DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

06-05-2021 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 06.05.2021 um 10.30 UTC



Nach frühsommerlicher Phase am Sonntag/Montag wieder kühler und wechselhafter.
Übergang mit teils kräftigen und unwetterartigen Gewittern.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 13.05.2021


Die heutige Mittelfrist startet mit einem regelrechten Paukenschlag, auch wenn
die Aussage Anfang Mai eigentlich nichts Besonderes darstellt: Am Sonntag wird
es warm, sehr warm, zum Teil sogar heiß! Wow, was eine Nachricht, nachdem uns
wochenlang Nordlagen mit Kaltluft traktiert haben. Es gibt tatsächlich auch noch
Winde, die aus den Sektoren Süd oder Südwest wehen und Warmluft (Achtung, kein
Fremdwort) nicht nur transportieren, sondern das auch noch direkt zu uns. Nach
einem eher noch garstig daherkommenden Freitag mit unterkühltem Aprilwetter wird
der Spieß am kommenden Wochenende umgedreht, was uns am Sonntag in folgende
Ausgangslage bringt.

Am Sonntag zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein klassisches Trog-Rücken
Muster über dem nahen Atlantik (Trog) und weiten Teilen Mitteleuropas (Rücken).
Der Trog korrespondiert mit einem stattlichen Sturmtief namens HUBERTUS, das am
Sonntagmittag mit etwas unter 980 hPa quasistationär dicht bei Irland liegt.
Derweil befindet sich das Zentrum des als Antipode agierenden Bodenhochs schon
über Rumänien respektive dem Westteil des Schwarzen Meeres. Deutschland befindet
sich genau zwischen den synoptischen Systemen in bzw. unter einer hochreichenden
südlichen bis südwestlichen Strömung, die zunächst noch leicht antizyklonal bis
indifferent konturiert ist. Am Nachmittag liegt die 850-hPa-Temperatur zwischen
12 und 15°C (gab´s sehr lange nicht), im äußersten Süden föhnbedingt sogar noch
etwas darüber. Bei überwiegend sonnigen bis leicht bewölkten Verhältnissen
bedeutet das Höchstwerte von 24 bis 29°C und im Südwesten wird lokal vielleicht
sogar die 30°C-Marke knapp erreicht. Lediglich im äußersten Norden und Nordosten
wird es nicht ganz so warm.
Im Vorfeld einer über Westeuropa positionierten, zur Wellenbildung neigenden
Kaltfront könnte es im äußersten Westen und Nordwesten im Tagesverlauf wolkiger
werden. Ob es in der instabilen Luftmasse auch schon für (Schwer)Gewitter reicht
oder diese sowie schauerartige Regenfälle erst in der Nacht zum Montag
übergreifen, ist noch unsicher.

Tatsache ist, dass IFS das gesamte Strömungsmuster am Montag leicht progressiv
simuliert. Das Tief zieht unter Auffüllen vor die schottische Westküste, während
sich bei uns geradezu klassisch eine präfrontale Rinne mit eingelagerter
Konvergenz bildet. Diese soll Deutschland bis zum Datumswechsel bereits hinter
sich gelassen haben und Polen bzw. Tschechien erreichen. Zuvor entwickeln sich
mit Unterstützung des Tagesgangs vor allem in der Osthälfte kräftige Gewitter
mit allen Schikanen bis hin zu Unwettern. Weiter westlich hingegen macht sich
die schleifende Kaltfront mit stabileren und kühleren Luftmassen bemerkbar, in
denen es in vorbildlicher Anafrontmanier z.T. längere Zeit regnen kann. Je nach
Timing wird es in der Osthälfte mit 24 bis 30°C noch mal sommerlich warm,
während im Westen nur 17 bis 24°C (bei Dauerregen in den Mittelgebirgen eher
noch etwas weniger) auf der Karte stehen.

Am Dienstag kommt der Höhentrog unter Verkürzung seiner Wellenlänge vor allem in
seinem Südteil ostwärts voran, wobei sich über dem westlichen Mittelmeer eine
Abtropfung anbahnt. Deutschland verbleibt auf der Vorderseite des nördlichen
Residuums unter einer tendenziell eher wieder leicht antizyklonal gekrümmten
Südströmung. Während HUBERTUS mühevoll und unter stetigem Druckanstieg das
schottische Hochland erklimmt bzw. überquert, stellt sich bei uns eine
gradientschwache, leicht amorph anmutende Druckverteilung ein. In der sich
nunmehr in weiten Landesteilen ausgebreiteten Meeresluft (T850 3 bis 8°C) fällt
vor allem im Süden sowie in Teilen der Mitte Regen, während sich im Norden und
Westen nur einzelne Schauer entwickeln.
Im äußersten Osten und Südosten könnten noch Reste der ansonsten ausgeräumten
instabilen Warmluft liegen (T850 um 10°C) noch mal für einzelne (kräftige)
Gewitter reichen.

Am Mittwoch gelangen wir zwischen das zur Adria ziehende Cut-Off-Tief und dem
sich regenerierenden Trog über dem nahen Atlantik unter eine schwache
Potenzialbrücke, die ein umfangreiches Höhenhoch über Nordost- mit einem mäßig
ausgeprägten Rücken über Südwesteuropa verbindet. Im Druckfeld bildet sich ein
Zwischenhoch ab, das weitere Regenfälle im Süden zwar nicht verhindern kann,
sonst aber nur einzelne Schauer zulässt. An der Nordsee sowie der Grenze zu den
Niederlanden taucht tagsüber mal die 0°C-Isotherme in 850 hPa am greifbaren
Horizont auf, während T850 sonst meist zwischen 2 und 7°C liegt. Naja...
Am Donnerstag greift im Vorfeld des sich amplifizierenden Höhentrogs eine
schwache Kaltfront mit Regen auf die westlichen Landesteile über. Weiter östlich
sollen sich derweil nur einzelne Schauer entwickeln.

Noch ein kurzer Ausblick in die erweiterte Mittelfrist bis Sonntag. Trog und
Kaltfront kommen sehr langsam ostwärts voran, was unbeständiges Wetter mit
Regenfällen, einzelnen Gewittern und moderaten Temperaturen zur Folge hätte.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nimmt man die großräumigen Basisfelder gängiger meteorologischer Parameter wie
Luftdruck, Geopotenzial (500 hPa), Temperatur (850 hPa) oder auch Relative
Feuchte (700 hPa) als Maßstab für die mittelfristige Konsistenzbetrachtung, ist
alles im Lot. Der Teufel steckt wie so oft im Detail und da offenbaren sich doch
gewisse Unterschiede. So werden im neuesten IFS-Lauf von heute 00 UTC z.B. die
Warmluft und die Tiefdruckrinne, die uns am Montag beehren, etwas nachhaltiger
nach Osten gedrückt als in den Läufen zuvor (=> etwas geringere
Gewitterwahrscheinlichkeit im Osten und Südosten am Dienstag). Außerdem wäre das
von Westen nachfolgende Zwischenhoch etwas progressiver, was am Mittwoch
deutlich weniger Regen im Süden und Osten zur Folge hätte.

Kurzum, der Generalkurs passt, einige Detailfragen dagegen sind nach wie vor
offen.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) haben zunächst keine anderen
Vorstellungen als IFS. Okay, das Timing der am Montag durchschwenkenden Rinne
wird jeweils etwas anders simuliert. Während z.B. ICON fast noch einen Tick
schneller ist als IFS, zeigt sich GFS geringfügig langsamer. Am wenigsten Eile
hat das kanadische GEM, das die Rinne erst am Dienstag über der Osthälfte des
Vorhersageraums sieht.
Was den weiteren Werdegang bis Donnerstag angeht, läuft es auf ähnliche Lösungen
wie bei IFS hinaus. Lediglich GFS hegt ganz verwegene Gedanken, indem sich am
Mittwoch aus dem östlichen Alpenraum heraus ein stattliches Tief entwickelt, das
leicht bogenförmig via Tschechien nach Deutschland geschleust wird. Mit unter
995 hPa im Kern lädt es nicht nur reichlich Regen ab, sondern lässt es z.T. auch
ordentlich winden und gewittern. Sehr exklusiv diese Variante, aber mit viel
Charme.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Botschaft der IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte ist
zumindest zu Beginn der Mittelfrist ziemlich eindeutig. Nach dem Temperatur-
(850 hPa) und Potenzialberg (500 hPa) am Sonntag erfolgt postwendend der
Abstieg. Zwar zeigen die Ensembles noch einige Timingunterschiede, das Gros der
Lösungen hat aber Montag im Visier. Einzig im Osten und Südosten (Referenz
Berlin, Leipzig, München) zieht sich die unweigerliche Abkühlung bis in den
Dienstag hinein, bei der es Haupt- und Kontrolllauf mit am eiligsten haben.
Im weiteren Verlauf der Woche nimmt der Spread allmählich zu, wobei in den
Charts aber trotz kleiner Schwingungen eine klare Seitwärtsbewegung erkennbar
ist. Vor dem Hintergrund immer wieder auftretender Niederschlagssignale ist von
einer wechselhaften Witterungsperiode auf gemäßigtem Temperaturniveau
auszugehen.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen sehen das die zugehörigen Cluster ähnlich. Zwar
werden für den Zeitraum T+120...168h (Dienstag bis Donnerstag) sechs Schubladen
aufgemacht, von denen die ersten vier (16 Fälle + HL, 13 + KL, 8, 5) ähnlich
aussehen mit einem Trog über dem nahen Atlantik, der Fühlung zum o.e.
Cut-Off-Tief über dem Mittelmeerraum aufrecht hält (=> bei uns leicht zyklonales
Setup). Einig CL 5 und 6 (5, 4) setzen auf eine von Südwest nach Nordost
gerichtete Potenzialbrücke bzw. einen Rücken, was stärkeren Hochdruckeinfluss
zur Folge hätte.
Ab Freitag (T+192...240h) reduziert sich die Anzahl der Cluster zwar auf fünf,
mehr Licht ins Dunkel kommt dadurch aber trotzdem nicht. Nur so viel, Trog- oder
Trograndlagen überwiegen, aber auch antizyklonal geprägte Lösungen (CL 4, 11
Fälle) sind nicht ausgeschlossen.

Noch ein Satz zu GFS-EPS, wo das markante Szenario des Hauptlaufs vor allem von
Perturbation #28, sonst aber eher weniger unterstützt wird.

FAZIT: Die Wärme am Sonntag und teils auch noch am Montag kommt eben so sicher
wie die darauffolgende Abkühlung. Detailfragen sind nach wie vor offen, genauso
wie der genaue Ablauf in der weiteren Woche.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Die Grundmuster, die sich im Laufe des Sonntags, am Montag und bedingt auch noch
am Dienstag, sehen sehr verheißungsvoll aus, wenn man denn zu den Anhängern
schwerer Gewitter mit allem Pi,Pa,Po gehört. So eine Konstellation hat es den
ganzen Sommer 2020 nicht gegeben. Kurzum, von West-Nordwest nach Ost-Südost
nimmt ab Sonntag die Wahrscheinlichkeit kräftiger und teils unwetterartiger
Gewitter deutlich zu, was von den deterministischen Prognosen, u.a. aber auch
probabilistischen Tools wie die CAPE-SHEAR-Verteilung vom EFI signalisiert wird.
Wie das Ganze en detail ablaufen wird, ist freilich noch offen. Es kann aber
davon ausgegangen werden, dass die Palette potenzieller Begleiterscheinungen von
Starkregen über Hagel bis hin zu Sturm ausgiebig ausgereizt wird.

Etwas fraglich ist derzeit noch, wie stark die postfrontalen Ananiederschläge
ausfallen werden. Von der Numerik liegen zwar nur schwache Signale für markanten
Dauerregen vor, Erfahrungen mit ähnlichen Strömungsmustern zeigen aber, dass die
Natur manchmal mehr will als die Numerik. Viel wird davon abhängen, wie stark
schlussendlich die Progression der Rinne sowie der nachfolgenden (schleifenden)
Kaltfront erfolgt und ob sich vielleicht vorübergehend eine Gegenstromlage
einstellt.

Sollte sich im Laufe der Woche wider Erwarten die GFS-Lösung mit dem Tief von
Südosten her durchsetzen, könnte es freilich richtig interessant werden.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann