DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-04-2021 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.04.2021 um 10.30 UTC



Zunächst ruhiges Wetter, dabei im Süden und Südwesten milder, sonst ziemlich
frisch. Zur Wochenmitte vorübergehend unbeständig.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 29.04.2021


In der Mittelfrist setzt sich das unterkühlte und eher niederschlagsarme Wetter
fort, lediglich der Süden gelangt vorübergehend mal in etwas mildere Luft. Ab
Wochenmitte besteht ein Trend zu leichter Unbeständigkeit, was zumindest die
ansonsten omnipräsente Nachtfrostgefahr etwas mindert.

Verantwortlich für das wenig frühlingshafte Wetter ist ein sich stets
regenerierender Langwellentrog über Nord- und Osteuropa, an dessen Südwestflanke
Deutschland großräumig betrachtet unter einer nordwestlichen, zyklonal
konturierten Höhenströmung verbleibt. Der zyklonale Einfluss aus der Höhe wird
im Bodenfeld allerdings durch einen Hochkeil konterkariert, der ausgehend von
dem blockierenden Hoch über dem nahen Nordostatlantik diagonal über Deutschland
verläuft. Die Kurzwellentröge, die Deutschland zu Beginn der Mittelfrist am
Sonntag und Montag beeinflussen, laufen somit gewissermaßen "ins Leere". Von
einer leichten Schauerneigung im Norden und Osten abgesehen, bleibt es trocken
und vielfach auch freundlich oder gar sonnig. Während an seiner Nordostflanke
maritime, aber durch arg abgetrocknete Luft in den Norden und Osten einfließt
(T850 -1 bis -7 Grad) und keine großen Temperatursprünge zu erwarten sind, kann
sich die Luft im Süden und Westen langsam aber sicher etwas erwärmen (T850 0 bis
6 Grad, macht regional immerhin Maxima von knapp 20 Grad). In den Nächten
besteht weiterhin erhöhte Frostgefahr, nicht nur in der kühlen Polarluft im
Norden und Osten, sondern auch bei klaren und windschwächeren Verhältnissen im
Süden und Westen.

Zur Wochenmitte beginnen die Störungen der mittleren und oberen Troposphäre
allmählich mehr Wetterwirksamkeit zu entfalten, was der Demontierung des
Hochkeils über Mitteleuropa geschuldet ist. Dies hat zweierlei Gründe: Zum einen
führen die immer weiter westlich ansetzenden Kurzwellentröge effektiv zu einer
retrograden Verschiebung des Nordosteuropäischen Langwellentroges. Dadurch wird
das Blockadehoch über dem Nordostatlantik abgebaut und durch eine neue, deutlich
weiter westlich ansetzende Blockierung ersetzt. Zum anderen beginnt das
Cut-Off-Tief westlich der Iberischen Halbinsel seine Fühler in Form eines Troges
mitsamt korrespondierender Tiefdruckrinne zum Alpenraum auszustrecken. Zumindest
nach Lesart des jüngsten IFS-Laufes kommt es in der Rinne zur Entwicklung eines
recht kräftigen Tiefs, das sich ins östliche Mitteleuropa verlagert. Während das
für den Süden nach kurzer föhniger Phase am Dienstag aufgrund einsetzender,
kräftiger WLA zeitweilige Regenfälle bedeutet würde, käme der Rest des Landes in
den "Genuss" zunehmender Schauer- und Gewittertätigkeit. Doch weder beim Regen
noch bei der (Kaltluft-)Konvektion drängen sich nach aktuellem Stand markante
Warnungen auf. Rückseitig des Tiefs strömt kühle Polarluft auch wieder in den
Süden, was das Süd-Nord-Temperaturgefälle deutlich aufweicht (T850 zwischen +1
und -4 Grad). Im Hinblick auf die Nachtfrostgefahr ist der zyklonalere Einfluss
vorteilhaft: Der tritt nämlich nur noch ganz vereinzelt und eher in höheren
Lagen auf.

Im weiteren Wochenverlauf (ab Donnerstag sowie in der erweiterten Mittelfrist
Richtung Wochenende) deutet vieles auf eine Renaissance des
Nordmeer-Blockadehochs hin mit Keil in Richtung Mitteleuropa. Demnach stünde
einer sehr kühlen Nordosthälfte eine allmählich wieder mildere Südwesthäfte
entgegen. Während der Nordosten wohl noch mit ein paar Schauern vorliebnehmen
muss, könnten dem Südwesten im Verlauf wieder schauerartig durchsetze Regenfälle
blühen. Dazwischen stehen die Chancen für freundliche Abschnitte aber ganz gut.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der jüngsten IFS-Läufe kann über weite Strecken der Mittelfrist
als gut bis sehr gut bezeichnet werden. Die leichten Unterschiede in Timing und
Ausprägung kurzwelliger Tröge liegen im Rahmen dessen, was man für die
Mittelfrist naturgemäß erwarten darf. Aufgrund der geringen Wetterwirksamkeit
mangelt es ohnehin an Prognoserelevanz.
Erst ab Wochenmitte divergieren die Berechnungen etwas stärker, wobei die beiden
letzten IFS-Läufe eine etwas zyklonalere Schiene als der gestrige IFS00Z-Lauf
fahren.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


ICON und GFS zeigen zumindest großräumig betrachtet keine grundlegend
abweichende Entwicklung. Nach ruhigem Start in die Mittelfrist rechnen beide
Modelle zur Wochenmitte eine zyklonale Phase. Allerdings setzt die Trog- und
Tiefentwicklung bei ICON und GFS früher und westlicher an. Der längeren
Trogvorderseite geschuldet würde es vor allem nach ICON-Lesart an den Alpen zu
einer stärkeren und bis in den Mittwoch hinein anhaltende Föhnlage kommen. Zudem
zöge das Tief nördlich der Alpen (zeitweise als Leetief) nordostwärts und
brächte verbreiteter Niederschläge, durch einen kräftigeren Warmluftvorstoß im
Süden eventuell auch Gewitter mit Starkregen. Zudem müsste man die
Windentwicklung (auch abseits der Alpen) bei der nördlichen Variante im Auge
behalten (Sturm aus Ost an der See, Druckwelle mit Sturm im Süden).
In der erweiterten Mittelfrist sieht GFS dem beschriebenen IFS-Szenario wieder
sehr ähnlich.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis Dienstag bestätigt das IFS-EPS das beschriebene IFS-Szenario. Sowohl beim
Geopotenzial als auch bei der 850-hPa-Temperatur verlaufen die Rauchfahnen recht
gut gebündelt, wobei Haupt- und Kontrolllauf nahe des Medians in die Memberschar
eingebettet sind.
Ab Mittwoch nimmt der Spread allgemein zu, allerdings im Süden in weitaus
höherem Maß als im Norden. Für München beispielsweise beträgt der Spread bei der
850-hPa-Temperatur sage und schreibe 15 K! Dabei befindet sich der Hauptlauf am
Mittwoch und Donnerstag im unteren Drittel bei rund 0 Grad, nicht wenige Member
sehen am Mittwoch einen Peak zwischen 6 und 12 Grad. Auch beim Geopotenzial
"rauscht" es ab Wochenmitte stärker, wobei Haupt- und Kontrolllauf vor allem im
Süden wiederum eine Position im unteren Bereich der Memberschar einnehmen. In
der Mitte und im Norden schwimmen die beiden deterministischen Simulationen ohne
große Ausschläge nach oben oder unten mit dem Großteil der Member mit.

Bis einschließlich +240 h (Sonntag, 02.05.) wird lediglich 1 Cluster angeboten.
Aufgrund der Verschiebung der positiven Geopotenzialanomalie vom
nordostatlantischen Raum Richtung Grönland und der gleichzeitigen Ausweitung der
negativen Anomalie vom fennoskandischen Raum über Mittel- nach Westeuropa
vollzieht sich ein Übergang vom Regime "Atlantic Ridge" zu "Negative NAO".

FAZIT: Bis Dienstag steht der Fahrplan: Niederschlagsarmes, im Nordosten sehr
kühles, im Südwesten milderes Wetter. Sicher ist auch, dass es danach
vorübergehend zyklonaler weitergeht. Einige Fragezeichen stehen aber noch hinter
der Tiefentwicklung über West- und Mitteleuropa. Die südliche, eher
unspektakulären IFS-Variante wird zwar von einigen IFS-EPS-Membern negiert,
erfährt aber Unterstützung vom GFS-Ensemble. Die etwas "wildere" ICON-Variante
(starker Föhnsturm, Druckwelle im Süden, eventuell Gewitter mit Starkregen,
zudem stürmische Küstenregion) behalten wir aber natürlich im Auge.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Die Wetterlage bietet wenig Spielraum für markante Wetterereignisse. Der
verbreitete blüten- und blümchengefährdende Nachtfrost bis Dienstag kann noch am
ehesten als solches aber bezeichnet werden.
Dienstag und Mittwoch besteht an den Alpen erhöhtes Potenzial für eine Föhnlage,
deren Intensität und Andauer aber noch unsicher sind (Sturmböen auf den
Alpengipfeln aber wahrscheinlich).
Völlig unklar ist, ob es dabei im Süden und Südosten zu einem kräftigeren
Vorstoß warmer, feuchter und instabiler Luft kommt, in der es zu Gewittern mit
lokalem Starkregen kommen könnte. Die Kaltluftkonvektion (ab Mittwoch)
jedenfalls ist wohl kaum markant.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS/-MIX
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser