DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

20-05-2021 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 20.05.2021 um 10.30 UTC



Bis in die erweiterte Mittelfrist unbeständig und kühl, dabei aber kaum markante
Wetterereignisse.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 27.05.2021


Da beißt die Maus keinen Faden ab, bis in die erweiterte Mittelfrist herrscht
innerhalb der Modellwelt Einigkeit: Wer hierzulande in den Pfingsturlaub startet
(einiges ist ja inzwischen doch wieder möglich), sollte sich halbwegs warme und
auch einigermaßen "wetterfeste" Klamotten einpacken. Wohl mit Ausnahme des
Pfingstmontags (zumindest im Südosten und Osten) werden die 20 Grad kaum
erreicht, dazu bleibt es wechselhaft mit Niederschlägen - meist in Schauerform -
und auch einzelnen kurzen Gewittern.
Im Groben markiert der Mittelfristzeitraum den Übergang von einer zyklonalen
Westlage zu einem Trog über Mitteleuropa, der sich wohl bis in die zweite Hälfte
der kommenden Woche immer wieder regenerieren kann.

Nun zur Entwicklung im Einzelnen:
Am Pfingstsonntag befindet sich Deutschland an der Südflanke eines
umfangreichen, weite Teile Nordwest- und Nordeuropa überdeckenden
Höhentrogkomplexes unterhalb einer westsüdwestlichen Höhenströmung. Darin
eingebettet, überquert ein flacher Kurzwellentrog den Norden und Nordosten des
Landes rasch ostwärts. Ihm folgt ein ebenso flacher Höhenrücken, der sich durch
kräftige WLA vorderseitig eines zu den Britischen Inseln vorstoßenden markanten
Troges über Mitteleuropa aufwölbt, aber rasch nach Osten vorankommt und in der
Nacht zum Dienstag aber bereits das östliche Mitteleuropa erreicht.
Vor allem im Westen und Südwesten Deutschlands gibt es somit am Pfingstsonntag
mit Durchschwenken eines Bodenhochkeiles nur noch vereinzelte Schauer und die
Sonne kann sich auch mal blicken lassen, während es im Norden und Osten noch
häufigere und teils gewittrige Schauer gibt, bei einem zumindest in
Nordfriesland in Böen starken bis stürmischen Westwind. Nachmittags und abends
setzt aber auch dort Wetterberuhigung ein. Bei Temperaturen zwischen 0 und 5
Grad in 850 hPa bleibt es mit maximal 12 bis 19 Grad frisch.

Am Pfingstmontag greift der Höhentrog über GB mit seinem Drehzentrum auf die
Nordsee über, wobei dessen Hauptachse durch einen von Nordwesten einlaufenden
Randtrog eine positive Neigung annimmt und sich in der Nacht zum Dienstag über
den Ärmelkanal bis nach Westfrankreich erstreckt. Somit dreht die Höhenströmung
auf dessen Vorderseite über dem Vorhersagegebiet auf Südwest und vor allem in
die Südosthälfte des Landes können vorübergehend wärmere Luftmassen advehiert
werden. Die Temperatur in 850 hPa steigt auf 1 Grad über der Deutschen Bucht und
bis knapp 10 Grad in Südostbayern.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief zieht bis zur Nacht zum Dienstag
von Schottland zur nördlichen Nordsee. Dessen teilokkludierte Kaltfront greift
im Laufe des Tages mit zeitweiligen schauerartigen Regenfällen auf den
Nordwesten Deutschlands über, kommt aber mangels Schubkomponente erst in der
Nacht zum Dienstag bis in die Südosthälfte voran, wo sie dann erneut ins
Schleifen gerät.
Somit kann sich im Süden und Osten vorübergehend länger die Sonne durchsetzen
und mit 20 bis 24 Grad wird es angenehm warm, während sich die mildere Luftmasse
im Norden und Westen bei viel Bewölkung und zeitweiligen Niederschlägen kaum
bemerkbar macht. Abends und nachts greifen die schauerartigen Regenfälle dann
auf den Südosten über, während sie im Nordwesten wieder nachlassen. Der Wind
frischt aus Süd bis Südwest auf, vor allem auf einigen Mittelgebirgsgipfeln kann
es stürmische Böen geben.

Am Dienstag und Mittwoch verlagert der Höhentrog dann sein Drehzentrum
allmählich über die Nordsee nach Dänemark und weiter nach Südschweden und auch
im Bodenfeld etabliert sich ein Tiefdruckkomplex über der Nordsee, später über
Süd- und Mittelskandinavien. Trog und Höhenkaltluft weiten sich dabei nach
Mitteleuropa aus, wobei durchschwenkende kurzwellige Randtröge immer wieder für
unbeständiges Schauerwetter sorgen, auch kurze Gewitter sind zu erwarten, vor
allem im Laufe des Dienstags und der Nacht zum Mittwoch, wo sich die -30
Grad-Isotherme in 500 hPa bis nach Norddeutschland ausweitet. Im äußersten Süden
und Südosten des Landes schleift am Dienstag noch längere Zeit die Kaltfront, an
den Alpen könnte es dann auch länger anhaltend regnen, wobei wohl keine
Warnschwellen erreicht werden. Allerdings fällt dort in der Nacht zum Mittwoch -
ehe die Niederschläge nachlassen - eventuell vorübergehend bis unter 1500 m
Schnee.
Von Nordwesten her gelangt maritime Polarluft ins Vorhersagegebiet, in 850 hPa
sinken die Temperaturen auf -1 bis +4 Grad, somit liegen die Höchstwerte meist
nur zwischen 13 und 18, mit etwas Sonne vielleicht knapp 20 Grad, bei Dauerregen
dagegen an den Alpen am Dienstag unter 10 Grad.

Am Mittwoch und Donnerstag verstärkt sich ein vom Ostatlantik über Island ins
Nordmeer gerichteter Höhenrücken, so dass jegliches Übergreifen atlantischer
Tiefausläufer auf Westeuropa unterbunden wird. Stattdessen kommt es an der
Ostflanke des Rückens zu einem weiteren, von Nordmeer Richtung Nordsee
gerichteten Kaltluftvorstoß, so dass sich der Höhentrog über Skandinavien in
seinem Südwestteil über der Nordsee regenerieren kann. Dieser Randtrog greift
dann im Laufe der zweiten Wochenhälfte, also bereits in der erweiterten
Mittelfrist, auf Mitteleuropa über. Somit dauert die unbeständige und kühle
Witterung an, wobei sich die Advektion maritimer Polarluft niedertroposphärisch
am Donnerstag und Freitag sogar noch etwas verstärkt (zwischen -2 und +4 Grad in
850 hPa).
Erst zum übernächsten Wochenende könnte sich eventuell eine von den Britischen
Inseln bis nach Südwestdeutschland reichende Hochdruckzone etablieren, so dass
sich eine Hochdruckrandlage einstellt und für eine gewisse Stabilisierung sorgt,
bei allerdings weiterhin unterkühlten Temperaturen und sogar (bei klarem Himmel
und Windstille) einer gewissen Nachtfrostgefahr.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Da gibt es nicht viel zu erzählen. Abgesehen von Details, was zum Beispiel das
Übergreifen des Troges bzw. des korrespondierenden Frontensystems am
Montag/Nacht zum Dienstag angeht. Insgesamt wird das im aktuellen Lauf etwas
progressiver und wetterwirksamer als in den beiden Vorläufen simuliert,
allerdings fällt dafür das Schleifen entlang der Alpen am Dienstag tagsüber
schwächer aus.
Ansonsten ähnelt der aktuelle lauf seinen beiden Vorgängern bis in die
erweiterte Mittelfrist nicht nur grob, sondern teilweise sogar im Detail, was
das Übergreifen kleinerer Randtröge angeht.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Unstrittig erscheint die Wetterentwicklung auch im Vergleich der vorliegenden
Globalmodelle. Die größten Differenzen sind noch bzgl. des Übergreifen des
Troges bzw. des Frontensystems am Montag bzw. in der Nacht zum Dienstag
auszumachen. Auch im Vergleich zum GFS und ICON hat diesbezüglich das IFS eine
etwas progressivere Variante auf der Agenda. GFS lässt dann die Kaltfront am
Dienstag noch längere Zeit über Süddeutschland schleifen und simuliert dort bis
zur Nacht zum Mittwoch länger anhaltende, aber keine warnrelevanten Regenfälle,
während ICON lediglich am Alpenrand höhere Mengen auf der Agenda hat. Dafür
fällt die Schauertätigkeit im Trogbereich über West- und Norddeutschland nach
Lesart des ICON-EU und des IFS intensiver aus als nach GFS.
Die Regeneration des Höhentrogkomplexes am Mittwoch und Donnerstag wird
ebenfalls mit leichten Unterschieden behaftet simuliert, wobei vor allem ICON
den Trog weiter nach Mitteleuropa ausweiten lässt als GFS und IFS. Das hat
allerdings auf die allgemeine Wetterentwicklung im Vorhersagegebiet kaum
Auswirkungen, am ehesten noch, was die räumliche Verteilung der simulierten
Niederschläge im Detail angeht.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Einen ziemlich einheitlichen Verlauf in einem engen Spread (je nach Gitterpunkt
zwischen 0 und 5 Grad) zeigt die Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur in den
Rauchfahnen verschiedener Gitterpunkte im Vorhersagegebiet. Der vorübergehende
Temperaturanstieg (auf etwa 3 bis 9 Grad) bei etwas größer werdendem Spread auf
der Trogvorderseite am Montag ist anhand der Gitterpunkten Leipzig und München
gut auszumachen.
Danach geht's sogar wieder eher etwas bergab, vor allem für die nördlichen
Gitterpunkte bewegt sich der Median von Dienstag bis Donnerstag oft um die 0
Grad.
Erst zum übernächsten Wochenende, also weit in der erweiterten Mittelfrist, wird
der Spread deutlich größer.
Niederschlagssignale weisen alle Rauchfahnen zu Genüge auf - allerdings fallen
diese allgemein nur wenig ergiebig aus.

Auch anhand des Clusterszenarios lassen sich keine abweichenden Erkenntnisse
gewinnen. Im Zeitraum T+72 bis 96 Stunden verteilen sich die 49 Member, Haupt-
und Kontrolllauf auf drei Cluster, die sich für Mitteleuropa kaum unterscheiden,
im nächstfolgenden Zeitraum (T+120 bis 168 Stunden) ist nur ein Cluster
auszumachen. Dieser zeigt die sich wieder einstellende Blockade über dem
Ostatlantik und die beständige Regenerierung des Höhentroges über Mitteleuropa
(Typ: Atlantic Ridge).
Diese Blockade beschäftigt uns auch bis weit in die erweiterte Mittelfrist,
wobei sich die Einzelläufe im Zeitraum T+192 bis 240 Stunden auf 5 Cluster
verteilen. Alle Cluster haben einen mehr oder weniger markanten Höhenrücken über
dem Ostatlantik bzw. Nordwesteuropa auf der Agenda, zeigen aber auch den Aufbau
hohen Geopotenzials entweder über Skandinavien (Cluster 1,4 und 5 mit jeweils
17, 7 und 6 Membern) oder eher über Ost-/Nordosteuropa (Cluster 2 und 3 mit
jeweils 11 und 10 Membern, Hauptlauf in Cluster 2). Allen gemein ist eher
niedriges Geopotenzial über Mitteleuropa, sei es als Trog über bzw. knapp
westlich von uns oder als Höhentief (Cluster 5). Somit dürfte uns die
unbeständige und meist unterkühlte Witterungsphase wohl noch für längere Zeit
beschäftigen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Signifikante Wettererscheinungen sind im gesamten Mittelfristzeitraum nur wenige
zu erwarten. Am Sonntag kann es vor allem über der Nordsee und in Nordfriesland
anfangs noch stürmische Böen aus West geben, in einigen Mittelgebirgsgipfellagen
ebenfalls, auf dem Brocken eventuell auch Sturmböen.
Auch mit dem Übergreifen und Durchschwenken des Frontensystems am Montag und in
der Nacht zum Dienstag frischt der Wind aus Süd bis Südwest auf und dreht auf
West, es reicht aber wohl nur an der Nordsee sowie in den Hochlagen einiger
Mittelgebirge für markante Böen (Bft 8, exponierte Gipfel Bft 9). Ähnliches gilt
für das Durchschwenken etwas markanterer Randtröge an den Folgetagen.
Im Bereich der über dem Alpenraum (nach Lesart des GFS über Süddeutschland)
schleifenden Kaltfront am Dienstag hat aktuell kein Modell warnrelevante
Regenmengen auf der Agenda und auch die Probabilistik hat keine entsprechenden
Hinweise auf der Agenda.
Häufig gibt es Schauer und auch immer wieder mal kurze Gewitter. Diese können
von Böen Bft 7 bis 8 begleitet werden, das Potenzial für Starkregen und
kleinkörnigem Hagel bleibt aufgrund des polaren Charakters der Luftmasse
(niedrige PPW-Werte) eher gering.

Zwar bleibt es - mal abgesehen vom Pfingstmontag - fast über den gesamten
Mittelfristzeitraum "unterkühlt", EFI zeigt aber keine Signale für
außergewöhnlich niedrige Temperaturen - es ist einfach nur "für die Jahreszeit
zu kalt". Allerdings könnte in der erweiterten Mittelfrist - eine gewisse
Wetterberuhigung mit gering bewölkten und windschwachen Nächten - das Potenzial
für Luftfrost in ungünstigen Lagen etwas ansteigen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff