DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-03-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 16.03.2021 um 10.30 UTC



Nach spätwinterlichem Kaltstart ab dem Wochenende Übergang zu mehr antizyklonal
geprägtem Wetter mit steigenden Temperaturen. Details aber noch unsicher.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 23.03.2021


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Freitag weist die
großräumige Strömungskonfiguration stark meridionale Züge auf. So befindet sich
über dem nahen Atlantik eine hochreichende Antizyklone, deren Schwerpunkt knapp
westlich von UK/Irland liegt und von der aus ein Keil bis hoch nach Skandinavien
reicht. Als Gegenspieler fungiert ein positiv geneigter LW-Trog, der sich von
Nordwestrussland bis hinunter zum westlichen Mittelmeer respektive
Nordwestafrika erstreckt. Auf der Südostflanke der Hochdruckzone gelangt von
Nordosten her eine ordentliche Portion arktischer Polarluft in den
Vorhersageraum, in der die 850-hPa-Temperatur bis zum Abend auf Werte zwischen
-13°C im Norden und -6°C am Alpenrand zurückgeht. Bedingt durch den überlagerten
Höhentrog ist die Kaltluft ausreichend labil geschichtet, um einige
Schneeschauer, in Staulagen (z.B. Thüringer Wald) auch längeren Schneefall zu
generieren - Gott zum Gruße im Spätwinter 20/21. Im Nordwesten ist die
Schauerwahrscheinlichkeit am geringsten, weil der Höhenkeil beginnt, im
Uhrzeigersinn leicht zu "kippen", was eine Stabilisierung der Luftmasse zur
Folge hat.

Am Wochenende (Samstag beginnt der kalendarische Frühling) setzt sich der
Kippvorgang des Höhenkeils weiter fort, was durch einen Abtropfprozess über dem
westlichen Mittelmeer begünstigt wird. Damit wird der ehemalige stolze LW-Trog
in zwei Teile geteilt, was aber erst am Sonntag vollständig der Fall sein wird:
das Cut-Off-Tief zwischen "Malle" und Sardinien (Sonntag 12 UTC) und der langsam
ostwärts schwenkende Trogrest über Nordwestrussland. Dazwischen schiebt sich der
Höhenkeil, dessen Achse am Sonntag zonal exponiert mitten über Deutschland
verläuft und bis zum östlichen Mitteleuropa reicht. Korrespondierend dazu baut
sich im Bodendruckfeld eine ebenfalls zonal orientierte, fast brückenartig
anmutende Hochdruckzone auf, deren Divergenzachse am Sonntagmittag fast
kongruent zur Keilachse in der Höhe mitten über den Vorhersageraum verläuft. In
der Großwetterlagenklassifikation nach Hess und Brezowsky ähnelt die
Konfiguration stark dem Muster BM (Brücke Mitteleuropa). Vor dem Hintergrund der
nachfolgenden Entwicklung (siehe unten) könnte man aber auch zu Wa (West
antizyklonal oder "nördliche Westlage") tendieren.

Wie auch immer, Fakt ist, dass die Schneeschauer am Samstag mehr und mehr in den
Süden und Südosten zurückgedrängt werden. Gleichzeitig setzt Temperaturanstieg
ein, der im Norden und teils auch im Osten (also nördlich der Divergenzachse)
durch Winddrehung auf West und die Zufuhr von Nordseeluft bewerkstelligt wird.
Weiter südlich wirken sich Absinken und diabatische Prozesse zunehmend positiv
auf die Temperaturentwicklung aus. Kurz nach dem TATORT (der diesen Sonntag aus
Kölle kommt) liegt die 850-hPa-Temperatur bei etwa +2°C rund um die Nordsee und
rund -5°C im Osten bzw. der östlichen Mitte.

Zu Beginn der neuen Woche ändert sich zunächst gar nicht mal so viel an der
Gesamtkonstellation. Okay, von Norden her rückt die vergleichsweise glatte, über
Skandinavien verlaufende Frontalzone peu a peu dichter an Deutschland heran, so
dass sich die brückenartige Hochdruckzone etwas abschwächt und gleichzeitig nach
Süden gedrückt wird. Im Norden setzt sich die Zufuhr maritimer Luftmassen fort,
wobei es tendenziell windiger und milder wird (T850 am Dienstagmittag im Norden
und Osten um +5°C). Nennenswerte Niederschläge stehen aber nach wie vor nicht
auf der Karte.
Im Süden hält sich der Hochdruckeinfluss, wobei auch dort die Milderung
deutliche Fortschritte macht (T850 am Dienstagmittag ebenfalls um +5°C).

Abschließend noch ein ganz kurzer Ausblick auf die erweiterte Mittelfrist: Trend
zu neuerlichen Meridionalisierung, dabei nur kurzer zyklonaler Einschub. Ab
Donnerstag wieder zunehmender Hochdruckeinfluss und von Osten her kälter - klar,
geht ja auf Ostern zu.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann summa summarum als durchwachsen, aber nicht
versetzungsgefährdet eingestuft werden. So scheint es unstrittig, dass nach der
anfänglich winterlichen Troglage zum Wochenende der Hochdruckeinfluss von
Nordwesten her zunimmt. Das Timing allerdings ist noch nicht in trockenen
Tüchern. So zeigt die heutige 00-UTC-Version einen etwas verzögerten Übergang,
was am Samstag im Süden und Südosten (nicht nur am östlichen Alpenrand, wie
gestern noch angenommen) einige Schneeschauer zur Folge hätte.

Der zweite Unsicherheitsfaktor betrifft die Geometrie des Hochs respektive des
korrespondierenden Höhenrückens. Wurde gestern für den Sonntag und Montag noch
ein stark meridional geprägtes Bild gezeichnet (Hochschwerpunkt UK/Irland vs.
Austrogung östliches Mitteleuropa bzw. nahes Osteuropa) mit nordwestlichen bis
nördlichen Winden, wird nun eine zonal über Deutschland verlaufende
Hochdruckzone mit einem weit nach Osten ausgreifenden Höhenkeil favorisiert. Die
Folgen wären - wie bereits erwähnt - im Norden Zufuhr feuchter und zunehmend
milder Nordseeluft (allerdings ohne nennenswerte Niederschlagsneigung), während
sich im Süden die zuvor von Nordosten eingeflossene Polarluft erwärmt.

Grundsätzlich ist nach einem Kaltstart mittelfristig eine Milderung zu erkennen,
genauso wie ab Samstag beginnend einige niederschlagsarme bis -freie Tage auf
dem Programm stehen. Beide Trends zeichneten sich auch gestern schon ab.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Während die Nordamerikafraktion bestehend aus GFS (USA) und GEM (Kanada) im
Großen und Ganzen ähnlich wie IFS simuliert, verfolgt ICON offensichtlich andere
Ziele. Favorisiert wird eine High-over-Low-Situation, bei der zwar auch
vorübergehend eine brückenartige Hochdruckzone gerechnet wird, die aber weiter
im Norden verbleibt. Danach käme Norddeutschland nicht in den "Genuss" feuchter
und wolkenreicher Nordseeluft, sondern würde sich häufig sonnig präsentieren.
Viel Niederschlag tritt bei diesem Szenario auch nicht auf, allerdings fällt die
Erwärmung bei östlicher Grundströmung kümmerlicher aus als bei den anderen
Modellen. Der Chronistenpflicht halber sei noch erwähnt, dass UKMO (nur bis
Montag, 00 UTC verfügbar) eher der gestrigen 00-UTC-Lösung von IFS entspricht
(HB, Hoch Britische Inseln mit Nordwestströmung in Deutschland).

FAZIT: Deterministisch bieten IFS, GFS und GEM trotz einiger Konsistenzschwächen
einen sehr soliden Prognosesockel. ICON von 00 UTC nimmt eine Außenseiterlösung
ein. Der soeben veröffentlichte 06-UTC-Lauf scheint sich aber dem IFS
anzunähern.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Verunsicherung der Modelle, wie sie insbesondere in der
Konsistenzbetrachtung zutage tritt, zeigt sich auch in den Ensembles. Betrachten
wir die IFS-EPS-Rauchfahnen einiger repräsentativer deutscher Städte, so setzt
bereits am Freitag eine, wenn auch noch überschaubare Streuung ein. Vornehmlich
im Osten und Nordosten (Referenz Leipzig und Berlin) könnte demnach die
Abkühlung noch kräftiger ausfallen als vom Hauptlauf vorgeschlagen. Ab Samstag
beginnend ist der Trend aber eindeutig, wenn auch vom Timing und Intensität
unterschiedlich (daher auch die Streuung): Sowohl T850 als auch Pot500 steigen
an, bei gleichzeitiger Abnahme der Niederschlagssignale. Haut- und Kontrolllauf
können es offensichtlich nicht abwarten und legen einen besonders rasanten
Anstieg an den Tag. Gerade bei der Temperatur in 850 hPa markieren sie am Montag
und Dienstag den oberen Rand der Kurvenschar, während das Gros der Ensembles
eine zum Teil deutlich moderatere Erwärmung ins Auge fasst. In der erweiterten
Mittelfrist ab Mittwoch wird es dann immer diffuser, und auch der Spread nimmt
noch etwas zu. Die vom Hauptlauf zumindest für den Osten apostrophierte
neuerliche Abkühlung wird nur bedingt mitgetragen.

Es ist keine ganz große Überraschung, dass bei der Clusterung von IFS-EPS für
den Zeitraum T+120...168h (Sonntag bis Dienstag) sechs verschiedene Cluster
angeboten werden (14, 9, 9, 9, 7, 3 Fälle). Haupt- und Kontrolllauf werden dabei
dem mit nur sieben Membern besetzten Cluster 5 zugeordnet. Es ist evident, dass
auch die Ensembles große Schwierigkeiten haben, die Art und Weise des
unzweifelhaft zunehmenden Hochdruckeinflusses en detail abzubilden. So
simulieren CL 1, 3, 5 und 6 eine mal stärker, mal weniger stark ausgeprägte
Hochdruckbrücke. CL 4 setzt auf Nordwestlage (HB), während CL 2 auf das Regime
"Blocking" hinausläuft und nach kurzem Nordwesteinschlag wieder auf Nordost
stellt.
Ab Mittwoch (T+192...240h) reduziert sich die Anzahl der Cluster auf vier, die
tatsächlich auch auf vier verschiedene Großwetterlagentypen hinauslaufen. CL 1
(20 Fälle) setzt auf West antizyklonal, CL 2 (13 + KL) auf Blockierung (Hoch
Mitteleuropa), CL 3 (13 + HL) setzt auf "Nordwest" und CL 4 eher auf Südwest
(antizyklonal) - Wünsche bitte schriftlich an ECMF/Reading, UK. Immerhin ist
bald Ostern...

FAZIT:
Der Übergang zu einer verstärkt hochdruckbestimmten Großwetterlage scheint auf
EPS-Basis weitgehen gesichert. Das Wie und vor allem auch die thermische
Entwicklung weisen noch einige Fragezeichen auf.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Nachdem im kurzfristigen Prognosezeitraum noch Einiges geht in puncto
signifikante Wettererscheinungen, deutet sich mittelfristig eine Beruhigung an.
Zwar kommt es am Freitag (im Süden und Südosten wahrscheinlich sogar am Samstag)
noch zu Schneeschauern oder staubedingten Schneefällen, die Mengen dürften aber
unterhalb von 10 cm innert 12 h bleiben. Wenn es in der Folge vermehrt aufklart,
muss dort, wo frischer Schnee gefallen ist, stellenweise mit strengem Frost um
oder etwas unter -10°C gerechnet werden (vor allem Bergland Mitte/Süden).

Windmäßig ist die Lage alles andere als ergiebig, hatten wir ja auch gerade
erst. Für den Freitag liegt eine überschaubare Wahrscheinlichkeit vor, dass an
der Ostsee sowie im höheren Bergland der Nordostwind in Böen Stärke 8 Bft,
exponiert 9 Bft erreicht. Am Samstag gilt das dann für den Hochschwarzwald
(Bise) und in der Folge - mit allerdings dem Zusatz "nicht ausgeschlossen" - für
die Ostseeküste.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit MOS-IFS und Modellmix mit den "Nordamerikanern". ICON wird negiert,
weil die sehr weit nördlich positionierte Hochdruckzone auch von den Ensembles
nicht gestützt wird.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann