DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-03-2021 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.03.2021 um 10.30 UTC



Ruhige Mittelfrist. Nacht zum Sonntag Luftfrostgefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 06.04.2021


Die Mittelfrist, von Freitag bis Dienstag, verläuft in Deutschland
vergleichsweise arm an markanten Warnungen und tendenziell recht trocken.

Der Polarwirbel in der Stratosphäre (SPW) verlagert sich vom
kanadisch-arktischen Archipel zum Nordpol und geht nun allmählich auf die
Zielgerade, ist jedoch für die Jahreszeit recht agil mit positiven
Zonalwindanomalien der gemittelten Zonalwinde bei 60 Grad Nord. Derweilen geht
im Grenzbereich zur Troposphäre der Zonalwind sukzessive auf normale bis leicht
negative Anomaliewerte zurück. Eine entsprechende Verlagerung des Wirbels in der
Troposphäre (TPW) ist zu erwarten mit dem Resultat eines vertikal aufrechten
SPW/TPW.

Das Spannende ist jedoch ein Ereignis über dem Nordostatlantik/Grönland, denn
dort deutet sich ein markanter Höhenrücken an, der sich bis in die untere
Stratosphäre abbildet und stromab über Europa dem etwas näher rückenden
Polarwirbel Platz zu Entfaltung gewährt. Dies geschieht in Form eines
umfangreichen Langwellentroges.

Die positive Geopotenzialanomalie hat ihren Ursprung einerseits sicherlich in
der synoptischen Entwicklung (wichtig für die Troposphäre), jedoch scheint auch
ein Support aus der Höhe vorzuliegen in Form von negativen Wärmeflüsse
(Reflexion am SPW) und somit deuten die Vorhersagen über Grönland eine
hochreichend barotrope Geopotenzialanomalie an. Von Seiten der Troposphäre wird
dieses Gebilde durch kräftiges zyklonales Wellenbrechen über dem Nordostatlantik
gestützt, wobei die negative Geopotenzialanomalie in Form eines quasi-stationär
abtropfenden Höhentiefs die Mittelfrist hindurch wiederholt regeneriert wird und
die positive Geopotenzialanomalie über Grönland stützt.
Das Resultat ist ein äußerst beständiges Wellenmuster über dem Nordostatlantik,
das die gesamte Mittelfrist über bestehen bleibt.

Von weiterem Interesse ist, dass diese Entwicklung mit einer Trogverlagerung des
TPW zusammenfällt, der (Trog) mit verkürzter Wellenamplitude während der
Mittelfrist über Grönland zum Nordmeer geführt wird und über Nordwesteuropa
rasant seine Wellenamplitude vergrößert. Diese Konfiguration, so spannend sie
aus synoptischer Sicht auch ist bedeutet jedoch mit Blick auf Europa folgendes:

a) eine sehr eingefahrene Wetterlage, die über Tage bestehen bleibt und
b) dass diese stark mäandrierende Strömung von entsprechend anormalen
Temperaturadvektionsfeldern begleitet wird. Eine daraus hervorgehende erhöhte
Baroklinität kann der Nährboden für kräftige Zyklogenesen sein. Grundsätzlich
deutet sich für Osteuropa eine sehr warme und für West-/Nordeuropa eine eher
kühle Mittelfrist an. Deutschland liegt wie so oft zwischen den Stühlen.

Allerdings ergeben sich noch Unsicherheiten innerhalb der IFS-Läufe bzw.
zwischen weiteren Globalmodelle bezüglich der Geometrie des Troges / der Lage
der Trogachse. Eine Trendprognose des IFS zeigt in den letzten 5 IFS Läufen eine
tendenzielle Abschwächung des Grönlandkeils und eine Verschiebung des
Anomaliezentrums von Südgrönland zur Labradorsee. Zudem deutet sich in den
letzten beiden IFS-Läufe eine neue Blockierung über Skandinavien an. Leider
flattern die Lösungen noch zu stark, sodass für Deutschland (peripher am
Trogrand gelegen) die Unsicherheiten bestehen bleiben. Diese werden auch durch
potenzielle und noch nicht zu erfassende Randtröge diktiert.

AO/NAO gehen beide entsprechend dieser Entwicklung ins Negative und stützen das
Bild eines gestörten Strömungsmusters u.a. zwischen Nordamerika und Europa.

Bevor wir auf unsere Mittelfrist schauen sei noch die Erwähnung erlaubt, dass
sich dank der anormalen Geopotenzial- und Druckverteilung über Grönland am
Wochenende eine für Seefahrer dort nicht ungefährliche Lage einstellt. Der
intensive Druckgradient resultiert über der Grönlandsee in Orkanböen aus Nord
(enge Bündelung im Ensemble mit SOT +2) und Werten jenseits des klimatologischen
Maximums. Perfekter Fetch und beständige Natur dieses synoptischen Wellenmusters
dürften ausgehend von der Eiskante der Grönlandsee bis Montag anormal hohe
Wellen hervorrufen, die Island/Irland/Schottland, Südwestnorwegen und die
Nordsee beeinflussen.


Schauen wir die Entwicklung während der Mittelfrist für Deutschland etwas näher
an und beginnen mit dem Freitag, wo deutschlandweit unter Hochdruckeinfluss ein
freundlicher, teils auch sonniger, im Nordstau der zentralen Mittelgebirge auch
etwas stärker bewölkter Tag erwartet wird. Dabei wird eine inaktive Kaltfront
südwärts geführt und erreicht abends die Alpen. Präfrontal können sich in
Süddeutschland einzelne Schauer und Gewitter entwickeln, die sich am Alpenrand
auch etwas stauen. Aus heutiger Sicht fallen die gewittrigen
Begleiterscheinungen nicht markant aus. Sonst bleibt es tagsüber trocken.
In der Nacht zum Samstag/Sonnabend erfolgt eine Trogpassage über der Ostsee nach
Polen, wobei Deutschland davon nur tangiert wird. In Folge einer schwachen
Kaltfrontpassage fällt im Osten kurzzeitig geringfügig Regen, oberhalb von 600 m
fallen im Erzgebirge einzelne Flocken (T850 bei -5 Grad), sonst bleibt es
trocken und auch die konvektiven Niederschläge im Süden klingen nachts rasch ab
(dort dafür Nebel).

Rückseitig baut sich über Mitteleuropa ein Keil auf, der für Samstag und Sonntag
eine Wetterberuhigung verspricht. Folglich verlaufen beide Tage freundlich oder
sonnig und trocken. Einzig am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag könnte
sich im Südschwarzwald und im Grenzbereich zur Schweiz ein kurzer
Schauer/Gewitter entwickeln.

Montag und Dienstag ergeben sich dann wie angesprochen größere Diskrepanzen. Die
beiden letzten 00Z IFS-Läufe stimmen gut überein und deuten in der Nacht zum
Montag eine wetterinaktive Warmfrontpassage aus Südwesten an mit einem breiten
Warmsektor am Montag tagsüber, der abends und in der Nacht zum Dienstag von
Westen mit einer atlantischen Kaltfront wieder ausgeräumt wird. Die Folge wäre
am Montag von Westen der Aufzug von teils kräftigen Schauern und einzelnen
Gewittern, die zum Dienstag auch den Osten erfassen (dort tageszeitenbedingt
eher skaliger Regen entlang der Front), während es an den Alpen länger
anhaltende Niederschläge gibt (Schneefallgrenze am Dienstag am Alpenrand auf
rund 800 m sinkend, sonst auf 600 bis 400 m). Postfrontal der Kaltfront folgen
am Dienstag weitere Schauer, im Mittelgebirge auch mit Schnee vermischt.

Diese grobe Beschreibung reicht aus, denn die Entwicklung ist weiterhin noch
unsicher, was sich beim letzten 12Z Lauf von IFS gezeigt hat, der eine komplett
andere Variante im Fokus hatte (milder und gewittrig). Diese Unsicherheiten
zeigen sich auch in der normalisierten Standardabweichung des Ensemblemittels,
wo die Stoßrichtung im Seegebiet zwischen Irland und vor Portugal noch große
Unsicherheiten aufweist.

Die Höchstwerte liegen am Freitag im Süden noch bei rund 20 Grad, postfrontal im
Norden um 10 Grad. Das Wochenende verspricht im Norden 10 bis 14 Grad, im Süden
13 bis 17 Grad und abgesehen von einer leichten Milderung im Norden verbleiben
die Höchstwerte auch am Montag und Dienstag in diesem Bereich.
In der Nacht zum Sonntag muss man vielerorts mit leichtem Luftfrost rechnen,
sonst nur lokal und besonders im Bergland. Allerdings besteht durchweg die
Gefahr von leichtem (in der Nacht zum Sonntag auch von mäßigem) Frost in
Bodennähe.

Der Nord- bis Nordwestwind dreht zum Beginn der Woche auf Südwest und weht meist
unterhalb jeglicher Warnschwellen. Einzig über der Deutschen Bucht kann er
zeitweise böig auffrischen und auf dem Brocken sowie auf exponierten
Alpengipfeln sind zeitweise markante Böen möglich. Natürlich kann eine
potenzielle Kaltfrontpassage am Wochenanfang von stärkeren Böen begleitet
werden, doch nicht nur die Schichtung der Front ist unsicher, auch, ob überhaupt
eine Front eintrifft.

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich keine Änderung des beständigen
Wellenmusters über dem Nordostatlantik an, sodass Deutschland weiterhin am Rand
des umfangreichen Langwellentroges verbleibt, der aus heutiger Sicht durch einen
weiteren, nach Island gerichteten Ausbruch arktischer Luftmassen regeneriert
wird. Allerdings läuft der Trog etwas breit, sodass wir immer mehr untern den
Langwellentrog geraten. Die Temperaturgegensätze über Europa nehmen zu mit einer
sehr warmen bis heißen Luftmasse im Südosten, die je nach Entwicklung/Lage von
Randtiefs ebenso angezapft werden kann, wie die stark modifizierte arktische
Luftmasse - oder aber wir verbleiben im gemäßigten Übergangsbereich.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Entwicklung während der Mittelfrist wird vom IFS bis zum Wochenbeginn recht
konstant gezeigt. Dabei passiert ein Trog zum Beginn der Mittelfrist, am
Freitag, den Osten Deutschlands, bevor sich nachfolgend das Wochenende über
nochmal ein Zwischenhoch aufbaut.

In der Folge bestimmt ein markanter Ausbruch arktischer Luftmassen (über dem
Nordmeer/der Nordsee modifiziert) auch das Wetter in Deutschland. Der
begleitende umfangreiche Langwellentrog soll von Sonntag auf Montag
Nordwesteuropa und zum Dienstag Südwesteuropa erreichen. Dabei entwickelt sich
ein eigenständiges Drehzentrum über Großbritannien aus. Allerdings ergeben sich
zu dem Zeitpunkt Unterschiede bezüglich der Geometrie/Ausrichtung des Troges,
sodass noch unsicher ist, wie effektiv die kalte Luftmasse Deutschland erreicht
bzw. wie schnell diese wieder ausgeräumt wird. Der aktuelle Lauf sieht im
Vergleich zum letzten Lauf (Montag, 12Z) verstärkte Kaltluftadvektion mit teils
10 Kelvin Differenz zum Vorlauf. Allerdings passt die Entwicklung wieder sehr
gut mit dem Lauf vom Montag 00Z. Da Deutschland am Rand des Troges liegt
entscheidet die genaue Lage des Langwellentroges sowie potenzielle Randtröge
über die Temperaturentwicklung, sodass hier noch größere Unsicherheiten bestehen
bleiben. Tendenziell scheint ein West-Ostgefälle der Temperatur (wärmer nach
Osten) möglich zu sein.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Mit Spannung folgt nun der Vergleich innerhalb der weiteren Numerik.
Bereits zum Beginn der Mittelfrist, mit der Trogpassage in der Nacht zum
Samstag, gehen die Modelle etwas auseinander. GFS zeigt den Trog kräftiger und
schneller, allerdings hat das nur geringe advektive Auswirkungen (T850 hPa
ebenfalls bei rund -5 Grad). Auch der Niederschlag fällt gering aus und
beschränkt sich auf den Osten.
Während die folgende Keilpassage gut erfasst wird, beginnen zum Montag mit dem
Langwellentrog die größeren Unsicherheiten. GFS zeigt weiterhin einen
schwächeren Langwellentrog, der auch östlicher ansetzt (über Norwegen) und somit
progressiv nach Deutschland vorankommt. Derweilen belassen ICON und IFS diesen
westlicher mit Stoßrichtung in Richtung Südwesteuropa. Dabei bildet IFS das
westliche Ende des Spektrums ab. Folglich ergeben sich über Deutschland am
Montag 12Z teils mehr als 5 Kelvin Differenz in 850 hPa. Zum Dienstag bleiben
die Diskrepanzen bestehen, wobei jedoch auch nach IFS und ICON sukzessiv kühlere
Luftmasse von Westen einsickern.

Zusammengefasst wird es nach allen Modellen ab Montag wechselhafter, aus
heutiger Sicht fällt jedoch kein anhaltendes/ergiebiges Nass. GFS stellt eine
Außenseiterlösung mit einer östlichen Variante dar, während der Rest eher eine
westlichere Lage bevorzugt. Der Grund für die Unterschiede zwischen GFS/IFS ist
eine versetzte Lage der dominanten Wellenstruktur im Nordostatlantik, was auch
die Antizyklone über Grönland mit einschließt. IFS ist das in sich stabilste
Modelle, während GFS die vergleichsweise größeren Korrekturen von Lauf zu Lauf
vornimmt. Daher wird aktuell etwas mehr Gewicht auf die IFS-Lösung gelegt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Beim Blick auf die Clusteranalyse beginnt die Mittelfrist mit zwei Clustern und
dem klimatologischen Regime "Atlantikrücken". Beide Cluster zeigen am Freitag
einen Streifschuss des Troges über Polen mit einem sich stromauf zügig
nordostwärts aufwölbenden Keil.

In der Folge werden 5 Cluster berechnet, zunächst mit dem Regime NAO+, ab Montag
NAO-. Allerdings dürfte die positive NAO nur marginal positiv ausfallen und von
der Lage der positiven Geopotenzialanomalie über Grönland abhängen (siehe auch
GEFS Berechnung der NAO/AO). Denn trotz positiver NAO ist der Nordostatlantik
blockiert und darin gehen alle Cluster konform. Ebenfalls homogen wird die
zeitliche Entwicklung des Langwellentroges über Nordwesteuropa gezeigt.
Geometrie und Lage werden jedoch leicht variabel gerechnet, was auch
Auswirkungen auf die Entwicklung über Deutschland hat. Der Kontrolllauf befindet
sich im ersten Cluster und der det. Lauf im dritten Cluster, die beide eine
recht ähnliche Struktur zeigen. Die Mehrheit der Cluster hat auch die eher
positiv geneigte Achsenstruktur mit nur einem neutral geneigten Cluster (ähnlich
der GFS-Lösung).

In der Folge (Dienstag und erweiterte Mittelfrist), dauern die Unsicherheiten
an. Was ist sicher? Die blockierende Wellenkonfiguration über dem
Nordostatlantik dauert an. Was ist unsicher? Strukturelle Feinheiten, die auf
die Temperaturadvektion große Auswirkungen haben. Die Mehrzahl der Member deutet
jedoch ein Art Breitlaufen des Langwellentroges an, sodass auch Mitteleuropa
immer mehr unter dessen Einflussbereich gelangt. Dies würde die Fortdauer der
(warntechnisch) ruhigen und leicht wechselhaften Wetterlage bedeuten. Allerdings
rückt dann zunehmend der Alpenbogen bezüglich potenzieller Leetiefentwicklungen
ins Auge mit nord(ost)wärts gerichteter Zugbahn der Bodentiefs.

Die Meteogramme zeigen in Deutschland durchweg ruhiges Wetter mit einer
Abkühlung am Wochenende und zunehmenden Unsicherheiten zum Wochenbeginn. Dazu
wird es ab Montag leicht wechselhaft. Die Rauchfahnen divergieren besonders ab
Wochenbeginn deutlich und nachhaltig.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Es werden während der Mittelfrist keine markanten Wetterereignisse erwartet
(abgesehen von einzelnen markanten Böen auf dem Brocken sowie auf exponierten
Alpengipfeln). Dies wird auch vom EFI gestützt, der keine Signale über
Deutschland zeigt.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy