DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-05-2021 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.05.2021 um 10.30 UTC



Unbeständig mit relativ häufigen, aber wohl nicht allzu ergiebigen
Niederschlägen, teils auch gewittrig, verhältnismäßig kühl.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 18.05.2021


Des einen Freud - des anderen Leid: Während sich der ein oder andere Sonnen- und
Wärmefetischist noch etwas gedulden muss, kommen die vielerorts noch immer
dürregeplagten Getreide-, Gemüse- und Waldbauern sowie die Hobbygärtner
zumindest einigermaßen auf ihre Kosten.
Der gesamte Mittelfristzeitraum wird nämlich dominiert durch überwiegend
niedriges Geopotenzial über weiten Teilen West- und Mitteleuropas, allerdings
sind sowohl die Geopotenzialverteilung in der Höhe als auch das Bodenruckfeld
nicht mit einem sonderlich üppigen Gradienten ausgestattet, wodurch sich das
Auftreten markanter Wettergefahren - vielleicht mit Ausnahme regionaler
Niederschlagsereignisse - sehr in Grenzen hält. Es dominieren also bis in die
erweiterte Mittelfrist die Großwetterlagen TrW, TM bzw. TrM, vielleicht mit
einer Tendenz zu Wz zum Ende hin.

Doch der Reihe nach:
Am Freitag, zu Beginn des Mittelfristzeitraumes, weitet sich ein mit mehreren
kleinräumigen Drehzentren ausgestatteter Höhentrog von den Britischen Inseln her
über Frankreich und Südwestdeutschland ins westliche Mittelmeer aus, wobei
dessen Achse bereits in der Nacht zum Samstag auf Italien übergreift. Flankiert
wird dieser Trog im Nordosten von einem Höhentief, das sich von der südöstlichen
Ostsee bis zur Nacht zum Samstag allmählich nach Südschweden verlagert und einem
flachen Höhenrücken über Südwesteuropa, der sich von der Iberischen Halbinsel
nach Zentralfrankreich erstreckt.
Die daraus resultierende flache Geopotenzialverteilung über Mitteleuropa
korrespondiert mit einem ähnlich flauen Bodendruckfeld, wobei sich die an der
Südwestflanke des mit dem Höhentief korrespondierenden und von Nordostpolen
allmählich zur mittleren Ostsee ziehenden, aber auffüllenden Bodentiefs
eingestellte Gegenstromlage über dem Osten und Norden Deutschlands (in der Höhe
Südost, am Boden Westnordwest) rasch abschwächt und die (an den beiden Vortagen
durchaus warnrelevanten) schauerartigen Regenfälle im Tagesverlauf deutlich
nachlassen.
Dann gilt es, den Blick eher gen Westen zu richten: Mit Ausweitung des
Höhentroges über Südwestdeutschland hinweg südostwärts labilisiert vor allem
dort die Luftmasse (T500 hPa um -25 Grad, T850 hPa 1 bis 4 Grad) und -
unterstützt durch den Tagesgang - entwickeln sich vor allem im Südwesten und
Westen Schauer und auch kurze Gewitter, die sich auch auf die mittleren
Landesteile ausweiten. Die Sonne zeigt sich eher selten - am ehesten noch im
Nordwesten und Südosten - und mit 13 bis 18 Grad bleibt es recht kühl.

Am Samstag verlagert sich der Südteil des Höhentrogkomplexes über die Adria
Richtung Balkan bzw. Ägäis, während der Trog über den Britischen Inseln vom
nahen Ostatlantik her wieder regeneriert wird. Die langgestreckte, mit zunehmend
negativer Neigung ausgestattete Haupttrogachse erstreckt sich über den Westen
und Süden Deutschlands hinweg südostwärts. An deren Südwestflanke verläuft die
Frontalzone für diese Jahreszeit außergewöhnlich weit südlich über die Biskaya
und Frankreich hinweg bis in den zentralen Mittelmeerraum.
Im Bodendruckfeld schwenkt ausgangs der Nacht ein flacher Hochkeil über
Deutschland hinweg rasch ostwärts, ehe mit Annäherung eines Tiefs östlich von
Irland von Westen her Druckfall einsetzt. Im Bereich der Trogachse bleibt die
Luftmasse hochreichend labil geschichtet (T500 hPa -26 bis -23 Grad, T850 hPa 1
bis 5 Grad; jeweils mit den niedrigsten Werten im Westen/Nordwesten und den
höchsten im Südosten), so dass sich im Tagesverlauf erneut vielerorts Schauer
und auch kurze Gewitter bilden. Regional eng begrenzt ist dann bei langsamer
Verlagerung bzw. Verclusterung der Schauer Starkregen möglich. Lediglich ganz im
Norden bzw. Nordosten ist die Luftmasse etwas stabiler geschichtet, dort kommt
kaum mehr was von den Schauern an. Am Temperaturniveau ändert sich nur wenig. In
der Nacht zum Sonntag kommt die Trogachse über Mitteleuropa langsam nach Norden
voran, die Luftmasse labilisiert durch die Advektion höhenkälterer Luft sogar
noch etwas, so dass es auch die Nacht über hinweg noch Schauer geben kann.

Am Sonntag verliert die über Norddeutschland allmählich nach Norden schwenkende
Trogachse an Kontur, während sich der Höhentrog über den Britischen Inseln zur
Nordsee und Richtung Benelux ausweitet. Damit dreht die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet auf Südwest. Während die Luftmasse über dem Südosten des Landes
vorübergehend etwas stabilisiert und die Schauerneigung dort ein wenig nachlässt
(aber nicht komplett zum Erliegen kommt), bleibt sie im Nordwesten mit
Trogannäherung hochreichend labil geschichtet. Vor allem dort gibt es verbreitet
Schauer und kurze Gewitter, in Staulagen der westlichen Mittelgebirge kann es
auch mal länger regnen, für warnrelevante Mengen reicht das aber voraussichtlich
nicht. In der Nacht zum Montag kommen Trog und korrespondierendes Bodentief
allmählich noch ein wenig nach Osten voran, das Bodentief erreicht Montagfrüh
Südostengland, ein dazu gehöriges Frontensystem überquert weite Teile
Deutschlands ostwärts. Somit weiten sich die schauerartigen Niederschläge
allmählich ostwärts aus, etwas außen vor bleiben wohl einmal mehr der Nordosten
und der äußerste Osten. Am Temperaturniveau ändert sich nur wenig, lediglich im
Osten/Südosten kann es am Sonntag tagsüber bei etwas häufigerem Sonnenschein an
die 20 Grad mild werden.

Am Montag und Dienstag nistet sich der Höhentrog über der Nordsee regelrecht ein
und umfasst dann erneut weite Teile West- und Mitteleuropas.
Das korrespondierende Bodentief füllt sich über der mittleren Nordsee zögerlich
auf, wobei sich eine Rinne bis ins östliche Mitteleuropa bzw. zur mittleren
Ostsee ausweitet und sich dort letztendlich am Dienstag ein neues Bodentief
etablieren kann. Die Strömung über Mitteleuropa dreht somit niedertroposphärisch
auf Nordwest und macht den Weg frei für einen erneuten Schwall maritimer
Polarluft. In 850 hPa sinkt die Temperatur bis Dienstagabend deutschlandweit auf
0 bis 3 Grad, in 500 hPa verharrt sie bei etwa -25 Grad. An beiden Tagen steht
also vor allem jeweils tagsüber mehr oder weniger landesweit kühles
Schauerwetter ins Haus, auch kurze Gewitter sind möglich, für warnrelevante
Mengen dürfte es aber nach wie vor kaum reichen. An der Südflanke des Tiefs wird
es windiger, eventuell gibt es in einigen Hochlagen stürmische Böen aus West.
Nachts klingen die Schauer vorübergehend ab; dort, wo es längere Zeit gering
bewölkt bleibt, kann es in ungünstigen Lagen sogar Bodenfrost geben.

In der erweiterten Mittelfrist zu Wochenmitte und darüber hinaus schwenkt nach
Lesart des aktuellen IFS-Laufes der Höhentrog allmählich über Mitteleuropa
hinweg ostwärts und weitet sich nach Südosteuropa aus. Ihm folgt ein
Höhenrücken, der sich von Südwesteuropa bis nach Frankreich erstreckt und
allmählich ostwärts schwenkt. Derweil macht sich über Nordwesteuropa ein
umfangreicher Höhentrog breit und leitet den Übergang zu einer wohl eher
zyklonal konturierten Westlage in Mitteleuropa ein. Zumindest in der Südhälfte
Deutschlands dürfte der Rücken für eine vorübergehende Wetterberuhigung sorgen
und insgesamt steigt das Temperaturniveau auch etwas an, es bleibt insgesamt
aber wohl unbeständig.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Im Großen und Ganzen erweist sich der aktuelle IFS-Lauf als einigermaßen
konsistent zu seinen beiden Vorläufen, am grundlegenden Muster hat sich kaum
etwas geändert.
Im Detail ergeben sich aber schon gewisse, auch prognoserelevante Differenzen.
Diese betreffen in erster Linie das Auftreten und die Zugbahn kleinerer
Randtröge, die wiederum mit überwiegend flachen Druckgebilden im Bodenfeld
korrespondieren.
So sollte nach Lesart der beiden gestrigen Läufe am Samstag bzw. Sonntag ein
flaches Tiefdruckgebiet von Westen her über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts
ziehen, welches der aktuelle Lauf gar nicht auf der Agenda hat. Ein weiteres
Tief zieht im aktuellen Lauf am Montag von England über die Deutsche Bucht nach
Dänemark. Dieses sollte nach Lesart des gestrigen 00 UTC-Laufes zur mittleren
Nordsee ziehen, der gestrige 12 UTC-Lauf hat es nur als Bodentrog auf der
Agenda. Am dominierenden wechselhaften Witterungscharakter ändern diese
Differenzen allerdings nur wenig.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Prinzip gilt das in der IFS-Konsistenzbetrachtung Geschriebene auch beim
Modellvergleich: Bzgl. der grundlegenden Wetterentwicklung unterschieden sich
die Modelle bis in die erweiterte Mittelfrist kaum.
Im Detail kommt es aber zu Differenzen. Diese betreffen zunächst vor allem den
Samstag: Aufgrund einer stärker simulierten Randtiefentwicklung über der
westlichen Ostsee bzw. Dänemark dauert die Gegenstromlage nach Lesart des GFS im
Nordosten des Landes auch den ganzen Samstag über hinweg an bzw. verschärft sich
sogar noch etwas. GEM hat dieses Randtief weiter nördlich auf der Agenda und
beschränkt die etwas häufiger auftretenden Niederschläge auf die Ostseeküste,
ICON-EU simuliert am Freitag/Nacht zum Samstag insgesamt sogar weniger
Niederschläge als IFS im Nordosten.
Die genaue Zugbahn bzw. Ausrichtung des von Sonntag bis Dienstag sich von den
Britischen Inseln auf die Nordsee bzw. auf Mitteleuropa ausweitenden Höhentroges
sowie des korrespondierenden Bodentiefs wird ebenfalls mit kleineren Differenzen
behaftet simuliert. Die südlichste Bodentief-Zugbahn hat dabei das IFS auf der
Agenda (England-Deutsche Bucht-Dänemark bis Dienstagfrüh), ICON nur wenig weiter
nördlich, GFS lässt es dagegen deutlich langsamer und weiter nördlich vom
Seegebiet nordwestlich Schottlands bis zur westlichen Nordsee ziehen, hat dafür
aber in der Nacht zum Dienstag erneut eine kleine Randtiefentwicklung über der
südlichen Ostsee auf der Agenda, an deren Westflanke es aufgrund einer
Gegenstromlage im Nordosten Deutschlands vorübergehend zu ergiebigeren
Regenfällen kommen könnte.
Entsprechend dürfte das IFS auch die markanteste Windentwicklung am
Montag/Dienstag auf der Agenda haben.

In der erweiterten Mittelfrist tendiert der aktuelle IFS-Lauf ja zu West
zyklonal mit leichter Milderung, während sich nach Lesart des GFS der Höhentrog
knapp östlich des Vorhersagegebietes regenerieren und nach Süden ausweiten soll.
Ein weiterer, nach Mitteleuropa gerichteter Vorstoß maritimer Polarluft
arktischen Ursprungs an der Südwestflanke eines kräftigen Tiefs über
Südskandinavien wäre die Folge mit teils negativen Temperaturen im 850
hPa-Niveau.
GEM belässt es dagegen eher bei einer Melange aus den Großwetterlagen TrW, TM
bzw. TrM.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Grunde führt auch die Ensemblebetrachtung nicht zu großartig neuen
Erkenntnissen. Im Zeitraum T+72 bis 96 Stunden verteilen sich die 49
ENS-Mitglieder, der Haupt- und Kontrolllauf auf 3 Cluster, die allesamt den von
West- auf Mitteleuropa und bis weit in den Mittelmeerraum ausgreifenden
Höhentrog auf der Agenda haben.
Im nächstfolgenden Zeitraum (T+120 bis 168 Stunden) sind vier Cluster
auszumachen. Diese unterscheiden sich hauptsächlich, die Zugbahn bzw.
Ausrichtung des Höhentroges und des korrespondierenden Bodentiefs betreffend.
Der Hauptlauf ist dabei dem Cluster 4 (mit insgesamt 10 Membern) zugeordnet, der
die südlichste und auch progressivste Variante auf der Agenda hat; bereits am
Dienstag, 00 UTC befinden sich das Drehzentrum des Troges über Mitteleuropa und
das Bodentief über der südlichen Ostsee. Cluster 1 bis 3 (15, 14 und 12 Member)
zeigen allesamt Trog und Bodentief sowohl am Montag als auch am Dienstag weiter
westlich, nämlich über den Britischen Inseln bzw. über der Nordsee.
In der erweiterten Mittelfrist (T+192 bis 240 Stunden) verteilen sich die Läufe
dann auf zwei Cluster (jeweils 35 und 16 Member, Haupt- und Kontrolllauf in
Cluster 1). Cluster 1 tendiert Richtung West zyklonal, während Cluster 2 eher
eine erneute Austrogung über Mitteleuropa auf der Agenda hat.

Bis Sonntag verläuft die Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur der Rauchfahnen
verschiedener, über das gesamte Vorhersagegebiet verteilter Gitterpunkte in
einem relativ engen Spread auf niedrigem Niveau, wobei sich die meisten Member
zwischen etwa 2 und 5 Grad bündeln (im Südosten etwas höher als im Nordwesten).
Diese Tendenz bleibt auch in der kommenden Woche erhalten, wobei das
Temperaturniveau sogar vor allem im Norden /Nordosten noch minimal absinkt.
Allerdings gibt es auch einige wenige Ausreißer nach oben. Das deutet auf
Einzelläufe mit einer Austrogung so weit im Westen hin, dass das
Vorhersagegebiet zumindest vorübergehend unterhalb einer warmen südwestlichen
Höhenströmung gerät. Auch vereinzelte GEM- bzw. GFS-Member haben eine solche
Variante auf der Agenda. Das scheinen aber aktuell noch absolute Ausreißer zu
sein.

Fazit:
Unbeständig und kühl, wohl bis in die erweiterte Mittelfrist!
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Es steht zwar ein wohl für die Jahreszeit zu kühler Witterungsabschnitt ins
Haus, allerdings gibt EFI keine Signale für außergewöhnlich niedrige
Temperaturen, sowohl die Minima als auch die Maxima betreffend.
Ähnliches gilt auch bzgl. der Niederschläge. Die probabilistischen Verfahren
zeigen keine Signale für warnrelevante Mengen im Flächenmittel. Kleinräumig kann
das aber, wie weiter oben beschrieben, nicht ausgeschlossen werden.
Zu Beginn kommender Woche steigt zumindest nach Lesart des IFS und ICON das
Potenzial für markante Böen (Bft 8 bis 9) aus West in den Kamm- und Gipfellagen
einiger Mittelgebirge bzw. der Alpen.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff