DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-05-2021 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 26.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin kühle Troglage mit (schauerartigen) Regenfällen und Gewittern. Ab
Freitag am Boden zunehmender Hochdruckeinfluss, in der Höhe aber weiterhin
zyklonal mit "Spielverderberpotenzial".

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... offenbarte sich heute Nachmittag den diensthabenden Kollegen beim
Blick aus den zahlreichen Fenstern des Großraumbüros im 6. Stock der
DWD-Zentrale in Offenbach ein ziemlich düsteres Bild. Grüne Bäume ja, aber sonst
Tristesse pur: tiefhängende Wolken, miese Fernsicht ohne Frankfurter Silhouette,
dazu Regen, Wind und gerade mal 10°C. Ja sind wir denn schon im November? Wie
sagte Heinrich Heine einst, "unser deutscher Sommer ist nur ein grün
angestrichener Winter". Nun, auf dieses Frühjahr scheint das zumindest über
weite Strecken auch zuzutreffen, wenn man "Winter" durch "Herbst" ersetzt.
Übrigens sind wir vom Sommer nicht mehr weit entfernt, nächsten Dienstag geht
es, zumindest meteorologisch, los. Und tatsächlich besteht Hoffnung, dass sich
die Wetterlage allmählich umstellt (siehe "Synoptische Übersicht Mittelfrist"),
doch erst mal gilt es noch, die aktuell eher als rustikal zu bezeichnende Phase
anständig zu Ende zu bringen (wobei man sich immer vor Augen halten sollte, dass
der viele Mairegen für die Natur deutlich mehr Segen als Fluch ist).

Steigen wir ein mit der aktuellen Lage, die - im globalen Maßstab und mit etwas
Fantasie - mit einem Omega aufwartet. Eine abgeschlossene Höhenantizyklone mit
Zentrum nördlich von Island wird von zwei Höhentrögen flankiert. Der eine, für
uns weniger relevante reicht von der Labradorsee bis zum westlichen Ostatlantik,
der andere von Benelux bis zum Baltikum respektive Südfinnland. Letzterer weist
zwei Drehzentren auf, die jeweils mit kleinen Bodentiefs korrespondieren.
Während das eine vom Westeingang des Finnischen Meerbusens gen Ostschweden
zieht, verlagert sich der südliche Kern (NATHAN) von der dänischen Nordseeküste
nach SH bzw. zur westlichen Ostsee. Das Bodentief füllt sich dabei von etwas
über 1000 hPa am Mittwochnachmittag auf knapp über 1005 hPa am Donnerstagmorgen
auf.

Auf der Südflanke des Tiefs dauert die Zufuhr maritimer Polarluft an (T850 um
0°C, im Süden etwas darüber), die in der Nacht an Labilität einbüßt.
Entsprechend nimmt die Gewitterneigung in den Abendstunden rasch ab und es
bleiben am Ende schauerartig verstärke Regenbänder übrig (eines in unmittelbarer
Kernnähe, ein zweites abgesetzt in südwestlicher Richtung), die sich über
Nordhälfte ost-südostwärts verlagern. Im Nordwesten können gebietsweise 5 bis 10
l/qm, lokal bis zu 15 l/qm Regen innert 12 h zusammenkommen, während es nach
Osten hin deutlich weniger ist. Der Wind frischt auf der Süd- bzw. Südwestflanke
des Tiefkerns mitunter auf, wobei er von Südwest über West auf Nordwest dreht.
Warnungen dürften aber der niedersächsischen Nordseeküste inkl. dem
Wesermündungsgebiet sowie der Elbmündung (7-8 Bft) und dem Brocken (9-10 Bft)
vorbehalten bleiben. Ansonsten treten steife Böen nur sporadisch auf.

Von der Nordhälfte in den Süden, wo weniger das o.e. Tief, als vielmehr eine von
West nach Ost ziehende flache Welle der Wetterentwicklung ihren Stempel
aufdrückt. Der Wellenscheitel, der heute Mittag bzw. am frühen Nachmittag dicht
am RMG vorbeigezogen ist, hat inzwischen das Vogtland/Westerzgebirge erreicht,
wobei die Konturen nur noch schwer auszumachen sind. Die zugehörige Kaltfront
legt sich in den nächsten Stunden an die Alpen, wobei es in südlichen BW sowie
südlich der Donau bis in die Morgenstunden regnet (gebietsweise 5bis 10 l/qm,
stellenweise um 15 l/qm). Weiter nördlich lassen die anfangs noch auftretenden
schauerartigen Regenfälle und Gewitter alsbald nach.

Donnerstag ... zieht das kleine hochreichende Tief NATHAN über MV hinweg in
Richtung Polen, wobei es sich nicht nur weiter auffüllt, sondern mehr und mehr
die Form eines Troges annimmt. Als Gegenbewegung zum ostwärts abdriftenden
NATHAN verlagert sich das nördliche Drehzentrum in den Raum Stockholm. Derweil
steigt der Luftdruck über Westeuropa an, was der Geburt des Hochs WALTRAUD
gleichkommt, deren Zentrum um 12 UTC mit etwas über 1020 hPa über dem Ärmelkanal
liegt. Von dort erstreckt sich ein schmaler Keil bis an den nördlichen
Alpenrand, was der dort schlummernden Kaltfront nicht gut bekommt. Sie verliert
an Wetterwirksamkeit respektive beginnt sich von Westen her aufzulösen, so dass
die anfangs im äußersten Süden noch auftretenden Regenfälle bis zum Nachmittag
nachlassen bzw. sich in den inneralpinen Raum zurückziehen.

Ansonsten wandeln sich die teils stratiform anmutenden Regenbänder in der
Nordhälfte mit zunehmender Tageslänge mehr und mehr in schauerartigen Regen
respektive Schauer um, die sich zunächst bis zur Mainlinie, bis zum Abend in
abgeschwächter Form gar bis zur Donau vorarbeiten. Und auch das Thema "Gewitter"
ist noch nicht vom Tisch. Zwar wird bis zum Nachmittag aufgrund geringer
Einstrahlung und von Westen einsetzender Stabilisierung nur wenig CAPE
generiert, doch dürfte das ausreichen, um in der Nordhälfte die eine oder andere
Einzelzelle zu generieren. Viel Scherung ist nicht vorhanden, so dass die
Gewitter in der Basis "gelb" ausfallen, einzelne stürmische Böen 8 Bft und/oder
kleiner Hagel bzw. Graupel aber nicht ausgeschlossen sind. Summa summarum noch
mal ein niederschlagsreicher Tag, an dem gebietsweise 5 bis 10 l/qm, lokal um 15
l/qm zusammenkommen. Nur wenig bis gar kein Regen fällt rund um die Nordsee
sowie im Südwesten nebst einem über das nördliche Alpenvorland bis nach
Niederbayern und der Oberpfalz reichenden Streifen, wo es zudem mitunter etwas
auflockert.

Abseits von Schauern oder Gewittern frischt der von Südwest auf West bis
Nordwest drehende Wind vor allem auf der Süd-Südwestflanke des scheidenden Tiefs
vorübergehend auf (also vornehmlich im Osten und in der östlichen Mitte), was in
der Spitze ein paar Böen 7 Bft bedeutet. Am prominentesten bleibt wie fast immer
der Brocken aufgestellt, wo Sturmböen 9 Bft, anfangs sogar 10 Bft auf der Karte
stehen. Auf der Karte stehen nach wie vor auch nur magere Temperaturen zwischen
11 und 16°C (T850 0 bis +4°C). Lediglich im Oberrheingraben sowie an Saar und
Nahe reicht es mit etwas Einstrahlung für 17 oder 18°C, was nun aber auch alles
andere als eine Offenbarung ist.

In der Nacht zum Freitag breitet sich der hohe Luftdruck von Westen her auf
weite Teile des Vorhersageraums aus. In der Höhe stellt sich an der Ostabdachung
eines Rückens über Frankreich und UK/Irland vorübergehend eine glatt konturierte
nordwestliche Strömung ein. Erst gegen Morgen nähert sich von der Nordsee ein
weit nach Westen ausladender Höhentrog, der ein Ableger des schwedischen
Höhentiefs ist.

Das Wetter beruhigt sich mit Unterstützung des Tagesgangs, sowohl was den Wind
als auch die Niederschläge und Gewitter betrifft. Übrig bleiben ein paar
schwache Stauregenfälle an den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sowie
am östlichen Alpenrand, wobei das Erzgebirge bis etwa 1 bis 3 l/qm als Sieger
hervorgeht. Im Westen und Südwesten hingegen lockert die Wolkendecke vielerorts
auf, was die Temperatur teilweise auf unter 5°C sinken lässt. Vor allem im
Bergland ist lokal leichter Frost in Bodennähe möglich, auch wenn es sich dabei
nur um einen kurzen Peak (im zeitlichen Sinne) handelt. Darüber hinaus können
sich in feuchter Grundschicht Nebelfelder bilden.

Freitag ... könnte der schnelle Blick auf die Bodenwetterkarte dazu führen, ein
vorschnelles, stark antizyklonal geprägtes Urteil über das Tageswetter zu
fällen. So gelangen wir zunehmend in eine Hochdruckzone (weiterhin WALTRAUD),
die ein Hoch über dem Nordmeer mit dem Azorenhoch verbindet und deutschlandweit
den Luftdruck auf 1020 hPa oder etwas darüber ansteigen lässt. Als (quasi
verdeckter) Spielverderber entpuppt sich der o.e. Höhentrog, der von Norden
hereinschwenkt und dabei vor allem Nord- und Ostdeutschland noch mal mit einer
Portion höhenkalter und labil geschichteter Polarluft überzieht (T850 um +1°C,
T500 um -25°C). Das so etwas in dieser Jahreszeit nicht ohne Folgen bleibt, ist
evident. Oder anders ausgedrückt, es folgt in den genannten Regionen ein
weiterer Tag mit konvektiven Umlagerungen in Form von Schauern und einzelnen
Gewittern. Dazu reicht schon wenig CAPE aus (bis max. 200 J/kg), um ein paar
Einzelzellen zu generieren, die bei geringer Scherung aber meist nur mit Böen 7
Bft und Graupel/Kleinsthagel einhergehen. Lediglich nach Westen hin liegen die
Scherwerte höher, so dass dort im Fall des Falles auch organisierte Zellen mit
Böen 8 Bft und etwas größerem (aber nicht wirklich großem) Hagel denkbar sind.

Nach Süden und Westen zu macht sich hingegen vermehrt der Hochdruckeinfluss
bemerkbar, auch wenn es nicht den ganzen Tag über für eitel Sonnenschein reicht.
Schaut man sich die Prognosetemps an, findet man die klassischen
Übergangsprofile mit einer zwischen 800 und 750 hPa positionierten
Absinkinversion, die eine stark abgetrocknete Mitteltroposphäre von einer labil
geschichteten, mit Restfeuchte angereicherten Grundschicht trennt. Aus der
Grundschicht heraus bilden sich vermehr Quellwolken, die an der Inversion
breitlaufen, aber nicht inkontinent sind. Lediglich im Südosten, wo die
Inversion höher liegt (bei 700 hPa), sind einzelne Schauer denkbar.

Zwar lebt der auf nördliche Richtungen drehende Wind tagesgangbedingt und mit
Unterstützung der konvektiven Prozesse etwas auf, warntechnisch sorgt das
außerhalb von Gewittern aber nicht mehr für erhöhten Blutdruck. Dafür kommt das
Blut bei der Temperatur vielleicht etwas in Wallung, wenn auch nur in
infinitesimal anmutenden Schritten. Im Südwesten wird die 20°C-Marke anvisiert,
punktuell sogar knapp überschritten, ansonsten stehen 13 bis 18°C auf dem
Zettel.

In der Nacht zum Samstag überquert der Höhentrog den Vorhersageraum südwärts,
wobei es gebietsweise noch zu schauerartigem Regen kommt. Teils wird dieser bei
weiterhin nordwestlicher bis nördlicher Anströmung auch orografisch induziert
(Stau). Die Gewitterneigung lässt nach. Größere Auflockerungen sind am ehesten
im Westen und Südwesten zu erwarten, wo sich erneut einzelne Nebelfelder bilden.
Außerdem wird auch diese Nacht noch mal ziemlich frisch mit verbreitet
einstelligen Tiefstwerten aber kaum noch Frost in Bodennähe.

Samstag ... verbleiben wir am Rande der umfangreichen, sich vom Nordmeer bis zum
Azorenraum und noch darüber hinaus erstreckenden Bodenhochdruckzone. Sie wird
gestützt von einem vom nahen Atlantik bzw. UK bis zum Europäischen Nordmeer
reichenden Rücken, dessen Expansion nach Osten aber vom o.e. Höhentrog bzw. dem
mittlerweile im Grenzbereich Polen/Slowakei angelangten Höhentief blockiert
wird. Das merkt auch Deutschland, wo das Wetter noch immer nicht in den
Stabilitätsmodus schaltet.

Insbesondere im Osten und Südosten sollte man sich am Samstag auf weitere
Schauer, im Nordweststau der Gebirge gar längeren Regen und einzelne Gewitter
einstellen, während die Chancen trocken zu bleiben im Norden und Westen höher
sind. An der See, im küstennahen Binnenland und im Land zwischen den Meeren
sowie in den grenznahen Regionen zu Benelux nimmt die Wahrscheinlichkeit für
längeren Sonnenschein zu, was aber nur bedingte Auswirkungen auf die
Temperaturentwicklung hat. Noch immer führt der nördliche Wind relativ kühle
Luftmassen ins Land (T850 1 bis 4°C, nur im äußersten Südwesten etwas darüber),
die sich trotz des hohen Sonnenstands nur schwerfällig erwärmen lassen. So
müssen sich weite Landesteile weiterhin mit Werten unter 20°C begnügen,
lediglich im Westen und Südwesten geht es hie und da etwas höher.


Modellvergleich und -einschätzung
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Zunächst simulieren die an dieser Stelle üblicherweise begutachteten Modelle die
Felder mit hoher Kongruenz. Das ändert sich allerdings ab Freitag, wenn von
Norden her der Höhentrog auf Deutschland übergreift. Geometrie, Timing und
Position des zugehörigen, weiter ostwärts nach Süden ziehenden Drehzentrums
werden unterschiedlich simuliert, was sich auch auf die Niederschlagsverteilung
auswirkt. Ganz pessimistisch diesbezüglich zeigt sich IFS, das am Samstag den
schauerartigen Regen sehr weit nach Westen ausgreifen lässt. Hier ist das letzte
Wort also noch nicht gesprochen und angesichts der Tatsache, dass der Hauptlauf
von IFS eine mehr als solide Unterstützung seitens des EPS erfährt, sollte man
sich mit zu positiv anmutenden Aussagen zum Samstag noch etwas abwartend
verhalten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann