DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-04-2021 07:30
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.04.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Heute im Norden und Osten windig. Sonst ruhige Hochrandlage mit hoher
Nachtfrostgefahr sowie zunehmendem Temperaturgegensatz zwischen Nord-Nordost und
Süd-Südwest

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... sind die Rollen einmal mehr klar verteilt und dem aufmerksamen
Beobachter einschlägiger Wetterkarten kommt es vor, als würde die Atmosphäre nur
noch mit Blaupausen arbeiten. Von Zonalstrukturen sind wir weiterhin meilenweit
entfernt, stattdessen präsentiert sich das großräumige Potenzialmuster von
seiner feinsten Low-Index-Seite oder anders ausgedrückt stark meridional. Über
dem nahen Atlantik respektive Westeuropa thront ein bis nach Grönland reichender
Rücken, der das Bodenhoch RENATE (Zentrum mit etwas über 1025 hPa über UK)
deckelt. Als Gegenpart fungiert ein von Fennoskandien bis zum östlichen Mittel-
bzw. dem nahen Osteuropa reichender Trog. Letzterer weist ein eigenständiges
Drehzentrum auf, das mit dem Tief ZOHAN korrespondiert, welches heute vom Raum
Gotland zum Baltikum zieht. Schon jetzt ist die Achsstellung des Tiefs nahezu
senkrecht, was auf ein Überschreiten des Zenits von ZORAN hindeutet.
Ausgestattet mit einem Startwert von etwas unter 1000 hPa füllt es sich auf
seinem kurzen Weg nach Osten zusehends auf, so dass am Tagesende rund 1005 hPa
auf der barischen Waage angezeigt werden.

Zwischen dem Hoch im Westen und dem Tief im Nordosten gelangt heute mit
hochreichender nord-nordwestlicher Strömung - wieder mal möchte man sagen - ein
Schwall maritimer Polarluft arktischen Ursprungs nach Deutschland. Die
federführende Kaltfront hat den Norden und die Mitte des Landes bereits
überquert, tut sich im Süden aber schwer, die Alpen anzusteuern. Grund ist der
überlagerte Druckanstieg und die damit verbundene rasche Ausweitung eines
Hochkeils gen Süddeutschland, wodurch ein frontolytisches Umfeld geschaffen
wird, was der Front freilich nicht schmeckt. So wird sie sich in den nächsten
Stunden mehr und mehr auflösen bzw. von Westen her abgebaut werden, was in den
Nachtanalysen übrigens schon begonnen wurde.

Hinter der Front kühlt es niedertroposphärisch auf -2 bis -5°C ab, während im
Süden und Südwesten zarte Plusgrade erhalten bleiben. Allerdings fließt mit
Winddrehung auf Nordwest bis Nord auch dort kontinuierlich, aber eben flach
kältere Luft ein. Bevor die gealterte Warmluft endgültig verdrängt wird, kommt
es vor allem südlich der Donau noch zu schauerartigem Regen, der sich aber mehr
und mehr an die Alpen bzw. ins südliche Vorland zurückzieht. Dabei kann in den
nächsten Stunden insbesondere in Alpennähe ein vereinzeltes Gewitter nicht
ausgeschlossen, bevor die Luftmasse im Laufe des Nachmittags immer stabiler und
trockener wird.

Ansonsten gilt es festzuhalten, dass die polare Luftmasse nicht besonders feucht
ist, wozu sicherlich auch das Überströmen der Norwegischen Gebirge beigetragen
hat. Die Taupunkte liegen heute Morgen mit Ausnahme küstennaher Regionen im
negativen Bereich und so verwundert es nicht wirklich, dass die Numerik
lediglich von der Ostsee bis hinunter zur Lausitz ein paar schlappe Regen- oder
Graupelschauer offeriert. Dort wird zum einen die höhenkälteste Luft
durchgeschleust (T500 -28 bis -31°C), zum anderen ist die Inversion am
schwächsten ausgeprägt respektive liegt ausreichend hoch genug (rund 700 hPa).
Ob es am Ende auch mal für etwas Blitz und Donner reicht, wie von einigen
hochausgelösten Modellen im Angebot, ist fraglich.

Dass es auf der Warnkarte trotzdem einigermaßen bunt zugeht, haben wir dem
auffrischenden Nordwestwind zu verdanken, der heute den Norden und Osten
traktiert. Zwar beginnt der Gradient im Tagesverlauf durch den schwächelnden
ZORAN ganz allmählich aufzufächern, jedoch wird dieser Effekt durch den
Tagesgang und der damit verbundenen turbulenten Durchmischung leicht
überkompensiert. Kurzum, der "Nordwest" erreicht in Böen Stärke 7 Bft, an
einigen Küstenabschnitten (Nordfriesland + Unterelbe, exponiert Ostsee) sowie in
Schauern 8 Bft, bevor er in den Abendstunden merklich an Substanz verliert.

Abschließend noch etwas Wetter, das heute vom Südwesten bis in die Mitte
(Inversion z.T. bis auf 900 hPa runtergedrückt) sowie Richtung Vorpommersche
Küste die höchste Sonnenbilanz bietet. Richtung Alpen hingegen greift
Staubewölkung und in weiten Teilen Norddeutschlands laufen Quellungen an der bei
rund 800 hPa angesiedelten Inversion breit. Die Temperatur erreicht Höchstwerte
von 9 bis 14°C, im Süden und Südwesten punktuell bis 16°C, im Südbadischen an
der Grenze zur Schweiz vielleicht sogar 17 oder 18°C.

In der Nacht zum Freitag ändert sich wenig an der Strömungskonfiguration. Die
Tatsache, dass die Sonne untergeht und der sich bis zum nördlichen Balkan
ausweitende Hochkeil noch etwas verstärkt, sorgen für eine merkliche
Wetterberuhigung. Mit Ausnahme einiger Küstenabschnitte (vor allem
Nordfriesland, exponiert Ostsee) schwächt sich der nordwestliche Wind soweit ab,
dass keine Warnungen mehr nötig sind. Auch geht die ohnehin nicht gerade vor
Power strotzende Schaueraktivität im Osten und Nordosten in die Knie. Am
längsten könnte es noch im Stau von Erzgebirge und Zittauer Gebirge etwas regnen
oder in höheren Lagen auch schneien.

Am lästigsten wird einmal mehr das Thema "Frost", sei es in der Luft, sei es in
Bodennähe. Der Norden bleibt davon weitgehend verschont, weil entweder noch
ausreichend Restwind vorhanden ist, weil mehr oder weniger dichte SC-Bewölkung
durchzieht oder eben beides. In der Mitte und im Süden hingegen kühlt die Luft
bei klarem oder nur gering bewölktem Himmel vielerorts in den leichten
Frostbereich ab (in ungünstigen Lagen bis zu -4°C) und in Bodennähe wird nicht
selten die -5°C-Marke unterschritten. Sollte am Alpenrand noch Restnässe von den
Tagesniederschlägen vorhanden sein, besteht die Gefahr gefrierender Nässe.


Freitag... kräftigt sich der Höhenrücken noch etwas und produziert dabei eine
abgeschlossene Parzelle, die mit ihrem Zentrum nach Frankreich zieht. Auch
RENATE legt noch etwas zu (klingt etwas despektierlich, ist aber so) bzw. bildet
zwei Schwerpunkte mit etwas über 1030 hPa, von denen der eine über der
südwestlichen Nordsee, der andere zwischen Island und Jan Mayen liegt (12 UTC).
Derweil schwenkt der negativ geneigte Höhentrog geringfügig nach Nordosten,
während der korrespondierende, sich tapfer bei knapp unter 1005 hPa haltende
ZORAN Südfinnland als Reiseziel ausgibt. In der Höhe ergibt sich daraus eine
schwache, nach Nordosten hin mäßige bis frische und relativ glatte
Nordwestströmung, mit der synoptisch-skalig im Sinne großräumiger
Vertikaltransporte nicht viel anzufangen ist. Auch beim nordwestlichen Bodenwind
gilt es Einbußen gegenüber heute hinzunehmen, auch wenn es im Osten und
Nordosten im Tagesverlauf wieder böig aufbrist. Steife Böen 7 Bft dürften im
Binnenland die Ausnahme bilden, während man an der Nordfriesischen Küste sowie
an Ostseeküstenabschnitten mit auflandigem Wind über eine kleine Windwarnung
nachdenken könnte.

Darüber hinaus gilt es zu berichten, dass die Divergenzachse des Hochkeils
diagonal von Nordwest nach Südost mitten über Deutschland verläuft.
Nord-nordöstlich davon strömt weiterhin Polarluft in die Nordosthälfte (T850 -2
bis -5°C), während sich nach Süden und Westen hin wärmere Luft hält (Anstieg bis
zum Abend auf +2 bis +6°C). Dort steigt die Temperatur bei wolkenlosem oder nur
gering bewölktem Himmel auf 14 bis 19°C (großer Tagesgang). In den übrigen
Regionen bleibt es nicht nur frischer mit Maxima zwischen 9 und 14°C, es ist
auch wolkiger als im Südwesten. Insbesondere in einem vom westlichen
Niedersachsen bis nach BB und Sachsen reichenden Korridor breitet sich unter der
bei 800 hPa liegenden Inversion vorübergehend dichtere SC/CU-Bewölkung aus, aus
denen aber kein oder nur homöopathisch anmutender Niederschlag fällt. Richtung
Küste nehmen die Sonnenanteile zu, aber auch sonst bekommt die Wolkendecke am
Nachmittag und Abend mehr und mehr Lücken.

In der Nacht zum Samstag bleiben wir im Bereich des Hochkeils, so dass einmal
mehr die üblichen Grenzschichtmechanismen greifen. Der Wind schwächt sich mit
Ausnahme der Küste ab und noch vorhandenen Tagesbewölkung löst sich weitgehend
auf. Weitgehend deswegen, weil sich im Norden und Nordwesten von der Nordsee und
den Niederlanden her SC-Bewölkung ost-südostwärts ausbreiten kann, die dabei
natürlich als Frostverhinderer agiert. Wo genau die Grenzen dieser Bewölkung
sein werden bzw. wie weit sie sich landeinwärts ausbreiten kann, ist noch mit
Fragezeichen versehen. Fakt ist, dass die Luftfrostgefahr in der Mitte und im
Süden abermals hoch ist und Frost in Bodennähe (leicht bis mäßig) verbreitet ins
Kalkül gezogen werden muss.

Samstag... zeigt der Trog respektive das Höhentief über Südfinnland/Baltikum,
dass es auch noch da ist. Es sendet einen KW-Trog über die Ostsee
süd-südostwärts, wodurch die nordwestliche Höhenströmung bei uns wieder etwas
zyklonaler wird. Am Ende entpuppt sich der Trog aber als zahnloser Tiger, weil
die Luftmasse, mit der er zusammenarbeiten muss, zu stabil und vor allem zu
trocken ist. Nur mit großer Mühe werden Richtung Oder und Neiße ein paar
schwache Schauer ausgepresst, meist bleibt es aber trocken.

Am Boden bleiben das Hoch über dem nahen Atlantik (Zentrum um 12 UTC knapp
westlich von Svinöy mit etwas über 1035 hPa) sowie der nach Südosten gerichtete
Keil das Maß der Dinge. Allerdings schleicht sich von Süden her eine flache
Tiefdruckrinne heran, die zunächst aber noch keine Wetterwirksamkeit ausstrahlt.
Immerhin nehmen aber die Temperaturgegensätze zu: Bis zum Abend steigt T850 im
Grenzbereich zur Schweiz bis auf rund +7°C, während in Vorpommern ein Abrutschen
auf -7°C konstatiert werden muss. 14 Kelvin Unterschied sind schon eine
ordentliche Hausnummer, wobei dazwischen nicht - wie meist üblich - eine
Luftmassengrenze im klassischen Sinne liegt, sondern einfach nur die
Divergenzachse des Hochkeils.

Wie auch immer, Fakt ist, dass im Süden und Westen die Sonne von einem
wolkenlosen oder nur locker bewölkten Himmel scheint. Dabei steigt die
Temperatur auf 14 bis 19°C, an Hoch- und dem südlichen Oberrhein teils um 20°C.
Viel Sonne auch im äußersten Norden und Nordosten bei allerdings nur 9 bis 12°C.
Vom westlichen Niedersachsen bis nach BB und Sachsen zeigt sich unter der
Absinkinversion wieder vermehrt SC- und CU-Bewölkung bei 10 bis 14°C. Der aus
nördlichen Richtungen kommende Wind lebt tagsüber zwar mitunter leicht böig auf,
bleibt aber unterhalb der Warnschwelle.

In der Nacht zum Sonntag steigt die Frostgefahr im Norden gegenüber den
Vornächten an (verbreitet Wolkenauflösung), in Bodennähe kühlt es gebietsweise
sogar auf -5°C oder etwas darunter ab. Dafür bleibt es im Süden von einigen
Ausnahmen abgesehen luftfrostfrei (Frost in Bodennähe aber weiterhin
wahrscheinlich).

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann