DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-05-2021 18:01
SXEU31 DWAV 211800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 21.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sturmtief MARCO mit windigem bis stürmischem Samstag. Auch Pfingstsonntag noch
leicht wechselhaft trotz Zwischenhocheinfluss. Am Montag im Osten und Süden
vorübergehend mal etwas wärmer.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... ist das hochreichende und für uns wetterbestimmende Sturmtief MARCO
dabei, britischen Boden in Richtung Nordsee zu verlassen, um zu einer kleinen
Kreuzfahrt via Dogger gen Fisher anzusetzen. Zwar hat MARCO seinen Höhepunkt
bereits überschritten (zur Spitzenzeit nahe 980 hPa), mit immer noch rund 985
hPa entpuppt er sich aber als austrainierter Athlet, der nur ungerne von seiner
Leistungsfähigkeit einbüßt. Okay, bis morgen früh legt er noch ein paar
Hektopascal zu, was im Alter vollkommen menschlich ist, er hält aber sein
Gewicht unter der 990-hPa-Marke.

Und sonst so? - Da fällt die weiterhin sehr weit südlich positionierte
Frontalzone ins Auge, die mit eingelagertem Jet südlich eines breit angelegten
Troges über dem nahen Atlantik vom Seegebiet westlich Iberiens bis nach
Frankreich reicht. Für Deutschland bedeutet das, dass wir uns unter dem leicht
diffluenten Ausgangbereich der Frontalzone, teils sogar unter dem linken Ausgang
des Jets befinden. Keine schlechten Ausgangsbedingungen, um Hebung zu
generieren, allerdings wirkt sich der Tagesgang eher kontraproduktiv aus, so
dass man sich das Gesamtbild etwas genauer anschauen muss.

Tut man das von Nord nach Süd, so lässt sich konstatieren, dass sich die
anfänglich über Norddeutschland noch auftretenden Schauer und Gewitter klar auf
Rückzugskurs befinden. Erst im Laufe der zweiten Nachthälfte, wenn sich Höhen-
und Bodentrog des Tiefs nähern, setzt im Nordwesten von der Nordsee und den
Niederlanden her schauerartiger Regen ein.

Weiter südlich schließt sich eine Zone an, die heute tagsüber durch
kompensatorisches Absinken aufgefallen ist, heißt, kaum Nass-Konvektion,
stattdessen sonnige Abschnitte und - bitte merken - im Osten Temperaturen von
20°C oder sogar etwas darüber! In der Nacht bleibt das nicht ganz so (also bei
den Temperaturen sowieso nicht), was einem in die südwestliche Höhenströmung
eingebetteten, im Geopotenzialfeld mit dem bloßen Auge aber kaum wahrnehmbaren
Sekundärtrog geschuldet ist. Im Grunde genommen handelt es sich um ein kleines
Krümmungsmaximum, das sich von Westen zu uns reinschiebt und dabei für einen
gewissen, PVA-bedingten synoptisch-skaligen Hebungsimpuls sorgt. Dabei wird die
bei 700 hPa positionierte Absinkinversion abgebaut, während gleichzeitig die
Luftmasse labilisiert (KLA oberhalb 700 hPa, leichte WLA darunter) und
angefeuchtet wird (Anstieg PPW und spez. Grundschichtfeuchte). Die Scherung ist
z.T. exorbitant hoch (LLS bis 15 m/s, DLS teils über 40 m/s), wenn auch sehr
geschwindigkeitslastig. Viel Scherung, wenig Labilitätsenergie (oder High Shear,
Low CAPE, wie es neudeutsch heißt) bedeuten EINZELNE organisierte Gewitter, bei
denen Wind/(schwerer)Sturm als begleitender Parameter auf der Polposition steht.
Als potenzielle Auftrittsgebiete kommen die Regionen von NRW bis zum Saarland
über Hessen bis in den zentralen Mittelgebirgsraum in Frage, Tendenz in der
zweiten Nachthälfte abnehmend.

Und dann wäre da noch Zone 3 in Süddeutschland zu nennen, wo sich die skalig
motivierten, aber schauerartig verstärkten Niederschläge an einer wellenden
Luftmassengrenze mehr und mehr an oder in die Alpen respektive den
südöstlichsten Zipfel Bayerns zurückziehen. Dabei sinkt die Schneefallgrenze
gegen 1500 m und für den Alpenrand (vornehmlich das Allgäu) gibt es schwache
Hinweise u.a. von ICON-D2-EPS für mehrstündigen Starkregen >20 l/qm innert 6 h.


Der Wind legt gradient- und Tagesgangbedingt vorübergehend eine schöpferische
Pause ein. Einzig in exponierten Hochlagen sowie an der Nordsee bleibt er noch
warnwürdig unterwegs (Böen 7 Bft, in höheren Lagen darüber). Bereits in den
frühen Morgenstunden legt der auf Süd-Südwest rückdrehende Wind im Westen und
Nordwesten wieder zu mit Böen 7 Bft in tiefen Lagen und 8-9 Bft im Bergland
sowie an und auf der See.

Samstag ... überquert MARCO das Seegebiet Fisher in Richtung Westeingang des
Skagerraks, wobei er bis Tagesende doch ein paar Federn lassen muss und sich bis
auf rund 995 hPa auffüllt. Der zugehörige Trog (Boden und Höhe) überquert
Norddeutschland unter Konturverlust ost-nordostwärts, wodurch sich auch die
schauerartigen Regenfälle (es handelt sich um ein mesoskaliges, fast stratiform
anmutendes Regengebiet) nach Osten sowie bis in die mittleren Landesteile
ausbreiten (gebietsweise etwas mehr als 5 l/qm). Die Hauptlabilität läuft dem
Regen voraus, allerdings überlappt diese mit einer eher trockenen Luftmasse
(Grenzschicht unter 5 g/kg und trockene mittlere Troposphäre), so dass trotz
etwas Einstrahlung nur wenig CAPE generiert werden kann. Entsprechend gering ist
auch die Gewitterwahrscheinlichkeit, gleichwohl können sich im Osten und in der
Mitte quasi am vorderen Rand des Regens bzw. etwas davon abgesetzt einzelne
Überentwicklungen bilden, die bei leidlicher bis guter LLS und allgemein hohen
Strömungsgeschwindigkeiten mit Böen 8-9 Bft sowie kleinem Hagel einhergehen
können.

Nach Süden hin kann man sich etwas stärker den Klauen des zähen MARCOs
entziehen. Dort bleibt es nicht nur weitgehend trocken, auch die Sonne bekommt
in weiten Teilen Bayerns und BWs sowie hoch bis nach Sachsen und zur Lausitz
einige Auftrittsmöglichkeiten. Nicht ganz so helle wird es am Alpenrand sowie im
höheren Vorland, wo die o.e., inneralpin liegende Luftmassengrenze zeitweilige
Niederschläge von etwa 2 bis 7 l/qm innert 12 h generiert. Die Schneefallgrenze
steigt auf rund 1800 bis 2000 m.

Ganz großes Thema am morgigen Abschlussspieltag der Fußballbundesliga ist der
allgemein wieder auf Südwest drehende Wind, der auf der Südflanke des Tiefs
mächtig und verbreitet in Fahrt kommt. Im Westen und Nordwesten sowie später
abgeschwächt auch in der nördlichen Mitte lässt sich ein veritabler
Low-Level-Jet mit Maxima bis zu 55 Kt auf 850 hPa finden, der sich auch auf die
Windentwicklung in bodennahen Luftschichten auswirkt. Mit Ausnahme von Teilen
Süddeutschlands, wo der Gradient deutlich aufgeweichter ist als weiter nördlich,
muss verbreitet mit Böen der Stärke 7-8 Bft, in höheren Lagen sowie anfangs an
der Nordsee 9 Bft, in exponierten Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen bis 10 Bft und
auf dem Blocksberg - wieder einmal möchte man sagen - sogar 11 Bft gerechnet
werden.

Nach dem heutigen "Hitzeeinschub" im Osten wird morgen wieder zur "maitypischen
Tagesordnung" übergegangen. Mit Trogpassage gelangt einmal mehr erwärmte
Meereskaltluft (sub)polaren Ursprungs insbesondere in den Norden und Westen des
Landes (T850 am Nachmittag um +1 oder +2°C, sonst +3 bis +6°C), was in 2 Meter
Höhe Höchstwerte von 12 bis 18°C, nach Osten und Südosten zu lokal vielleicht
19°C ermöglicht. Nur mal zum Vergleich: Im russischen Petschora unweit des
Polarkreises waren es heute 30°C.

In der Nacht zum Sonntag dümpelt der leicht schwächelnde MARCO ganz gemächlich
in den Skagerrak, während sich gleichzeitig von den Pyrenäen und Südfrankreich
her ein schmaler Hochkeil (quasi der verlängerte Arm des Azorenhochs) bis zum
Alpenrand vorschiebt. Der Luftdruck steigt landesweit an bei gleichzeitig
auffächerndem Gradienten. Folgerichtig geht der Wind schon beginnend in den
Abendstunden gewaltig in die Knie, einzig in einigen Hochlagen sowie unmittelbar
an der See weht es noch spürbarer mit Böen 7-8 Bft, Brocken 9 Bft.

Ansonsten schwenkt in der Höhe ein weiterer Trog durch (flach und breit; genau
genommen handelt es sich um den ursprünglichen Haupttrog), der vornehmlich in
den mittleren Landesteilen von West nach Ost einige Schauer induziert. Die
Gewitterwahrscheinlichkeit bleibt dabei gering. Weitere Niederschläge stehen
nach wie vor auch noch in Alpennähe auf der Agenda, wo die inneralpine
Luftmassengrenze einfach nicht loslassen kann. Die Schneefallgrenze sinkt wieder
gegen 1500 m.

Sonntag ... wird es allmählich Zeit, mal wieder einen Blick auf den nahen
Atlantik zu werfen. Zumal sich der treue MARCO über Südskandinavien immer weiter
von uns entfernt und dabei an seinem Karriereende bastelt, stellt sich natürlich
die Frage nach dem weiteren Fortgang des Geschehens. Mit NATHAN steht schon ein
würdiger Nachfolger in den Startlöchern, der am Sonntagmittag mit
quasisenkrechter Achse und Kerndruck von etwas unter 990 hPa westlich von Irland
unweit des 20. Längengrades zu finden ist. Südlich davon trogt es merklich aus,
was stromab und somit auch bei uns ein Rückdrehen der Höhenströmung auf Südwest
bzw. die Aufwölbung eines flachen Rückens zur Folge hat. Dieser erfasst uns im
Tagesverlauf von Westen her und liegt am Abend pünktlich zum TATORT
(Wiederholung aus Dresden) genau über dem Vorhersageraum.

Da auch am Boden der Luftdruck noch etwas ansteigt, zeigt die Bodenwetterkarte
leichten Zwischenhocheinfluss mit Schwerpunkt über Süddeutschland und klassisch
nach Norden antizyklonal gekrümmten Isobaren. Fast müßig zu erwähnen, dass der
westliche Wind mit an Stärke nicht mit den beiden Vortagen mithalten kann. Zwar
lebt er mit dem Tagesgang etwas auf, so dass vor allem im Norden und in der
Mitte mal die eine oder andere steife Bö 7 Bft gemessen wird, die große Warnlage
ist aber nicht zu erwarten.

Wettertechnisch bleibt es trotz Kurs "antizyklonal" bei einer gewissen
Wechselhaftigkeit, was im Wesentlichen zwei eng miteinander verknüpfte Gründe
hat. Zum einen wird die zuvor eingeflossene labil geschichtete Meeresluft (T850
0 bis 4°C, T500 -23 bis -27°C) nur zögerlich nach Osten verdrängt, zum anderen
greift die absinkbedingte und auch nicht überbordend stark ausfallende
Stabilisierung von Westen her ebenfalls nur zögerlich über. Kurzum, vornehmlich
im Norden und Osten sowie in der östlichen Mitte und im Südosten kommt man auch
am Pfingstsonntag in den Genuss von Schauern und/oder kurzen Gewittern (wenn,
dann "gelb") mit der Tendenz "im Tagesverlauf nachlassend bzw. nach Osten
abziehend". Der meiste Sonnenschein wird für den Südwesten apostrophiert, wo es
zudem weitgehend trocken bleibt. Dagegen könnte es im Westen bei relativ hoher
Inversion (rund 700 hPa), niedriger 0°C-Grenze und einer
Wolkenoberflächentemperatur nahe -10°C sogar für ein paar schwache Schauer
reichen.

Wofür es definitiv wieder nicht reicht sind Temperaturen jenseits der
20°C-Marke. Lediglich an Hoch- und Oberrhein könnte es mit diabatischer
Unterstützung lokal für knapp 20°C reichen. Ansonsten heißt es in bewährter
Copy-&-Paste-Manier 12 bis 18°C.

In der Nacht zum Pfingstmontag setzt dann endgültig Stabilisierung, sämtliche
Restkonvektion wird im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben.
Teilweise lockert die Wolkendecke auf und im Süden bilden sich einzelne
Nebelfelder. Außerdem sinkt dort die Temperatur so weit in den Keller, dass
stellenweise leichter Frost in Bodennähe auftritt.

Dass es nicht überall bis zum Frühstück trocken bleibt, ist der Tatsache
geschuldet, dass der nach Osten abwandernde Rücken von WLA überlaufen wird.
Diese kündigt nicht nur die Annäherung eines okkludierenden Frontensystems an,
sie induziert zudem mehrschichtige Bewölkung, aus der es in den frühen
Morgenstunden im äußersten Nordwesten beginnt leicht zu regnen. Dort beginnt
auch der auf südliche Richtungen rückdrehende Wind allmählich aufzuleben, was an
und auf der Nordsee sowie in einigen Höhen- und Leelagen der westlichen
Mittelgebirge erste Böen 7 bis 8 Bft auf den Plan ruft.

Montag ... nistet sich NATHAN über UK respektive der westlichen Nordsee ein, von
wo aus er auch die Geschicke bei uns lenkt. Der zugehörige Höhentrog erreicht
Westeuropa, was uns auf seine Vorderseite bringt. Die Kaltfront bzw. Okklusion
des o.e. Frontensystems überquert Deutschland ost-südostwärts. Zuvor wird in den
Süden und Osten ein Schwall Warmluft angezapft (T850 5 bis 9°C), was die
Temperatur dort mit Hilfe von mehrstündiger Einstrahlung auf lange nicht
dagewesene 18 bis 23°C ansteigen lässt. Etwas ausgenommen davon bleibt der
Alpenrand, wo im Tagesverlauf aus den Alpen heraus stärkere Bewölkung kommt und
später sogar etwas Regen.

Ansonsten kommt es in der Nordwesthälfte zu zeitweiligen Regenfällen und auch
einzelnen Gewittern. Dabei frischt der auf Südwest drehende Wind mitunter böig
auf (7 Bft). An der Nordsee sowie in Hochlagen stehen stürmische Böen 8 Bft auf
Karte.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle ähnlich. Unsicherheiten bleiben wie
eigentlich immer bei konvektiven Prozessen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann