DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-04-2021 16:30
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.04.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
**

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, der
sich mit seiner Achse ausgehend von einem Höhentiefkomplex über Lappland
südwestwärts über Skandinavien, die Nordsee und die Britischen Inseln hinweg bis
zu den Azoren erstreckt. Eingebettet in den Langwellentrog sind zudem weitere
Drehzentren über Irland bzw. Wales und Niedersachsen. Bodennah korreliert der
Trog mit einer Zone tiefen Luftdrucks, die sich von Lappland über Skandinavien
und die Ostsee, Mitteleuropa und die Alpenregion hinweg bis zur Iberischen
Halbinsel und dem westlichen Mittelmeerraum zieht. Das Höhentief über
Niedersachsen steht dabei mit einem Bodentiefkonstrukt mit Tiefs über
Niedersachsen und Nordwestpolen in Verbindung. Ausgehend von dem Tief über
Nordwestpolen verläuft zudem ein Frontenzug südwestwärts über Süddeutschland und
die Schweiz hinweg bis zur Iberischen Halbinsel und verbindet dabei weitere
Tiefs in der Tiefdruckzone. Diese Luftmassengrenze trennt dabei auch die milde
Subtropikluft von der kühleren Meeresluft polaren Ursprungs. Demnach sind am
Abend bis in die Nacht hinein in Teilen Deutschlands unterschiedliche
Hebungsprozesse aktiv. Im Süden und äußersten Osten sorgt die Kaltfront
gekoppelt mit PVA auf der Vorderseite eines Kurzwellentroges auf der
Südostflanke des Höhendrehzentrums über Niedersachsen für ausreichend vertikale
Umlagerungen, dass Schauer und einzelne Gewitter auftreten. Aufgrund der recht
straffen südwestlichen Grundströmung können dabei stürmische Böen oder Sturmböen
heruntergemischt werden. Die besten Voraussetzungen für Gewitterentwicklung
befinden sich derzeit über dem östlichen Niedersachsen und Brandenburg, wo die
Hebungsprozesse mit recht feuchter Luft und hochreichend recht starker Scherung
zusammenfallen. Entsprechend sind dort Bow Echos mit eingelagerten Zirkulation
zu verzeichnen und auch am Abend zu erwarten. In der Bodenkarte sind die
konvergenten Strukturen mit einer Konvergenzlinie markiert. Als
Begleiterscheinungen stehen dort Sturmböen oder auch schwere Sturmböen im Focus.
Starkregen und auch kleinkörniger Hagel sind bei PPW von um 15 mm bzw. 150 bis
380 J/kg Cape ebenfalls möglich. Vom Emsland bis nach Rügen, langsam nordwärts
verlagernd, treten dagegen an der Okklusion und der Warmfront der Tiefs
Aufgleitniederschläge auf.
In der Nacht zieht das hochreichende Tief mit Kern auf die Ostsee, sodass der
Kurzwellentrog nach Osten aus Deutschland heraus schwenkt. Hebungsprozesse sind
dann noch an den Alpen durch die schleifende Kaltfront zu verzeichnen, wo durch
Stabilisierung und die Staukomponente die Niederschläge zunehmend skaligen
Charakter annehmen. Zudem sind auch im Nordwesten im Umfeld einer Okklusion
weiter frontogenetische Prozesse wirksam, die die vom Münsterland bis nach
Vorpommern Regenfälle produzieren. Anders im Südwesten und Teilen der Mitte
rückseitig der Kaltfront. Dort strömt trockene und deutlich kühlere Luft ein,
sodass bei Aufklaren Nachtfrost wieder ein Thema wird.
Freitag ... bleiben die großskaligen Strukturen bestehen, sodass Deutschland
weiter auf der Südwestflanke des Langwellentroges liegt, der sich weiter vom
Lappland über die Nordsee und die Britischen Inseln südwestwärts erstreckt. Die
südwestliche Höhenströmung ist dabei weitgehend leicht antizyklonal geprägt. Der
Kurzwellentrog des Vortages samt Bodentief befinden sich am Freitag schon über
Weißrussland. Allerdings zieht sich im Bodenniveau eine Kaltfront bis in den
Nordwesten Deutschlands. Rückseitig soll bei Temperaturen in 850 hPa von -2 bis
-4 Grad noch etwas kälter werden. Allerdings kommt die Front nicht wirklich
südwärts voran, da sich gelichzeitig über dem Emsland ein flaches Bodentief
ausbilden soll. Dennoch sind im Umfeld der Front sowie des Tiefs auch wieder
ausreichend vertikale Umlagerungen zu erwarten, sodass im Nordwesten sowie
Teilen Ostdeutschlands schauerartige Niederschläge in Aussicht stehen. Im Umfeld
der Ems ist bei labiler Schichtung und Cape-Werten bis 100 j/kg auch ein kurzes
Gewitter nicht ausgeschlossen. Zudem stehen die Zeichen auch im Süden und
Südwesten eher auf nass als auf trocken. Zum einen liegt über dem Alpenraum
weiter die Luftmassengrenze vom Vortag und sorgt so für Hebung. Am direkten
Alpenrand und im Südosten Bayerns sind demnach schauerartige Regenfälle wieder
an der Tagesordnung, die jedoch an Intensität nachlassen. Am direkten Alpenrand
kann bei potentiell labiler Schichtung auch ein kurzes Gewitter nicht
ausgeschlossen werden. Anders im Südwesten, wo sich eine Gegenstromlage
einstellt. Neben dem Tief über dem westlichen Österreich soll sich ein Hoch über
der Pfalz ausbilden. Entsprechend würden rund um die Schwäbische Alb und dem
Südschwarzwald konvergente, bodennahe Strömungen die Luft heben und schließlich
länger anhaltenden und teils kräftigen Regen auslösen.
In der Nacht ändert kaum etwas. Im Nordwesten sind im Zusammenhang mit dem
flachen Tief weiter geringfügige Niederschläge möglich. Da wo die Wolkendecke
Löcher bekommt, bildet sich Nebel. Auch im Südwesten das gleiche Bild wie am
Tag. Allerdings ist die konvergente Strömung nicht mehr so markant, sondern
etwas weitläufiger. Entsprechend werden nahezu im gesamten Süddeutschen Raum
Regenfälle prognostiziert. Die Tiefs an der Perlenschnur sollen sich dabei über
Ostösterreich, der Schweiz und an der spanischen Mittelmeerküste befinden. Vor
allem das letztgenannte Tief bekommt bezüglich Hebung Unterstützung aus der
Höhe. PVA kurbelt die Konvektion dort zusätzlich an. Ansonsten zeigt sich die
südwestliche Höhenströmung abgesehen von nur kleinen kurzwelligen Anteilen
weiter eher antizyklonal geprägt.
Samstag ... verspricht zunächst nicht viel Neues. Die großskaligen Strukturen
scheinen festgefahren. Während über Nord- und Nordwesteuropa weiter tiefes
Geopotential dominiert, welches sich anhand eines Troges bis nach Südwesteuropa
ausdehnt, bäumt sich vom zentralen Mittelmeerraum ein rücken nordwärts auf,
dessen Achse jedoch gen Osteuropa zeigt. Durch die Austrogung über die Iberische
Halbinsel steilt sich hierzulande die Höhenströmung weiter auf, bleibt aber
weitgehend antizyklonal ausgerichtet. Bodennah treiben in der Tiefdruckzone auf
der Südwestflanke des tiefen Geopotentials in der Höhe weiter kleinräumige Tiefs
ihr Unwesen. Ein Tief über dem nordwestlichen Mittelmeerraum plustert sich
besonders auf und schaufelt feucht warme Luft nordwärts. Bei der Hebung wird
dieses von ordentlich PVA unterstützt. Entsprechende Regenfälle arbeiten sich
dabei vom nördlichen Mittelmeerraum langsam Richtung Südwestdeutschland vor.
Während tagsüber noch die Restniederschläge durch die konvergente Bodenströmung
für etwas Regen sorgen, setzen ab dem Nachmittag von Frankreich und der Schweiz
her langsam teils kräftige und länger anhaltende Aufgleitniederschläge ein. In
der Nacht soll sich das Tief langsam zu einem Vb-tief mausern und gestützt von
einem markanten Kurzwellentrog in der Höhe sowie geführt durch die südwestliche
Strömung Fahrt aufnehmen und sich nach Tschechien verlagern. Nachfolgend breiten
sich die kräftigen und teils länger anhaltenden Niederschläge von
Baden-Württemberg bis nach Thüringen und Sachsen, gegen Morgen auch bis
Brandenburg aus. Die Schwerpunkte der Niederschläge sind derzeit noch schwierig
festzulegen. Modellübergreifend scheinen aber am Erzgebirge mit Unterstützung
von Staueffekten wieder Regenmengen teils bis in den ergiebigen
Dauerregenbereich wahrscheinlich zu sein. Auch sonst deutet sich in einem
Streifen vom Ober- und Hochrhein bis ins südliche Brandenburg eine
Dauerregenlage an. Neben dem genannten Tief und seinen Fronten sind auch im
Nordwesten weiter geringe Niederschläge möglich.
Sonntag ... steht dann voll im Zeichen des Troges über Westeuropa, der bodennah
das Vb-Tief stützt. Dieses soll tagsüber seine Bahn von Tschechien in den
Nordosten Polens fortsetzen. Auf der Vorderseite schaufelt das Tief weiter sehr
feuchte Subtropikluft nordwärts, während es auf der Rückseite kalte Polarluft
ansaugt und schließlich Deutschland flutet. Lagen die Temperaturen in 850 hPa in
der Nacht zum Sonntag noch zwischen -2 Grad im Nordwesten und bis 9 Grad im
Südosten, purzeln diese in der Nacht zum Montag auf Werte zwischen -1 und -6
Grad. Kräftige und länger anhaltende Niederschläge sind vor allem im Osten des
Landes zu erwarten. Im Stau des Erzgebirges und Zittauer Gebirges regnet weiter
in Strömen, sodass nochmals 20 bis 50 l/qm/24h möglich sind. Ansonsten ist auch
in Bayern und Baden-Württemberg weiter Niederschläge rechnen, die allerdings an
Intensität nachlassen. Allenfalls an den Alpen stellt sich ebenfalls Staulage
mit etwas größeren Regenmengen ein. Insgesamt sollen von Samstagmorgen bis
Montagmorgen etwa südlich der Linie Karlsruhe-Berlin nach derzeitigem Stand 10
bis 50, im Stau des Erzgebirges bis 75 l/qm/48h fallen. Das flache Tief über
Nordsee soll nicht völlig untergehen, versorgt es doch Schleswig-Holstein und
den Küstenraum von Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls mit etwas Regen. Allerdings
zeigt es ab dem Mittag zunehmend Auflösungserscheinungen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großskaligen Strukturen werden von allen betrachteten Modell vergleichbar
abgebildet. Im Detail gibt es aber gewisse Unterschiede bei der genauen Lage der
Luftmassengrenze sowie im Verlauf bezüglich der Niederschlagsschwerpunkt. Bei
der Gegenstromlage in der Nacht zum Samstag und Samstag zeigen vor allem IFS und
ICON eine ähnliche Lösung, während Euro4 und GFS leicht südostwärts verschoben
den Schwerpunkt sehen. Die Dauerniederschläge ab Sonntag werden von der
räumlichen Verteilung von allen betrachten Modelle vergleichbar gezeigt.
Allerdings gibt es geringe Timing-Unterschiede. ICON ist recht zügig unterwegs
während IFS das Tief etwas, GFS deutlich langsamer verlagert. Von der
Probabilität gibt es für den 48 stündigen Zeittraum am Erzgebirge und Zittauer
Gebirge sowie am Alpenrand mit Werten bis 50% die größten Wahrscheinlichkeiten
für das Erreichen der Dauerregenschwelle. C-Leps zeigt in den genannten Gebieten
lokal sogar Werte bis 100%. Zudem wird auch Thüringen sowie die
Schwarzwaldregion mit Werten bis 25% bedacht. Für ergiebigen Dauerregen zeigt
das C-Leps im Allgäu Werte bis 25%, in Thüringen und Sachsen Werte bis 10%. Für
den 24 stündigen Zeitraum gibt es regional noch etwas höhere
Wahrscheinlichkeiten für entsprechende Schwellen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel