DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-03-2021 18:30
SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 10.03.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Donnerstag veritable Sturmlage mit Schwerpunkt im Nordwesten. Verbreitet Böen
Bft 8 bis 9, im Westen und Norden exponiert oder bei Schauen auch Bft 10
möglich. In Nordwestdeutschland bei kräftigen Schauern und Gewittern Böen Bft 11
(Unwetter). - Achtung: Donnerstagfrüh im äußersten Osten und Südosten
gefrierender Regen möglich.
Auch in der Folge windig bis stürmisch. Dazu teils skalige, teils konvektive
Niederschläge mit einzelnen Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... der kräftige, von Südwesteuropa ausgehende Höherücken schwenkt
südostwärts und wird von Westen von Warmluftadvektion überlaufen. Diese wird
durch das Frontensystem des zu den Shetlandinseln ziehenden Sturmtiefs
hervorgerufen. Die erste Kaltfront des Tiefs erreicht um 06 UTC etwa Borkum und
Brüssel. Der Westen und Nordwesten kommt damit bereits in den Warmsektor des
Tiefs mit verbreiteten Böen bft 8 bis 9 und auch dicht vor der Warmfront können
im Mittelgebirgsraum einzelne 8er Böen auftreten. Die Niederschläge der
Warmfront erreichen dann die Oder und die Donau. Nur in Südostbayern bleibt es
noch meist trocken. Hier kann es bei anfangs aufgelockerter Bewölkung Frost und
Glätte durch Überfrieren geben. Im östlichen Mittelgebirgsraum und an Oder und
Neiße ist anfangs Schnee oder gefrierender Regen dabei. Die Tiefstwerte liegen
im äußersten Osten und Südosten bei 0 bis -4 Grad. Sonst werden Temperaturen
zwischen 1 Grad bei Nürnberg und 7 Grad im Rheinland erwartet.

Donnerstag ... wird der Höhepunkt der Sturmlage erreicht. Während Tief KLAUS mit
einem Kerndruck von rund 960 hPa in Richtung Norwegische See zieht, schwenkt der
zugehörige Bodentrog über die Nordsee hinweg ostwärts. Mit Passage des
Skagerraks bzw. unmittelbar danach bildet sich abends sogar ein kleines Teiltief
(nämlich an der ´herumgeholten´ Okklusion mit Kaltfrontcharakter), das am späten
Abend den Raum Oslo erreicht. Derweil verlagert sich die Frontalzone - angefacht
durch eine einsetzende breite Austrogung über dem nahen Atlantik - langsam nach
Süden, wobei sich der Jet beginnt abzuschwächen.

Der Höhepunkt der Sturmlage steht noch bevor. Zunächst schwenkt das
okkludierende Frontensystem mit der ersten Kaltfront und dem zugehörigen Regen
rasch südostwärts durch, so dass um 12 UTC bereits weite Landesteile postfrontal
liegen. Da die Frontpassage bei stabiler Schichtung abläuft, ist die
einhergehende Windzunahme mit Drehung auf Südwest im Wesentlichen der
kontinuierlichen Zunahme des Gardienten geschuldet. Kritischer dürfte die zweite
Frontpassage nebst Bodentrog werden, denn neben einer weiteren
Gradientverschärfung und einer zunehmenden Labilisierung der von West-Südwest
einfließenden subpolaren Meeresluft (bis zum Abend Rückgang T850 im Norden und
Westen auf 0 bis -3°C, T500 hPa auf -27 bis -32°C) kommt im Nordwesten und
Norden auch noch ein Low-Level-Windmaximum dazu. So nimmt der Wind in 850 hPa
bis zum frühen Nachmittag auf 60 bis 75 Kt zu und in 925 hPa sind es 55 bis
65kt! Folglich steigt aus rein synoptischen Überlegungen die Wahrscheinlichkeit
für schwere Sturmböen oder orkanartige Böen 10-11 Bft in einem etwa vom
nördlichen NRW über NDS bis hoch nach SH und Westmecklenburg reichenden Areal
vom Vor- bis in den Nachmittag soweit an, dass eine Vorabinformation WU
berechtigt ist. Zumal mit der Labilisierung auch kräftige Konvektion mit
Schauern und einzelnen Gewittern prognostiziert wird, die einen guten
Impulstransport von oben nach unten garantiert.

Abgesehen vom Nordwesten frischt der allgemein auf Südwest bis West drehende
Wind auch in den übrigen Regionen spürbar auf. Mit Ausnahme des Ostens und
Südostens, wo für tiefe Lagen meist eine "kleine" Grundwarnung ausreicht,
erreicht er sonst in Spitzen Stärke 8-9 Bft, im Bergland je nach Exposition 9
bis 12 Bft. An der Nordsee muss vermehrt mit Böen 9 bis 11 Bft, an der Ostsee 8
bis 9 Bft gerechnet werden. Grundsätzlich gilt, dass bei starker Konvektion, die
vor allem mit und nach Durchgang der zweiten Front und damit einhergehender
Labilisierung gewährleistet ist, noch eine Windstärke mehr draufzusetzen ist.

Trotz einfließender Meereskaltluft wird es tendenziell milder, weil einerseits
die Luftmasse durch die überstrichenen Meeresgebiete erwärmt wird und zudem noch
eine optimale Durchmischung an den Tag gelegt wird. So werden morgen 8 Grad an
der See und 15 Grad am Oberrhein erreicht.

In der Nacht zum Freitag erreicht die zweite Kaltfront die Alpen. Dahinter
breitet sich im ganzen Land hochreichende und labil geschichtete subpolare
Meeresluft aus (T500 im Norden bis zu -35°C, T850 landesweit -2 bis -5°C), die
vor allem mitteltroposphärisch kontinuierlich abtrocknet. Vor allem an der Front
sowie unmittelbar dahinter kommt es zu schauerartigen (Regen, Graupel, Schnee),
an den Alpen länger andauernden Niederschlägen und einzelnen Gewittern. Auch
wenn einige Modelle punktuell im Schwarzwald, an den Alpen oder im Bayerischen
Wald etwas höhere Mengen bringen, eine mögliche Dauerregenwarnung erscheint eher
unwahrscheinlich - zumal die Schneefallgrenze im Süden auf 1000 bis 700 m, in
der Mitte bis etwa 400 m sinkt. Zum Morgen hin nimmt die Schauerneigung von
Westen her im Zuge der o. e. Abtrocknung (PPW sinkt auf unter 10 mm, lokal nahe
5 mm) immer weiter ab.

Auch wenn der Gradient etwas auffächert bleibt es stark windig. Vor allem an der
See und im Bergland ist es es stürmisch mit Böen 8-9 Bft, in exponierten
Hochlagen bis 12 Bft. Auch im Alpenvorland muss bedingt durch den
Leitplankeneffekt vorübergehend mit stürmischen Böen 8 Bft gerechnet werden.
Ansonsten liegen die Spitzen meist bei 7 Bft oder auch darunter, es sei denn, es
schauert oder gewittert (Böen bis 9 Bft, worst case 10 Bft).
Leichter Frost beschränkt sich auf die Hochlagen der Mittelgebirge.

Freitag ... liegt Deutschland in einer kräftigen westliche Höhenströmung, in
die kurzwellige Trog-Keil-Systeme eingelagert sind. Dabei schwenkt bis 18 UTC
ein flacher Keil durch, bevor am Nachmittag ein besser konturierter KW-Trog den
Westen erreicht. Dieser korreliert mit einem Bodentrog, der auf der Südflanke
des über der Norwegischen See inzwischen zum steuernden Zentraltief mutierten
KLAUS von der Nordsee und Benelux heranzieht. Derweil hat die o. e. Kaltfront
die Alpen überquert und sich einem Tief über Oberitalien angeschlossen.

Wettertechnisch bedeutet das in der nach wie vor einströmenden subpolaren
Meeresluft einen wechselhaften und windigen Freitag mit kurzen Aufheiterungen
und zunächst nur wenigen Schauern. Am Nachmittag und Abend nimmt die
Schauerwahrscheinlichkeit im Westen und Nordwesten deutlich zu, möglicherweise
etabliert sich auf der Trogvorderseite sogar ein frontähnliches mesoskaliges
Regengebiet, in das einzelne eingelagerte Gewitter nicht ausgeschlossen sind.
Die Vorderkante dieses Regengebietes erreicht um 18 UTC die Lübecker Bucht und
die Eifel.

Der Südwest- bis Westwind nimmt mit dem Tagesgang wieder rasch zu und weht im
Mittel mäßig bis frisch, in der Nordhälfte und im höheren Bergland auch stark
mit verbreitet steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft, an der See und in den
Hochlagen sowie bei stärkerer Konvektion bist 9 Bft, auf exponierten Bergen noch
etwas darüber. Die Höchstwerte liegen zwischen 7 Grad in Nordfriesland und 13°C
am Oberrhein.

In der Nacht zum Samstag zieht der Trog mit seiner Achse zur Oder und es folgt
von Frankreich ein flacher Höhenkeil. Vor allem im Osten und Süden muss noch mit
Schauern gerechnet werden, in Lagen oberhalb 800 m als Schnee. Örtlich Lockert
die Bewölkung auf. Die Tiefstwerte liegen aber meist im frostfreien Bereich bei
1 bis 5 Grad. Nur im oberen Bergland gibt es Werte zwischen 0 und -3 Grad.

Samstag ... Nach Abzug des Höhenkeiles folgt ein kräftiger Randtrog von
Westen, dessen Hauptachse um 18 UTC an der Oder simuliert wird (in seinem Kern
befindet sich ein Höhentief, das zur östlichen Nordsee zieht) und rückseitig
bleibt die Höhenströmung zyklonal mit einem weiteren Troganteil, der dann den
Westen erreicht. An den Trog ist ein Frontensystem gebunden, das weite Teile
Deutschlands überquert und abends etwa an der Donau liegt. So muss an der Front
mit schauerartigem Regen gerechnet werden und postfrontal kommt es zwar zu
Auflockerungen, aber auch zu örtlichen Schauern und einzelnen Gewittern. Erneut
geht mit der Front eine Gradientverschärfung einher, so dass im Tagesverlauf
verbreitet 8er und 9er Böen simuliert werden. Exponiert können vor allem im
Westen und im Mittelgebirgsraum auch 10er Böen auftreten.
Präfrontal gelangt etwas mildere Luft vorübergehend in den Süden mit
850-hPa-Temperaturen zwischen 1 und 4 Grad. Ansonsten ist wieder subpolare
Meeresluft angesagt mit Werten zwischen -1 und -4 Grad mit den niedrigsten
Werten im nördlichen Nordfriesland. Dies bedeutet Höchstwerte zwischen 6 Grad
auf Sylt und 14 Grad am Alpenrand.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle zeigen geringe Differenzen im Timing und teils in den
Windmaxima.
Die 11er Böen sollten aber meist nur bei Schauern und Gewittern im Nordwesten
auftreten, was erneut ICON-D2 zeigt. Hier sind sogar mit geringe
Wahrscheinlichkeit 12er Böen möglich (Ostwestfalen/Weserbergland).
Die Unwetterwarnungen vor orkanartigen Böen sollten daher (außer an der Nordsee)
im Nowcasting herausgegeben werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Olaf Pels Leusden