DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

25-05-2021 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 25.05.2021 um 10.30 UTC



Allmähliche Erwärmung bei nachlassender Schauer- und Gewitterneigung. Anfangs in
den Nächten lokal leichter Frost in Bodennähe.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 01.06.2021


Neuer Tag, neue Daten, wenig Änderung. So lassen sich die Berechnungen des
europäischen Wettermodells seit gestern zusammenfassen.

Die gestern ausführlicher beschriebenen Hintergrundbedingungen (troposphärischer
Polarwirbel, MJO, Blockierungen) besitzen weiterhin ihre Gültigkeit und darauf
wird in der heutigen Interpretation aufgebaut. Die neusten NAO
Ensemble-Berechnungen zeigen mittlerweile eine Bifurkation (ggf. Einfluss der
MJO), während die AO/NAM nun auf die beständig berechnete und günstig
platzierten Blockierungszentren anspringt (Tschuktschensee/Ostsibirische See
sowie ein zunächst westwärts versetzter Skandiblock) und geringfügig ins
Negative absinkt. Summa summarum kann man mittlerweile mit größerer Zuversicht
auf diese Blockierungsschiene für Europa setzen, auch wenn deren genaue Lage und
Intensität weiterhin unsicher ist.

Die gestern neu berechneten Vorhersagen des EZMW für den "extended range" weisen
für die erste Woche weiterhin eine deutlich negative Abweichung (zu kalt) auf.
Dabei liegt die wöchentliche Anomalie der 2m-Temperatur bis zum 31. Mai im
Median bei -3 Grad im Bezug zum Modellklima der vergangenen 20 Jahre, was im
Bereich des 10-er Perzentils liegt. Allerdings wird dieser Wert besonders durch
die Tage vor dem Mittelfristbeginn beeinflusst. Ein rascher Blick in den Juni
zeigt zwar eine Verringerung der negativen Anomalie, Deutschland verbleibt aber
weiterhin peripher an deren Westrand. Das spricht jetzt nicht gegen kurze
Hitzewellen auf der Vorderseite von Trögen, doch die Gesamttendenz deutet
vorerst unverändert auf einen normal bis leicht unterkühlten Verlauf hin (und
das bei klimatologisch im Normbereich liegenden Niederschlagsprognosen).

Die gestern beschriebene Brückenbildung zwischen der positiven
Geopotenzialanomalie über dem östlichen/nordöstlichen Atlantik und dem
Europäischen Nordmeer ist auch weiterhin vorhanden, wird jedoch innerhalb der
vergangenen drei IFS-Läufe etwas südlicher und schwächer gezeigt. Das würde für
Deutschland am kommenden Wochenende stabilere Verhältnisse bedeuten, doch so
richtig "betonfest" sieht das alles nicht aus. Vor allem sind die modellinternen
Sprünge der Druckminima /-maxima über dem eurasischen und nordatlantischen
Sektor weiterhin signifikant. Mittlerweile wird das Islandtief immer intensiver
berechnet, was entweder stromab die Anfang Juni über Skandinavien einsetzende
Blockierung stützen, oder aber verstärkt auf West- und Mitteleuropa übergreifen
könnte.
Der Blick auf die normalisierte Standardabweichung zeigt beinahe schon maximalen
Ausschlag in der Peripherie des Islandtiefs und das besonders an dessen
Südost-/Ostflanke. Advektiv bedingt wirken sich diese Unsicherheiten
verständlicher Weise auch auf die Geometrie des Keils stromab (über West- und
Mitteleuropa) aus. Anhand dieser Konfiguration kann man einen gestützten, jedoch
progressiven Keil erwarten, der abhängig von der Geometrie des Islandtiefs
ebenfalls Geometrie- und Intensitätsänderungen unterworfen ist. Mehr dazu bei
der Clusterbeschreibung.

Somit bleiben die Fragen, wie kräftig die Brückenbildung am Wochenende wirklich
ausfallen wird und wie gut sich in der Folge der Skandiblock (eine blockierende
Antizyklone über Skandinavien) etablieren kann.

In der 2-dimensionalen Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung ist mit der neuen
Berechnung für den Zeitraum bis Ende Mai in der Tat ein Abrücken in Richtung
"Blockierung" auszumachen, was die Zuversicht zwar etwas erhöht, jedoch ist der
Ausschlag relativ gering. In der Folge (Juni) driften die Vorhersage in den
Bereich "alles ist möglich" ab, sodass der leichte Überhang NAO + noch nicht
ernst genommen werden kann.

Summa summarum scheint also der Keil vorerst besser nach Deutschland
voranzukommen und wirkt sich auf die aktuelle Mittelfrist beruhigender aus, als
das noch gestern angenommen wurde.


Zum Beginn der Mittelfrist, am Freitag, den 28. Mai, wirkt sich der über dem
östlichen Mittel- und Osteuropa voll im Abtropfprozess befindliche Höhentrog
noch besonders auf den Norden und Osten von Deutschlands in Form zahlreicher
Schauer und einzelner Gewitter aus. Abgesehen von punktuell auftretendem
markantem Starkregen sollte aber an dieser Aktivität nicht viel mehr dran sein
dank einer bereits nur mäßig feuchten und immer weiter abtrocknenden Luftmasse.
Im Westen wirkt sich bereits der Keil wetterberuhigend und sonnenverwöhnend aus,
während der Alpenrand in der Nordwestströmung noch bis in die Nachtstunden in
eine niederschlagsarme, jedoch wolkenreiche Staubewölkung schaut.

Am Samstag wird das Spiel vom Freitag genauso wiederholt, wobei nach IFS nur
noch der äußerste Osten/Südosten von Schauern/einzelnen Gewittern betroffen wäre
(inklusive etwas Stauniederschlag am östlichen Alpenrand).

Sonntag bis Dienstag würden aus heutiger Sicht unter dem Keil freundlich bis
sonnig und meist trocken verlaufen. Ob im Bergland hier und da noch ein Schauer
ausgequetscht wird muss abgewartet werden, doch die recht trockene Luftmasse
dürfte sich hemmend auswirken.
Inwiefern am Dienstag, dem Ende dieser Mittelfrist, dichte Wolken im Vorfeld der
nahenden und vom Islandtief geschickten Atlantikfront auf den Westen und Norden
von Deutschland ausgreifen können, das kann bei all den noch vorherrschenden
Unsicherheiten nicht gesagt werden.

Die Höchstwerte klettern im Verlauf der Mittelfrist zielstrebig auf Werte um 20
Grad. Montag und Dienstag wären gar sommerliche Werte um 25 Grad im gesamten
Westen denkbar. Aber schnell der Hinweis eingebaut: innerhalb der Rauchfahnen
sind die Vorhersage des HRES mit einem zu warmen bias versehen und daher noch
mit Vorsicht zu genießen.
Der aus Nord bis Nordost wehende Wind fällt meist schwach bis mäßig aus, sieht
man von einzelnen markanten Böen auf exponierten Alpengipfeln und örtlich in
Gewitterabwinden ab.
Während der ersten beiden Nächte besteht weiterhin lokal in Senken- und
Muldenlagen die Gefahr von leichtem Frost in Bodennähe, bevor das Thema "Frost"
in der Folge beendet sein sollte.

In der erweiterten Mittelfrist sind dann alle Augen auf das sich ggf. bildende
umfangreiche Hochdruckgebiet über Skandinavien gerichtet. Fällt dieses so
schwach aus und ist es eher über Nordosteuropa platziert wie IFS es sieht, dann
wäre der Einfluss vom Atlantik zeitnah zu spüren mit sommerlicher Wärme und
einer zunehmenden Gewittergefahr. Wäre die kanadische und nordamerikanische
Variante mit einer sehr kräftigen Blockierung über Skandinavien richtig, dann
könnte von Osten ein Höhentief nach Deutschland ziehen, was ebenfalls Schauer
und Gewitter zur Folge hätte, jedoch in einer eher kontinental geprägten und
somit trockeneren und einer in 850 hPa rund 5-10 Kelvin kälteren Luftmasse.
Tendenziell also wieder leicht wechselhaft bei milden bis warmen (normalen)
Temperaturwerten - das, was uns in der "extended range" Vorhersage auch
angeboten wird.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


IFS hat sich im Vergleich zu gestern ein bisschen gefangen und zeigt nun eine
etwas einheitlichere Linie.
Zum Beginn der Mittelfrist, am Freitag, den 28. Mai, erfasst noch ein Höhentrog
besonders den Osten von Deutschland, der sich jedoch bereits zum Samstag in
Richtung Alpenraum verlagert. Allerdings variiert dessen Geometrie noch
beträchtlich, sodass von der gestrigen Rinne über Süddeutschland beim jüngsten
Lauf nicht mehr viel übriggeblieben ist. Stattdessen überwiegt vielerorts der
antizyklonale Einfluss, nur im Osten sind noch die Auswirkungen des Troges zu
spüren.

In der Folge wird bis zum Ende der Mittelfrist ein Höhenrücken über Mitteleuropa
aufgespannt, dessen Lage/Geometrie leider ebenfalls noch starken Schwankungen
unterworfen ist. Bedeutet, Wetterberuhigung ja, wie nachhaltig ist noch
unsicher. Nach Leseart des jüngsten Laufes würde sich diese Wetterberuhigung bis
zum Ende der Mittelfrist (Dienstag, 1. Juni) halten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Samstag sieht auch die internationale Numerik die Entwicklung
recht einheitlich. Der Höhentrog beeinflusst noch den Osten Deutschlands, bevor
von Westen der Keil nach Deutschland wandert. Diskrepanzen gibt es bei der
Frage, wie schnell der Abtropfprozess stattfindet, was in der Folge Auswirkungen
auf die Zugbahn des Höhentiefs hat (IFS zügiger beim Abtropfen als z.B. GFS).
Die gestern von IFS noch anvisierte Rinnenbildung über dem Alpenraum wird heute
nur noch von ICON gestützt, während GFS/IFS recht unisono den Trog nach
Ost-/Südosteuropa bringen. Allerdings fällt die Wetteraktivität in Form von
Niederschlägen auch bei ICON sehr gering aus.

In der Folge weitet sich der Keil in allen Modellen nach Deutschland aus und
bringt eine Wetterberuhigung. Allerding variiert die Geometire des Keils und
somit seine Beständigkeit. Zum Ende der Mittelfrist könnte von Osten bereits das
abgetropfte Höhentief seine Fühler nach Ostdeutschland ausstrecken (ICON/GFS).
Besonders GFS entwickelt jedoch eine sehr intensive positive Anomalie über
Skandinavien, die das Höhentief somit auch schneller nach Westen drückt. Diese
intensive Lösung wird zwar bei GFS intern recht konstant in den letzten 3 Läufen
aufgebaut und immer kräftiger gerechnet, das Modell steht jedoch mit dieser
Lösung neben GEM (noch?) eher alleine da.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Spannung steigt - was sagen denn die nun eingetroffenen Cluster?

Zum Beginn der Mittelfrist unterstützen sie die gestern neu vom ECMWF
ausgegebenen "Wahrscheinlichkeiten der Wetterregime" und starten die Mittelfrist
mit einem Überhang des klimatologischen Regimes "Blockierung". Dabei ergeben
sich 3 Cluster (C), mit dem Kontrolllauf (K) und dem det. Lauf (D) jeweils im
C2. Wie zu erwarten war, beißen sich die Member die "Modellzähne" an der Frage
der Intensitätsabschätzung des Keils aus. Besonders im C1 wird das Islandtief zu
einem umfangreichen Sturmtief aufgebläht, das einen meridional (nordwärts)
ausgerichteten Keil über West-/Mitteleuropa aufspannt. Das Islandtief ist auch
etwas mobiler und platziert die Keilachse im Vergleich zu C2 und C3 recht weit
östlich. In C2 und C3 hingegen fällt das Islandtief schwächer aus und somit
verbleibt die Keilachse auch etwas westlicher. Die gestern noch im D gezeigte
Rinne über dem Alpenraum ist im C3 zu finden und ist daher bezüglich der
Memberzahl in die Minderheit gerückt. 73 Prozent der Member zeigen jedoch einen
deutlichen Einfluss des Keils auf das Wetter in Deutschland, sodass der
Wetterberuhigung am Wochenende Glauben geschenkt wird.

In der Folge (Ende dieser Mittelfrist und Beginn der erweiterten Mittelfrist)
überwiegt das Chaos mit 6 Clustern (K im C1 und D im C5). Zudem sind alle
klimat. Regime vertreten, wobei "Blockade" und "Atlantikrücken" beide im
Überhang sind. Blockierungen werden komplett unterschiedlich gesetzt (C1 und C3
z.B. mit kräftigen positiven Anomalieabweichungen im Bereich des Urals), während
andere wieder mehr Südwesteuropa oder den östlichen Atlantik bevorzugen. Eine
klare Aussage kann hier nicht getroffen werden.

Werfen wir noch einen kurzen Blick in die ersten Junitage. Da scheint sich das
Problem zu ergeben, dass das Ensemble teilweise "underdispersive" ist, also
nicht alle Lösungsmöglichkeiten aufzeigt (wie manchmal auch bei der Vorhersage
der Zugrichtung tropischer Stürme). Wie gestern gibt es nur einen Cluster für
diesen Zeitraum. Nun allerdings zeigt sich keine Blockierung über Grönland (wie
gestern unisono angedeutet), sondern nach heutiger (wieder einstimmiger) Leseart
ist es über der Barentssee bis zur Laptewsee platziert. Die Folgen wären
stabilere Verhältnisse als noch gestern gedacht. Doch kann man nun dieser Lösung
mehr Glauben schenken als der gestrigen? Immerhin fand im gestrigen 12Z Lauf ein
Abrücken vom Grönlandblock in Richtung zur heutigen Lösung statt, was eine
gewisse Konsistenz andeuten würde.


Bei den Meteogrammen ist weiterhin in Deutschland ein Erwärmungstrend während
der Mittelfrist zu erkennen und wir nähern uns zum kommenden Wochenanfang
besonders im Westen der Sommermarke (zunehmende Streubreite der Member). Am
trockensten sollten deutschlandweit der Samstag bis Montag verlaufen, sieht man
von einem Restschauerrisiko im Osten ab.

Bei den Rauchfahnen ist ebenfalls ein Aufwärtstrend zu erkennen. Die 850 hPa
Temperatur steigt zum Ende der Mittelfrist meist auf zweistellige Werte,
allerdings liegt der hochaufgelöste Lauf und der Kontrolllauf jeweils am oberen
Ende. Der Rest der Member ist rund 3 Kelvin kälter angesiedelt. Daher sollte man
die hier genannte Erwärmung auf sommerliche Werte noch nicht als "gesetzt"
ansehen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der 500 hPa Geopotenzialfahne, wo die
restlichen Member zum Ende der Mittelfrist ein rascheres Abbauen des Keils
sehen. Die Zunahme des Memberspread beim Niederschlag (inklusive kräftiger
Einzelmemberlösungen) spiegelt diese potenziell höhere Schauer-/Gewittergefahr
wider.

Ein Vergleich mit GFS ENS zeigt eine etwas kräftigere Erwärmung zum Ende der
Mittelfrist (andere Geopotenzialgeometrie mit veränderter Advektion), wobei
immerhin 20 % der Member die 15 Grad Isotherme in 850 hPa zum Dienstag an den
Alpenrand bringen. Die zu diesem Zeitraum schwachen Signale für mehr als 1000
J/kg CAPE und mehr als 25 l/qm Niederschlag in 24h mit weniger als 15% deuten
darauf hin, dass bei GFS die labilere Luftmasse etwas zügiger nach
Süddeutschland übergreifen könnte als bei IFS. Die "heat map" Verteilung zeigt
jedoch, dass auch hier im GFS ENS nur einzelne Member anspringen, dann jedoch
gleich mit Werten von 800-2000 J/kg, die Mehrzahl bleibt bei 0 J/kg oder weniger
als 100 J/kg. Eine nur geringe Verschiebung dieser Labilitätsgrenze könnte den
Dienstag im Süden bereits ungemütlicher gestalten mit kräftigen Schauern und
Gewittern (Starkregen).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI gibt keine Hinweise auf markante Gefahren. Allerdings kann in den ersten
beiden Nächten lokal leichter FROST in Bodennähe auftreten und bei GEWITTERN
kann punktuell STARKREGEN um 15 l/qm ebenfalls nicht kategorisch ausgeschlossen
werden. Solche Risiken bilden sich jedoch verständlicher Weise nicht beim EFI
ab.
Innerhalb der Ensembles gibt es ebenfalls keine Anzeichen für markante
Wettererscheinungen, wenngleich die Konvektionsgefahr zum Ende der Mittelfrist
von Südwesten zuzunehmen scheint.
Summa summarum also eine ruhige Mittelfrist.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, GFS, GEFS und MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy