DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-03-2021 09:01
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.03.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz

Nacht zum Samstag markante Kaltfrontpassage, Südwesten einzelne Gewitter.
Samstag Aprilwetter, windig bis stürmisch, Bergland Sturm. Im Osten nachmittags
in Gewitternähe schwere Sturmböen möglich. Nacht zum Sonntag und Montag
besonders im Süden leichter Frost und lokal Glätte.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... dominiert tagsüber noch besonders im Süden und Osten antizyklonaler
Einfluss, während sonst die Strömung von Westen zunehmend auf zyklonal Südwest
kippt. Dieser Geopotenzialrückgang wird durch einen scharf konturierten Trog
hervorgerufen, der Deutschland am Samstag unter Abschwächung ostwärts passiert.
Gleichzeitig steigt das Geopotenzial über dem westlichen/zentralen
Mittelmeerraum stromab eines abtropfenden Tiefdruckgebietes über den Kanaren mit
forcierter WLA. Trogpassage von Westen und Geopotenzialanstieg von Süden sorgen
am Samstag für einen verschärften Druckgradienten über Deutschland.

Des Weiteren zieht eine für diese Jahreszeit kräftige Zyklone südlich von Island
nach Osten, wobei auf der antizyklonalen Flanke des begleitenden anormal
kräftigen Höhenjets Geopotenzialanstieg einsetzt. Letzte Daten deuten auf einen
imposanten Atmosphärenfluss an, der in Richtung Schottland/Südwestnorwegen
gerichtet dort in Staulagen für viel Nass sorgt (integrated water vapor
transport, IVT bei über 1000 kg/(ms)). Dank der mediterranen WLA und dem
Geopotenzialanstieg vom nordöstlichen Atlantik wird die Frontalzone zum Ende der
Kurzfrist (Sonntag) nordwärts gedrückt, sodass wir in die frühlingshafte
Mischung aus einem sich verstärkenden Hochdruckgebiet und der Zufuhr subtropisch
warmer und vergleichsweise trockener Luftmassen gelangen (da nur peripher zum
IVT Maximum gelegen). Zusammengefasst erfährt das frühlingshafte Wetter die
Kurzfrist über eine vorübergehende Schwächephase, um in der Folge mit neuer
Kraft neu zu starten.

Am heutigen Freitag verläuft das Wetter bis zum Abend meist störungsfrei und
trocken. Eine über Nacht nach Deutschland geführte feuchtere Luftmasse trocknet
von Süden wieder ab, dennoch können sich bis zur Mittagszeit über der Mitte und
dem Osten entlang einer Absinkinversion in rund 850-700 hPa vermehrt
Wolkenfelder halten, wenngleich zur Mittagszeit nicht mehr so dicht wie am
Vormittag und dann eher in Form von Cu-Felder aufgehend. Besonders im Südosten
verläuft der Tag sehr freundlich, vielerorts sogar sonnig. Im Südwesten kommt
nach ebenfalls viel Sonnenschein im Verlauf des Nachmittags aus der Schweiz und
Ostfrankreich dichte Bewölkung auf, was das Resultat verstärkter isentroper und
dynamisch/orografisch forcierter Hebung zwischen dem sich nähernden Trog und den
Alpen ist. Niederschläge sollten abgesehen von einzelnen Spritzern bis zum
Abend keine dabei sein.

Bleibt noch der Nordosten zu erwähnen, wo Reste der feuchteren Luftmasse im
diabatischen Tagesmaximum mit Hilfe von Westen einsetzender synoptischer Hebung
(Abbau der Absinkinversion) 100-200 J/kg MUCAPE generieren. Die CAPE-Fläche
verbleibt zumeist oberhalb der -10 Grad Isotherme, mit geringer Modifikation der
Grenzschicht kann jedoch auch vermehrter Graupel-/Kristalleintrag nicht
ausgeschlossen werden, sodass die von ID2 angedeuteten geringen
Gewitterwahrscheinlichkeiten (örtlich/kurzlebig) nicht von der Hand zu weisen
sind. Davon wäre die Altmark, Brandenburg und Vorpommern betroffen mit der
vergleichsweise höchsten Wahrscheinlichkeit zwischen Berlin und Usedom.

Den Nordwesten überqueren bis zum frühen Nachmittag wiederholt Schauer, die in
der Folge abklingen. Die Gewitteroption ist dank niedrigerer Inversionsgrenze
deutlich geringer.

Der Südwestwind weht heute tagsüber im Süden und Osten schwach bis mäßig
(abgesehen von einzelnen Schauerböen im Nordosten) und frischt leicht bis böig
im Westen und über der Mitte (Bft 5-6, örtlich 7) auf.
Die Höchstwerte liegen heute zwischen 8 und 13 Grad im Umfeld der Deutschen
Bucht bzw. entlang der Ostsee, sonst bei 14 bis 17 Grad.


In der Nacht zum Samstag/Sonnabend überquert der scharf gekrümmte Höhentrog den
Ärmelkanal und Nordfrankreich ostwärts und erreicht ausgangs der Nacht den
Westen/Nordwesten Deutschlands. Somit kommt deutlich mehr Fahrt auf in der
Wetterküche. Ein den Höhentrog begleitender markanter Bodentrog mit
eingebetteter Kaltfront erfasst um/nach Mitternacht den gesamten Westen von
Deutschland und kommt bis in die Frühstunden bis zur Mitte voran (Rostock -
Erfurt - Bodensee).
Die Kaltfrontpassage wird ruppig, dank markanter Ausprägung im Bodendruckfeld,
einem ausgeprägten isallobarischen Gradienten (30iger- bis 40-iger Anstieg
postfrontal) und normal gerichteten niedertrop. Windvektoren. Zudem scheint die
Bodenfront im Westen noch nicht von KLA überlaufen zu sein, was sich ausgangs
der Nacht über der Mitte zunehmend ändert. Aber, die Bodenfront läuft dem
thermischen Höhentrog um mehrere hundert Kilometer voraus, sodass die Schichtung
im Umfeld der Bodenfront vergleichsweise stabil ist. 0-3 km Scherung von 40-45
Knoten im Umfeld der Front in Verbindung mit der vergleichsweise stabilen
Schichtung sollten ein markantes und überwiegend ungewittriges Regenband am
Vorderrand der Kaltfront ausbilden. Inklusive der Höhenwinde kann man mit
Frontpassage neben starker Winddrehung auf West mit Böen Bft 7-8 rechnen, lokal
bei kräftigerer Umlagerung auch mit einer Bft 9 (Windböen bis lokal Sturmböen).
Die Niederschlagsmenge fällt mit 1-5 l/qm, lokal bis 8 l/qm zwar überschaubar
aus, das Meiste fällt jedoch binnen kurzer Zeit. Postfrontal der Kaltfront flaut
der Wind vorübergehend wieder unter die Warnschwelle "gelb" ab.

Ausgangs der Nacht geht der Blick in Richtung Benelux, wo mit Annäherung des
Höhentroges und einhergehender Labilisierung die ersten Gewitter und kräftigen
Schauer vor den Toren Westdeutschlands stehen (Eifel-Niederrhein).

Ein weiterer Blickfang ist der Südwesten, wo sich mit andauernder Hebung ein
skaliges Niederschlagsgebiet vom Jura/den Vogesen über die Schweiz nordostwärts
ausbreitet. Dabei geht die Hebung in die kistallbildende Schicht von -12 bis -18
Grad hinein inklusive mäßiger Hebungswerte, sodass die Niederschlagsbildung aus
dem Niederschlagsprozess heraus bereits angekurbelt wird. Zudem wird abends und
eingangs der Nacht noch 200-300 J/kg MUCAPE angedeutet (u.a. dank
differenzieller Erwärmung bzw. den Resten höherer lapse rates im mittlere Niveau
der Troposphäre), sodass diese Niederschläge konvektiv verstärkt und vielleicht
hier und da gewittrig ausfallen. Vorhersagesoundings deuten zu dem Zeitpunkt
deutlich abgehobene Konvektion an, sodass außer kräftigem Regen keine weiteren
Begleiterscheinungen erwartet werden. Dennoch treten aus dem Gradienten heraus
Windböen Bft 7, im Hochschwarzwald Sturmböen (kurzzeitig auch mal eine schwere
Sturmbö) aus Südwest auf. 12-std. Regenmengen fallen zwischen dem Südschwarzwald
und Bodensee sowie der Alb entlang mit 5-10 l/qm üppig, sonst deutlich geringer
aus.

Im Osten/Südosten verläuft die Nacht zunehmend bewölkt, aber sonst warnfrei. Die
Tiefstwerte liegen deutschlandweit zwischen +9 und +5 Grad, gehen im
Grenzbereich zu Dänemark und am Alpenrand auf +4 Grad zurück und können
postfrontal der Kaltfront inkl. Windabnahme zwischen Saarland und dem südlichen
Niedersachsen auf +4 bis +1 Grad absinken (inkl. lokalem Frost in Bodennähe).


Samstag... steht im Zeichen der Höhentrogpassage, die besonders den Norden und
die Mitte Deutschland betrifft. Mit 500 hPa Temperaturwerten von -35 bis -38
Grad und tageszeitlicher diabatischer Erwärmung wird ausreichend Energie zur
Verfügung gestellt für teils kräftige Schauer und Gewitter, die teils in kurzen
Linien organisiert von West nach Ost ziehen. Allerdings ist die grenzschichtnahe
Luftmasse recht trocken mit 2m Taupunkten teils im negativen Bereich bzw. mit
PWATs von etwas unter 10mm, sodass bei 100-300 J/kg MUCAPE Schluss ist. Während
der Höhenwind von Norden zur Mitte zunimmt, ist das niedertrop. Windfeld im
Umfeld mesoskaliger Konvergenzen bzw. Kurzwellen verstärkt. Während die trockene
Luftmasse (inklusive der Grenzschicht) für die Labilität weniger förderlich ist,
erhöht sie doch besonders bei linienhafter Anordnung der Schauer/Gewitter das
Böenpotenzial. Je nach Strukturierung sind dabei strichweise Sturmböen Bft 9
möglich, sonst verbleiben wir meist im Bft 7-8 Bereich.

Allerdings sei hier deutlich darauf hingewiesen, dass der postfrontale Sektor im
Fokus behalten werden sollte, denn feinmaschigere Modelle deuten zur späten
Mittagszeit/zum frühen Nachmittag die Passage einer Kurzwelle an, entlang der
sich eine markante Schauer-Gewitterlinie ausbilden soll mit Windspitzen im Bft 9
bis Bft 11 Bereich (bis unwetterartig!). Fehlende Labilität wird hier durch
kräftige Hebung kompensiert. Wenngleich noch keine Modellkonsistenz betrieben
werden kann steht diese Option im Raum und wird in der Folge sicherlich weiter
konkretisiert. Betroffen davon wären vor allem Nordbayern, Thüringen,
Sachsen-Anhalt, Sachsen und das südliche Brandenburg.

Die Schneefallgrenze geht postfrontal über der Mitte und dem Norden auf 400 bis
500 m zurück, eine Schneedecke von 1 bis 3 cm wird jedoch nur in den Hochlagen
der zentralen Mittelgebirge erwartet.

An den Alpen regnet es vormittags noch etwas (oberhalb von 1000-1200 m fällt
etwas Schnee), bevor der Nachmittag südlich der Donau freundlich und trocken
verläuft.

Abseits der Konvektionsböen wird deutschlandweit aus dem Gradienten heraus mit
Windböen Bft 7, gebietsweise auch mit stürmischen Böen Bft 8 aus West gerechnet.
Allerdings dürften die stürmischen Böen über der Mitte und im Südwesten recht
verbreitet auftreten dank besserem Input aus der Höhe und auch im Umfeld der
Deutschen Bucht sind wiederholt 8-er Böen möglich. Im Bergland treten Sturmböen,
exponiert teils schwere Sturmböen Bft 9 bis 10 auf. Abends schwächt sich der
Wind dann allgemein wieder ab, kann jedoch dank der durchmischten Grenzschicht
bis in die Abendstunden auch im Tiefland noch warnwürdig wehen.

Die Höchstwerte machen im Vergleich zum Vortag einen Sprung nach unten und
liegen zwischen 6 und 14 Grad, wobei die höchsten Werte präfrontal im Oderumfeld
erwartet werden.

In der Nacht zum Sonntag zieht der Trog rasch weiter nach Osten, sodass sich
über Deutschland ein schwacher Keil aufwölben und für eine Wetterberuhigung
sorgen kann.
Der Südwestwind schwächt sich daher zügig unter die Warnschwellen ab. Davon
ausgenommen ist der Oberharz, wo weiterhin Sturmböen oder schwere Sturmböen
auftreten.
Letzte Schauer des Tages fallen ebenfalls in sich zusammen, können sich aber
über dem Süden und Nordosten bis in die zweite Nachthälfte halten. Sonst bleibt
es bei teils dichter, teils lockerer Bewölkung trocken. Kein Wind und Aufklaren
bedeuten in der eingeflossenen marinen Polarluft eine rasche Abkühlung auf
frostige 0 bis -2 Grad über der Mitte und dem Süden (Bergland teils mäßiger
Frost) sowie je nach Restnässe eine gebietsweise erhöhte Glättegefahr. Die
Glätte sollte durch effektives abendliches Abtrocknen jedoch vermindert
ausfallen. Die wenigen Flocken am Alpenrand/Erzgebirge sollten ebenfalls mit
Glättewarnungen abgedeckt werden können. Im Norden bleibt es mit +4 bis +1 Grad
meist luftfrostfrei.


Sonntag... verbleibt Deutschland in einer antizyklonal gekrümmten Höhenströmung,
jedoch im Nordwesten/Norden von einer kräftigen Warmfrontpassage inklusive
beständig positiver Schichtdickenadvektion überlaufen. Das bedeutet für den
Nordwesten und Norden eine meist stark bewölkten Tag mit etwas Regen, während
sich südlich der zentralen Mittelgebirge die Sonne häufiger zeigt. Südlich der
Donau verläuft der Tag gar recht sonnig. Niederschlag wird über der Mitte und
dem Süden keiner erwartet. Bezüglich Wind nimmt der Gradient im Norden wieder
zu, allerdings verbleiben wir im stabil geschichteten Warmsektor, sodass die
deterministischen Modellböen mit verbreitet Bft 7 aktuell nicht anvisiert
werden. Eher wird die MOSMIX-Schiene mit Bft 6 bis Bft 7 bevorzugt. Sonst weht
der Wind nur schwach bis mäßig aus Südwest bis West. Die Höchstwerte liegen bei
7 bis 10 Grad entlang der Deutschen Bucht (auflandiger Wind) sowie im Umfeld der
Ostsee (kühlender Einfluss), während sonst 9 bis 14 Grad erwartet werden.

Die Nacht zum Montag verläuft unverändert ruhig mit etwas Regen im äußersten
Norden und sonst teils klaren Verhältnissen. Mit +8 bis +5 Grad bleibt es im
Norden mild, während es südlich der zentralen Mittelgebirge auf +4 bis -2 Grad
am Alpenrand abkühlt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung während der Kurzfrist wird innerhalb der Numerik einheitlich
gesehen. Bezüglich der Konvektionsböen am Samstagnachmittag muss nun auf die
Konsistenz der höher aufgelösten Modelle geschaut werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy