DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-03-2021 18:01
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 11.03.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unbeständige und windige bis stürmische Westlage. Am Samstag erneut markante
Sturmlage wahrscheinlich. Ab Sonntag etwas kühler mit vermehrt Schnee im
Bergland.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... hat sich zyklonale Westlage bereits zu einem ersten Höhepunkt
aufgeschwungen in Form einer Sturmlage. Treibende Kraft ist - und bleibt auch im
Grunde über die gesamte Kurzfrist hinweg - das hochreichende Tief über dem
Nordmeer. Am Boden hat dabei Sturmtief KLAUS von Tief JOSEF die Funktion des
steuernden Zentraltiefs übernommen. An dessen Südflanke bleibt Deutschland in
mal mehr mal weniger kräftiger westlicher Höhenströmung, in der Randtröge über
Deutschland hinweggesteuert werden. Diese Randtröge modifizieren die
Bodenströmung.

Eine solche "Modifikation" in Form eines Bodentroges überquerte heute die
Nordhälfte und sorgte für eine massive Gradientverschärfung, insbesondere im
Westen und Norden. Dieser Trog zieht nun unter Konturverlust nebst eingelagerter
Okklusion über den Nordosten ostwärts ab und sorgt dort noch bis in die Nacht
hinein neben Regen für Sturm- und einzelne schwere Sturmböen.

Die Frontalzone wird weiter nach Süden gedrückt, schleift in Form einer
Kaltfront aber noch über dem Süden und bringt dort bis in die erste Nachthälfte
hinein recht kräftige, schauerartige Regenfälle. Insbesondere im Allgäu werden
dabei zumindest in Staulagen Warnschwellen für mehrstündigen Starkregen
erreicht. Euro4 hat entsprechende Mengen (>20 mm/6 h) im Programm, ICON-D2 und
das angeschlossene EPS sogar Signale für Unwetter (>35 mm/6 h). Allerdings sinkt
gleichzeitig die Schneefallgrenze ab, sodass nicht alles abflusswirksam ist
(dazu gleich mehr).

Zwischen schleifender Kaltfront und abziehendem Bodentrog wird die einfließende
maritime Subpolarluft labilisiert, sodass sich rege Schauertätigkeit eingestellt
hat. Auch einzelne (Graupel-)Gewitter sind mit von der Partie. Mit Übergreifen
eines weiteren Randtroges von Westen, der vor allem thermischer Natur ist, also
mit reichlichen Höhenkaltluft verbunden ist (500 hPa -30 bis -34 °C), nimmt die
Instabilität der Schichtung in der Nacht sogar noch etwas zu. Zwar wird
gleichzeitig trockenere Luft herangeführt, trotzdem sollte die Schauertätigkeit
kaum nachlassen. Der Gradient fächert bodennah zwar deutlich auf, die
"Oberwinde" bleiben aber fast unverändert stark. Auf 850 hPa werden in der Mitte
und im Süden modellübergreifend verbreitet 40 bis 60 Knoten simuliert, sodass in
Schauernähe (schwere) Sturmböen auftreten können, bei Gewittern sind sogar (vor
allem abends) orkanartige Böen nicht auszuschließen. Das ist insbesondere dann
der Fall, wenn sich die Konvektion bogenförmig organisiert - was bei mäßiger bis
starker hochreichender Richtungsscherung (20-35 m/s) in der Mitte und im Süden
definitiv möglich ist.

Abseits der Schauer sorgt der gradient-bedingte Wind immerhin noch gebietsweise
für starke, in freien Lagen und an der See für stürmische Böen. Das höheren
Bergland ist bezüglich der Windentwicklung gewissermaßen "abgekoppelt", hier
bleibt es durchweg stürmisch (je nach Höhenlage Bft 10-12).

Winterliche Wettererscheinungen sind bei zyklonalen Westlagen typischerweise nur
eine Randerscheinung, dennoch werden sie kommende Nacht auf den Plan gerufen.
Mit niedertroposphärischer, sukzessiver Abkühlung (T850 auf -2 bis -5 °C
absinkend), sinkt die Schneefallgrenze in den Schauern im Nachtverlauf auf 700
bis 500 m ab. Am Alpenrand dauert es aufgrund der schleifenden Kaltfront noch
etwas länger, hier ist erst zum Morgen mit Schnee knapp unterhalb von 1000 m zu
rechnen. Schneefallgrenze ist nicht gleich "Liegenbleibgrenze", erst recht bei
der aktuell gut durchmischten Genzschicht. Nennenswerter Neuschnee (bis 5 cm)
ist wohl nur oberhalb von 700 m zu erwarten, nämlich dort, wo sich auch leichter
Frost einstellt. Darunter ist bei stärkeren Schnee- und Graupelschauern
allenfalls kurzzeitig Glätte möglich. Etwas mehr Schnee fällt in Staulagen des
Oberallgäus, bei 10 cm dürfte aber Schluss sein.



Freitag ... zieht der o. e. Randtrog ostwärts ab. Ihm folgt zunächst ein flacher
Rücken, der die Schauertätigkeit unterdrückt. Zwischen einigen Quellwolken, die
bis zur Absinkinversion bei etwa 750 hPa reichen ("Cloudtops" -10 Grad -> kaum
niederschlagsbildende Prozesse) kann sich auch die Sonne zeitweise durchsetzen.
Am größten sind die Sonnenanteile wahrscheinlich im Süden und Südosten,
ansonsten schieben sich durch WLA auf der Vorderseite eines neuen, sich von
Westen nähernden Randtroges bereits in der ersten Tageshälfte mittelhohe Wolken
herein.

Die turbulente Durchmischung innerhalb der labilen Schicht lässt den Wind am
Boden erneut böig auffrischen, sodass verbreitet mit starken bis stürmischen
Böen, im Bergland mit Sturmböen, auf exponierten Gipfeln mit schweren Sturmböen
zu rechnen ist. Nur im Süden ist der Wind wahrscheinlich etwas schwächer.

Spannender wird es ab dem Nachmittag und am Abend. Dann gelangt der Westen und
Nordwesten auf die Vorderseite des erwähnten Randtroges. PVA stützt ein Band mit
schauerartigen Regenfällen, das von Benelux übergreift. Am Abend ist mit
neuerlicher Labilisierung durch Höhenkaltluft auch ein einzelnes Gewitter nicht
ausgeschlossen. Da der Höhentrog mit einem Bodentrog korrespondiert, legt auch
der Wind wieder zu. Stürmische Böen und Sturmböen treten wieder häufiger auf. Da
der Trog mit einem Low-Level-Windmaximum verbunden ist (850 hPa: 50 Knoten)
müssen konvektiven Böen bis Bft 10 ins Kalkül gezogen werden.

Die Luftmassen erwärmt sich niedertroposphärisch etwas (T850 -3 bis 0 Grad), was
zusammen mit guter Durchmischung zu verbreitet zweistelligen Höchsttemperaturen
(bis 13 Grad am Oberrhein) führt. Nur im Norden und im höheren Bergland bleibt
es etwas kühler.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der Randtrog unter Konturverlust ostwärts
durch. Dadurch erreichen die schauerartigen, anfangs auch noch gewittrigen
Regenfälle den Süden und Osten nur in abgeschwächter Form. Da rückseitig des
Troges wieder geringfügig kältere Luft herangeführt wird (T850 auf -5 Grad
sinkend) fällt oberhalb von 600 bis 700 m etwas Schnee. Die Neuschneemengen
bleiben aber gering. Auch die Windentwicklung schwächt sich nach Süden und Osten
zu ab, aber vor allem über der Mitte und Richtung Nordosten, wo der Bodentrog
noch am besten ausgeprägt ist, muss mit starken bis stürmischen Böen, in
Schauern mit Sturmböen gerechnet werden.

Der Konturverlust des Troges resultiert aus WLA, die vorderseitig eines recht
scharfen, zur westlichen Nordsee schwenkenden Kurzwellentroges weit ostwärts
ausgreift. Auf der stark diffluenten Vorderseite des Troges bildet sich ein
Randtief (LUIS) über der Nordsee aus. Infolgedessen zieht im Nachverlauf über
der Westhälfte mehrschichtige Bewölkung auf, aus der es zu regnen beginnt. Auch
der Wind zieht dabei wieder an, weht in Böen stark bis stürmisch, auf
exponierten Gipfeln mit Bft 10-11.

Leichter Frost bleibt weiterhin den Kammlagen vorbehalten.



Samstag ... zieht der Kurzwellentrog nebst Randtief LUIS von der Nordsee nach
Jütland, wobei es zwischen den Modellen noch Unterschiede gibt. ICON rechnet den
Kern des Randtiefs etwas südlicher (etwa über dänischen Grenze) als IFS und GFS.
Die Okklusion des Randtiefs, die Unterstützung von kräftiger PVA erfährt,
überquert Deutschland mit Regenfällen süd- und ostwärts. In Kammlagen kann auch
nochmal Schnee mit dabei sein, allerdings wird mit der Okklusion vorübergehend
etwas mildere Luft herangeführt (T850 -1 bis +3 °C). Etwas außen vor ist der
äußersten Südosten, wo die Okklusion spät aufschlägt bzw. zuvor sogar eine
leicht föhnige Komponente zu verzeichnen ist.

Rückseitig labilisiert die einfließende, wieder etwas kühlere subpolare
Meeresluft durch Höhenkaltluft rasch (500 hPa: zwischen -30 und -35 °C im Norden
und Westen). ICON6 simuliert immerhin gut 100 J/kg CAPE bei gleichzeitig mäßiger
bis starker hochreichender Scherung (20 bis 35 m/s zwischen 0 und 6 km, mit den
höchsten Werten unmittelbar hinter der Okklusion bzw. noch knapp vorderseitig
der Troglinie) - man könnte aber auch kurz und knapp sagen: klassische "Low
CAPE, high SHEAR" Situation. Der Okklusion folgen in wahrscheinlich dichtem
Abstand eine oder mehrere, organisierte Schauer-, respektive Gewitterlinien mit
Graupel, die bei Oberwinden von gut 50 Knoten mit schwere Sturmböen einhergehen
können. Auch die bodennahe Scherung ist nicht von schlechten Eltern (15 bis 20
m/s). Sollte der Bodenwind rückseitig der Okklusion nochmal etwas rückdrehen und
entsprechend SRH aufgebaut werden, sollte man nicht um die Aussprache des
"T-Wortes" verlegen sein.

Apropos Wind: Der ist natürlich auch abseits der Konvektion warnwürdig. In den
stabilen Verhältnissen vor und entlang der Okklusion sind es eher die starken
bis stürmischen Böen, rückseitig die Sturmböen. Im höheren Bergland weht der
Wind je nach Höhenlage in der Stärke Bft 10-12. Durch die südliche Zugbahn des
Tiefs ist der Schwerpunkt der Windentwicklung nach aktuellen Stand eher im
Westen und Südwesten bzw. in der Mitte zu sehen.

In der subpolaren Meeresluft sinkt die Schneefallgrenze in den Schauern von
Nordwesten her auf 800 bis 500 m ab, allerdings wird sich tagsüber wohl kaum
eine Schneedecke ausbilden können. Die Höchsttemperaturen liegen nämlich meist
bei 6 bis 13 Grad, im Südosten sogar bei knapp 15 Grad.

In der Nacht zum Sonntag zieht das Tief LUIS nach Öland. Rückseitig drehen
Höhen- und Bodenströmung mehr auf Nordwest, wobei in der Höhe ein Randtrog mit
einem weiteren Schwall höhenkalter Luft hereinschwenkt. Auch
niedertroposphärisch kühlt es noch etwas ab (T850 auf -4 bis -6 °C sinkend).
Folglich stellt sich typisches Rückseitenwetter mit Regen-, Schneeregen- und
Graupelschauern, vereinzelt auch mit kurzen Gewittern ein, wobei der Schwerpunkt
der Schauertätigkeit unter der höhenkältesten Luft in der Südwesthälfte liegt.
Die Schneefallgrenze sinkt allmählich auf etwa 300 bis 500 m, also auch bis ins
südliche Alpenvorland. Im Hochschwarzwald und im Stau des Oberallgäus fallen
gebietsweise mehr als 10 cm Neuschnee, sonst sind es in den Mittelgebirgen meist
nur wenige Zentimeter oder vorübergehend etwas Schneematsch.

Im Norden schwenkt an der Südflanke des abziehenden Tiefs LUIS ein Bodentrog
nebst herumgewickelter Okklusion ostwärts und bringt eher Regen. Der Bodentrog
führt nochmal zu einer Windverschärfung (Bft 8-9, nach ICON sogar Bft 10).
Allerdings steht und fällt die Windentwicklung natürlich mit der genauen Lage
des Kerns.

Ansonsten nimmt der Wind von Südwesten her immer mehr ab, sodass allenfalls noch
gebietsweise starke Böen zu erwarten sind. Im höheren Bergland sind anfangs noch
Sturmböen, auf Gipfeln schwere Sturmböen, in den Alpen orkanartige Böen möglich.


Frost gibt es innerhalb der gut durchmischten Luftmasse wohl nur in höheren
Mittelgebirgslagen.



Sonntag ... bleibt Deutschland am Rande eines nun bis in den zentralen
Mittelmeerraum reichenden Troges in einer nordwestlichen Höhenströmung, in der
weitere Randtröge südostwärts gesteuert werden. Folglich stellt sich landesweit
wechselhaftes Schauerwetter mit einzelnen Graupelgewittern ein, wobei die
Schneefallgrenze meist zwischen 400 und 600 m pendelt. Oberhalb von 600 m können
so bis 5 cm, an den Alpen staubedingt auch um 10 cm Neuschnee fallen.

Der Gradient zwischen Tief LUIS über der mittleren Ostsee und dem nach Nordosten
verschobenen Azorenhoch bleibt im Wesentlichen erhalten. Mit turbulenter
Durchmischung legt der Wind im Tagesverlauf sogar wieder etwas zu, sodass
verbreitet starke, gebietsweise auch stürmische Böen, im höheren Bergland
Sturmböen auftreten.

Das Temperaturniveau geht im Vergleich zu den Vortagen leicht zurück.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle unterscheiden sich im Hinblick auf die synoptischen
Basisfelder kaum. Unsicherheiten bezüglich des Randtiefs am Samstag wurden
angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser