DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-05-2021 17:30
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Von Westen heranrückende Kaltfront mit Regenfällen und im Osten sich aufbauender
Gewittergefahr. Gebietsweise windig, an den Alpen Föhn.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Bereich einer südwestlichen
Höhenströmung zwischen einem Höhenrücken über dem östlichen Mitteleuropa und
einem Trog, dessen Achse zur westlichen Iberischen Halbinsel gerichtet ist.
Bodennah kommt die Strömung stramm aus Süd zwischen einem Hoch über dem
Schwarzen Meer und einem kräftigen Tief nahe Irlands, an dessen Kaltfront über
Frankreich und Spanien sich auch ein weit südwärts ausgreifender Bodentrog
gebildet hat. Mit dieser Strömung ist eine warme und trockene subtropische
Luftmasse nach Deutschland gelangt, in der heute um 12 UTC zwischen 9 Grad in
Schleswig und 16 Grad in Essen gemessen werden konnten. Zusammen mit durchaus
spürbaren und teils böigem Südwind konnte sich bei kräftiger Sonneneinstrahlung
die warme Luft bodennah durchsetzen und hat uns heute einen außergewöhnlichen
Temperatursprung beschert: So stieg die Temperatur heute zwischen den Minima um
6 Uhr morgens (die in der nächtlichen stabilen Grenzschicht noch von den
niedrigeren Temperaturen des Vortages geprägt waren) und dem mittleren
Nachmittag teils um 25 Grad. Es überrascht nicht, dass die Luft heute auch sehr
trocken ist mit Taupunkten unter 10 Grad in vielen Regionen, nur im Norden und
Westen ist die Luft etwas feuchter. Über dem äußersten Nordwesten schleift
deswegen auch eine Zone mit einer Luftmasse, in der etwas Labilitätsenergie
vorhanden ist und wo es immer wieder zu Schauern und einzelnen Gewittern kommt.
Mit der kräftigen Südströmung stellt sich an den Alpen zunehmend eine
Föhnsituation ein, was schon am Nachmittag an den extrem niedrigen Taupunkten im
Alpenvorland zu sehen war. Diese soll in der Nacht anhalten und den Alpengipfeln
Sturmböen bescheren, höheren Alpengipfeln, die noch stärker in der kräftigen
Höhenströmung liegen, auch schweren Sturmböen. Bodennah soll sich der
Druckgradient zwischen Bozen und Innsbruck auf etwa 6 bis 7 hPa einpendeln, was
den Föhntälern bei uns einzelne steife Böen bringt. Auch im übrigen Land schläft
der Wind heute Nacht nicht ganz ein und vor allem in den Bergländern und deren
Umfeld kann es hier und da zu steifen Böen kommen, im westlichen Bergland in der
zweiten Nachthälfte sogar wieder verstärkt, denn dort nähert sich die Kaltfront
allmählich an. Die spannende Frage ist aber, was die Konvektionen machen: In den
Modellprognosen zeigt sich weiterhin die Schliere hoher Feuchte, in der es zu
konvektiven Umlagerungen kommt, die aber Deutschland - wenn überhaupt - nur von
Borkum über Helgoland bis nach Sylt tangiert. Des Weiteren richtet sich der
Blick in den Westen des Landes. Dort bestünde die Möglichkeit einzelner
Gewitter, falls es in Ostfrankreich oder westlich des Rheins in Deutschland noch
zu einer Zündung reicht. Bisher gab es nur vergebliche Versuche. Etwas MU-CAPE
ist nämlich noch vorhanden und die Scherung lässt langlebige Systeme zu. Allzu
heftig dürfte es aber nicht werden, dazu fehlt am Ende doch die nötige Feuchte,
so dass allenfalls mal ein paar stürmische Böen oder ein Starkregen um 20 l/qm
als Begleiterscheinung in Frage kommen. ICON-D2-EPS zeigt nicht mal solche
Signale, so dass vielleicht auch tatsächlich nur die leichten schauerartigen
Regenfälle, die schon die Globalmodelle zeigen, erwartet werden dürfen. Im
gesamten Osten ist es in der trockenen Luftmasse sowieso ruhig und teilweise
auch klar, zeitweise ziehen aber immer noch die schon bekannten hohen und
mittelhohen Wolkenfelder über den Himmel. Je nach Bewölkung und
Windverhältnissen ergibt sich eine recht breite Spanne bei den Tiefstwerten, die
zwischen 6 Grad im windstillen und klaren Südosten und teils 18 Grad in den
Leelagen der Mittelgebirge im bewölkten und windigen Westen.

Am Montag ... läuft in der weiterhin strammen südsüdwestlichen Höhenströmung in
der ersten Tageshälfte ein Kurzwellentrog nordwärts, das ganze System verlagert
sich dabei geringfügig ostwärts. Auch die Kaltfront kommt hinter dem
Kurzwellentrog ein Stück ostwärts voran und dringt ab dem Vormittag in den
Westen ein. Bis zum Abend soll sie eine Linie Lübeck-Karlsruhe erreichen.
Bodennah läuft der Kaltfront ein Bodentrog voraus, in dessen Bereich der Wind
morgen vor allem im Westen und Nordwesten weiterhin böig auffrischt (mit steifen
Böen) und von Süd auf West dreht. Auch in den übrigen Gebieten kann es rund um
die Mittelgebirge sowie auch weiterhin im Lausitzer Bergland steife Böen geben.
In den Alpen ist es unverändert föhnig, was auch ein Leetief an den Alpen zur
Folge hat. Das Wetter ist im Westen im Bereich der Kaltfront in einer zunehmend
feuchten Luft von vielen Wolken geprägt aus denen es auch zu schauerartigen
Regenfällen kommt. Von Labilität ist aber kaum eine Spur, so dass es wohl nicht
zu Gewittern reicht und auch nicht zu allzu hohen Regensummen. Mangels
Einstrahlung erreicht die Temperatur nur noch 20 bis 25 Grad. Etwas anders sieht
es im Osten im Bereich der vorlaufenden Konvergenz aus. Dort kann noch sehr
lange die Sonne scheinen und die Temperatur flächendeckend auf 27 bis 31 Grad
hochtreiben. Damit werden die Auslösetemperaturen vielfach erreicht, etwas CAPE
ist auch vorhanden (kleinräumig über 500 J/kg) und die Konvergenz stützt die
Auslöse. Da die feuchte Luft im Norden etwas schneller vorwärts dringt, liegen
dort die Untergrenzen um oder etwas unter 2000 m, so dass dort die Entstehung
einzelner Gewitter wahrscheinlich ist. Hochreichende Scherung zwischen 15 und 20
m/s erlaubt die Entstehung langlebiger Multizellen, die bezüglich sämtlicher
Kriterien leicht in den "Ocker"-Bereich ragen und insbesondere bezüglich des
Starkregens, vielleicht auch beim Hagel mal ein vereinzeltes Unwetterkriterium
erreichen. Nach Süden hin ist das CAPE noch höher und die Scherung noch besser,
allerdings in Alpennähe die Luft auch sehr trocken. Trotzdem können sich
zumindest abseits der Alpen auch dort einzelne stärkere Gewitter bilden.
Überwiegend bleibt es aber in der Osthälfte bis zum Abend noch freundlich oder
sonnig.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Trog in seinem Südteil noch etwas gegen
Osten, so dass die Strömung weiter aufsteilt. Damit bleibt uns der Föhn erhalten
und die Kaltfront kommt überhaupt nicht mehr ostwärts voran. An ihr kommt es
weiterhin zu Regenfällen, die mitunter auch intensiver simuliert werden, vor
allem bei GFS und Euro4 nördlich der Mitte des Landes. Bezüglich der genauen
Lage in ost-westlicher Richtung gibt es aber noch Unterschiede. Starkregen von
20 bis 30 l/qm innerhalb von 6 Stunden darf aber regional eingeplant werden, zu
Unwettern wird es aus aktueller Sicht nicht reichen. Zudem sollte es auch kaum
zu Gewittern reichen. Ganz im Osten nimmt die Labilität in der Nacht recht rasch
ab, so dass auch die Gewitter sich recht rasch abschwächen. Meist bleibt es in
der Südosthälfte sowieso trocken, auch wenn dort die Wolken mehr werden. Auch
ganz im Nordwesten kann es schon trockene Regionen geben. Das Bodendruckfeld
sieht recht unübersichtlich aus bei insgesamt aber schwachen Gradienten, so dass
der Wind allgemein schwach bleibt. Nur im Bereich der Alpen hält der Föhn
unvermindert an und auch im östlichen Bergland kann es im Bereich der Kammlagen
noch etwas böiger sein. In der Nacht bleibt es mit Tiefstwerten um 10 Grad
allgemein mild.

Am Dienstag ... verkürzt der Trog seine Wellenlänge, vergrößert seine Amplitude
und schwenkt mit zunehmender Geschwindigkeit von Südwesten in Richtung unseres
Landes. Seine Achse liegt am Abend von einem kleinen Höhentief über der Irischen
See ausgehend (dort liegt auch der Kern des Bodentiefs) über die Westalpen bis
zum Tyrrhenischen Meer. Diese Konstellation begünstigt die Vertiefung des
Leetiefs an den Alpen und dessen Ablösung von Oberösterreich nach Tschechien in
der zweiten Tageshälfte. Zwischen diesem Tief und dem Tief über der Irischen See
bildet sich ein flacher Hochdruckrücken über dem Westen unseres Landes aus, so
dass der wieder etwas auffrischende Wind meist auf Nordwest dreht. Damit bricht
in der zweiten Tageshälfte auch der Föhn rasch zusammen und die Kaltfront kommt
jetzt im Süden schneller nach Osten voran, so dass sie ihre Lage der
Höhenströmung entsprechend in Richtung von Südsüdost nach Nordnordwest ändert,
zumal sie im Norden auch wieder etwas nach Westen zurück gedrängt wird. An der
Kaltfront selbst kommt es wiederholt zu schauerartigen Regenfällen, allzu große
Regensummen werden aber derzeit nicht simuliert. Insgesamt bleibt es dabei im
Westen und in der Mitte mit nur noch 16 bis 20 Grad recht kühl. Ganz im Osten
braut sich dagegen eine Gewitterluftmasse zusammen. Mit jedem Kilometer nach
Osten nehmen tagsüber die Sonnenanteile zu und es wird auch zunehmend wärmer
(Maxima bis nahe 30 Grad). Damit baut sich von Brandenburg bis nach Ostbayern
ordentlich CAPE auf, zumal auch die Feuchte weiter ansteigt und ppws teils über
30 l/qm erwartet werden. Am Westrand des nordwärts ziehenden Tief herrscht auch
hohe hochreichende Scherung (über 20 m/s, auch starke Richtungsscherung) und für
die Auslösung von Gewittern ist in dem zyklonalen Umfeld sowieso gesorgt. Alles
in Allem könnte sich damit am Dienstag im Osten des Landes eine Unwetterlage
einstellen, wobei man sich den weiteren Details dann in folgenden Übersichten
widmen kann.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Trog weiter nordostwärts und über der
oberen Adria schnürt sich ein Höhentief ab. Damit verbleiben wir im Bereich
einer südsüdöstlichen Höhenströmung, aber bei zunehmendem Potentialverlust. Der
stärksten PVA folgend zieht das Bodentief über das westliche Polen und die
Ostsee nach Schonen. An seiner Westflanke soll in der Nacht die
Gewittertätigkeit anhalten und durch Verclusterung steigt die Gefahr von
mehrstündigen Starkregenereignissen, wobei durchaus auch mal über 35 l/qm
möglich sind und damit die Unwetterschwelle überschritten wird. Die betroffene
Region wird derzeit von ICON von Sachsen nordwärts nach Mecklenburg-Vorpommern
simuliert. Dies wird auch von GFS unterstützt. Vor allem nach IFS und GFS kann
es auch an den Alpen recht hohe Niederschlagssummen geben. Nach Westen hin ist
die Wetterlage ruhig. Dort lassen die Regenfälle nach bzw. ziehen ostwärts ab
und ganz im Westen kann es auch Wolkenauflockerungen geben. Die rückseitig der
Kaltfront einfließende Luftmasse soll in 850 hPa nur noch um 2 Grad aufweisen,
was einen Rückgang von 12 bis 14 Grad bedeutet, allerdings immer noch deutlich
wärmer ist als noch vorgestern. Damit wird die Nacht im Westen zwar kühl, aber
wir bleiben weit weg von der Frostmarke, zumal auch die Auflockerungen nicht
allzu lang sein dürften. Vielleicht wird es aber etwas kälter als die 8 Grad,
die MOSMIX derzeit anbietet. Im Osten bleibt die Temperatur noch über 10 Grad.

Am Mittwoch ... ändert sich gar nicht allzu viel an der Großwetterlage. Die
Höhenströmung wird etwas schwächer, ändert ihre Lage aber kaum. Auch die
Kaltfront bleibt knapp östlich unseres Landes liegen, bringt aber an ihrer
Westflanke über dem Osten Deutschlands noch zeitweise Regen, allerdings keine
allzu großen Summen mehr. Zumindest nach IFS wäre es gut vorstellbar, dass der
äußerste Osten Deutschlands noch im Bereich einer Luftmasse mit
Gewitterpotential liegt, nach ICON sieht das aber ganz und gar nicht so aus.
Über der Mitte Deutschlands baut sich ein Zwischenhochkeil auf, so dass auch der
Wind keine große Rolle mehr spielt. Der bodennahe Hochdruckeinfluss sollte aber
nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auf der Vorderseite des Langwellentroges
in einem zyklonalen Umfeld liegen. Dank etwas kälterer Luft in der mittleren
Troposphäre kann sich in der feuchten Atlantikluft über dem Westen Deutschlands
etwas Labilität aufbauen, so dass es dort zu einigen Schauern reichen sollte.
Viel Sonne ist am Mittwoch nirgends zu erwarten und was die Höchsttemperaturen
angeht, so müssen wir uns wieder mit 14 bis 18 Grad zufriedengeben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen sind sich die vorliegenden Modelle bezüglich der
synoptischen Entwicklung einig, nur nach hinten raus scheint die genaue Lage der
Kaltfront zunehmend etwas unklar. Ebenso gibt es bezüglich der
Niederschlagsschwerpunkt noch große Unsicherheiten und auch schon kurzfristig,
ob und wo die Gewitter zünden. Darauf wurde oben im Text schon eingegangen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann