DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-03-2021 18:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.03.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
WIND/STURM:
In der kommenden Nacht und bis Samstagmittag mit Passage der Kaltfront von West
nach Ost einzelne stürmische Böen um 70 km/h (Bft 8) aus West. Nach
vorübergehender Windabnahme tagsüber vor allem bei Schauern sowie in freien
Lagen stürmische Böen (Bft 8). In den Kammlagen der Mittelgebirge Sturmböen bis
85 km/h (Bft 9), nach Osten hin sowie auf exponierten Gipfeln einzelne schwere
Sturmböen bis 95 km/h (Bft 10). Abends abschwächend.
Am Sonntag an der Nordsee stürmische, in Nordfriesland sowie auf höheren Gipfeln
der nördlichen Mittelgebirge Sturmböen Bft 9, abends an der Nordsee abflauend.
Auch in der Nacht zum Montag sowie am Montag auf dem Brocken Sturmböen Bft 9.

GEWITTER:
In der Nacht zum Samstag von Westen her einzelne, tagsüber auf den Norden und
die Mitte ausgreifend vermehrt Graupelgewitter mit stürmischen Böen um 70 km/h
(Bft 8). Sturmböen bis 85 km/h (Bft 9) nicht ausgeschlossen. Nachmittags im
Osten in Verbindung mit Schauer- und Gewitterlinien schwere Sturmböen (Bft 10,
100 km/h) möglich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland am Rande eines Höhenrückens, der sich allmählich
nach Osteuropa verabschiedet. Das korrespondierende Bodenhoch hat sich
inzwischen nach Südosteuropa zurückgezogen, weist aber einen Keil auf, der sich
zum Weißen Meer erstreckt. Dem Rücken folgt ein markanter Trog, der bereits die
Britischen Inseln erfasst hat und bis Samstagfrüh Ostfrankreich erreicht. Diesem
Trog läuft eine Kaltfront voraus, die bereits gegen Mitternacht den äußersten
Westen erreicht und bis Samstagfrüh bis zu einer Linie
Fehmarn-Ostharz-Mittelfranken-Bodensee vorankommt. Vorderseitig ist die
Luftmasse nicht allzu labil, aber es erfolgt ein Einschub feuchterer Luft mit
einem Gehalt an niederschlagbarem Wasser über 15 mm. Folglich wird etwas CAPE
generiert (MU CAPE). In Verbindung mit kräftiger trogvorderseitiger Hebung, die
aus positiver Vorticityadvektion resultiert, kann selbst die geringe Labilität
für frontale Gewitter reichen. Mit Frontpassage dürften verbreitet Wind- und
einzelne stürmische Böen auftreten (der Oberwind im 850 hPa-Niveau erreicht
gerade mal 40 kt), so dass Sturmböen auf Berglagen beschränkt sein sollten.
Bereits präfrontal frischt im Bergland der Wind bereits auf und erreicht in Böen
auf Berggipfeln Sturmstärke.
Postfrontal erfolgt neben einem ausgeprägten Abflauen des Windes ein markanter
Temperaturrückgang. In den westlichen Mittelgebirgen gehen die Niederschläge
oberhalb etwa 600 m in Schnee über, lassen aber alsbald nach. Bei einem
Flüssigwassergehalt um 7 mm sollte vorerst nicht mehr viel Niederschlag folgen.
Aufgrund der Vorgeschichte ist es unwahrscheinlich, dass Schnee liegen bleibt.
So wäre für diese Höhenlagen eine Glättewarnung (Überfrieren und / oder durch
geringen Neuschnee) völlig hinreichend.

Samstag ... greift der Trog auf Deutschland über und verlagert sich bis zum
Abend in den Osten des Vorhersagegebietes. Mit diesem Trog stellt sich typisches
Aprilwetter mit wiederholten Schauern und kurzen Gewittern ein, die mit Graupel
sowie bis in tiefere Lagen mit Schnee vermischt einhergehen können. Dazwischen
gibt es größere Auflockerungen, im Lee der Mittelgebirge und im Südwesten sind
auch sonnige Abschnitte vorstellbar. Oberhalb 600 m ist durchweg die feste Phase
zu erwarten, da aber aufgrund der starken Durchmischung die Nullgradgrenze erst
oberhalb etwa 800 m zu finden ist, sollte kaum Schnee liegenbleiben, so dass
allenfalls die unterste Warnstufe hinreichend wäre.
Warntechnisch wesentlich anspruchsvoller ist die Windentwicklung. Die o.g.
Kaltfront ist bereits am Vormittag Geschichte und überquert mit Wind- und
einzelnen stürmischen Böen bis Mittag die polnische Grenze. Da aus dem aus
Deutschland übergreifenden Trog kurzwellige Anteile Maxima positiver
Vorticityadvektion generieren und vor allem südlich der Mittelgebirge die
Scherung sehr ausgeprägt ist (sowohl niedertroposphärisch als auch
hochreichend), spricht bei der mit Annäherung des Troges und in dessen Bereich
vieles für organisiertere Strukturen hochreichender Konvektion. Dies ist nach
Osten hin wahrscheinlicher als in den westlichen Landesteilen, weil dort der
Tagesgang bereits seine Wirkung entfaltet. Hochauflösende Modelle zeigen
staffelartige Strukturen mit Signalen für Sturm- und einzelne schwere Sturmböen,
die in den östlichen Mittelgebirgen am wahrscheinlichsten sind. Bei Bft 10
sollte auch das Maximum der zu erwartenden Böen liegen. Höhere Böen sind
aufgrund des relativ schwachen Oberwindes, der im 850 hPa-Niveau kaum 40 kt
erreicht, unwahrscheinlich. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 5 bis 9, in
Rheinnähe um 10 und im Osten 11 bis 14 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der Trog nach Polen, wobei dieser durch
ostwärts vorstoßende Warmluftadvektion bereits leicht zugeschüttet wird. Dem
Trog folgt ein flacher Rücken. Durch diesen wird die Frontalzone nach Norden
gedrückt, so dass Deutschland an deren warmen Rand gelangt. Stromaufwärts hat
sich eine zonale Strömung eingestellt.
Im Süden und zumeist auch in der Mitte erfolgt im Randbereich eines Bodenhochs
mit Schwerpunkt über dem Alpenraum, das durch den flachen Rücken gestützt wird,
eine Wetterberuhigung. Der Wind flaut rasch ab, verbreitet klart es auf, so dass
sich leichter Frost einstellt.
Im Norden und über der "nördlichen" Mitte hält sich teils mehrschichtige
Bewölkung, die aus Warmluftadvektion resultiert. Nennenswerte Niederschläge
treten nicht auf und bleibt frostfrei. Warnrelevante Böen sind lediglich auf
exponierten Gipfeln der nördlichen Mittelgebirge und vielleicht noch an der
Nordsee vorstellbar.

Sonntag ... regeneriert sich der Rücken ein wenig weiter westlich, relativ weit
nördlich ansetzende Warmluftadvektion sorgt über der Nordsee und Südskandinavien
für Geopotentialgewinn, was die Frontalzone eher noch etwas nach Norden
verschiebt. Aus der Lage der breiten Achse des Rückens über Westeuropa
resultiert über Deutschland eine nordwestliche Strömung. Ein darin eingelagertes
Frontensystem streift mit seiner Warmfront den Norden und Nordosten
Deutschlands, wodurch dort einige bis etwa 5, im Küstenbereich vielleicht noch
ein paar mehr Millimeter Regen fallen können. Mit dem Übergreifen der Warmfront
frischt im Nordwesten und Norden der Wind auf, im Binnenland sind Windböen Bft
7, an der Nordsee sowie im nördlichen und westlichen Bergland stürmische Böen
und auf exponierten Gipfeln der nördlichen Mittelgebirge Böen bis Sturmstärke zu
erwarten. Im Osten und Süden hält sich Hochdruckeinfluss und der Wind ist sehr
wahrscheinlich nicht warnrelevant. In den mittleren Landsteilen zeichnen sich
Auflockerungen ab, südlich der Mittelgebirge sorgt Absinken im Randbereich des
o.g. Hochs für längere sonnige Abschnitte. Am Nachmittag werden je nach
Bewölkung 12 bis 17 Grad erreicht. Im Norden bewegen sich die Temperaturen nur
um 10 Grad.

In der Nacht zum Montag weitet sich der Rücken unter leichter Kräftigung nach
Mitteleuropa aus, wodurch sich die Frontalzone weiter nördlich, d.h. in Richtung
Baltikum, nach Osten durchsetzt. Die Niederschläge, die an die o.g. Warmfront
gebunden sind, ziehen daher nach Nordosten ab. Vor allem im Westen und Süden
klart es verbreitet auf. Leichter Frost sollte jedoch auf die südöstlichen
Landesteile und das süddeutsche Bergland beschränkt bleiben.

Montag ... liegt Deutschland weiterhin unter einem breiten Höhenrücken. Die
Frontalzone verläuft vom Seegebiet knapp nördlich der Azoren über Schottland und
Südskandinavien hinweg ostwärts und fächert über dem Baltikum auf. Geringe
Niederschläge, die im Wesentlichen aus Warmluftadvektion resultieren, sind auf
den äußersten Norden und Nordosten Deutschlands beschränkt. Diese lassen mit der
Ausweitung des Rückens nach Nordosten nach, so dass auch in diesen Gebieten, wie
im weitaus größten Teil Deutschlands zuvor, die Wolken auflockern. Bedingt durch
die Nähe zur Frontalzone ist der Wind mit Böen bis Bft 7 vor allem an der
Nordseeküste und im nördlichen Schleswig-Holstein und mit geringer
Wahrscheinlichkeit auch an der Mecklenburgischen Ostseeküste noch warnrelevant.

Absinken im Randbereich des nunmehr mit Schwerpunkt über dem südöstlichen
Mitteleuropa liegenden Bodenhochs lässt keine nennenswerte Wolkenbildung zu.
Somit zeichnet sich ein spürbarer Temperaturanstieg auf Maxima zwischen 17 und
22 Grad ab. An Küstenabschnitten mit Seewind sowie im höheren Bergland werden 10
bis 16 Grad erreicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen die oben beschriebene Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten.
Hinsichtlich der Böenentwicklung am Samstag im Trogbereich bringen die
aktuelleren Modellläufe des ICON-D2 wieder eine Verstärkung der Signale für
zumindest schwere Sturmböen ins Spiel. In Teilen der Mitte und nach Osten hin
wären sogar orkanartige Böen vorstellbar, wobei hierfür die synoptischen
Voraussetzungen (Oberwind, Dynamik) fehlen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann