
Küsten bei auflandigem Wind sowie in den Gebieten, wo es so gar nicht mit der
Einstrahlung klappen will, etwas darunter.

In der Nacht zum Samstag schlägt der Tagesgang zu, indem die Gewitteraktivität
langsam aber sicher zurückgeht. Schauer bzw. schauerartiger Regen bleiben aber
noch längere Zeit am Leben, vor allem im Westen und Südwesten sowie bedingt in
der Mitte. Interessant könnte es dann noch mal in den frühen Morgenstunden
werden, wenn im Grenzbereich zu Benelux und Frankreich auf der Vorderseite eines
etwas weiter westlich liegenden Höhentroges etwas Hebung generiert wird.
Aufgrund weiterhin schwacher Höhenwinde kommt PVA als Impuls eigentlich kaum in
Frage, vielmehr scheinen es eigenständige Systeme zu sein, die von unseren
Nachbarn herüberschwappen, wobei einmal mehr der Starkregen im Fokus steht.

Ansonsten muss nur noch konstatiert werden, dass sich in der feuchten
Grundschicht bei längerem Aufklaren z.T. dichter Nebel bildet (weniger im Osten
und Nordosten). Die Tiefsttemperatur liegt zwischen 18 und 10°C mit den höchsten
Westen im Westen und Südwesten.

Samstag... dringt ein Teil des o.e. Troges in den Vorhersageraum ein, wodurch
der Rücken etwas nach Osten abgedrängt wird. Über Frankreich beginnt aber schon
wieder die Regeneration des Rückens, das Ganze allerdings bei weiterhin extrem
schwachen Strömungsverhältnissen. Auch in Bodennähe herrscht weiterhin
weitgehende Flaute, auch wenn sich die Rinne (der "zerfledderte" PETER) etwas
besser abbildet als heute. Am Nachmittag verläuft die Konvergenzachse etwa von
der Elbmündung/Westteil der Deutschen Bucht bis zum Erzgebirge. Nordöstlich
davon gelangt von Polen her immer noch trockene und gegenüber heute auch
stabilere Luft in den Nordosten, die sich sogar bis nach SH durchsetzt. Von der
deutsch-dänischen Grenze bis hinunter zur Lausitz sowie nordöstlich davon
scheint häufig die Sonne bei 25 bis 28°C (lediglich in Küstennähe etwas
darunter).

Auf der anderen, der westlichen Seite der Windkonvergenz ist die Luftmasse
weiterhin sehr feucht (gebietsweise sogar über 35 mm PPW), wenn auch bei
leichter niedertroposphärischer Abkühlung (T850 um 11°C) nicht mehr ganz so
labil wie heute. Trotzdem sind die CAPE-Werte bei null Scherung wieder sehr hoch
und liegen nur wenig unter denen von heute. Allerdings lässt sich nicht leugnen,
dass im Westen und Südwesten im Tagesverlauf eine gewisse Stabilisierung
einsetzt, die die Entwicklung von konvektiven Prozessen dämpft. Ansonsten
entwickeln sich in einem von Nordwest nach Südost verlaufenden breiten Korridor
- ausgelöst durch Windkonvergenzen (die vielleicht etwas markanter ausfallen als
heute), Outflow-Boundaries sowie die treue Orografie - schon früh kräftige
Gewitter, deren Unwetterpotenzial sich erneut aus (extremen) Starkregen und
größeren Hagelansammlungen rekrutiert.

Während es nach Osten zu wieder bis zu 27 oder 28°C warm wird, stehen in der
Westhälfte "nur" noch 20 bis 25°C auf der Karte, in einigen Mittelgebirgen bei
Schauern und überdurchschnittlich viel Gewölk sogar etwas darunter.

In der Nacht zum Sonntag passiert synoptisch nichts Bedeutendes, während der
Tagesgang einmal mehr Wirkung zeigt. Bemerkbar macht sich das vornehmlich durch
eine kontinuierlich nachlassende Gewitterneigung, wohingegen schauerartiger
Regen und Schauer auch mit Starkregenpotenzial noch längere Zeit am Start sein
können. Betroffen ist hauptsächlich ein Streifen knapp west-südwestlich der
Haupt-Konvergenz, der von der Deutschen Buch bis nach Westsachsen bzw.
Südostbayern reicht. Dort, wo es längere Zeit aufklart und die Grundschicht
durch vorherigen Regen ordentlich angefeuchtet ist, bildet sich teils dichter
Nebel.

Sonntag... breitet sich der regenerierte Rücken von Frankreich her bis nach
Deutschland aus, wobei die Potenzialgegensätze weiterhin extrem flau bleiben.
Die flache Bodenrinne kommt noch etwas weiter nach Osten voran, während der
Westen mehr und mehr an den Rand einer sich über dem nahen Atlantik
etablierenden Hochdruckzone gelangt. Dort wird mit nördlichem bis nordöstlichem
Wind von der Nordsee her nicht mehr ganz so warme (T850 um 9°C), vor allem aber
stabilere, wenn auch noch feuchte Luft weit nach Süden (als bis nach BW)
transportiert, in der es bei chronischem Wolkenüberschuss zwar zu Schauern oder
gebietsweise schauerartigem Regen, aber kaum noch zu Gewittern kommt.

Diese fokussieren sich im Wesentlichen auf den erweiterten Westrand der Rinne,
wobei man aber festhalten muss, dass aufgrund verminderter Labilität, teils aber
auch durch verminderte Einstrahlung längst nicht mehr so hohe CAPE-Werte
generiert werden wie die Tage zuvor. Die Feuchtewerte bleiben trotz eines
gewissen Rückgangs hoch (PPW um 30 mm, spez. Grundschichtfeuchte um 10 g/kg), so
dass sich vornehmlich von Bayern bis in die Mitte, nach IFS (00 UTC) sogar bis
ins westliche Niedersachsen reichend, kräftige Gewitter entwickeln können.
Abermals stehen Starkregen und Hagelansammlungen auf der Pole Position
potenzieller Begleitelemente. Insgesamt fallen flächige Ausdehnung und Frequenz
der Gewitter aber nicht mehr so hoch aus wie am Freitag und Samstag. Außerdem
beginnen die Modelle zu divergieren, was die genaue räumliche Verteilung der
Konvektion angeht.

Wer dem aus dem Weg gehen möchte und auch die praktische Möglichkeit dazu hat,
sollte sich in den Nordosten des Landes begeben (ganz sicher MV, aber auch
Ostholstein und das nordöstliche BB), wo von Osten einfließende oder besser
einsickernde trockene Warmluft (T850 um 10°C) viel Sonnenschein, trockene
Verhältnisse und je nach Abstand zur kühlen Ostsee Temperaturmaxima von 21 bis
28°C zulässt.

In der Nacht zum Montag lässt die Gewittertätigkeit nach, gebietsweise fällt
aber noch schauerartiger Regen.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Was den Modellvergleich angeht, lassen sich bei den Basisfeldern kaum
nennenswerte Unterschiede ausmachen. Erfreulich, dass sich GFS den anderen
Modellen angepasst hat, indem es die Rinne respektive die Gewitter nicht mehr so
progressiv nach Nordosten vorankommen lässt. Dass die Diskrepanzen bei der
Niederschlags- und Gewitterprognose mit zunehmender Vorhersagedauer trotzdem
zunehmen, ist angesichts der flauen Strömungsverhältnisse kein Wunder.
Kurz noch ein Satz zur Vorabinformation, die heute Morgen ausgegeben wurde,
nachdem gestern trotz einiger örtlich kräftiger Entwicklungen noch darauf
verzichtet wurde. Heute ist die Luftmasse doch noch etwas feuchter und auch
labiler, was mehr unwetterartige Gewitter (Fläche und Anzahl) erwarten lässt, so
dass eine Vorabinformation durchaus gerechtfertigt ist - wohl wissend, dass
natürlich längst nicht alle im markierten Bereich getroffen werden (das
unterscheidet eben die Vorabinfo von Akutwarnungen, auch wenn das nach wie vor
von vielen nicht verstanden wird). Immerhin haben auch die geschätzten Kollegen
von ESTOFEX für den Westen Deutschlands eine Level-2-Warnung vornehmlich vor
"excessive convective precipitation" herausgegeben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann