DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-05-2021 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.05.2021 um 10.30 UTC



Übergang zu einer Hochrandlage (Hoch Nordeuropa) mit steigenden Temperaturen. Im
Laufe der Woche aber zunehmende Wahrscheinlichkeit für schauerartige Regenfälle
und Gewitter. Details noch sehr unsicher.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 04.06.2021


Nur noch wenige Tage, und ein bemerkenswerter Mai geht zu Ende. Nicht nur dass
er als zweiter Monat hintereinander zu kalt ausfällt, was in diesen Zeiten ja
schon als etwas Besonderes gilt. Nein, auch regentechnisch endet er vielerorts
zu nass, auch wenn das eine rein statistische Aussage ist. Der Natur kann es
angesichts defizitären Grund- und Bodenwasserhaushalts eigentlich gar nicht nass
genug sein, zumindest nicht in einigen Regionen des Landes.
Fakt ist auch, dass das Gejammer in der Bevölkerung über das wechselhafte, kühle
und häufig auch windige Maiwetter in den letzten 1-2 Wochen zugenommen hat, was
unweigerlich die Frage aufwirft, ob sich denn daran nun irgendwann mal was
ändert. Da passt es doch wie die Faust aufs Auge, dass am kommenden Dienstag der
Sommer beginnt, der meteorologische. Ja, ja, so weit sind wir schon und
tatsächlich scheint auch die Atmosphäre ein gewisses Interesse zu haben, einen
standesgemäßen Wechsel einzuleiten und mal wieder hohen Luftdruck und höhere
Temperaturen in die Schlagzeilen zu bringen. Wie warm es tatsächlich wird und ob
der Hochdruckeinfluss von Dauer ist, dazu im Folgenden mehr.

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Montag (der letzte
Tag des meteorologischen Frühjahrs) befindet sich Deutschland am Rande einer
monumentalen Hochdruckzone, die ein Hoch mit Schwerpunkt vor Labrador mit einem
Hoch über Nordeuropa verbindet. Gestützt wird der europäische Teil von einem
umfangreichen Höhenrücken, der von Südwesteuropa bis hoch in den Raum
Spitzbergen reicht. Ihm gegenüber steht langgestreckter Höhentrog, der sich
bogenförmig von der Barentssee und das östliche Mitteleuropa bis zum Balkan
erstreckt und mit mehreren Drehzentren gespickt ist. Für Deutschland bedeutet
das eine schwache nordöstliche Höhenströmung, die vor allem im Südosten noch
leicht zyklonal ausgebeult ist. Wichtiger als das ist aber die Tatsache, dass
auf der Südflanke des Hochs mit nördlicher bis östlicher Strömung relativ
trockene und allmählich auch wärmere Kontinentalluft advehiert wird. Von der
großen Hitze sind wir angesichts 850-hPa-Temperaturen zwischen 3°C im Osten und
6-8°C in der Westhälfte aber noch meilenweit entfernt, nur lokal reicht es im
Westen für 25°C.

Am Dienstag ändert sich zunächst nicht viel, wenn man mal davon absieht, dass
sich die Luft absinkbedingt etwas erwärmt (leichter Anstieg T850). In der
zweiten Tageshälfte allerdings nähert sich von der Ostsee her ein kleines
Höhentief, das im Bodendruckfeld zwar eine zyklonale Ausbuchtung, aber kein
wirklich ausgeprägtes Bodentief aufweist. Entsprechend kann das Tief als
Kaltlufttropfen (KLT) tituliert werden, der im Nordosten des Landes nicht nur
dichtere Wolken, sondern auch schauerartigen Regen, vielleicht sogar ein
Gewitter platziert.

Am Mittwoch erreicht der KLT Mecklenburg-Vorpommern, während
niedertroposphärisch etwas kühlere Luft in den Norden und Nordosten gesteuert
wird (T850 um 3°C, im großen Rest Deutschlands 5 bis 10°C, im äußersten Süden
12°C). IFS reagiert darauf im gesamten Osten und Nordosten sowie in Teilen der
Mitte mit einem Großaufgebot an Wolken sowie tagesganggepushten (schauerartigen)
Regenfällen und Gewittern, die mangels ausreichend Mobilität mit Starkregen
einhergehen können. Eine geringe Schauer- und Gewitterneigung lässt sich auch am
Alpenrand sowie im Schwarzwald nicht leugnen, ansonsten bleibt es aber nach
Westen und Süden zu trocken und warm (teils über 25°C).

Am Donnerstag passiert der KLT die östlichen Landsteile in Richtung Bayern,
wobei der zugehörige Trog bis in den Westen des Vorhersageraums "auskeilt".
Schwerpunktmäßig im Osten, der östlichen Mitte und zum Freitag hin dann auch im
Süden kommt es zu weiteren schauerartigen Regenfällen und Gewittern mit
Starkregengefahr. Aber auch der Südwesten sowie der äußerste Westen können nicht
vollkasko gegen einzelne Schauer oder Gewitter versichert werden, was an der
Nähe zu einer vom nahen Atlantik bis nach Frankreich reichenden Tiefdruckrinne
liegt. Ansonsten dürften aber der Westen und Nordwesten die Regionen sein, die
am wenigsten von den zyklonalen "Störfeuern" betroffen sind. Oder anders
ausgedrückt, es scheint häufig die Sonne und bleibt trocken bei weiter
steigenden Temperaturen.

In der erweiterten Mittelfrist soll sich der KLT langsam auflösen, während sich
von Westen her ein Höhentrog nähert. Die Konsequenz wäre warmes aber
wechselhaftes Frühsommerwetter mit schauerartigem Regen und Gewittern.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Das gestern für nächste Woche noch propagierte trockene und frühsommerlich warme
Hochdruckwetter hat mit den letzten beiden Läufen von IFS (ECMF) einen gehörigen
Dämpfer erhalten. So gesehen kann dem Modell keine gute Konsistenz attestiert
werden, denn sowohl bei der Entwicklung von Niederschlägen und Gewittern, als
auch bei der Temperatur gibt es Unterschiede. Als "Spielverderber" entpuppt sich
das o.e. Höhentief/KLT, dass uns nach gestriger Lesart sprichwörtlich "links
liegen" gelassen hätte, indem es am Donnerstag vom Baltikum kommend via Polen
und Tschechien/Slowakei gen Balkan gezogen wäre.

Nun soll es wie oben beschrieben anders kommen mit einer spätestens ab Mittwoch
insbesondere in der Osthälfte deutlich erhöhten Regen- und
Gewitterwahrscheinlichkeit bei z.T. niedrigeren Tagestemperaturen.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass andere Globalmodelle ähnliche Szenarien
rechnen, erscheint die genannte Änderung durchaus als wahrscheinlich, auch wenn
die Details noch unscharf sind. Und noch etwas. Kaltlufttropfen sind extrem
launische, von Mensch und Maschine immer mal wieder nicht in den Griff zu
bekommende Kantonisten, so dass es nicht verwundern würde, wenn die nächsten
Modellläufe wieder mit anderen Varianten aufwarten.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bei der Begutachtung anderer Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) fällt deren
Wille auf, im Laufe der nächsten Woche von Osten her irgendwie zyklonalen
Einfluss in der Höhe geltend zu machen, während das Hoch über Nordeuropa gesetzt
ist. Die Art und Weise der Zyklonalisierung unterscheidet sich jeweils etwas.
Mal ist es ein diskretes Höhentief bzw. KLT (IFS, ICON), mal eher Trogeinfluss
(UKMO), mal eine Mischform (GFS). Dass folglich Timing sowie Intensität und
räumliche Verteilung der resultierenden Niederschläge und Gewitter
unterschiedlich ausfallen, ist offensichtlich.
Wie crazy sich solche KLTs verhalten können, zeigt der Vergleich zwischen IFS
und ICON. Während er bei IFS wie beschrieben nach Süden zieht, überquert er bei
ICON die Norddeutsche Tiefebene in Richtung Nordsee. Übrigens nach
Lehrbuchmeinung die konsequentere Zugbahn, ziehen KLTs doch in der Regel mit der
Bodenströmung, die in diesem Fall aus Osten kommt. Bei GFS fällt ins Auge, dass
am Freitag die Tiefdruckrinne von Westen her sehr progressiv gerechnet wird
(kompletter Westen und Südwesten mit Regenfällen und Gewittern).

FAZIT: Zunehmende Störungen der anfänglich frühsommerlich daherkommenden
Hochdrucklage sind im Laufe der nächsten Woche wahrscheinlich, wobei auch der
Tagesgang eine entscheidende Rolle spielt. Detailfragen müssen allerdings noch
offenbleiben.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen (für GFS-EPS gilt das gleiche) verschiedener deutscher
Städte steigen mit Beginn des morgigen Samstags seicht, aber deutlich erkennbar
an, was einem Temperatur- und Potenzialanstieg bei gleichzeitig abnehmender
Niederschlagswahrscheinlichkeit gleichkommt. Im Laufe der nächsten Woche nimmt
die Streuung kontinuierlich zu, wobei beim Potenzial 500 hPa mit Ausnahme des
Südens am Mittwoch eine deutliche Delle nach unten erkennbar ist. Derweil fällt
bei der Temperatur in 850 hPa auf, dass der Haupt- und Kontrolllauf am oberen
Rand der Kurvenscharen verlaufen. Je nach Region nehmen die Regensignale ab
Dienstag/Mittwoch wieder zu, allerdings mit mäßiger Dichte. Ein Zeichen, dass
nicht alle Ensembles auf Schauer und Gewitter setzen.

Das wird auch deutlich, wenn man sich die Clusterung von IFS-EPS anschaut.
Unstrittig ist mittelfristig das Klimaregime "Blocking", trotzdem werden für den
Zeitraum T+120...168h (Mittwoch bis Freitag) vier verschiedene Cluster angeboten
(19 Fälle, 18, 10 + HL/KL, 4). Vor allem CL 1 ist sehr hochdrucklastig und lässt
nur bedingt zyklonale Strukturen von Osten oder Westen auf Deutschland
übergreifen (die (weitgehend) trockenen Lösungen der Rauchfahnen). Die anderen
Cluster sind offener für Störungen, wobei CL 2 nahezu identisch mit der
ICON-Variante (KLT Richtung Nordsee) ist.

FAZIT: Auf Basis der EPS-Prognosen könnte es durchaus sein, dass die nächste
Woche weitgehend störungsfrei verläuft, so dass die gestrige Vorhersage
weiterhin gültig wäre. Allerdings sind 19 von 51 Fällen kein so dickes Pfund,
dass man nicht doch was ändert. Die Frage ist allerdings, was ändert man wo,
liefern doch deterministische wie probabilistische Prognosen keine eindeutige
Lösung. Undankbar nennt man das oder die Vorhersage für die nächste Woche wird
zunehmend unsicher, was vermehrt Allgemeinplätze im offiziellen Wetterbericht
auf den Plan ruft.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Wie nicht anders zu erwarten, sind Hinweise der Numerik auf signifikantes Wetter
trotz Höhentief (-trog) oder KLT eher gering bis gar nicht vorhanden. Trotzdem,
sollten sich mit dem Tagesgang Gewitter entwickeln, so wäre als primäre
Begleiterscheinung der Starkregen zu nennen, weil kaum Zug vorhanden ist und
Verclusterung droht.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Mischung aus allem, was man so hat - kann nur schiefgehen.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann