DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-05-2021 17:30
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 12.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
S04 vs. Hertha zur Halbzeit 1:1.
Ansonsten bis auf Weiteres unbeständige Tiefdrucklage mit erwärmter
Atlantikkaltluft, Regenfällen und Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland zwischen einem stark negativ geneigten Höhentrog
mit Drehzentrum über Irland und einem im wahrsten Sinne des Wortes krummen
Rücken, der sich bogenförmig von Russland via Baltikum bis nach Polen erstreckt.
Während der Rücken wie festgenagelt scheint, bohrt sich der südöstliche Teil des
Troges von Italien bzw. der Adria immer weiter zum nördlichen Balkan, bis er
schlussendlich Anschluss zu einem Höhentief über der Ukraine findet. Klingt
kompliziert, ist es auch, wirft für unseren Raum aber lediglich die Erkenntnis
ab, dass die südöstliche Höhenströmung im Laufe der Nacht immer schwächer wird.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Achse des westeuropäischen
Haupttrogs über Frankreich dichter an den Vorhersageraum heranrückt.

Von der Höhe in die untersten Sphären der Troposphäre, wo es von einer wahrlich
bemerkenswerten Konstellation zu berichten gilt. Gleich ein ganzes Quartett
(genau genommen sind es zwei Duetts) "männlicher" Tiefs umzingelt unser Land,
getrennt von einer schmalen Zwischenhochzone, die wahrscheinlich aufgrund ihrer
Schwäche noch nicht mal einen Namen von der FU Berlin bekommen hat. Allen Tiefs
gemein ist, dass ihre anatomischen Ressourcen beschränkt sind und sie eher als
"laue Gesellen" auf relativ hohem Druckniveau (um 1005/1010 hPa) durchgehen.
Trotzdem geht von den Herrschaften eine gewisse Wirkung aus, wobei das östliche
Duo etwas mehr zu bieten hat als das westliche. Aber um wen genau geht´s denn
jetzt eigentlich?

Fangen wir im Osten an, wo sich eine vom Balkan bis nach Südskandinavien
reichende Tiefdruckrinne befindet. Im nördlichen Teil der Rinne findet man noch
Reste des ehemaligen alpinen Leetiefs IMMANUEL, das aber kurz vorm Aus steht.
Wichtiger ist sein Nachfolger KAI über dem Dreiländereck
Polen-Tschechien-Slowakei im Bereich der Westbeskiden. Es sorgt zum einen dafür,
dass in weiten Teilen der Osthälfte die Gegenstromlage am Laufen gehalten wird
(unterhalb etwa 1000 m Nordwest, darüber Drehung auf Südost). Diese induziert
von Bayern über die östliche Mitte bis hoch nach SH und Mecklenburg
vorherrschend skalige Regenfälle, wobei die höchste Intensität mit Hilfe von
Staueffekten vom Thüringischen Schiefergebirge bis hinüber zum Erzgebirge sowie
in den Fränkischen Mittelgebirgen zu finden ist (5 bis 15, lokal um 20 l/qm
innert 12 h, Dauerregenwarnungen laufen).
Zum anderen steuert das Tief von Polen und Tschechien her etwas labilere
Luftmassen in den äußersten Osten (insbesondere BB und Sachsen), in der es zu
abgehobenen Gewittern kommt (abgehoben deswegen, weil der Nordwestwind unten für
einen kalten und stabilen Fuß sorgt). Dass die Gewitter die Nacht überleben, ist
eher unwahrscheinlich. Naheliegender ist da schon ein Verschmelzen zu
nicht-gewittrigem, mehrstündigem Starkregen, der noch geringfügig nordwestwärts
vorankommt. In der Niederlausitz simuliert ICON von 12 UTC um 25 l/qm binnen 6 h
(nach Mitternacht). Da andere Modelle andere Schwerpunkte setzen, bleibt
eigentlich nur Nowcasting als Mittel der Wahl, wenn man keine "Bombenabwürfe"
provozieren will.

Im Westen bestimmt die Achse HUBERTUS-JODOCUS das Geschehen, wobei der eine
(HUBERTUS) bei Irland eher als Graue Eminenz agiert, während der jüngere JODOCUS
über Westfrankreich etwas aktiver ist. Bei uns allerdings agieren die beiden
derzeit nur peripher und so verwundert es nicht, dass die anfangs in den
westlichen Landesteilen auftretenden sporadischen Schauer und Gewitter
tagesgangbedingt alsbald einknicken. Stattdessen lockert die Wolkendecke
vermehrt auf, was die Temperatur in der relativ kühlen Atlantikluft (T850 nur um
3°C) vor allem in den Mittelgebirgen auf 5°C oder etwas darunter sinken lässt.
In der Eifel ist lokal sogar leichter Frost in Bodennähe möglich.

Donnerstag ... ist "Vaddertach" und entsprechend geben auch die Herren der
Schöpfung den Ton beim Wetter an. Reiner Zufall freilich, und ob das wirklich
gut ist, mag ein jeder selbst beurteilen. Fakt ist, dass es dem wenig mobilen
KAI im Osten und dem sich teilenden JODOCUS im Westen (ein Kern liegt um 12 UTC
über der Normandie, ein zweiter irgendwo im Bereich Belgien/Westdeutschland)
gelungen ist, die zuvor noch bestehende "Trennwand" in Form des o.e.
Zwischenhochs zu tilgen. Unter dem Strich findet sich auf der Wetterkarte
nunmehr ein großräumiger, von Westeuropa bis zum östlichen Mitteleuropa
reichender Tiefkomplex, der bei uns amorphe Züge aufweist. Lediglich im Osten
ist noch etwas Gradient gegeben, was zwischen Ostsee und Erzgebirge einen
schwachen bis mäßigen, mitunter böig auffrischenden West- bis Nordwestwind zur
Folge hat.

Wenig Bewegung auch in der Höhe, wo zwar das Höhentief von der Ukraine in
Richtung Baltikum zieht und dabei den Rücken attackiert, sonst aber eher wenig
passiert. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass der Trog von Westen
etwas dichter an den Vorhersageraum heranrück, was mit einer gewissen
Labilisierung der atlantischen Luftmasse einhergeht. Entsprechend lebt mit
Unterstützung des Tagesgangs die Konvektion auf, was dem Westen und Südwesten
bis in den zentralen Mittelgebirgsraum hinein neben Auflockerungen auch einige
Schauer und vielleicht sogar das eine oder andere kurze Gewitter bringt.
Immerhin wird etwas CAPE generiert und zudem etabliert sich am Boden eine
schwach-konvergente Rinne, die mit einer Feuchteflusskonvergenz korreliert und
am Nachmittag von der Rheinmündung über NRW und Hessen bis nach Unterfranken
reicht. In ihr sowie in unmittelbarer Nachbarschaft konzentrieren sich die
meisten konvektiven Umlagerungen, wobei potenzielle Gewitter in der Basis "gelb"
ausfallen, in Einzelfällen aber auf Beförderung zu "ocker" hoffen dürfen, wenn
sie - was realistisch ist - entweder kleinkörnigen Hagel und/oder Starkregen um
15 l/qm (PPWs zwischen 15 und 20 mm) ins Feld werfen.

Nach Osten hin schwächt sich die Gegenstromlage allmählich ab, weil in der Höhe
immer weniger Zug vorhanden ist. Trotzdem regnet es von Ostbayern über die
östliche Mitte und das östliche NDS bis hoch nach SH und Mecklenburg weiter. Da
die Regenprognosen modellübergreifend divergieren, sollte in der Frühkonferenz
eine erste Bewertung erfolgen, ob die laufenden Dauerregenwarnungen (teils bis
Freitagmorgen) ggf. irgendwo angepasst werden müssen (z.B. könnte man sich über
Ostbayern eine vorzeitige Aufhebung vorstellen).
Auf alle Fälle gilt es zu konstatieren, dass es von Polen her erneut den Versuch
gibt, etwas instabilere Luftmassen über die Grenze schwappen zu lassen, was
bedingt auch gelingt. Immerhin liegt T850 am Nachmittag zwischen der
Niederlausitz und Vorpommern bei 7 bis 10°C, während der größte Teil des Landes
den Feiertag bei Temperaturen unter 5°C auf 850 hPa verbringt. Ob es allerdings
auch gelingt, einzelne Gewitter in Ostsachsen, im östlichen BB sowie in
Ostvorpommern zu installieren, wie von einigen Modellen angedeutet, ist
fraglich. Dafür spricht, dass sie es heute auch geschafft haben. Dagegen
sprechen auf alle Fälle der weiterhin kühle, stabile Fuß durch den Nordwestwind
sowie die auf deutscher Seite weitgehend geschlossene Bewölkung (womit
Einstrahlung und der damit verbundene Energieinput als möglicher entscheidender
Impuls ausfallen). Auch fallen die Gewitter auf polnischer Seite nicht so stark
aus, dass sie auf ihrem Weg nach Westen den schlechten Rahmenbedingungen so mir
nichts, dir nichts trotzen können und einfach durchmarschieren. Aber wie sagt
ein Kollege immer so schön, bei Ostgewittern bis du vor Überraschungen nicht
gefeit. Lassen wir das mal so stehen...

Sei abschließend nur noch die Temperatur erwähnt, die eine bizarre Verteilung
aufweist. Am kühlsten bleibt es im Regen von Ost-Südostbayern bis hoch nach SH
und Mecklenburg, wo keine 15°C und im Bergland vielfach nicht mal 10°C erreicht
werden. Milder wird es hingegen im Westen und Südwesten mit bis zu 19°C und auch
im Bereich der deutsch-polnischen Grenze könnte es gebietsweise für 16 bis 19°C
reichen.

In der Nacht zum Freitag schaffen es der sich noch etwas nach Osten ausbeulende
Höhentrog und das etwas nach Westen austretende Höhentief über dem Baltikum sich
fast zu verbinden. Nur eine ganz schmale Potenzialbrücke bleibt über dem Osten
und Nordosten Deutschlands übrig, deren Wirkung aber marginal ist. Trotz weiter
nachlassenden Gegenstroms regnet es noch weiter in einem von der östlichen Mitte
bis nach SH respektive zur Deutschen Bucht reichenden Korridor. Nach den
jüngsten Berechnungen von ICON von 12 UTC sollen dabei noch mal gebietsweise 5
bis 10 l/qm, lokal etwas mehr innert 12 h zusammenkommen.

Ansonsten wird den wenigen Gewittern im äußersten Osten, so ihnen denn überhaupt
der Grenzübertritt gewährt wird, rasch das Wasser abgegraben. Nicht ganz so
schnell geht es weiter westlich, wo im Bereich der noch etwas nach Norden
schwenkenden Konvergenz zwischen NRW bzw. dem südlichen/ südwestlichen NDS und
dem zentralen Mittelgebirgsraum zumindest die Schaueraktivität noch einige Zeit
am Leben gehalten wird. Dagegen nimmt die Gewitterwahrscheinlichkeit rasch ab.

Am kältesten wird die Nacht einmal mehr in den westlichen und südwestlichen
Mittelgebirgen, wo bei Aufklaren die 5°C-Marke unterschritten wird und der
Gefrierpunkt in Bodennähe gefährlich nahe rückt. Aber wer baut schon Erdbeeren
in exponierten Kaltluftsenken der Mittelgebirge an.

Freitag ... verbleiben wir zwischen dem zum westlichen Mittelmeer abtropfenden
Höhentrog und dem in Richtung Gotland ziehenden Höhentief unter extrem flauen
Potenzialverhältnissen. Bodennah sieht es nicht viel besser aus. Das flache Tief
KAI östlich von uns das Baltikum an, wodurch der ohnehin schon nicht berühmte
Gradient noch weiter auffächert. Damit steht auch die Gegenstromlage vor dem
Aus, auch wenn sie - offensichtlich ausgestattet mit einem enormen
Trägheitsmoment - bis weit in den Tag zumindest strichweise noch etwas Regen
zwischen Ostsachsen und SH bzw. der Nordsee induziert.

Ansonsten gelangen vor allem der Westen und Südwesten sowie die westliche Mitte
unter den Trog und somit in den Genuss labil geschichteter und leidlich feuchter
Atlantikluft (T850 am Nachmittag 3 bis 6°C, T500 -22 bis -26°C). Wettertechnisch
bedeutet das wechselnde Bewölkung und im Tagesverlauf auflebende Konvektion in
Form zahlreicher Schauer und einzelner kurzer Gewitter. Als Trigger fungieren
neben den Komponenten Einstrahlung und Orografie sowie kleinräumige
Windkonvergenzen auch die größere Konvergenz vom Vortag bzw. der Vornacht, die
zwischen dem Grenzbereich NRW/NDS und dem zentralen Mittelgebirgsraum noch immer
erkennbar und aktiv. In der Basis sollten die Gewitter der untersten
Intensitätsstufe zuzuordnen sein, gleichwohl ist lokaler Starkregen aufgrund
kaum vorhandener Mobilität der Zellen sowie möglicher Verclusterung nicht
kategorisch ausgeschlossen. Die in der Frühübersicht geäußerte geringe
Wahrscheinlichkeit für F2-Tornados im Bereich der Konvergenz ist noch geringer
geworden, weil inzwischen die Wolkenbasen höher gerechnet werden, so dass der
Weg zwischen Wolke und Boden trotz weiterhin guter niedertroposphärischer
Richtungsscherung zu weit werden könnte.

Trocken oder zumindest weitgehend trocken bleibt es im äußersten Nordwesten und
Nordosten sowie in weiten Teilen Bayerns (Norden und Osten). Gleichwohl sollte
man die Erwartungen auf überproportional viel Sonnenschein nicht zu
hochschrauben. Das gilt übrigens für alle auch im Hinblick auf die Temperatur,
die weiterhin ein Dasein unterhalb der 20°C-Marke fristet. 14 bis 19°C lautet
die Spanne, im Nordosten eher noch etwas kühler.

In der Nacht zum Samstag verbleiben wir unter dem Trog bzw. innerhalb
gardientschwacher Druckverhältnisse, in denen erwärmte Meereskaltluft (T850 1
bis 4°C) Trumpf ist. Im Nordosten zieht der letzte Regen der ehemaligen
Gegenstromlage Richtung Ostsee ab und auch sonst schwächt sich die Konvektion
tagesgangbedingt ab, auch wenn sie nicht ganz einschläft. Mitunter lockert oder
klart es auf, was in dieser Luftmasse neben einigen Nebelfeldern einstellige
Tiefstwerte zur Folge hat. Immerhin tragen diese ein positives Vorzeichen,
einzig in einigen ungünstigen Mittelgebirgslagen ist leichter Frost in Bodennähe
nicht ausgeschlossen.

Samstag ... tut sich wenig an der Gemengelage. Die Frontalzone verläuft vom
mittleren Nordatlantik kommend bis in den Mittelmeerraum, wobei sie eine relativ
glatte Struktur aufweist. Wir verbleiben auf der kühlen Nordseite unter einem
weitgehend zonal nach Osten exponierten Höhentrog, der zwar nicht mit
überbordend kalter, aber ausreichend labiler Luft angefüllt ist.

So stellt sich am 33. Spieltag der Fußballbundesliga ein sehr wechselhafter
Wettercharakter mit vielen Wolken, einigen Auflockerungen bzw. sonnigen Fenstern
und zahlreichen Schauern und Gewittern ein. Die Hauptaktivität der Konvektion
wird von den meisten Modellen im Norden und Nordwesten gesehen, wo in der Fläche
durchaus 5 bis 10 l/qm, örtlich auch noch etwas mehr über den Tag zusammenkommen
können. Bei den Gewittern besteht aufgrund kaum vorhandener
Verlagerungsgeschwindigkeit die Gefahr von Starkregen über 15 l/qm binnen kurzer
Zeit (PPWs 15 bis 20 mm).

Thermisch kann der Nordosten auf einen kleinen Aufschwung hoffen, sonst tut sich
nicht allzu viel. Die 20°C-Marke wird allenfalls sporadisch angekratzt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Fundamentale Unterschiede offenbaren die Modelle nicht. Wie fast immer liegen
die Unschärfen beim Niederschlag und der Konvektion, was im Text aber bereits
angesprochen wurde.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann