DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-05-2021 07:30
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 31.05.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NEa mit Übergang zu HNFa

Dienstag im Nordosten, Mittwoch auch im Südwesten zunehmende Gewittergefahr.
Mittwoch im Norden kräftige, teils unwetterartige Gewitter möglich. In den
Nächten abklingende Frostgefahr in Bodennähe.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... beschert uns das umfangreiche Hochdruckgebiet WALTRAUD einen
deutschlandweit sehr freundlichen bis sonnigen Wochenstart. Dabei befindet sich
das Zentrum der bodennahen Antizyklone zunächst über der Nordsee/Norwegen und
weitet sich im Verlauf der Kurzfrist weiter nach Finnland aus. Es liegt nahezu
senkrecht unter einer warmen Höhenantizyklone, die sich bis zum Mittwoch zu
einem kräftigen blockierenden Hochdruckgebiet über Skandinavien mausert. Dabei
baut sich über Europa ein "split flow" Regime auf, das per se förderlich ist für
von der Frontalzone abgetropfte Höhentiefs. Davon gibt es die Kurzfrist über
einige, wie z.B. eines vor Portugal, ein zweites über dem Balkan sowie ein
drittes, das vor der Biskaya südwärts abtropft und ein viertes, das von der
südlichen Ostsee über Dänemark zur Nordsee geführt wird. Bedeutet, dass sich
grundsätzlich an dieser eingefahrenen Wetterlage vorerst wenig ändert, wir (bzw.
auch die Numerik) aber etwas mit dem Einfluss der Höhentiefs zu kämpfen haben.
Aber beginnen wir erst einmal mit dem heutigen Montag.

Meist startet der heutige Montag mit viel Sonnenschein, einzig der Westen
Niedersachsen erlebt dank ausgedehnter Bodennebel und Hochnebelfelder einen noch
trüben Start. Der Nebel konnte sich entlang einer scharfen grenzschichtnahen
Inversion am Südostrand der Bodenantizyklone ausbilden (7K Temperaturdifferenz
innerhalb von rund 200 Höhenmetern und einem inversionsdeckelnden Taupunktabfall
von knapp 15 Kelvin in wiederum grob 200 Höhenmeter). Mit einem Aufweiten der
Bodenantizyklone nach Süden kippt die anfangs noch teils nordöstliche
grenzschichtnahe Strömung zunehmend auf Ost und führt auch im Inversionsbereich
trockenere Luft nach Westniedersachsen. Zudem nimmt der Gradient etwas zu
(Durchmischung) und mit einsetzender Einstrahlung baut sich die Inversion dank
diabatischer Erwärmung zusätzlich ab, sodass spätestens zur Mittagszeit auch im
Grenzbereich zu den Niederlanden die Sonne verbreitet scheinen sollte.
Abgesehen davon verläuft der Tag recht unspektakulär, sieht man Kumulusbewölkung
ab, die entlang einer schwachen Inversion in rund 800 bis 700 hPa etwas
breitläuft bzw. sich innerhalb der vorherrschenden Ost- bis Nordostströmung in
ebenso ausgerichteten Wolkenbändern aufbaut. Sieht schön aus, bringt aber
höchstens im Zittauer Gebirge den einen oder anderen Tropfen. Sonst bleibt es
trocken und besonders im Norden und Südwesten meist auch wolkenlos. Mit der
erwähnten Strömung wird weiterhin nur eine mäßig warme Luftmasse von Osten
advehiert, sodass bei 850 hPa Temperaturwerten von +4 bis +9 Grad in Bayern
Höchstwerte von 16 bis 22 Grad und sonst 19 bis 24 Grad erwartet werden. Der
Ost- bis Nordostwind frischt im Hochschwarzwald zeitweise leicht böig auf und
weht sonst schwach bis mäßig.

In der Nacht zum Dienstag dominiert meist noch hoher Druck/besonders im
Nordwesten noch leicht über dem Modellklima befindliches Geopotenzial, sodass
vielerorts eine klare und trockene Nacht zu erwarten ist. Die einzige Ausnahme
bildet der Nordosten, wo zeitweise dichte Wolkenfelder durchziehen - Vorboten
eines nahenden Höhentiefs. Die Tiefstwerte liegen im Norden um 10 Grad (im
Küstenumfeld zwischen 13 und 10 Grad) und sonst zwischen 9 und 3 Grad. Besonders
im Süden und Osten droht erneut leichter Frost in Bodennähe! Der Ostwind weht
nur schwach, im Südwesten (besonders im Hochschwarzwald) mäßig mit einzelnen
Böen (Bft 6-7).

Dienstag... beginnt das Geopotenzial von Nordost nach West über Deutschland zu
fallen, was dem nahenden Höhentief geschuldet ist.
Dieses wird innerhalb der Numerik mittlerweile recht gut erfasst und soll zum
Abend die Südspitze Schwedens erreichen. Bezüglich des numerischen Vergleichs
verweise ich auf den Abschnitt "Modellvergleich". Diesem Tief vorgelagert wird
ein schwacher Höhentrog/vorticity lobe von Nordosten in die Mitte Deutschland
geführt. Dieser Trog ermöglicht, dass in diesen Regionen bereits ab der
Mittagszeit die Temperaturwerte in 500 hPa auf etwas unter -20 Grad zurückgehen
(Zunahme der lapse rates in der Höhe), gleichzeitigt wird die antizyklonal
geprägte vertikale Feuchteverteilung mit recht trockenen Profilen von der Höhe
zunehmend angefeuchtet, sodass die PPWs zwischen Rügen und Erzgebirge auf rund
20 mm ansteigen. Die hochreichende Scherung fällt mit 4-8 m/s gering aus.

Die Auswirkungen auf unser Wetter sind dabei vorerst noch sehr überschaubar.
Besonders im Westen und Süden dominiert die Sonne meist von früh bis spät, sieht
man von einzelnen Quellwolken inklusive einem geringen Schauerrisiko im
Hochschwarzwald ab (die dort noch vorherrschende Sperrschicht in 650-700 hPa
sollte alles Ambitioniertere als einen schwachen Schauer rasch ausbremsen). Zwar
dauert die schwache bis mäßige Ostwindkomponente in diesen Bereichen weiter an,
dennoch sind nun dank der kräftigen Einstrahlung im gesamten Westen sommerliche
25 bis 27 Grad möglich, während die Höchstwerte in Richtung Bayern bei 19 bis 24
Grad etwas kühler ausfallen (lokaler Sommertag im Raum Aschaffenburg inklusive).


Ansonsten ziehen im Nordosten und Osten wiederholt dichte Wolkenfelder durch,
die das graduelle Anfeuchten von oben nach unten andeuten. Ob sich zum
Nachmittag/Abend zwischen Oder und Erzgebirge einzelne Schauer und Gewitter
entwickeln wird innerhalb der Numerik noch mit größeren Diskrepanzen gesehen.
Einerseits baut sich hier teils 300-400 J/kg MUCAPE auf und es etabliert sich am
Westrand eines schwachen und nach Nordwestpolen ziehenden Bodentiefs eine
Geschwindigkeits-/Feuchtekonvergenz, andererseits bleibt die sub-800 hPa Schicht
sehr trocken und wir könnten gerade zu diesem Zeitpunkt in den
synoptisch-skaligen Absinkbereich des Höhentroges gelangen. Dennoch sollte es
für einzelne Schauer und lokal für ein Gewitter reichen, wobei dank langsamer
Verlagerung punktuell Starkregen und dank der durchmischten Schicht einzelne
Böen Bft 7 auftreten können. Mit auflandiger Windkomponente verbleiben die
Höchstwerte entlang der Ostsee bei 12 bis 16 Grad und liegen sonst bei 17 bis 24
Grad. Der Nordostwind weht abseits der Konvektion nur schwach.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich wenig. Im Nordosten bleibt es meist
wolkenverhangen und die eingangs der Nacht noch auftretenden Schauer/Gewitter
fallen nach und nach in sich zusammen. Einzelne Schauer kann es dank geringer
MUCAPE-Werte und üppiger synoptisch-skaliger Hebung durch das Höhentief die
gesamte Nacht hindurch geben. Übrigens ist im Nachtverlauf kein klar definiertes
zyklonales bodennahes Windfeld mehr zu erkennen, sodass wir nun zunehmend den
Begriff "Kaltlufttropfen" übernehmen können. Örtliche Nebelfelder sind im
Nordosten dank der feuchteren Luftmasse inklusive.
Ansonsten verläuft die Nacht teils klar, teils leicht bewölkt und die
Tiefstwerte liegen zwischen 13 und 4 Grad, wobei es südlich der Donau und
entlang der Alb am kältesten wird (dort bodennah örtlich nochmal leichter
Frost!). Der meist aus östlicher Richtung wehende Wind tritt kaum in
Erscheinung.

Mittwoch... passiert der Kaltlufttropfen Dänemark und erreicht abends die offene
Nordsee. Dabei etabliert sich eine Geopotenzialrinne zu einem weitaus
kräftigeren Höhentief über Südosteuropa und zudem baut sich über Frankreich ein
neuer Keil auf, der sich nordwärts ausdehnt und kaum wandert. Dadurch sickert in
den Südwesten feuchtere und labil geschichtete Luftmasse ein, während die
feucht-labile Luftmasse im Nordosten Boden nach Westen gutmacht. Von Bayern bis
zur Mitte/zum Westen bleibt dir Restluftmasse (geprägt vom ehemaligen Keil und
somit recht trocken) vorerst noch vorherrschend. Bedeutet eine Dreiteilung des
Wetters:

Von NRW bis nach Bayern bleibt es bei viel Sonnenschein trocken (Ausnahme
Alpenrand mit einzelnen Schauern und Gewittern). Die Höchstwerte liegen bei 22
bis 25 Grad, in Richtung Niederrhein teils bei 27 Grad.

Im Südwesten (Saarland, RP und Baden-Württemberg) quillt es im Tagesverlauf mit
zunehmender Labilisierung immer stärker und nachmittags / abends sind zahlreiche
Schauer und Gewitter zu erwarten. Allerdings gibt es noch geringe
Unsicherheiten, wie weit nach Nordosten die labile Luftmasse vorankommt, wobei
IFS momentan eher defensiv aufgestellt ist. 400 bis 800 J/kg MLCAPE (lokal bei
rund 1000 J/kg) und 10 m/s hochreichende Scherung inklusive schwacher
synoptisch-skaliger Hebung deuten eher auf orografisch ausgelöste Konvektion hin
(u.a. Vogesen, Schwarzwald), die sich unter Verclusterung langsam ostwärts
ausbreitet (getrieben durch kräftige cold pools dank einer gut durchmischten
sub-800 hPa Schichtung). Lokaler Starkregen und Hagel nebst einzelnen
(stürmischen?) Böen sind die Haupterscheinungen.

Bleibt noch der Norden zu erwähnen, wo sich eine stattliche
niedertroposphärische Konfluenz über Schleswig-Holstein und Mecklenburg
andeutet. Sollte diese so eintreten (wie z.B. von ICON angedeutet) wäre die
Grundlage für einen regionalen Unwettertag gegeben. Dank kräftiger
Feuchtekonvergenz und nur mäßiger Deckelung müsste im Nachmittagsverlauf mit
zahlreichen kräftigen Schauern und Gewittern gerechnet werden. 600 bis 1000 J/kg
MLCAPE sowie 15 m/s hochreichende Scherung sind per se bereits eine gute
Grundlage für kräftige Konvektion (nebst PPWs bis 25 mm).
Punktprognose-Hodographen zeigen jedoch zudem sehr förderliche Bedingungen für
rotierende Aufwinde/Superzellen (SRH1 und SRH3 bei 150 und 300 m^2/s^2 sowie
stark gekrümmte Hodographen mit sehr gutem Aufbau üppiger streamwise vorticity).
Teils großer Hagel, Starkregen und Sturmböen wären die Folge. Eine geringe
Tornadogefahr wäre trotz einer niedrigen Inversion ebenfalls gegeben. Zudem
müsste dank der konfluenten Strömung auch mehrstündiger Starkregen in Richtung
Nordfriesen und dänischer Grenze im Auge behalten werden. IFS sieht das alles
noch etwas schwächer/südlich versetzt (ähnliche Labilität, weniger
Geschwindigkeitsscherung, jedoch mit einer ähnlichen vertikalen
Windentwicklung), sodass die Entwicklung für diesen Bereich noch größeren
Unsicherheiten unterworfen ist (siehe Modellvergleich).
Im Osten und Nordosten sollte synoptisch-skaliges Absinken und eine etwas
trockenere Luftmasse eher nur Schauer bzw. einzelne Gewitter zulassen, doch
hängt auch das von der Verlagerungsgeschwindigkeit des Kaltlufttropfens nach
Nordwesten ab. Die Höchstwerte liegen hier weiterhin bei 18 bis 24 Grad und der
Ostwind weht schwach bis mäßig, im Küstenumfeld teils böig.

In der Nacht zum Donnerstag klingen die Schauer und Gewitter im äußersten Norden
nur zögernd ab (inklusive nachlassender Intensität), während sich schauerartig
verstärkte und teils gewittrige Niederschläge im Südwesten etwas weiter nach
Nordosten voranarbeiten. Im gesamten Osten bleibt es hingegen trocken und teils
klar. Die Tiefstwerte liegen im wolkenverhangenen Westen bei 16 bis 10 Grad und
im gesamten Osten bei 10 bis 7 Grad. Der Südostwind weht weiterhin nur schwach.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Intensität und Lage des Keils wird zum Beginn der Kurzfrist von allen
Modellen sehr gut erfasst. Zudem erfolgte in der Numerik auch eine
Homogenisierung der Zugbahnvorhersage des Höhentiefs (später Kaltlufttropfens).
GFS zeigte dabei innerhalb der letzten 4 Läufe kaum einen Positionsunterschied,
jedoch noch geringe Intensitätsschwankungen (z.B. für 18Z, 1. Juni), wobei der
neuste Lauf das Höhentief etwas kräftiger und umfangreicher andeutet. IFS ist
innerhalb der vergangenen drei Läufe noch recht uneins bezüglich der
Verlagerungsgeschwindigkeit (oder man sieht den 12Z Lauf vom 29. Mai als einen
Ausreißer an). Im jüngsten Lauf liegt das Zentrum des Höhentiefs nur geringfügig
hinter GFS, jedoch mit dem kältesten Kern (im Vergleich zu GFS und ICON) und
wird somit vergleichsweise dynamischer angedeutet. ICON wiederum überzeugt durch
eine hohe Konsistenz innerhalb der letzten 4 Läufe, schwächt das Höhentief
jedoch im Gegensatz zu GFS etwas ab und beschleunigt es daher geringfügig mit
einem spread von rund 150 km (ICON-GFS). Zusammengefasst aber wird von allen
Modellen mit nur geringen zeitlichen/räumliche Unterschieden eine Zugbahn über
die Region Süddänemark gezeigt.
In der Folge (Mittwoch) ändert sich wenig, auch wenn die Unsicherheiten
zunehmen. Meist weisen die Modelle eine gute Konsistenz auf. Zum 18Z Termin
liegt ICON am südlichsten (Elbmündung), während GFS und IFS den Kaltlufttropfen
teils vor der Südwestküste Norwegens sehen. Insgesamt für eine
Kaltlufttropfenlage und für diesen Zeitraum eine überschaubare Diskrepanz. Die
Lage ist aber deshalb von Bedeutung, weil davon auch die Ausprägung der
Gewitterlage im Norden am Mittwoch abhängt. Nach ICON wäre das ein potenzieller
Unwettertag, doch scheint dieses Modell aktuell eher die südlichste Spitze der
Zugbahnmöglichkeiten abzudecken. Bei GFS/IFS würde mit der nördlicheren Lage das
Windfeld über Norddeutschland schwächer ausfallen.

Ansonsten aber gibt es die Kurzfrist über nur geringe Diskrepanzen innerhalb der
Numerik.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy