DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

03-03-2021 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.03.2021 um 10.30 UTC



Am Wochenende Hochdruckeinfluss, danach voraussichtlich Umstellung der
Wetterlage hin zu West-Südwest zyklonal. Feinheiten und Timing aber noch sehr
unsicher.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 10.03.2021


Nachdem der Übergang vom Winter in den meteorologischen Frühling vergleichsweise
geräuschlos vonstattengegangen ist, steht am kommenden Wochenende einmal mehr
Hochdruckeinfluss auf der Karte - zum vierten Mal hintereinander. Erst die
"kalte HELIDA" (13./14.2.), dann die "warme ILONKA" (20./21.2.), danach die
"gemäßigte JAQUELINE" (27./28.2.) und nun die "durchschnittliche bis leicht
unterkühlte KESJA" (6./7.3.). Da bekommt die landläufig gerne mal kolportierte
Behauptung, dass das Wetter am Wochenende immer "schlecht" und in der Woche
(Stichwort Arbeit/Schule usw.) immer "gut" sei, einen gehörigen Schuss vor den
Bug. Ohnehin muss man konstatieren, dass die letzten Wochen von wenigen
Ausnahmen abgesehen stark hochdruckbestimmt waren, was unweigerlich die Frage
aufwirft, ob das denn im März so weitergeht. Nun, um es vorweg zu nehmen, die
Anzeichen für eine nachhaltige Änderung der Großwetterlage in der kommenden
Woche verdichten sich zwar, sicher ist aber noch nichts. Wie und warum, und was
derzeit noch dagegenspricht, dazu später mehr.

Zunächst mal zur Ausgangssituation am kommenden Samstag und Sonntag, wo die
zuvor eingeflossene polare Meeresluft (T850 am Samstagmittag zwischen rund -1°C
im äußersten Süden und bis zu -9°C im Osten) rasch unter Hochdruckeinfluss
gelangt (genau genommen startet der schon am Freitag, zumindest im Norden).
Dabei etabliert sich über West- und Mitteleuropa ein umfangreiches Hoch mit
zonal ausgerichteter Divergenzachse, das von einem flachen, aber sehr breiten
Höhenrücken gestützt wird. Im Grunde stellt dieses Hoch die Fortsetzung des
klimatologisch relativ normal positionierten Azorenhochs dar, so dass die
großräumige Druckkonstellation an eine kräftige, bis zum Schwarzen Meer
reichende Brücke erinnert (die hausinterne Großwetterlagenklassifikation zieht
aber HM (Hoch Mitteleuropa) dem Muster BM (Brücke Mitteleuropa) vor, was auch
vollkommen nachvollziehbar ist). Fakt ist, dass die Hochdruckzone an ihren
Rändern im äußersten Norden und Süden kleinere Schwachstellen besitzt (Wolken,
geringfügiger Regen).

Zu Beginn der neuen Woche schwächt sich die Hochdruckzone ab bei gleichzeitiger
Verlagerung der Divergenzachse nach Süden. Damit wird der Weg frei für erste
schwache Tiefausläufer, die von der Nordsee landeinwärts vorstoßen. Auch beginnt
die Höhenströmung allmählich zu zonalisieren, wenngleich die sich über dem
mittleren Nordatlantik formierende Frontalzone zunächst noch außen vor bleibt.
Am Dienstag gelangen wird dann so richtig auf die diffluente Vorderseite der
immer näher heranrückenden Frontalzone. Die synoptisch-skaligen Hebungsprozesse
nehmen nicht zuletzt auch wegen kräftiger WLA kontinuierlich zu, so dass es im
Tagesverlauf von Westen her zu Regenfällen kommt (vorlaufende Gewitter nicht
ausgeschlossen), die sich in der Nacht zum Mittwoch auf den gesamten
Vorhersageraum ausbrieten und sich dabei noch intensivieren sollen. Sie kündigen
die Annäherung eines okkludierenden Frontensystems an, das zu einer am
Dienstagmittag über UK/Irland liegenden, insgesamt aber zügig nach Osten
vorankommenden offenen Welle gehört. Diese zieht unter Verschärfung respektive
unter Bildung eines Teiltiefs rasch über die Nordsee hinweg, was bei uns eine
deutliche Windzunahme mit sich bringt. Die Kaltfront- bzw. Okklusionspassage ist
für die die zweite Nachthälfte und den Mittwochvormittag vorgesehen, wobei schon
an dieser Stelle die Bemerkung erlaubt sei, dass diese Vorhersage auf einem sehr
wackeligen Sockel steht (siehe dazu später mehr).

Nach einer kurzen Erholungsphase am Mittwoch (schwacher Zwischenhocheinfluss),
nimmt am Donnerstag (wir befinden uns nun schon in der erweiterten Mittelfrist)
das nächste Wellentief Anlauf auf Deutschland. Angetrieben durch die
mittlerweile über Mitteleuropa verlaufenden, gut ausgeprägten und leicht
flatternden Frontalzone soll sich dieses Wellentief zu einem echten Kracher der
Marke Schnellläufer entwickeln, das am Donnerstag mitten über den Vorhersageraum
hinwegzieht. Die Folge wäre - wohlbemerkt WÄRE - eine veritable Sturmlage für
Süddeutschland. Abwarten!


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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann bis einschließlich kommendes Wochenende als
gut bezeichnet werden. Ab Montag dann nimmt die Streuung zu, wobei sich das
Modell bei der grundlegenden Ausrichtung eigentlich treu bleibt. Sprich, die
Umstellung der Wetterlage weg von Hochdruckeinfluss hin zu einer wechselhaften
und windigen West-Südwestlage wird nach wie vor verfolgt. Was nicht passt, ist
die zeit-räumliche Verteilung und die Geometrie der prägenden Systeme (Tröge,
Tiefs, Fronten etc.), die von Lauf zu Lauf anders simuliert werden. Von daher
ist eine Detailprognose ab Montag eigentlich nicht mehr möglich...


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Vergleich mit anderen globalen Modellen


... Erschwert wird die mittelfristige Einschätzung zusätzlich durch die Tatsache,
dass andere Modelle wie z.B. die "Nordamerikaner" (GFS (US) und GEM (Kanada))
zunächst noch Hochdruckeinfluss propagieren und eigentlich erst zur zweiten
Wochenhälfte hin den Einfluss atlantischer Systeme ins Spiel bringen.
Exemplarisch sei der nächste Dienstag herausgegriffen, wo GFS den
Hochschwerpunkt über dem Baltikum sieht und bei uns eine grundsolide Ostströmung
prognostiziert, mit der kontinentale Kaltluft advehiert wird (T850 um -10°C im
Osten). GEM zeigt sich diesbezüglich solidarisch und auch das Globalmodell des
Britischen Wetterdienstes (UKMO) setzt eher noch auf Blockierung. ICON dagegen
geht mit IFS mit und auch die meisten "Exoten" (nicht despektierlich gemeint,
aber in der Regel betrachtet man diese Modelle nur wenig, zumindest der
Verfasser) wie z.B. die "Koreaner, Chinesen und Australier" tendieren in
Richtung "zunehmender atlantischer Einfluss".

FAZIT: Aus rein deterministischer Perspektive wird die Prognose ab Montag
verdammt unsicher.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen repräsentativer deutscher Städte beginnen nach
anfänglich guter Bündelung ab Wochenanfang (bei T850 sogar schon etwas eher, bei
Pot500 etwas später) zu divergieren. Gleichwohl lassen sich gewisse Trends
herauslesen. So zeigt T850 ein relativ konstantes Niveau mit leicht wellendem
Charakter, während Pot500 tendenziell absinkt. Auffallend sind die im Laufe der
Woche zunehmenden Niederschlagssignale, wobei die vom Haupt- und Kontrolllauf
apostrophierten zwei Maxima (Dienstag auf Mittwoch sowie Donnerstag) nicht
eindeutig bestätigt werden (die Signale verwischen).
Bei GFS-EPS fällt auf, dass bei T850 der Hauptlauf in der ersten Wochenhälfte am
unteren Rand der Kurvenschar verläuft. Allerdings stützt das Gros der Ensembles
eine kalte Lösung.
Wechselt man bei IFS-EPS auf die Clusterdarstellung, werden für den Zeitraum
T+120...168h (Montag bis Mittwoch) drei Angebote gemacht (20 Fälle + HL/KL, 17,
14), von denen die ersten beiden auf Kurs "NAO positiv" getrimmt sind und somit
das Szenario des Hauptlaufs stützen. Cluster 3 hingegen ist weniger flott mit
dem Übergreifen atlantischer Systeme, tendiert also eher in Richtung GFS. In der
erweiterten Mittelfrist ab Donnerstag (T+192...240h) wird dann nur noch ein
einziger Cluster feilgeboten, der das endgültige Durchgreifen einer zyklonalen
West-Südwestlage avisiert.

FAZIT: Die jeweiligen Ensembles der sich gerade in der ersten Wochenhälfte
diametral gegenüberstehenden Modelle IFS und GFS stützen mehrheitlich die
Lösungen ihrer Hauptläufe, was die Sache nicht einfacher macht. Letztlich wird
IFS respektive IFS-EPS aufgrund der im Mittel besseren Skills favorisiert,
allerdings wird die extreme deterministische Lösung abgemildert.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Zunächst mal ist nicht viel rauszuholen aus der Wetterlage, wenn man mal von
anfänglich strengem Frost (Sonntagfrüh) am Alpenrand absieht. Erst im Laufe der
nächsten Woche könnte dann mehr Leben in die Bude kommen, wenn sich der Einfluss
des Atlantiks durchsetzt und die Strömung zunehmend zonalisiert. Was möglich
ist, zeigt eindrucksvoll die Beschreibung auf Basis des Hauptlaufs. Gleichwohl
macht es aus heutiger Sicht wenig bis keinen Sinn, schon in zeit-räumliche
Details einzusteigen. Nur so viel, die Wahrscheinlichkeit für
Starkwindereignisse nimmt in der nächsten Woche zu.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix (ICON verfolgt eine ähnliche Strategie wie IFS) mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann