DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-05-2021 17:01
SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Anfangs vor allem im Süden und Osten noch einzelne Gewitter. Nach kurzem
Zwischenhocheinfluss in der Nacht zum Freitag Annäherung eines Sturmtiefs.
Dadurch in der Folge Fortsetzung des wechselhaften, windigen und recht kühlen
Maiwetters.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Mitteleuropa noch immer unter einem breit aufgestellten Trog,
dessen Achse sich von Jütland bis zur Adria erstreckt. Beim genauen Blick auf
die Fernerkundungsverfahren erkennt man an der französisch-belgischen Grenze gar
ein eigenes Drehzentrum, das bei ausreichend hoher Auflösung (Abstände 2 oder
besser 1 gpdm) vor allem zwischen 700 und 500 hPa auszumachen ist. Es läuft in
den kommenden Stunden südostwärts zu den Alpen ab, verliert dabei aber immer
mehr seine Signaturen. So wird die Schauer- und Gewittertätigkeit mit Beendigung
des Tagesgangs abebben, vor allem jedoch von NRW bis zu den Alpen nicht komplett
zum Erliegen kommen. Gewitter sollten jedoch spätestens zur zweiten Nachthälfte
hin keine mehr auftreten.

Bei nur schwacher Luftbewegung aus westlichen Richtungen stellt sich die Frage
nach Auflockerungen. Die hochauflösenden Modelle zeigen vielfach ein
"Breitschmieren" der restlichen Schauerbewölkung was nach Sonnenuntergang mit
rascher Ausbildung einer bodennahen Inversion, die im Laufe der Nacht bis etwa
500m mächtig wird (ICON-EU) auch plausibel erscheint. Sollte es stellenweise
doch einmal längere Zeit aufklaren, so kann sich bei Taupunkten von 4 bis 8 Grad
relativ schnell dichter Nebel bilden (siehe Vornächte). Damit bleibt die Gefahr
von Frost in Bodennähe gering, kann aber in exponierten Tal und Muldenlagen (mit
leebedingten Auflockerungen) auch nicht ganz ausgeschlossen werden - auch wenn
das warntechnisch nicht abzufangen sein wird.

Donnerstag ... stellt sich die Wetterlage vorübergehend um. Mit Ankunft des
Sturmtiefs MARCO mit einem Kerndruck nahe 980 hPa vor der Irischen Westküste
wölbt sich massiver WLA geschuldet ein Rücken auf, dessen Achse in den
Mittagsstunden von der Nordsee in etwa entlang von Ems und Rhein verläuft. Am
Abend verläuft sie in etwa genau meridional über die zentralen Landesteile
hinweg. Damit kann auch das Hoch VESNA am Boden seinen Einfluss von Frankreich
bis nach Deutschland ausweiten und der Druck steigt südlich des Mains auf über
1020 hPa an. Somit hat der morgige Donnerstag durchaus die Berechtigung als Tag
mit Zwischenhocheinfluss eingestuft zu werden.

Ok, zugegeben, so ganz ohne Einschränkungen geht der Tag dann doch nicht über
die Bühne. So wird der Trog zwar ostwärts abgedrängt, aber letztlich nicht
schnell genug, um nicht in der Südosthälfte des Landes doch noch den ein oder
anderen Schauer oder das ein oder andere Gewitter hervorzurufen. Zum 12UTC
Mittagstermin liegen die Temperaturen in 500 hPa immerhin in den genannten
Gebieten noch unter -26 Grad und steigen erst im Westen allmählich auf -20 Grad
an. Die Lapse Rates reichen immer noch bis -0.7 K/100m, bei PPW's um 15 mm, ML
CAPE bis etwa 100 J/kg bei fehlender Scherung und Storm Motion von etwa 15
Knoten. Die Wolkenobergrenzen reichen Richtung Vogtland und Niederbayern noch
immer bis unter -30 Grad hinauf. Macht in der Summe immer noch eine erhöhte
Gewitterwahrscheinlichkeit, die aber fast nur noch die gelbe Warnstufe zulässt.
Starkregen um 15 l/qm binnen einer Stunde und kleinkörniger Hagel sollten die
absolute Ausnahme bleiben.

Nach Westen greift zwar eine Stabilisierung und durch allmähliches Absinken
bildet sich bei rund 750 hPa eine schwache Inversion aus. Dort liegt man
aufgrund der tiefen 0 Grad-Grenze in der Nähe des Grenzschichtniveaus aber
bereits unweit des -10 Grad Levels, so dass zahlreiche Quellwolken sowieso
inklusive sind, aber auch vereinzelte schwache Schauer noch weit bis in den
Nachmittag hinein möglich sind. Konvektionshemmende mittelhohe Bewölkung
(WLA-getriggert) kommt wohl im äußersten Westen erst gegen 15 Uhr MESZ verstärkt
auf.

Absinken und WLA führen niedertroposphärisch aber noch nicht wirklich zu einem
effektiven Temperaturanstieg. Immerhin erreichen wir im Südwesten am Nachmittag
schon 3-4 Grad in 850 hPa, so dass Höchstwerte bis an die 20 Grad in den Bereich
des Möglichen rücken. Vielfach bleibt es aber eher bei 14 bis 18 Grad.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der erwähnte Rücken rasch ostwärts über uns
hinweg und wir gelangen auf die Vorderseite des Zentraltiefs über den Britischen
Inseln, das mit Sturmtief MARCO am Boden korrespondiert. Dieses ist inzwischen
achsensenkrecht über der Irischen See angelangt, hat seinen Höhepunkt damit
überschritten. Auf seiner Vorderseite führt es eine Okklusion ostwärts, die in
den Frühstunden in etwa eine Linie MeckPom-Thüringer Becken-Oberrheingraben
erreicht. Anhand der Feuchte in 700 hPa wird aber schnell ersichtlich, dass die
Front zunehmend lückenhaft wird und bröckelt, da die Strömung in der mittleren
und höheren Troposphäre über Süddeutschland noch schwach antizyklonal gekrümmt
ist. Somit macht sich die Front in der Südhälfte eher nur noch den Aufzug
mehrschichtiger Bewölkung bemerkbar, Regen fällt kaum.

Anders sieht es im Norden und insbesondere in Nordseenähe aus, wo zwar die WLA
nachlässt, dafür aber ein markanter Kurzwellentrog in 500 und umso mehr in 300
hPa durchschwenkt. Die differentielle PVA macht den Löwenanteil der generierten
Hebung aus, die bei gleichzeitiger Labilisierung der Schichtung zu schauerartig
verstärkten Regenfällen führt. Untypisch für die Jahreszeit sind trotz kaltem
Nordseewasser (rund 9 Grad) auch einzelne eingelagerte Gewitter möglich. So
heftig wie bei der Wetterinterpretation ("Gewitterteppich") des ICON-D2 selbst
im skaligen Niederschlagsgebiet der "Okkl" wird es aber wohl nicht. Immerhin
fallen in diesem Zusammenhang 1 bis 5 l/qm, lokal um 10 l/qm.

Und auch der Wind frischt an der Südostflanke des Tiefs allmählich auf, so dass
auf den Nordseeinseln schon mal die ein oder andere 7er Böe auftritt. Gleiches
gilt für höhere Berglagen, exponierte Kandidaten wie der Brocken oder der
Feldberg im Schwarzwald sind mit ersten Sturmböen 8 bis 9 Bft dabei. In der
einfließenden etwas wärmeren Luft (inklusive Wolken und Wind)
bleibt die Nacht mit Tiefstwerten zwischen 10 und 5 Grad meist etwas milder.
Eine Ausnahme bildet der Südosten, wo es länger klar sein kann (in
der ersten Nachthälfte) und auch der Wind zunächst schwach bleibt. Dort werden
Tiefstwerte um 3 Grad und zumindest örtlicher Bodenfrost angepeilt.

Freitag ... gräbt sich das Zentraltief förmlich über England ein und Deutschland
liegt auf dessen Vorderseite in einer südwestlichen Strömung. Dieses mutet beim
ersten Anblick recht glatt an, offenbart jedoch bei genauerer Betrachtung
mehrerer kurzwellige Anteile, die eingelagert sind. Die Okklusion wird über den
Norden rasch ostwärts nach Polen geführt und gerät über Süddeutschland - wo sie
bis dato kaum wetterwirksam ist - ins Schleifen. Ein Teilast des Jets wird
bereits am Vormittag quer über die Landesmitte nordostwärts gesteuert, so dass
der Norden zumindest zeitweise in dessen linken Ausgangsbereich liegt. Die
Strömung könnte allerdings zugegebenermaßen über Deutschland deutlich
diffluenter sein. Das ist so richtig erst über Jütland und Südschweden der Fall.


Grundsätzlich ergibt sich durch dieses Setup über Deutschland eine Dreiteilung.


Norddeutsche Tiefebene: Postfrontal fließt wieder etwas höhenkältere Luft mit
unter 25 Grad in 500 hPa ein und die erwärmte Meeresluft ist leicht instabil
geschichtet. So wird im Tagesverlauf CAPE von 150-300 J/kg simuliert und bei
hochreichender Scherung, die vorrangig aus dem Geschwindigkeitsanteil
resultiert, von 15 m/s sind neben Einzel- auch einzelne Multizellengewitter
möglich. Trotz PPW's zwischen 15 und 20 mm ist aufgrund der raschen
Zuggeschwindigkeit der Zellen dank 30-35 Knoten in 850 hPa die Gefahr von
stürmischen Böen größer als durch Starkregen. Auch kleinkörniger Hagel oder
Graupel ist gut vorstellbar.

Mitte: Es schließt sich über der Landesmitte ein Streifen kompensatorischen
Absinkens an. Die spezifische Feuchte sinkt auf unter 5 g/kg ab. Abgesehen von
einem geringen Schauerrisiko bleibt es bei einem freundlichen Mix aus Sonne und
Wolken trocken.

Süden: Von der Biskaya greift zum Nachmittag die Haupttrogachse des britischen
Zentraltiefs auf Frankreich und zum Abend auch auf den westlichen Alpenraum
über. Dadurch wird die schleifende Front wieder aktiviert und es greifen
ausgehend von der Schweiz skalige Regenfälle bis nach Franken aus. Etwa vom Main
bis zur Alb lagert im Vorfeld noch eine leicht instabil geschichtete Luftmasse
(etwas ML CAPE knapp über 100 J/kg) in einem exorbitant gut gescherten Umfeld
(0-6km: 30 m/s, 0-1km: 10-15 m/s). Sollte die Labilität ausreichen und der
dynamische Hebungsimpuls (den es brauchen wird) nicht zu spät erst in der Nacht
kommen, so sind isoliert sogar Entwicklungen einzelner Superzellen möglich mit
der Gefahr großen Hagels und schwerer Sturmböen, wo "ocker" womöglich nicht mehr
ausreichen würde. Festzuhalten bleibt jedoch, dass der deterministische
Modelloutput bis dato derartige Szenarien aber noch nicht anbietet.

Mit 16 bis 20 Grad wird es dank des südwestlichen Einschlags des Windes nochmals
ein klein wenig wärmer. A propos: Dieser weht auch abseits von Schauern und
Gewittern allein aus dem Gradienten heraus mäßig und teilweise stark böig. Laut
ICON-EU EPS liegen die Wahrscheinlichkeiten für Windböen (Bft 7) allgemein
zwischen Elbe und Donau bei 60% und darüber, im Westen nahe 100%. Dort sowie in
anfälligen Leelagen der Mittelgebirge gibt es sogar mittlere
Wahrscheinlichkeiten um die 50% für stürmische Böen (Bft 8). Generell sind
Sturmböen aufgrund der Nähe zur Frontalzone im höheren Bergland "gebongt". Auf
dem Brocken geht es teilweise über 100 km/h (Bft 11) in Spitzenböen hinaus.

In der Nacht zum Samstag zieht der gerade noch so als Sturmtief einzustufende
MARCO zur mittleren Nordsee und weist immerhin noch einen Kerndruck von rund 985
hPa auf. Unmittelbar an dessen Südostflanke setzten sich die schauerartigen
Niederschläge im äußersten Westen und im Nordseeumfeld fort. Auch der Wind
bliebt in diesem Gebieten stark böig unterwegs mit teils stürmischen Böen.

Im Süden schwenkt der o.e. Kurzwellentrog nach Süddeutschland herein und führt
die korrespondierende Welle über die Alpen. Rückseitig geht die Temperatur in
850 hPa wieder bis nahe 0 Grad zurück, weshalb die Niederschläge bis auf rund
1200 Metern bis zum Morgen zunehmend in Schnee übergehen. Bei zu erwartenden 12
stündigen Niederschlagsmengen zwischen 10 und 20 l/qm (nördlich der Donau eher
um 5 l/qm) ist dementsprechend in den Alpen nochmals mit einer ordentlichen
Neuschneeauflage zu rechnen. COSMO-LEPS zeigt am Hochrhein sogar geringe
Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25 l/qm an. Der Großteil der probabilistischen
Verfahren legt aber nahe, dass ein warnwürdiges Niederschlagsereignis knapp
verpasst wird.
Spannend bleibt die potentielle Gewittergefahr in Mainnähe, die aufgrund der
dynamischen Hebung und noch vorhandenem MU CAPE noch nicht vom Tisch ist.

In den übrigen Gebieten lassen die Schauer meist nach und es lockert
vorübergehend auch mal auf. Die Tiefstwerte liegen bei 10 bis 4 Grad.

Samstag ... hat uns das troglastige Maiwetter wieder vollends eingeholt. Ein neu
hereinschwenkender Kurzwellentrog über der Biskaya beult den mitteleuropäischen
Trog wieder ordentlich weit nach Süden aus. An der Südflanke des Tiefs MARCO,
das allmählich auf die Westküste Dänemarks zusteuert, verstärkt sich der Zustrom
erwärmter subpolarar Meeresluft von Westen und der kurze Anflug von bis zu 5
Grad in 850 hPa wird eher wieder durch Werte nur knapp über dem Gefrierpunkt
ersetzt. Der nächtliche Randtrog schwenkt unter Abschwächung bis zum Nachmittag
zur Oder. Damit verschiebt sich das Kräfteverhältnis eher wieder zugunsten des
üblichen Tagesgangs, wo rasch die Auslösetemperaturen erreicht werden und sich
unter dem Höhentrog wieder zahlreiche Schauer und auch kurze Gewitter entwickeln
werden. Der Süden ist hierbei ausgenommen, da dort vorübergehend trockenere Luft
einfließt. Das ist auch der einzig verbliebene Bereich, der hochreichende
Scherung aufweist. Somit stehen wieder vermehrt Einzel-, teilweise auch
Multizellen auf dem Programm, die aufgrund des starken Grundwindes wohl meist
mit ocker aufgrund begleitender Sturmböen zu bewarnen sein werden.

Dadurch, dass das Tief eben noch ein bisschen näher an uns heranrückt und der
Gradient nahezu unverändert bleibt sind wohl von einer Windwarnung nur noch die
Regionen südlich der Donau ausgenommen. Vor allem in Schauer- und Gewitternähe
ist man doch bei Oberwinden von 35-40 Knoten in 850 hPa schnell bei Sturmböen
angelangt. Also unterm Strich sogar nochmal einen Zacken schärfer als noch am
Vortag.

Der Nordwesten kommt in Sachen Sonnenscheindauer wohl am schlechtesten weg. In
Sachen Höchstwerten sind wir wieder da, wo wir schon waren, nämlich bei 13 bis
18 Grad - leicht unterkühlt für die Jahreszeit.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auf Basis der aktuell vorliegenden 12z Läufe ergeben sich keine gravieren
Prognoseunterschiede.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen