DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-05-2021 17:01
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 15.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Fortdauer des wechselhaften und unterkühlten "Copy&Paste-Wetters" (every day the
same procedure as the day before).

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der kalten Seite der über Frankreich
bis zum zentralen Mittelmeer gerichteten Frontalzone. Dabei zeigt sich im
Potenzialfeld ein weitgehend zonal exponierter Trog, der von Westen her durch
einlaufende kurze Anteile immer wieder regeneriert wird. Das Hauptdrehzentrum
liegt derzeit knapp westlich von Irland,
wo es mit dem Bodentief LOTHAR korrespondiert. Die senkrechte Achsstellung
verrät, dass LOTHAR seinen Höhepunkt bereits überschritten hat (Kerndruck etwas
unter 995 hPa) und auch mit der Dynamik ist es nicht so weit her, sprich, das
hochreichende Tief verlagert sich im Laufe der Nacht nur äußerst pomadig gen
Osten.

Etwas mobiler als das Tief selbst gibt sich das okkludierte Frontensystem, das
weite Teile des Vorhersageraums ost-nordostwärts überquert. Dahinter strömt eine
frische Portion labil geschichteter Atlantikluft zu uns (T850 0 bis +2°C), die
sich aufgrund der ungünstigen Tageszeit aber nicht in voller Stärke entfalten
kann. Oder mit anderen Worten, die konvektiven Prozesse schwächen sich ab,
kommen aber nicht gänzlich zum Erliegen. Die Wahrscheinlichkeit für elektrische
Entladungen nimmt mit zunehmender Nachtlänge kontinuierlich ab.

In Bayern und BW, wo die Kaltfront etwas ins Schleifen gerät, zieht ein
mesoskaliges Regengebiet von West nach Ost, das gebietsweise 5 bis 10 l/qm,
lokal (Alpenrand) auch etwas mehr Niederschlag binnen 12 h bringt. Der Süd- bis
Südwestwind verliert mit nachlassender Konvektion ein Stück seiner Böigkeit,
macht aber in exponierten Hochlagen weiterhin auf sich aufmerksam mit Spitzen
7-8 Bft, Feldberg/Schwarzwald und Brocken bis 9 Bft.

Sonntag ... ändert sich herzlich wenig an der Potenzialverteilung, wenn man mal
davon absieht, dass sich das Drehzentrum via Irland bzw. Irische See bis nach
Südengland verlagert. Der gute LOTHAR macht - nolens, volens - den Weg mit,
wobei er sich gaaanz langsam auffüllt. Zuvor teilt er sich aber noch, was einen
zweiten, etwas schwächeren Kern zur Folge hat (die Chroniken sprechen hier von
LOTHAR II), der zur Mittagszeit im Bereich Deutsche Bucht/Fisher finden ist.

Auf der Süd-Südostflanke der beiden Tiefs dauert die Zufuhr labil geschichteter,
erwärmter Meereskaltluft an (T850 1 bis 4°C, nur im Süden etwas darüber, dazu
T500 -24 bis -27°C, nur im Süden etwas darüber). Entsprechend lebt die
Konvektion mit dem Tagesgang sowie aller sonst noch zur Verfügung stehenden
Impulsgeber (Orografie, kleinräumige Konvergenzen, kurzwellige Troganteile in
der Höhe) wieder auf und beschert uns deutschlandweit einen wechselhaften
Sonntag mit zahlreichen Schauern, kurzen Gewittern und einigen sonnigen
Momenten. Neben Starkregen um 15 l/qm/h und Böen 7-8 Bft ist vornehmlich in der
Mitte und im Süden bei leidlichen Scherungsbedingungen auch kleinerer Hagel
nicht ausgeschlossen. Integriert über Fläche und Tageslänge (12 h) kommen
gebietsweise 5 bis 10 l/qm Regen runter. Insbesondere im Lee der Mittelgebirge,
teils aber auch im Alpenvorland hingegen findet man Areale, wo es nicht mal für
einen einzigen Millimeter reicht, ja vielleicht sogar ganztägig trocken bleibt.

Der Südwestwind frischt vor allem in Schauer- und Gewitternähe stark böig auf,
während er rein vom Gradienten her relativ limitiert bleibt. So konzentrieren
sich Böen der Stärke 7-8 Bft im Wesentlichen auf einige Hochlagen, exponiert ist
auch mal eine "9 Bft" dabei. Lediglich in freien Lagen Südwestdeutschlands könnt
es auch mal für die eine oder andere nicht-konvektive steife Böe 7 Bft reichen.

Fast müßig zu erwähnen, dass auch morgen die 20°C-Marke der Temperatur ein
utopisches Ziel bleibt. Mehr als 13 bis 18°C sind nicht drin.

In der Nacht zum Montag erreicht der Hauptkern der LOTHARS die südwestliche
Nordsee, während der Sekundärkern gegen den Uhrzeigersinn von Fisher nach Utsira
dreht. Beide führen weiterhin das Regiment, müssen aber auf die Unterstützung
der Sonne (Stichwort Tagesgang) verzichten. Entsprechend verliert die konvektive
Aktivität in weiten Landesteilen an Fahrt und vor allem im Osten und Nordosten
lockert die Wolkendecke vielfach auf.

Im Westen und Südwesten hingegen bekommen die beiden LOTHARS Support von einem
Randtrog in der Höhe, der einen entsprechenden Hebungsinput leistet und nach
einer abendlichen Schwächeperiode im Laufe der Nacht erneut Schauer entstehen
lässt. Die Gewitterneigung bleibt aber gering. Der Südwestwind weht im Südwesten
mäßig, in höheren Lagen auch frisch bis stark mit Böen 7-8 Bft, auf dem Feldberg
im Schwarzwald bis zu 10 Bft.

Montag ... schwenkt der o.e. Randtrog ost-nordostwärts über den Vorhersageraum
hinweg. Derweil zieht LOTHAR I erst die west-, dann die ostfriesische Küste
Richtung Schleswig-Holstein, wobei noch nicht ganz klar ist, ob er das on- oder
offshore tut. Wichtiger als diese Frage ist aber die Tatsache, dass sich
zwischen dem Tief und einem sich über Frankreich bis in den Alpenraum
etablierenden Hochkeil ein passabler Gradient aufbaut, der in der Mitte und im
Süden einen auch unabhängig von konvektiven Umlagerungen merklich auflebenden
Südwestwind mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, in exponierten Hochlagen gar 9 bis
10 Bft zur Folge hat.

Ansonsten gibt es nicht viel Neues zu berichten. Nach wie vor gelangen wie am
Fleißband labil geschichtete und nicht gerade warme Luftmassen atlantischen
Ursprungs nach Deutschland, die das wechselhafte, naturfreundliche Wetter am
Laufen halten. Also heißt es auch zu Beginn der neuen Woche wieder Schauer und
kurze Gewitter satt, lokaler Starkregen, Böen 7-8 Bft (im worst case vielleicht
auch mal eine 9 Bft) sowie kleinerer Hagel inklusive. Dagegen bleibt die
Sonnenbrandgefahr trotz einiger Lücken respektive sonniger Fenster eher gering.

Und die Temperaturen? - Dreimal dürfen Sie raten. Richtig, 13 bis 18°C, maximal.


In der Nacht zum Dienstag heißt es wieder mal Tagesgang vs. Randtrog. Während
auf der einen Seite am Abbau konvektiver Prozesse gearbeitet wird, wird auf der
anderen Seite das Gegenteil angestrebt. Unter dem Strich kommen nach einer
vorübergehenden Schwächephase neue schauerartige Regenfälle bei uns an, die
insbesondere den Süden und Westen treffen. Akkumuliert über 12 h kommen bis 5
l/qm, in Staulagen bis zu 10 l/qm, im Schwarzwald lokal vielleicht bis zu 15
l/qm Niederschlag zusammen.

Der Südwestwind büßt gegenüber dem Tag an Stärke und Böigkeit ein, in den
Hochlagen bleibt er aber prominent unterwegs mit Spitzen 7-8 Bft, in exponierten
Kamm- und Gipfellagen 9 bis 10 Bft.

Dienstag ... Wie heißt es so schön, "Geschichte wiederholt sich". Nun, auf das
Wetter trifft das derzeit auch überdurchschnittlich zu. Von daher siehe Montag
oder - sehr lesenswert - die Synoptische Übersicht Mittelfrist von heute Mittag.



Modellvergleich und -einschätzung
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Abgesehen von Kleinigkeiten simulieren die Modelle die Entwicklung sehr ähnlich.
Unwägbarkeiten ergeben sich - wie fast immer bei konvektiv geprägten Lagen - im
Hinblick auf die Niederschlags- und Gewitterprognose. Dabei ist viel Nowcasting
und weniger präventives Warnmanagement gefragt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann