DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-05-2021 08:01
SXEU31 DWAV 050800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 05.05.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute erneut der dynamische EUGEN, morgen auch noch mal, aber deutlich weniger
dynamisch. Danach von Frankreich her der nicht so agile, dafür aber nasse GREGOR
mit nachfolgendem Aprilwetter am Freitag. Langweilig wird´s nicht!.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... Nachdem uns schon gestern das Sturmtief EUGEN ordentlich eingepustet
hat, scheint er irgendwie auf den Geschmack gekommen. So bleiben auch heute Wind
und Sturm ein Thema, wobei man ohnehin sagen muss, dass sich das
abwechslungsreiche "Herbstwetter im Frühling" fortsetzt. Grund dafür ist zum
einen der über Mitteleuropa lagernde, relativ breit konturierte Höhentrog, der
gerade von Westen her durch einen neuen Randtrog regeneriert wird. Vollgepumpt
mit für Anfang Mai bemerkenswert kalter Luft (T500 um -33°C in der breiten
Mitte, nur an den Rändern im Süden und Norden etwas weniger kalt, T850 +1 bis
-3°C) bereitet er den idealen Nährboden - man bedenke den hohen Sonnenstand -
für ein äußerst reges konvektives Geschehen, dass uns über den heutigen Tag
begleiten wird.

Die kinematische Komponente wird nach wie vor von Sturmtief EUGEN geliefert, der
heute früh um 03 UTC noch immer mit unter 985 hPa über Jütland analysiert werden
konnte. Seine senkrechte Achse zum genau darüber liegenden Drehzentrum des o.e.
Troges sowie die Verteilung der Drucktendenzen zeigen aber, dass der
Karrierehöhepunkt dieses bemerkenswerten Zeitgenossen in der Vergangenheit
liegt. Und so wird er auf seinem heutigen Weg über das Kattegat in Richtung
Südschweden ganz allmählich an Gewicht zulegen, dabei aber noch immer eine
sportliche Figur aufs Tableau legen. Oder in Zahlen ausgedrückt, am Ende des
Tages wird sein Kerndruck mit größter Wahrscheinlichkeit nicht über 990 hPa
gestiegen sein - Respekt!

Höhentrog, Sturmtief, hochreichend polare Meeresluft klingt irgendwie nach
einheitlichem Schauerwetter, bei genauerem Hinsehen lassen sich aber schon
Unterschiede ausmachen. Wenn man so will, lässt sich Deutschland dabei heute in
drei Teile gliedern.
Fangen wir ganz "oben" im Norden an, wo man dem Tief am nächsten ist. Dort ist
der Gradient am stärksten ausgeprägt, so dass der westliche Wind allein aus
diesem Antrieb heraus häufig Stärke 8-9 Bft erreicht. Anfangs an der Nord-,
später an der Ostsee sind auch einzelne 10er-Böen am Start. Dabei bedarf es gar
nicht mal des Impulstransportes von oben, wo sowohl in 925 hPa als auch in 850
hPa Geschwindigkeiten bis zu 50 Kt auftreten. Ohnehin muss man sagen, dass die
vertikale Durchmischung im Norden durch reduzierte Labilität (Stichwort "um das
Tief herumgeholte Warmluft") gekennzeichnet ist, was dazu führt, dass die
Schauer stark verclustern (siehe auch aktuelle Radarsignaturen) und man eher von
zeitweiligem Regen als von diskreten Schauern sprechen kann. Die
Gewitterwahrscheinlichkeit allerdings ist im Norden sehr gering bis nahe null,
dafür darf man 5 bis 10 l/qm, lokal bis zu 15 l/qm bis zum Abend erwarten.

Südlich der gennannten Zone schließt sich ein großes Gebiet an, das man als
breite Mitte bezeichnen kann. Sie fängt im Norden ungefähr in NRW und dem
südlichen NDS an und erstreckt sich im Osten bis hinüber nach BB. Im Süden
reicht sie heute Morgen bis nach Nordbaden und Nordbayern, Tendenz expandierend
(dazu später mehr). Gekennzeichnet ist die "breite Mitte" durch einen etwas
geringeren Druckgradienten als im Norden, dafür aber einer höheren Labilität.
Diese reicht hoch bis etwa 400 hPa, wobei die Schicht gegenüber gestern deutlich
feuchter geworden ist. Mit dem Tagesgang kommt die Konvektionsmaschine mächtig
in Fahrt, wobei neben zahlreichen Schauern auch zahlreiche kurze
Kaltluftgewitter das Gesamtbild prägen werden. Großartig organisierte Strukturen
sind aufgrund limitierter Scherungsbedingungen (kaum DLS, etwas
Geschwindigkeits-LLS) nicht zu erwarten, was das frühzeitige Warnen vor
Gewittern erheblich erschwert und in dem einen oder anderen Fall das berühmte
"Kaltluftgewitter-Hinterherhecheln" erwarten lässt.
Wie auch immer, Fakt ist, dass bei niedriger 0°C-Grenze um 900 hPa (rund 1000 m)
Schauer und Gewitter mit Graupel (Starkregen ist aufgrund ziehender Zellen sowie
des vergleichsweise geringen Wasserdampfgehaltes von unter 10 mm
unwahrscheinlich), im Bergland auch Schnee sowie Böen 8 bis 9 Bft einhergehen.
Böen 10 Bft sind nur wenig wahrscheinlich, wenn, dann treten sie am ehesten im
nördlichen Bereich auf, wo es möglicherweise eine Überlappung zu den o.e.
kräftigen Höhenwinden gibt. Es soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass
der Wind auch abseits der Konvektion lebhafte unterwegs ist mit Böen 7-8 Bft, im
höheren Bergland 9 Bft, exponiert 10 bis 11 Bft (Brocken, Fichtelberg).

Schließlich noch Zone Nummer 3, der heute Morgen noch von der schleifenden
Kaltfront geprägt ist, die uns gestern von Norden her überquert hat. Als
"Schleifstein" fungiert u.a. eine flache Welle, die aus den Alpen heraus in
Richtung Polen zieht und - aufgepasst - den Namen FÜRCHTEGOTT verpasst bekommen
hat - Sachen gibt´s. Mit Abzug der Welle wird die Front aber immer mehr nach
Süden gedrückt und die anfangs noch auftretenden, schauerartig verstärkten
Regenfälle (heute früh sogar vereinzelte Blitze) ziehen sich mehr und mehr an
bzw. in die Alpen zurück. Dort fallen bis zum Abend oberhalb 1000 bis 1200 m
übrigens einige Zentimeter, lokal bis 10 cm Neuschnee, während die
Dauerregenwarnung für den Schwarzwald auslaufen oder am Vormittag bereits
vorzeitig aufgehoben werden kann. Nach einer kurzen postfrontalen Pause greifen
dann im Tagesverlauf die Schauer (vereinzelt auch Gewitter) aus der breiten
Mitte auf Süddeutschland über.
Wind gibt es im Süden auch, wenngleich dort der Gradient am schwächsten
ausgeprägt ist. Trotzdem reicht es für Böen 7 Bft, nach Norden hin sowie bei
Konvektion 8 Bft (evtl. heute Vormittag auch im Alpenvorland mit Druckanstieg),
im höheren Bergland teils 9 Bft.

Mit Tageshöchsttemperaturen von 8 bis maximal 14°C (im Osten) hinken wir um
Einiges hinter den vieljährigen Erwartungswerten für Anfang Mai zurück.

Das gilt leider auch für die Nacht zum Donnerstag, wo die eingeflossene
Polarluft vielerorts zur Ruhe kommt. Sowohl Wind/Sturm als auch Konvektion
kommen unter die Knute des Tagesgangs. Hinzu kommen die Verlagerung von EUGEN in
Richtung Baltikum sowie das Abziehen des Höhentroges nebst nachfolgender
Zonalisierung. So fährt der auf Südwest rückdrehende Wind in weiten Teilen des
Landes deutlich runter, lediglich an der See, im küstennahen Binnenland sowie im
Nordosten bis ins nördliche BB bleibt er aus westlichen Richtungen kommend flott
unterwegs mit Böen 7-8 Bft, Küste vereinzelt 9 Bft.

Darüber hinaus muss in Küstennähe mit weiteren Regenfällen gerechnet werden,
während weiter südlich die Schauer zwar nicht vollständig das Zeitliche segnen,
gegenüber dem Tag aber merklich weniger Aktivität an die Nacht legen. Da zudem
auch noch die Wolkendecke mal mehr, mal weniger, mal länger, mal weniger lang
aufreißt, besteht zumindest in den Mittelgebirgen (wenn die Variante "mal mehr,
mal länger" zutrifft) punktuell leichte Luftfrostgefahr. Außerdem kann es mit
Ausnahme des Nordens und Nordostens (Wind und Wolken) gebietsweise leichten
Frost in Bodennähe geben - zähe Angelegenheit in diesem Jahr.

Donnerstag... setzt sich das äußerst abwechslungsreiche Wetter fort. Von der
westlichen Nordsee verlagert sich ein Höhentief mit positiv geneigtem Randtief
in Richtung der Deutschen Bucht. Dadurch beginnt die anfangs recht glatte zonale
Höhenströmung etwas rückzudrehen. Wichtiger als das scheint aber die Tatsache,
dass das Tief EUGEN über dem Seegebiet zwischen Gotland und der Rigaer Bucht an
Substanz verliert (was paradoxerweise gleichbedeutend mit Gewichtszunahme
respektive Druckanstieg verbunden ist). Bis zum Abend peilt er 995 hPa im Kern
an, was bei uns eine weitere Auffächerung des Druckgradienten zur Folge hat.
Trotzdem, im Nordosten bleibt es auch morgen noch windig mit Böen 7-8 Bft,
anfangs an der Ostsee 9 Bft. Und auch in den östlichen Landesteilen reicht es
Verbindung mit Schauern noch für die eine oder andere steife Böe 7 Bft, bevor
zum Abend hin allgemein eine deutliche Windabnahme spürbar ist.

Und sonst so? - Nun, von SH bis hinüber nach Vorpommern kommt es zunächst noch
zu schauerartigen Regenfällen, Tendenz am Nachmittag und Abend nachlassen bzw.
ganz aufhörend. Weiter südlich entwickeln sich wieder einzelne Schauer, nach
Osten hin vielleicht auch noch mal kurze Gewitter. Zwar ist mit Abzug des Troges
längst nicht mehr so kalte Höhenluft vorhanden, gleichwohl liegt bis etwa 600
hPa noch ausreichend Labilität vor bei weiterhin niedriger 0°C-Grenze, was kurze
Gewitter durchaus möglich macht; abwarten heißt hier die Devise. Fakt ist, dass
die konvektive Aktivität nicht mehr so hochfrequent und intensiv wie heute
ausfällt und dass vor allem in einem von der Deutschen Bucht bis nach BB
verlaufenden Korridor häufiger mal die Sonne scheint.

Das liegt u.a. auch an der Entwicklung stromauf, genauer gesagt über Frankreich,
wo ein weiteres kleines, aber feines Wellentief (Gott zum Gruße GREGOR)
unweigerlich an dem Plan festhält, nach Osten zu ziehen und damit auch
Deutschland einen Besuch abzustatten. Zwar wird das Tief erst in der Nacht zum
Freitag bei uns anlanden, ihr großer Wirkungsradius greift aber schon tagsüber
auf Teile des Vorhersageraums über. WLA lautet das Zauberwort, die bereits am
Vormittag auf den äußersten Südwesten übergreift. Nachfolgend zieht
mehrschichtige stratiforme Bewölkung auf und es setzt länger andauernder Regen
ein, der sich von BW her ost-nordostwärts bis nach Bayern bzw. zur Mitte (grob
Mainlinie bzw. etwas darüber hinaus) ausreitet. Bis zum Abend fallen 3 bis 10
l/qm, im Südschwarzwald sowie im Grenzbereich zur Schweiz lokal auch etwas mehr.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in der Nacht zum Freitag sowie
Freitagmorgen noch weitere Regenfälle dazukommen, sollte man bereits heute Abend
über eine mögliche Dauerregenwarnung (30 bis 50 l/qm innert 18-24 h) im
Schwarzwald und evtl. auch im Allgäu ab Donnerstagmittag sprechen. Die Signale
von der Numerik sind da, wenn auch nicht unbedingt erschlagend. Anzusprechen ist
auf alle Fälle noch eine gewisse Gewitterwahrscheinlichkeit im äußersten
Südwesten ab dem späten Nachmittag, wenn die in den Süden einfließende mildere
Luftmasse (T850 um +4°C) labilisiert und etwas CAPE zur Verfügung steht.
Außerdem zieht der Südwestwind im Schwarzwald etwa ab Mittag merklich an bis hin
zu Böen 8-9 Bft in den Hochlagen, exponiert sogar 10 Bft (Feldberg).

Mit Tageshöchstwerten von 8 bis 15°C wird es nicht wesentlich wärmer als am
heutigen Mittwoch.

In der Nacht zum Freitag zieht das flache Wellentief zügig über die südliche
Mitte hinweg und erreicht in der zweiten Hälfte bereits Tschechien bzw. Polen.
Südlich des Tiefs kommt es im Süden zu einem vorübergehenden Einschub milderer
Luft. Strichweise fällt Regen, insbesondere zwischen Schwarzwald und
Niederbayern bzw. Oberpfalz. Nicht ausgeschlossen, dass im Schwarzwald sogar mal
das mehrstündige Starkregenkriterium gerissen wird. Ansonsten verlagern sich die
leichten Regenfälle aus der Mitte allmählich ostwärts, während nach Norden hin
mit Übergreifen des o.e. Höhentiefs/-troges (Rückgang T500 auf unter -30°C)
Schauer und kurze Gewitter auf der Karte stehen. Im Westen trocknet es hingegen
zunehmend ab. Dort, aber auch im Norden ist gebietsweise Frost in Bodennähe
möglich, Luftfrost nur vereinzelt.

Ein Satz noch zum Wind, der im äußersten Süden mit Unterstützung einer
Druckwelle vorübergehend auffrischt mit Böen 7-8 Bft, auf den Bergen z.T. 9 Bft.


Freitag... schwenkt der o.e. Randtrog unter leichter Amplifizierung über den
Vorhersageraum ostwärts, während von der Nordsee ein Bodentrog auf den
Nordwesten übergreift. Die -30°C-Isotherme kommt bis zur südlichen Mitte voran
und im Norden konvergiert es punktuell mal Richtung -35°C! - nicht schlecht für
die erste Maidekade. Bei 850-hPa-Temperaturen zwischen 0°C im äußersten Süden
und bis zu -5°C im Norden ist ausreichen Labilität vorhanden, um abermals eine
rege konvektive Aktivität mit Schauern und kurzen Gewittern (Graupel + Böen 7-8
Bft, worst case wegen trockener Grundschicht 9 Bft) zu entfachen. Die meisten
Schauer entwickeln sich in der Nordhälfte, während es weiter südlich gedämpfter
zur Sache geht. An den Alpen fällt nach Abzug der Kaltfront staubedingt länger
andauernder Niederschlag mit einer Schneefallgrenze zwischen 1200 und 1400 m.

Der West- bis Nordwestwind lebt mitunter böig auf, vor allem südlich des
Bodentroges, im Bergland sowie in Schauernähe. Welche Areale letztlich mit einer
kleinen Windwarnung (+ "8er-Häkchen") versehen werden, muss noch etwas
abgewartet werden. Auf alle Fälle wird es auch am Freitag nicht warm, weiter als
8 bis 14°C geht´s nicht.

In der Nacht zum Samstag beruhigt sich die Lage unter Zwischenhocheinfluss. Mit
Ausnahme des äußersten Südwestens, wo Wolkenaufzug einer neuen Warmfront ins
Haus steht, muss verbreitet mit leichtem Frost in Bodennähe und vor allem im
Bergland auch Luftfrost gerechnet werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen ziehen die Modelle an einem Strang. Inwieweit der
Wolkenaufzug in der Nacht zum Samstag schon greift, ist noch unsicher. Die
externen Modelle sind defensiver, was auch für den Südwesten Bodenfrost bedeuten
würde.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann