DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-05-2021 18:01
SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.05.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Abgesang des kühlen und wechselhaften Aprilwetters, allerdings nochmals
Nachtfrost. Nach einem Übergangssamstag am Sonntag verbreitet 15 bis 20 Grad
wärmer als heute - Hammer!

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... steigt der Luftdruck über Deutschland und auch beim Geopotenzial
zeigt der Daumen nach oben. Für das heute noch mal in voller Montur angetretene
Aprilwetter (heute früh Schnee z.T. bis in tiefe Lagen, danach Schauer und
Graupelgewitter im Wechsel mit Sonne bei arg limitierten Temperaturen) bedeutet
das Abschiednehmen und das nicht nur für einen Tag - wahrscheinlich eine gute
Nachricht für alle, die von der nun schon gefühlt mehrere Wochen andauernden,
teils deutlich unterkühlten Wechselhaftigkeit die Schnauze voll haben
(Verzeihung, aber manchmal ist einfach klares Deutsch erforderlich).

So stellt in den nächsten Stunden nicht nur die konvektive Maschinerie ihren
Betrieb vollständig ein (die letzten Schauer treten an der Ostsee, im Osten
sowie am östlichen Alpenrand auf), auch der Wind nimmt im Zuge eines
kontinuierlich auffächernden Gradienten sowie nachlassender Konvektion immer
mehr ab. Kurzum, die Atmosphäre stellt auf Nachtmodus, ganz so wie sich das
gehört.

Eine schlechte Nachricht gilt es aber abschließend doch noch zu verdauen.
Frische und abgetrocknete Polarluft (T850 -5 bis 0°C), dazu auflockernde
Bewölkung und nachlassender Wind - eine Rezeptur, die auch zu dieser
fortgeschrittenen Jahreszeit noch das Thema "Frost" auf den Plan ruft. So sinkt
die Temperatur vielerorts bis in Gefrierpunktnähe oder etwas darunter (in
einigen Mittelgebirgstälern und -mulden bis zu -4°C) und in Bodennähe wird es
sogar noch kälter (teils unter -5°C). Verschont vom Luft-, nicht zwingend auch
vom Bodenfrost bleiben Teile Nord- und Ostdeutschlands (zu wolkig, teils aber
auch noch etwas Restwind) sowie einige Gebiete West- und Südwestdeutschlands.
Dort treffen im Laufe der Nacht übrigens erste hohe (wahrscheinlich
transparenter Cirrus), später vielleicht auch ein paar mittelhohe Wolkenfelder
ein, die die Annäherung einer Warmfront ankündigen...

Samstag ... ... womit wir bei der Wetterlage für den morgigen Samstag wären.
Dieser wird als klassischer Übergangstag in die Wetterchroniken eingehen, wie
man ihn typischerweise zwischen zwei völlig konträren Witterungsabschnitten
findet (nicht selten braucht es für die Umstellung mehrere Tage, in diesem Fall
aber genügt ein einziger).

Zu den Protagonisten des bevorstehenden Wochenendes zählen ein sich stetig
amplifizierendes Trog-Rücken-Muster in der Höhe sowie das Sturmtief HUBERTUS und
das Hoch UTINE. Bereits heute wurde und wird über dem nahen Atlantik eine
Austrogung in Gang gebracht, die am Samstag weitere Fortschritte macht und im
Süden bis knapp vor die Iberische Halbinsel reicht. Das Drehzentrum des Troges
korrespondiert mit einem für Anfang Mai als stattlich zu bezeichnendes Sturmtief
(eben jener HUBERTUS), das vom Ostatlantik kommend die irische Westküste
ansteuert und dort in der Nacht zum Sonntag mit einem Kerndruck zwischen 970 und
975 hPa anlandet. Auf ihren Vorderseiten pumpen Trog und Tief hochtemperierte
subtropische Warmluft nord-nordostwärts, die bei uns aber erst am Sonntag so
richtig ankommt.

Zunächst wird ein veritabler Höhenrücken über Mitteleuropa aufgespannt, während
das Bodenhoch UTINE (das übrigens in der kommenden Nacht über Süddeutschland
seine Geburt feiert) deutlich phasenverschoben gen Rumänien wandert. So gelangt
der Vorhersageraum im Laufe des Tages genau unter den breiten Potenzialrücken,
während wir bodennah sowie in der untersten Troposphäre genau zwischen den
Systemen liegen. Dort wird eine schwache bis mäßige südliche bis südöstliche
Strömung generiert, mit der die Advektion wärmerer Luftmassen in Gang kommt.
Dass dabei geklotzt und nicht gekleckert wird, beweist die Tagesvita der
850-hPa-Temperatur. Am Morgen bei rund 0°C gestartet steigen die Werte bis zum
Abend im südlichen Alpenvorland sowie zwischen Allgäu und Südbaden auf üppige 8
bis 10°C. Im Norden und Nordosten scheißen die Preußen nicht ganz so schnell,
dort werden um 18 UTC immer noch -2 bis +1°C avisiert.

Wettertechnisch gilt es die kräftige WLA in der Mitteltroposphäre zu erwähnen,
die nicht nur den starken Potenzialgewinn erklärt, sondern zudem reichlich
mehrschichtige Bewölkung produziert. Diese wird im Tagesverlauf weite Teile des
Landes beehren, wobei sie im Westen und Nordwesten am dichtesten ist. Dort
nähert sich zum Nachmittag hin von Nordostfrankreich und Benelux her die
Warmfront des Sturmtiefs, um in der Nacht zum Sonntag die Norddeutsche Tiefebene
ost-nordostwärts zu überqueren. Zwischen Ruhrgebiet respektive Niederrhein und
Deutscher Bucht fällt am Nachmittag und Abend etwas Regen, wobei die Ausbeute
mit maximal 2 bis 5 l/qm im nordwestlichen Niedersachsen eher spärlich ausfällt.

Je weiter man sich im Süden oder Osten des Landes aufhält, desto größer die
Chancen auf Sonnenschein oder zumindest sonnige Abschnitte bzw. mehr
"translucidus" als "opacus" bei den durchziehenden Wolkenfeldern.

Der südliche bis südöstliche Wind nimmt in der zweiten Tageshälfte vornehmlich
nach Westen und Nordwesten hin etwas Fahrt auf, von Warnschwellen bleibt er aber
noch weit entfernt. Lediglich über der Nordsee könnten zum Abend hin die ersten
steifen Böen am Start sein, was den gemeinen Helgoländer aber auch nicht
wirklich aus den Puschen haut. Auch die 10 oder 11°C Höchsttemperatur sind auf
dem maritimen Teil des Landkreises Pinneberg aufgrund der noch frischen Nordsee
nichts Außergewöhnliches in dieser Jahreszeit. Jedenfalls geht es auf dem
Festland meist deutlich weiter nach oben, konkret, stehen 15 bis 20°C, im
südlichen Oberrheingraben (wo die Warmluft zuerst ankommt) vielleicht 21°C auf
em Zettel. Lediglich ganz im Norden und Nordosten (wie erinnern uns an die
niedrigen T850-Werte) reicht es nur für 12 bis 15°C.

In der Nacht zum Sonntag wandert die Hauptachse des Rückens langsam ostwärts
über den Vorhersageraum hinweg, so dass wir am Morgen schon größtenteils auf der
Rückseite unter einer noch stark antizyklonal konturierten südwestlichen
Höhenströmung liegen. Die Warmfront des westlich von Irland verharrenden
Sturmtiefs überquert Norddeutschland, wo es vom nördlichen Niedersachsen über SH
und HH bis hinüber nach Vorpommern zeitweise regnet (meist unter 5 l/qm innert
12 h, nur in SH stellenweise etwas mehr). Ansonsten lockert die Wolkendecke
vielfach auf oder es ziehen noch einige dünne hohe Wolkenschlieren durch. Lokal
bildet sich Nebel.

Auf alle Fälle wird die Nacht in der neuen Luftmasse längst nicht mehr so kalt
wie die Vornächte. Im Westen und Südwesten gibt es vielerorts sogar zweistellige
Tiefstwerte von 11, 12 oder sogar 13°C - Wahnsinn! Für Luftfrost dürfte es in
Deutschland nicht mehr reichen, südlich der Donau sowie im südlichen und
südöstlichen Bergland wohl aber für Werte etwas unter 0°C in Bodennähe.
Mit dem Bodentrog, in den die Warmfront eingebettet ist, zieht in der ersten
Nachthälfte ein Windmaximum mit Böen 7-8 Bft um Süd über die Deutsche Bucht
hinweg nordwärts. Ansonsten setzt der Wind nur in einigen Hochlagen bzw. im Lee
einiger Kämme ein paar Akzente (meist 7 Bft, exponierte Kuppen 8 Bft, Brocken
vielleicht 9 Bft). In den höheren Alpen kommt allmählich Südföhn auf.

Sonntag ... heißt es Kleiderwechsel, erstmalig in diesem Jahr geht es thermisch
so richtig in die Vollen. Das Trog-Rücken-Muster verkürzt seine Wellenlänge bei
gleichzeitig leichter Progression, was bei uns von Westen her ein stetiges
Rückdrehen der südwestlichen und immer noch weitgehend antizyklonal konturierten
Höhenströmung zur Folge hat. Am Boden gelangen wir in den großen Warmsektor
hinter der nach Norden abziehenden Warmfront und der über Westeuropa durch
Wellenbildung nur rudimentär ostwärts vorankommenden Kaltfront. Die Zufuhr
subtropischer Luftmassen verstärkt sich noch etwas, am Abend stehen in 850 hPa
rund 12°C an der Nordseeküste und föhngepushte 17 oder 18°C südlich der Donau
auf der Karte. Bei reichlich Sonneneinstrahlung, die weiten Teilen Deutschlands
zum Muttertag geschenkt wird, bedeutet das einen Anstieg der 2m-Temperatur auf
sage und schreibe 25 bis 30°C (die höchsten Werte im und um den Oberrheingraben
herum). Einzig ganz weit im Norden reicht es "nur" für 19 bis 24°C, was gemessen
an den vergangenen Wochen aber ebenfalls einen immensen Fortschritt darstellt.

Subtropikluft und steigende Temperaturen sind natürlich Stichworte, die den
geneigten Beobachter meteorologischer Prozesse hellhörig werden lassen. Oder mit
anderen Worten, wird es am Sonntag nur sonnig und warm oder gibt es auch noch
was darüber hinaus. Nun, zunächst mal lässt sich konstatieren, dass auch am
Sonntag noch einige Schleierwolken am Firmanent entlangziehen. Im äußersten
Westen und Nordwesten können zudem auch mittelhohe Wolken von Benelux her den
Weg zu uns finden, aus denen sogar etwas Regen fällt (der aber nicht zwingend
unten ankommen muss).
Die ganz große Frage lautet aber, geht auch schon was in Sachen "Gewitter"? Die
Antwort kann heute zwar noch nicht mit 100%-iger Sicherheit gegeben werden, aber
die Wahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen tagsüber ist sehr gering.
Zwar ist die Luftmasse hinreichend labil und vor allem im Norden und Westen auch
einigermaßen feucht (PPW 20 bis 25, im Nordwesten sogar über 25 mm bei
gleichzeitig spezifischer Grundschichtfeuchte von 9-10 g/kg), so dass CAPE
generiert werden kann (gebietsweise 500 bis 750 J/kg). Auf der anderen Seite ist
die Subtropikluft aber stark gedeckelt (hohes CIN) bzw. fehlt es an
durchschlagenden Antrieben (synoptisch und diabatisch (hohe Auslöse, hohe
Basis)). Kurzum, zum Abend hin können einzelne Gewitter im Westen und Nordwesten
nicht völlig negiert werden, die Wahrscheinlichkeit ist aus heutiger Sicht aber
gering. Sollte es allerdings irgendwo krachen, dann richtig (gute
Scherungsbedingungen).

Kurz noch zum Wind, der aus Südost bis Süd kommend mitunter böig auflebt, meist
aber unterhalb der Warnschwellen bleibt. Einzig in exponierten Hochlagen sowie
im Lee vor allem der westlichen Mittelgebirge sind Böen 7-8 Bft, Brocken 9 Bft
zu erwarten. Auf den Alpengipfeln bringt es der Südföhn auf Sturmstärke, in
anfälligen Tälern auf Böen 7 Bft.

In der Nacht zum Montag verschiebt sich das ganze Strömungsmuster geringfügig
nach Osten, was die Höhenströmung noch etwas mehr aufsteilen lässt. Außerdem
nimmt sie an Stärke zu, was den Föhn in den Alpen befeuert. Dort sind auf
einigen Gipfeln schwere Sturmböen 10 Bft oder sogar orkanartige Böen 11 Bft
möglich, auch wenn die in der benachbarten Schweiz wahrscheinlicher sind.

Ansonsten kommt mit der Progression des Strömungsmusters auch die Kaltfront des
weiterhin dicht bei Irland liegenden Tiefs HUBERTUS (inzwischen auf rund 980 hPa
aufgefüllt) etwas dichter an den Westen des Vorhersageraums heran. Im Vorfeld
deutet sich eine schwache Windkonvergenz an, die mit Hilfe von kurzwelligen
Troganteilen in der Höhe durchaus in der Lage sein KANN, konvektive Umlagerungen
in der weiterhin potenziell instabilen Luftmasse zu generieren, auch wenn die
Tageszeit ungünstig ist. Die Numerik agiert extrem zurückhaltend und favorisiert
das Übergreifen von schauerartigem, nicht-gewittrigem Regen auf die westlichen
Landesteile. Gewitter werden eher über den Niederlanden und der Nordsee
simuliert, was aber keinesfalls ein Garant dafür ist, dass nicht doch auch auf
unserer Seite was passiert.

Der größte Teil Deutschlands jedenfalls ist von dieser Fragestellung gar nicht
betroffen. Bei häufig gering bewölktem oder klarem Himmel verläuft die Nacht
ruhig und - aufgepasst - FROSTFREI!

Montag ... verbleiben wir zwischen dem Trog westlich und dem Rücken östlich von
uns unter süd-südwestlicher Höhenströmung. Das Tief HUBERTUS scheint über ´ne
Menge Sitzfleisch zu verfügen, liegt er doch um 12 UTC immer noch knapp westlich
von Irland. Trotzdem greift die schleifende Kaltfront von Westen her auf
Deutschland über, nicht aber ohne im Vorfeld eine astreine Rinne mit
eingelagerter Konvergenz zu generieren. Die Kaltfront markiert den Westrand der
Rinne, die nur langsam über die Mitte des Landes in den Osten wandert.

Wettertechnisch könnte es dabei hochinteressant werden, auch wenn die Modelle
weiterhin nicht wirklich auf Krawall gebürstet sind. So heizt es in der
Osthälfte noch mal ordentlich ein auf 25 bis 30°C, während nach Westen hin durch
Advektion kühlerer Atlantikluft (Rückgang T850 bis zum Abend auf bis zu 4°C;
gleichzeitig in Südostbayern +18°C) sowie diabatisch durch postfrontalen Regen
(Anafront) ein deutlicher Temperaturrückgang bevorsteht (nur noch 18 bis 24°C,
bei längerem Regen in den westlichen Mittelgebirgen noch kühler). Im
Tagesverlauf setzt im Bereich der Rinne bzw. zwischen Rinne und Kaltfront
hochreichende Konvektion ein, was nach heutigem Stand in den mittleren
Landesteilen und/oder im Südwesten der Fall ist. Die resultierenden Gewitter
können kräftig und teils unwetterartig ausfallen, wobei die Palette potenzieller
Begleiterscheinungen von Starkregen über Hagel bis hin zu (schwerem) Sturm
ausgereizt wird.

In den Abendstunden breiten sich die Gewitter bis in die östlichen Landesteile
aus, erreichen wahrscheinlich aber noch nicht die Regionen um Oder und Neiße
herum. Auch Südostbayern bleibt vorerst wohl noch verschont, was dem andauernden
Föhn geschuldet ist. Gering ist die Gewitterwahrscheinlichkeit auf im Westen und
Nordwesten, weil es mit der einfließenden Meeresluft zu einer Stabilisierung
kommt.
Der Wind frischt auch außerhalb von Gewittern mitunter böig auf und dreht hinter
der Rinne von Südost bis Ost auf westliche Richtungen. Inwieweit eine
Druckanstiegswelle im Südwesten den Wind noch weiter anfacht, bleibt abzuwarten.



Modellvergleich und -einschätzung
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Den Paradigmenwechsel zum Sonntag hin haben die Modelle übergreifend genauso auf
dem Schirm wie die erneute Abkühlung ab Montag. Was noch offen ist, sind die
Detailfragen zur möglichen, nein wahrscheinlichen Konvektion ab Sonntagabend und
insbesondere am Montag. Diesbezüglich sind mehrere Punkte noch nicht geklärt wie
z.B. das Timing der Rinne sowie die daraus resultierende Interaktion mit dem
Tagesgang am Montag, um nur einige zu nennen. Die folgenden Modellläufe werden
uns der Lösung hoffentlich ebenso näher bringen wie die wochenendlichen
Übersichten. Viel Spaß beim Lesen!


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann