DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-05-2021 18:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Pfingstmontag im Osten vorübergehend mal wärmer, im Westen unbeständig und am
Abend teils kräftige Gewitter. Ab Dienstag TrW (Trog Westeuropa) mit kühlem und
wechselhaftem, teils windigem Wetter

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland knapp nördlich des sehr gut ausgeprägten
Polarjets (auf 300 hPa Windgeschwindigkeiten von rund 250 km/h oder sogar etwas
darüber), der auf weit südlicher Bahn über den Alpenraum hinweg bis nach
Rumänien respektive den Westen der Ukraine verläuft. Bis morgen früh schwächt er
sich deutlich ab, weil die Potenzialgegensätze im Zuge eines über Deutschland
zum östlichen Mitteleuropa hinwegwandernden Höhenrücken immer weiter abnehmen.
Gleichzeitig gilt es, die Entwicklung über dem nahen Atlantik nicht aus den
Augen zu verlieren, wo das hochreichende Tief NATHAN unter Zellteilung (=> bis
zum Morgen zwei Kerne) UK/Irland okkupiert. Wenn auch nur sehr zögerlich,
gelangt der Westen des Vorhersageraums auf die Vorderseite des weit nach Süden
reichenden Höhentrogs, während die übrigen Landesteile noch vom scheidenden
Höhenrücken profitieren.

Von der Höhe Richtung Boden, wo unser treuer Wegbegleiter der vergangenen Tage,
das ehemalige Sturmtief MARCO, kurz vor dem Aus steht. Er wird in der Nacht vom
Oslofjord den Holmenkollen erklimmen, dort oder etwas weiter nördlich dann aber
dispergieren und in die ewigen Jagdgründe namhafter Maitiefs verschwinden.
Derweil verlagert das kleine Zwischenhoch, das uns heute beehrt hat, seinen
Schwerpunkt zum Balkan. So verbringen wir die Nacht auf den zweiten Feiertag im
Übergangbereich zwischen dem abwandernden Hoch und dem neuen Tief NATHAN im
Westen.

Wettertechnisch bedeutet das in den Abendstunden ein rasches Abklingen der
konvektiven Umlagerungen und auch die Quellbewölkung nimmt deutlich ab.
Entsprechend klart es vielerorts auf, was in der subpolaren Meeresluft bei
gleichzeitig nachlassendem Wind einen Temperaturrückgang in den einstelligen
Bereich, im Süden und in der Mitte gar verbreitet unter 5°C zur Folge hat. Dass
es dabei in Erdbodennähe punktuell in den leichten Frostbereich geht, ist ebenso
evident wie unerfreulich.
Im Westen und Nordwesten ist Bodenfrost kein Thema, dort sorgt leichte WLA im
Vorfeld einer Okklusion für die Zufuhr mehrschichtiger Bewölkung, aus der bis
zum frühen Morgen aber nur ein paar sporadische Tropfen auf ostfriesisches und
emsländisches Territorium fallen.

Montag ... überquert der hochreichende, weiterhin aus mehreren Kernen bestehende
NATHAN UK/Irland langsam in Richtung Nordsee. Die Druckminima im Bereich der
verschiedenen Kerne bewegt sich um 1000 hPa herum, womit der gute NATHAN seinem
Vorgänger das Wasser nicht reichen kann. Die Höhenströmung auf der Vorderseite
des Troges dreht weiter zurück auf fast glatt Süd, was die Progression der o.e.
Okklusion immens hemmt. Sie dürfte bis zum Abend die Westhälfte nicht überquert
haben, wobei das zugehörige Regengebiet immer weiter zerfleddert. Die
apostrophierten 12h-Regenmengen liegen meist unter 5 l/qm, was weniger ist als
in einigen Vorläufen.

Interessant sind auch die Entwicklungen vor und hinter der Okklusion. Zunächst
in den präfrontalen Bereich, wo mit Rückdrehen der Strömung ein Schwall Warmluft
ins östliche und mittlere Drittel advehiert wird. Die 850-hPa-Temperatur steigt
auf 5 bis 9°C, Richtung Alpen mit etwas Föhnunterstützung gar auf rund 10°C. Mit
Unterstützung der Sonne, die vor allem im nordöstlichen Quadranten des Landes
für längere Zeit scheint, erwärmt sich die Luft auf in diesem Mai seltene 19 bis
24°C. Unmittelbar vor der Okklusion bildet sich im Tagesverlauf - man möchte
sagen fast klassisch-sommerlich - eine schmale Tiefdruckrinne aus, die am
Nachmittag das mittlere Drittel im meridionalen Sinne) überquert. Die Frage ist
nun, ob im Bereich der Rinne respektive im Übergangsbereich zur Okklusion
konvektiv was geht. Zwar ist die Luftmasse leidlich labil geschichtet
(Lapse-Rates um -0,65 K/100 m), allerdings korreliert die Labilität mit einem
Feuchteminimum (spez. Grundschichtfeuchte bei 5 g/kg, PPW unter 15 mm), so dass
insgesamt nur wenig CAPE generiert wird. Die Modelle schlussfolgern daraus zwar
die Bildung einzelner Schauer, während Gewitter kaum feilgeboten werden. Einzig
ICON-D2 rafft sich zu einigen Gewittern auf, insbesondere in SH sowie im Bereich
Elbmündung, vereinzelt aber auch weiter südlich. Fakt ist, dass unmittelbar
hinter der Rinne eine Druckanstiegswelle folgt, die den kurzeitig auf West
springenden Wind vor allem im Westen und Südwesten stark böig auffrischen lässt
(Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft).

Bevor wir auf die postfrontale Seite switchen zuvor noch ein kurzer Exkurs in
den Süden, vornehmlich in die südlichen Landesteile von Bayern und BW. Ein
südlich der Alpen ost-nordostwärts ablaufender Sekundärtrog sorgt aus den Alpen
heraus nicht nur für kontinuierliche Bewölkungsverdichtung, sondern gebietsweise
auch für leichte Regenfälle (meist unter 5 l/qm innert 12 h).

Jetzt noch in den Westen der Republik, wo der VfL Bochum den FC Schalke 04 in
der Bundesliga ersetzt (Glückwunsch dazu) und im Laufe des Montagabends mit
Annäherung des Höhentrogs eine Portion labil geschichteter Meeresluft subpolaren
Ursprungs aufschlägt (T850 um +3°C, T500 um -25°C). Zwar wird nicht viel CAPE
generiert (meist unter 200 J/kg), in gut geschertem Umfeld (LLS bis zu 15 m/s,
DLS zwischen 20 und 30 m/s) sind aber linienhaft oder bogenförmig organisierte
Gewitter wahrscheinlich (Low CAPE, High Shear), die mit Böen 8-9 Bft einhergehen
können. Schaut man noch etwas genauer auf die Zutaten, dann fällt einem das
relativ niedrige HKN (800 bis 600 m), ein solide gekurvter Hodograph in den
unteren 1000 bis 1500 m sowie der linke Ausgang des um den Trog "gewickelten"
Jets ins Auge, was unweigerlich das "T-Wort" auf den Plan ruft. Oder im
Klartext: einzelne Tornados nicht ausgeschlossen.

In der Nacht zum Dienstag marschiert die Okklusion (mit Kaltfrontcharakter)
ostwärts durch, wobei die vorlaufende Rinne mehr und mehr getilgt wird. Der
frontale Regen diffundiert und fällt nicht allzu üppig aus. Einzig im
südöstlichen Bayern, wo die Front etwas zurückhängt und mit dem o.e.
Sekundärtrog ins Geschäft kommt, regnet es länger andauernd und auch kräftiger
mit z.T. etwas über 10 l/qm am Alpenrand.

Darüber hinaus schwächen sich die anfänglich noch auftretenden Gewitter auf
ihrem Weg nach Osten ab, mit Progression des Höhentrogs sowie der Annäherung
eines Bodentrogs von Frankreich und Benelux her sind in der Westhälfte aber
weitere Schauer oder (abgehobene) Gewitter (mit Böen 7-8 Bft) garantiert. Zudem
frischt der Südwestwind im Südwesten zum Morgen hin auf (Böen 7 Bft, Bergland 8
Bft).

Dienstag ... verteilt sich NATHAN mehrkernig von der Nord- bis zur Ostsee, so
dass hier eher von einer Tiefdruckzone als von einer diskreten Zyklone
gesprochen werden kann. Fakt ist, dass Deutschland auf die Südflanke dieser Zone
gelangt, wo uns mit westlicher Strömung eine Portion unterkühlter maritimer
Polarluft (T850 um 0°C) kredenzt wird. Und da sich zu allem Überfluss noch der
o.e. Höhentrog mittemang übers ganze Land fläzt (Großwetterlagentypus TrM (Trog
Mitteleuropa)), steht einmal mehr ein wechselhafter, kühler (Tmax 11 bis 17°C)
und zumindest in der Mitte und im Süden sehr windiger Tag ins Haus. Lausig!

Bereits am Vormittag sind im Westen und Norden sowie in der westlichen Mitte
zahlreiche konvektive Umlagerungen am Start, während sich der Regen im Südosten
Bayerns gen Österreich zurückzieht. Schauer und Gewitter setzen auch im weiteren
Tagesverlauf dem Wetter ihren Stempel auf, wobei aber im Süden durch die dort
abtrocknende Luftmasse ein deutliches Niederschlagsminimum zu erkennen und die
Chance auf einige Sonnenfenster gegeben ist. Die Gewitter sind aufgrund der
flotten Grundströmung mit Böen 8 bis 9 Bft und kleinem Hagel, weniger mit
Starkregen verbunden.

Der Südwest- bis Westwind frischt wie gesagt in der Mitte und im Süden merklich
auf mit Böen 7-8 Bft, in höheren 9 Bft. Der Norden liegt dichter am oder im
Innenbereich der Tiefdruckzone, was einen schwächeren Gradienten und eben auch
einen schwächeren, nicht warnwürdigen Wind zur Folge hat.

In der Nacht zum Mittwoch verbleibt Deutschland im Trogbereich, der aber im
Gegensatz zum Tage eine zunehmend zonale Exposition annimmt. Somit werden wir
von einer zyklonal konturierten westlichen Höhenströmung überlagert, die den
Fortbestand des wechselhaften Wetters garantiert. Insbesondere in der Nordhälfte
kommt es zu weiteren Schauern, anfangs auch noch Gewittern. Dagegen kommen im
Laufe der Nacht von Nordostfrankreich und Luxemburg her skalige Regenfälle auf,
die sich im Südwesten sowie der südlichen Mitte ausbreiten. Ursache ist eine aus
einer Warmfrontwelle hervorgegangene Störung, die auf die genannten Gebiete
übergreift.

Im Zuge eines von Benelux nach Nordwestdeutschland ziehenden Bodentroges
verschärft sich der Gradient wieder etwas, vor allem im Westen und in der Mitte.
Inwieweit daraus warnwürdige Windgeschwindigkeiten resultieren, ist noch
unsicher, zumal der Trog bei einigen externen Modellen nicht so klar konturiert
simuliert wird.

Mittwoch ... ändert sich an der Trogkonfiguration sowie der Lage der
Tiefdruckzone wenig, auch luftmassentechnisch bleibt alles beim Alten. Die
Wellenstörung sorgt im Südwesten und der südlichen Mitte für weitere skalige
Regenfälle, die sich laut ICON im Tagesverlauf in den Süden Richtung Alpen und
Schweizer Grenze verlagern sollen. Noch ist das letzte Wort aber nicht
gesprochen, da IFS und GFS weiter nördlich mit dem Regen bleiben, was freilich
auch Auswirkungen auf die Beziehung "räumliche Verteilung-Intensität" hat.
Warnschwellen für Dauerregen werden Stand heute aber nicht erreicht.

In der Nordhälfte stellt sich rege konvektive Aktivität mit zahlreichen Schauern
und Gewittern sowie einem mitunter stark böig auffrischendem Südwest- bis
Westwind ein. Das Temperaturniveau bleibt ähnlich wie am Vortag.


Modellvergleich und -einschätzung
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Zunächst sind sich die Modelle einig. Zum Ende des Vorhersagezeitraums, wenn die
Welle von Westen her übergreift, nehmen die Unschärfen zu (siehe Text). Das
Grundmuster ist aber überall vorhanden, signifikant abweichende Lösungen sind
nicht erkennbar.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann