DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-03-2021 16:30
SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 02.03.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Erst mild bis sehr mild, ab Donnerstag Kaltfrontpassage mit Schnee im Alpenstau
sowie entlang der östlichen zentralen Mittelgebirge. Kälter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... scheint die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, sieht man von den
letzten hartnäckigen Hochnebel-, Nebel- oder Dunstfeldern im äußersten Norden ab
und so gehen wir auch in die Abendstunden. Im Umfeld der Deutschen Bucht und der
Ostsee bleibt der dichte See-/Küstennebel weiterhin das Thema, teils auch
warnwürdig. Entsprechend gestaltet sich auch die abendliche Temperaturverteilung
mit 1 bis 4 Grad im Küstenumfeld, 4 bis 8 Grad im gesamten Norden und sonst 8
bis 13 Grad im restlichen Deutschland. Der Wind weht schwach und gemittelt aus
Ost.


In der kommenden Nacht, der Nacht zum Mittwoch, verbleiben wir unter einem
umfangreichen Höhenkeil, sodass wir deutschlandweit eine ruhige Nacht erwarten.
Ruhig ist jedoch nicht gleich warnfrei, denn dank der kräftigen nächtlichen
Ausstrahlung werden wir doch recht verbreitet in den leichten Frostbereich
rutschen. Entsprechende Warnungen wurden bereits ausgegeben, wobei der äußerste
Westen frostfrei durch die Nacht kommen sollte. Mit der raschen Auskühlung
bildet sich besonders im Norden verbreitet dichter und warnwürdiger Nebel
(Sichtweiten unter 150m bei Taupunkten zwischen +2 bis +5 Grad).
Prognosesoundings vom ICON-D2 zeigen in diesem Bereich eine sehr niedrige,
scharfe sowie gesättigte Schicht (gedeckelt von einer trockenen Inversion),
sodass auch Nebelnässe nicht ausgeschlossen ist, die bei dem zu erwartenden
Luftfrost gebietsweise Glätte auf Straßen hervorrufen kann. Entsprechend sollte
parallel zu Nebelwarnungen auch mit Glättewarnungen hantiert werden. Über der
Mitte und dem Süden liegen die Taupunkte niedriger, doch auch hier dürfte sich
in vielen Regionen regional dichter Nebel bilden mit lokaler Glättegefahr.
Zuletzt sei noch die Möglichkeit genannt, dass aus der Schweiz heraus dichte
Cirren auf den Südwesten übergreifen, was sowohl die Auskühlung als auch die
Nebelgefahr mindern könnte. Der Grund dieser Cirren wird am Folgetag
beschrieben. Der Wind bleibt schwach und kommt zunehmend aus Südost bis Süd.


Mittwoch ... ist zwar warntechnisch erneut ein ruhiger Tag, es gibt jedoch ein
gewisses Überraschungspotenzial.
Flankiert wird der über Mitteleuropa liegende Keil in seinem westlichen Bereich
von einem sehr weit nach Süden ausgreifenden Langwellentrog, der am Mittwoch
über Marokko und Algerien verbleibt. Begleitet von einem Bodentief fand u.a.
heute (Dienstag) wieder ein kräftiger Staubeintrag in die Troposphäre statt.
Gleicht man Ceilometermessungen über Südwesteuropa mit 12z Soundingaufstiegen
von heute (Dienstagmittag) ab, so erkennt man die Staubschicht in rund 4 km AGL,
was innerhalb der Radiosondenaufstiege auch mit einer (zu Eis) gesättigten
Schicht überlappt. Diese Schicht äußert sich im aktuellen HVIS (Dienstag 15Z)
durch eine dicke Cirrenschicht, die sich von Algerien bis nach Südfrankreich
erstreckt und dem Tagesgang folgend etwas auflockert. Vergleicht man die
Numerik, so wird diese Bewölkung zwar von der Platzierung gut erfasst, weniger
aber die Ausprägung/Dichte der Cirren. Die variablen "Aerosolberechnungen"
verschiedener Institutionen sehen dabei die Konzentration recht einheitlich.
Wieso der hier eingebaute Rückblick und die Ausführungen?

Es wäre nicht überraschend, wenn die in der Numerik für morgen angedeuteten
dünnen Cirren in Wahrheit besonders bis zur Mittagszeit aus dichtem Cirrostratus
bestehen. Zumeist sind diese Cirrenbänder im warmen Förderband verankert und
weisen dank verstärkter nächtlicher langwelliger Ausstrahlung und einhergehender
Labilität am Oberrand der Bewölkung eine ähnliche Struktur auf wie z.B. die Haut
einer Orange. Zudem sind sie aus der Nacht heraus sehr kompakt und lösen sich
(wie auch aktuell am Dienstag) im Tagesverlauf etwas auf. Daher setzt diese
Vorhersage entgegen der aktuellen Numerik eher auf dichte hohe Bewölkung im
gesamten Südwesten/Westen, die sich bis zum Abend unter Abschwächung ostwärts
ausbreitet. IFS scheint dabei die Ausprägung der Cirren noch am ehesten zu
erfassen. Am freundlichsten/sonnigsten sollte der Tag im Nordosten verlaufen,
wobei sich hier der dichte Nebel aus der Nacht teils zäh bis in den
Mittag/frühen Nachmittag halten sollte. Sonst dürfte sich der Nebel über der
Mitte und dem Süden zwar zügig auflösen, dank der geschwächten
Sonneneinstrahlung (Sand und Wolken) könnten sich aber vielerorts Dunstfelder
zäh halten.

Der Leser ahnt, worauf hingearbeitet wird: die aktuell im MOS und in den det.
Modellen angedeuteten Höchstwerte von 13 bis 17 Grad könnten in manchen Regionen
deutlich zu optimistisch ausfallen, wobei schwer abzuschätzen ist, wo
letztendlich die meiste Sonneneinstrahlung zu erwarten ist. Dort, wo sich die
Sonne im Westen und Südwesten doch gut zeigt sind diese Spitzenwerte möglich,
sonst aber könnte bereits bei 12 bis 14 Grad Schluss sein (für März weiterhin
mild bis sehr mild). Frischer bleibt es weiterhin im Norden dank der zögerlichen
Nebelauflösung mit Spitzenwerten von 5 bis 9 Grad. Trocken bleibt es überall und
der Wind weht schwach, im Norden und Osten mäßig aus Südwest bis West. Tipp:
Verpassen Sie den Sonnenuntergang nicht!


In der Nacht zum Donnerstag wird der Keil zügig abgebaut und die Höhenströmung
ist zunehmend zyklonal geprägt. Dabei nähert sich Benelux ein kleinräumiger und
stark gekrümmter Trog, der mit üppiger PVA den Westen Deutschlands erfasst. Dort
muss allgemein mit Bewölkungsverdichtung gerechnet werden und nach Mitternacht
sollte im äußersten Westen der erste Regen fallen. Ansonsten verläuft die Nacht
im Süden und Osten zunehmend bewölkt, aber trocken mit lokalen Nebelfeldern über
der Mitte (bzw. "Berge in Wolken"). Dank der Bewölkung verläuft die Nacht mit +6
bis +2 Grad meist frostfrei, einzig im Südosten ist noch leichter Frost um 0
Grad möglich. Abgesehen von einzelnen stürmischen Böen aus West auf dem
Brockenplateau spielt der Westwind weiterhin keine (warntechnische) Rolle. Die
in ICON angedeuteten "Schlangen" (= gefrierender Sprühregen) können bei den
Vorhersagesoundings inklusive sehr trockener Grenzschicht zwischen 750 und 950
hPa nicht richtig nachvollzogen werden.


Donnerstag ... überquert der angesprochene Trog Benelux und nachfolgend den
Westen und Süden Deutschlands und geht dabei in einen Langwellentrog auf, der
über Nordosteuropa liegt und mit seiner Achse abends Südschweden erreicht.
Gleichzeitig richtet sich der Blick nach Norden, denn über Skandinavien findet
ein nicht unbeachtlicher Kaltluftvorstoß einer polaren Luftmasse nach Süden
statt, die modifiziert abends den Norden von Deutschland in Form einer
ausgeprägten Kaltfront erreicht. Die Front wird durch die kurzwellige
Trogpassage zwar noch an der raschen Südverlagerung gehindert, doch dürfte sie
abends Hamburg und Berlin erreicht haben. Das IFS-EPS zeigt im Spaghettiplot
eine enge Bündelung aller Einzelmember, sodass die Lage der Front doch recht
sicher erscheint.

Von daher gibt es folgende Punkte zu besprechen:
Tagsüber breitet sich schauerartig verstärkter Niederschlag von West nach Ost
über die gesamte Mitte und abends zunehmend auch auf den gesamten Süden aus.
12-std. Mengen liegen meist zwischen 4-8 l/qm, nur in Staulagen auch etwas
darüber. Bei T850 von -2 bis +3 Grad (von der Mitte zu den Alpen) spielt
Neuschnee keine Rolle (Schneefallgrenze 1000 bis 1800 m). Interessant vielleicht
noch zu erwähnen, dass im Westen die Luftmasse etwas labilisiert wird mit
MUCAPE-Werten von 100-200 J/kg. Nicht der große Wurf, aber dieser labile Bereich
erstreckt sich vertikal bis in die Kristallwachstumszone inkl. Graupelbildung,
sodass ein kurzes Gewitter weiterhin angedacht ist - allerdings ohne
gröbere/markante Begleiterscheinungen (fehlender Wind und fehlende Dynamik).
Dennoch kann man dank dieser sich rasch verclusternden Konvektion zwischen Eifel
und Spessart strichweise auch 10-20 l/qm Niederschlag nicht ausschließen (PPWs
bei rund 15-17 mm). Übrigens, der EFI CAPE springt weiterhin im Westen an und
hat sich sogar etwas verstärkt. Die Höchstwerte liegen über der Mitte und dem
Süden bei 10 bis 15 Grad.

Bleibt noch der Norden, wo eine frühe Winddrehung auf Nord tagsüber kältere
Luftmassen einsickern lässt, die jedoch noch nichts mit der eigentlichen
Kaltfront zu tun haben. Regen (Aufgleiten forciert durch den Kurzwellentrog) und
Höchstwerte von 4 bis 7 Grad sind aber ein Garant für einen vielerorts
nass-kalten Tag. Nach der Mittagszeit greift dann die eigentliche Kaltfront von
Dänemark und der Ostsee auf Norddeutschland mit etwas Niederschlag und an den
Küsten mit böig auffrischendem Nordwind über. Bei T850 von -7 bis -8 Grad kann
in einem Schauer im Nordosten die eine oder andere Schneeflocke bereits
gesichtet werden.

Der Wind weht im Süden schwach bis mäßig, im Südwesten teils leicht böig aus
West, sonst aus Nord.


In der Nacht zum Freitag wird die Kurzwelle zügig über Südostdeutschland nach
Österreich geführt, sodass dem Übergreifen des umfangreichen Langwellentroges
auf Deutschland nichts mehr im Weg steht. Dessen Achse erfasst ausgangs der
Nacht den Norden Deutschlands. Dabei wird die Kaltfront zügig bis zur Mitte
gedrückt. Die T850 liegen im Süden bei -2 bis -4 Grad und von der Mitte
nordwärts zwischen -7 und -10 Grad. Dabei ziehen die Niederschläge über der
Mitte und dem Süden weiter nach Osten/Südosten und fallen besonders im Südwesten
schwach aus. Im Stau der Alpen regnet es anhaltend mit 12-std. Mengen von 10 bis
20 l/qm, sodass oberhalb von 1000-1200 m ordentlich Neuschnee fällt (10 bis 20
cm).

Interessant wird die Entwicklung im Osten von Deutschland und da besonders im
Harz, Thüringer Becken und Sachsen. Dort trifft die Kaltfront mit den durch die
noch vorhandene Hebung ostwärts driftenden skaligen Niederschlägen zusammen.
Dabei sackt die Schneefallgrenze von abendlichen 1000-1200 m bis zum Morgen auf
0-300 m ab. Im Verlauf der Nacht und besonders nach Mitternacht fällt aus
heutiger Sicht besonders in Sachsen längere Zeit Schneeregen oder nasser Schnee.
Bis zum Morgen kann es im Tiefland dabei wenige Zentimeter Neuschnee geben, in
Staulagen 4-8 cm Neuschnee - Glätte durch etwas Neuschnee inklusive.

Die Tiefstwerte liegen nördlich der zentralen Mittelgebirge bei 0 bis -4 Grad,
im Süden zwischen +4 bis +1 Grad. Der Nordwind weht schwach bis mäßig mit
Sturmböen auf den Alpengipfeln.


Freitag ... wird die Kaltfront endgültig an die Alpen gedrückt, während
postfrontal trockenere Luft nach Deutschland einfließt. Zudem gelangt sie unter
einen schwachen Höhenkeil, sodass der Freitag über der Mitte nordwärts
freundlich, teils auch sonnig verläuft. Ausnahmen sind die nördlichen Staulagen
der östlichen zentralen Mittelgebirge, wo noch etwas Schnee fällt. Bis zum Abend
sinkt die Schneefallgrenze an den Alpen auch auf 500 m, sodass im direkten
Alpenvorland 4-8 cm, in Lagen oberhalb von 1000 m 10 bis 20 cm Neuschnee fällt.
Besonders im südlichen Oberallgäu könnte dies auf 24h akkumuliert eine markante
Schneefallwarnung bedeuten (wenngleich sich der nasse Schnee schnell setzt). Die
Höchstwerte liegen deutschlandweit nur noch bei +1 bis +6 Grad und das bei einem
schwachen bis mäßigen Nordost- bis Nordwestwind.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Numerik stimmt bei der synoptischen Entwicklung während der Kurzfrist gut
überein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy