DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-05-2021 08:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 25.05.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrM (Trog Mitteleuropa), zum Ende hin Übergang zu Nz (Nord zyklonal)

Bis auf Weiteres kühles und wechselhaftes Maiwetter mit Schauern und Gewittern,
teils aber auch andauernden Regenfällen. Vor allem heute verbreitet windig bis
stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... verbringt Deutschland unter der Ägide eines dipolartigen
Höhentroges, von dem das eine Drehzentrum heute früh vor der schottischen
Ostküste, das andere über Nordwestdeutschland liegt. Daraus resultiert eine
vergleichsweise meridional exponierte, von Nord-Nordwest nach Süd-Südost
gerichtete Längsachse, die sich im Tagesverlauf gegen den Uhrzeigersinn dreht.
Am Ende des Tages erreicht der westliche Kern die südwestliche Nordsee, während
der östliche kurz vor Malmö steht.
Wie nicht anders zu erwarten, korrespondiert der Trog am Boden mit
unterdurchschnittlichem Luftdruck, der sich in Form einer mehrkernigen
Tiefdruckzone (NATHAN) von der Nord- zur Ostsee ausweitet, um von dort über das
östliche Mitteleuropa nach Süden abzubiegen. Auf der Südflanke gelangt hinter
einer weitgehend abgezogenen Okklusion mit Kaltfrontcharakter einmal mehr
hochreichende und labil geschichtete Meeresluft polaren Ursprungs (T850 heute
Mittag um 0°C, T500 um -29°C) nach Deutschland, die uns einen wechselhaften,
kühlen und in weiten Teilen windigen 25. Mai beschert.

Bereits heute Morgen ist das konvektive Geschehen solide am köcheln, wird sich
im Tagesverlauf aber noch verstärken. Neben der tagesgangbedingten diabatischen
Komponente, der Zyklonalität der Höhenströmung sowie orografischer Begebenheiten
spielen bei der Impulsgebung auch regionale Windkonvergenzen eine Rolle. Als
Beispiel sein ein kleiner Bodentrog genannt, der Norddeutschland von West nach
Ost überquert. Neben zahlreichen Schauern oder schauerartigem Regen sind auch
wieder Gewitter im Spiel. Viel CAPE braucht´s dafür nicht, die Labilität als
solche und etwas Feuchtigkeit reichen aus, um bei niedriger 0°C-Grenze
elektrische Entladungen zu generieren. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen
dem Norden, wo die Gewitter aufgrund geringerer Windgeschwindigkeiten (Höhe und
Boden) z.T. nur "gelb" ausfallen, in Einzelfällen allerdings mit Starkregen um
15 l/qm innert kurzer Zeit oder Böen 8 Bft (eher im südlichen Teil der
Norddeutschen Tiefebene) einhergehen können. Ob es in Ostfriesland am Vormittag
im Bereich des sich nur langsam verlagernden Drehzentrums lokal zu mehrstündigem
Starkregen > 20 l/qm reicht, wie von ICON-D2-EPS signalisiert, ist noch etwas
fraglich. Die derzeitige Anordnung der Radarstrukturen sprechen eher dagegen,
aber gerade der Parameter "Starkregen" hat häufig was von der berühmten
Wundertüte.

Weiter südlich, also in der großen Mitte bis hinunter etwa zur Donau, sind nicht
nur die Scherungsbedingungen besser als im Norden, auch die Grundströmung hat
deutlich mehr Pfeffer. Entsprechend bilden sich dort Einzel- oder Multizellen,
die von stürmischen Böen oder gar Sturmböen 8- 9 Bft (Oberwinde in 850 hPa um
oder etwas über 40 Kt) und kleinerem Hagel begleitet werden, während Starkregen
weniger wahrscheinlich ist. Ganz im Süden nimmt die Wahrscheinlichkeit für
konvektive Umlagerungen deutlich ab. Wenn der Regen, der heute Morgen an der
etwas zurückhängenden Front in Südostbayern noch auftritt, abgezogen ist, kommt
es zu einer merklichen Abtrocknung der Luftmasse. Das PPW sinkt teils unter 10
mm, die spezifische Grundfeuchte auf unter 5 g/kg, so dass die durchaus
vorhandene Labilität wenig auszurichten vermag. Für mehr als ein paar
vereinzelte schwache Schauer sollte das Setup nicht ausreichen, dafür besteht
die realistische Chance auf einige Auflockerungen respektive sonnige Fenster.

Bleiben noch der Wind und die Temperatur, wobei über Letztere eher der Mantel
des Schweigens gehüllt werden sollte. 11 bis 17°C Maximum (höchste Werte im
südlichen Oberrheingraben sowie an der Grenze zu Polen) kommen an einem 25. Mai
einem Offenbarungseid sehr nahe. Und auch der Wind hat eher was von Herbst als
von Frühling. Er legt aus Südwest bis West kommend in den nächsten Stunden zu,
so dass auch abseits der Konvektion vermehrt mit Böen 7-8 Bft, im höheren
Bergland 9 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen 10 Bft zu rechnen ist.
Windschwächer bleibt es im südöstlichen Bayern sowie in weiten Teilen der
Norddeutschen Tiefebene und an der Küste, wo der Gradient im Innenbereich der
Tiefdruckzone nicht so ausgeprägt ist als weiter südlich.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich relativ wenig an der
Strömungskonfiguration und auch die Luftmasse bleibt dieselbe. Mit untergehender
Sonne verliert die Atmosphäre aber einen wesentlichen Motor, so dass nicht nur
die konvektive Aktivität gedämpft wird, sondern auch der Wind merkliche Einbußen
hinnehmen muss. Okay, ganz schlafen die beiden Komponenten nicht ein. So wird es
in der Nordhälfte noch ein paar Schauer, in Küstennähe auch schauerartigen Regen
geben, die Gewitterneigung nimmt aber deutlich ab. Warnwürdige Windböen
fokussieren sich im Wesentlichen auf exponierte Hochlagen, was der
Einzelfallentscheidung anheimfällt.

Eine Kleinigkeit an Neuem gibt es doch noch zu berichten. So greifen in der
zweiten Nachthälfte die stratiformen Regenfälle einer Warmfrontwelle, die sich
um den Tiefkomplex herumschlängelt, von Frankreich her auf den Südwesten
(Nordbaden, Saarland, südliches RP, Südhessen, gegen Morgen auch Unterfranken)
über. In Staulagen (z.B. Odenwald, Saar-Nahe-Bergland) sind dabei durchaus 5 bis
10 l/qm binnen weniger Stunden möglich. Dagegen kann es im äußersten Südosten
Bayerns bei längerem Aufklaren punktuell leichten Frost in Bodennähe geben.


Mittwoch... wird das Höhentief, das kurz vor Südschweden stand, retrograd und
befindet sich zur Mittagszeit über Jütland und den Dänischen Inseln, während der
korrespondierend Bodentiefkern unweit von Sylt Nordseeluft schnuppert. Vom
westlichen Kern ist derweil nicht mehr viel übrig. Für Deutschland bedeutet das
eine stark zyklonal gekrümmte westliche Höhenströmung, mit der kurzwellige
Sekundär- und Tertiärtröge gen Osten geschleust werden, die das Wettergeschehen
weiterhin wechselhaft gestalten. Dabei lassen sich aber durchaus Unterschiede
zwischen dem Norden und dem Süden ausmachen.

Zunächst in den Norden respektive die Nordhälfte, wo weiterhin labil
geschichtete Polarluft den Ton angibt (T850 um +1°C, T500 um -27°C), die durch
den Tagesgang so richtig animiert wird und am Ende zahlreiche Schauer und
Gewitter produziert, die mit steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft und einer
Mischung aus kleinem Hagel und Graupel einhergehen. Im Tagesverlauf zieht dann
noch ein kleines mesoskaliges Regengebiet, das sich um das Tief herumwickelt,
von der der Deutschen Bucht und Jütland in den äußersten Nordwesten. Dabei nimmt
dort die Gewittergefahr aufgrund einsetzender Stabilisierung (in der Höhe etwas
weniger kalte Luft) ab.

In der Südhälfte läuft der Hase anders, dort spielen konvektive Umlagerungen
keine Rolle. Stattdessen breiten sich die stratiformen Regenfälle der weiter
nach Osten vorankommenden flachen Welle ost-südostwärts aus, wobei das
südöstliche Bayern zuletzt betroffen ist. Dort zeigen sich insbesondere am
Vormittag noch ein paar Auflockerungen. Ansonsten sieht´s sonnentechnisch
ziemlich düster aus, dafür kommen gebietsweise 5 bis 10 l/qm Wasser runter.
Zwischen den Schauern im Norden und dem Regen im Süden bildet sich irgendwo in
der Mitte ein ganz schmaler Streifen mit kompensatorischem Absinken aus, in dem
die Wetteraktivität herabgesetzt ist und die Wolkendecke hin und wieder mal
auflockert. Wo genau diese Demarkationszone verläuft, lässt sich aktuell leider
noch nicht belastbar beantworten.

Deutlich leichter fällt die Antwort auf die Frage nach den Temperaturen, die
auch morgen nicht wirklich aus dem Quark kommen. In weiten Teilen des Landes
bleibt es bei 11 bis 17°C Maximum, nur in Teilen Oberbayerns, wo anfangs noch
etwas die Sonne scheint, sind es vielleicht 1-2 Grad mehr, was den Kohl aber
auch nicht fettmacht. Ach ja, fast vergessen der südwestliche Wind, der mitunter
und nicht nur in Schauer- und Gewitternähe böig auffrischt. Warnungen vor Stärke
7 Bft dürften vor allem an der Nordsee sowie für einige Hochlagen (dort
exponiert auch mehr) fällig werden. Für das Flachland bzw. tiefe Lagen hingegen
könnte eine großflächige Warnung vielleicht etwas zu viel des Guten sein.

In der Nacht zum Donnerstag zieht das inzwischen nahezu achsensenkrechte Tief
von der Deutschen Bucht in den Süden SHs bzw. den Hamburger Raum. Damit weiten
sich die schauerartigen Regenfälle (anfängliche Gewitter nicht ausgeschlossen)
auf über den Norden bis in die östlichen Landesteile aus. Auf der Süd- bzw.
Südwestflanke des Kerns frischt der von Südwest auf West bis Nordwest drehende
Wind zeitweise böig auf mit einzelnen Böen 7 Bft, insbesondere an der Nordsee.
Derweil kommt es in weiten Teilen Bayerns und BWs im Bereich der dort sich
strömungsparallel einnistenden Kaltfront zu weiteren Regenfällen, deren
Intensität von den Modellen jeweils unterschiedlich eingeschätzt wird. Hinweise
auf warnwürdige Mengen (auch über einen längeren Zeitraum als 12 h) liegen aber
nicht vor.

Donnerstag... beginnt der Luftdruck über Westeuropa zu steigen, wodurch sich
über UK und Frankreich ein zunächst noch schwaches Hoch etabliert, das Anschluss
zu einem Nordmeerhoch bekommt. Derweil zieht das o.e. kleine Tief - es handelt
sich übrigens um einen Zögling der NATHAN-Dynastie, wahrscheinlich Kern III -
unweit der Ostseeküste aber wohl onshore in Richtung Polen. Der Höhentrog
schwenkt ebenfalls, wenn auch nur langsam, gen Osten, was die Höhenströmung über
West auf Nordwest drehen lässt. Damit einhergehend setzt im Westen und
Nordwesten eine ganz allmähliche Stabilisierung ein, die aber erst ab dem
Nachmittag so richtig greift. Ansonsten kommt es auch am Donnerstag in der
Nordhälfte sowie etwas nach Süden hinaus zu schauerartigen Regenfällen und
einzelnen Gewittern, die mit stürmischen Böen 8 Bft, in Tiefkernnähe eher mit
Starkregen um 15 l/qm innert kurzer Zeit einhergehen. Auch abseits der
Konvektion frischt der West- bis Nordwestwind im Norden und Osten gebietsweise
so weit auf, dass Böen 7 Bft (in höheren Lagen auch darüber) auf den Plan
treten.

Im Süden der Republik steigt der Luftdruck an, was der Kaltfront/Okklusion wenig
zuträglich ist. Sie wird in Richtung Alpen abgedrängt bzw. fängt an, sich von
Westen her aufzulösen. Damit ziehen sich auch die anfänglich noch bis zur Donau
ausgreifenden Regenfälle mehr und mehr in die Alpen zurück.

Die Sonne macht sich weiterhin rar, Auflockerungen sind am ehesten im Südwesten
sowie an und über der Deutschen Bucht zu erwarten. Und da zudem noch kein
Luftmassenwechsel ansteht, wird es auch am Donnerstag nicht wärmer als 11 bis
17°C, im Oberrheingraben stellenweise um 18°C.

In der Nacht zum Freitag macht der Druckanstieg von Westen her weitere
Fortschritte, so dass die anfänglich noch auftretenden Regenfälle immer
schwächer werden bzw. ganz aufhören. Zum Teil lockert die Wolkendecke für
längere Zeit auf, was in der feuchten Grundschicht bei gleichzeitiger
Windabnahme Nebelfelder zur Folge hat. Außerdem kühlt es deutschlandweit in den
einstelligen Temperaturbereich ab, was vor allem in den westlichen und
südwestlichen Mittelgebirgen lokal leichten Frost in Bodennähe zur Folge haben
kann.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle ähnlich. Gleichwohl gibt es
natürlich Unterschiede im Detail. Einer davon betrifft das kleine Tief (NATHAN
III), das morgen von der Deutschen Bucht bzw. Jütland (je nach Modell) nach
Norddeutschland zieht. Es wird von den meisten externen Modellen um bis zu 5 hPa
tiefer gerechnet, was Auswirkungen auf den Wind. Der würde im Norden nicht nur
etwas verbreiteter, sondern auch intensiver auffrischen. IFS wartet an der
Nordfriesischen Küste gar mit einzelnen Sturmböen auf. Es gilt die nächsten
Modellläufe dahingehend zu monitoren.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann