DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-03-2021 16:30
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.03.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst ruhiges, meist frühlingshaft mildes Spätwinterwetter, ab Donnerstag
Wetterumstellung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... und auch in der kommenden Nacht befindet sich Deutschland im
Bereich eines ausgeprägten Rückens, der sich von Nordafrika über Italien bis
nach Südnorwegen und Südschweden aufbäumt, über Norddeutschland einen
Schwerpunkt hat und bodennah mit einer großräumigen Hochdruckzone von den
Britischen Inseln bis nach Südosteuropa korreliert. Die Hochachse erstreckt sich
dabei am heutigen Abend von Schottland über Helgoland hinweg, die
polnisch-tschechische Grenze entlang bis nach Nordrumänien. Entsprechend liegt
der Nordosten bei insgesamt schwachgradientigen Verhältnissen in einer
nördlichen bis nordwestlichen Grundströmung, während im Rest des Landes schwache
Wind aus Südost bis Süd vorherrschen. Unter teils starkem Absinken wird in den
bodennahen Schichten der Feuchtevorrat auch im Norden und Osten zunehmend
abgebaut, sodass die Nebel- und Hochnebelneigung im Vergleich zur vergangenen
Nacht etwas geringer ausfallen sollte. Dennoch bleibt der Nebel neben dem
Nachtfrost zunächst der einzige Warnparameter auf der Karte.
Da der kräftige Rücken über Mitteleuropa auf der West- und auf der Ostseite von
ausgeprägten, weit nach Süden amplifizierten Langwellentrögen flankiert ist,
bilden die großskaligen Strukturen eine Omegalage ab. Gerade auf der Westseite
ist der Langwellentrog allerdings eher schwach und von wiederholten
Abschnürungsprozessen geprägt. So koppelt sich sowohl das Drehzentrum über
Nordwestafrika als auch das Höhentief über der Biskaya von der Strömung ab. Für
das Wetter in Deutschland ist dabei vor allem die Entwicklung des hochreichenden
Tiefs (Cut-Off) über der Biskaya von Interesse, da dieses eine Verlagerung
Richtung England aufweist.
Dienstag ... bleiben die großskaligen Strukturen weitgehend erhalten, wobei der
Umbau vom Höhenhoch zu einem breiten Rücken nun abgeschlossen ist. Die Achse des
Rückens kann dabei vom Balkan bis nach Südnorwegen analysiert werden. Auch
bodennah ist weiter die großräumige Hochdruckzone dominant, sodass beim Wetter
in Deutschland auch am Dienstag der sonnige und frühlingshaft milde
Wettercharakter Trumpf bleibt. Durch das Absinken lösen sich Nebel und Hochnebel
wohl überall recht zügig auf.
Der Blick nach Westen zeigt jedoch schon dichtere mehrschichtige Bewölkung über
Frankreich, die mit dem Cut-Off-Tief in Verbindung stehen, das am Dienstagabend
schon im Meeresgebiet an der Nordwestspitze Frankreich liegen soll und in der
Nacht zum Mittwoch wohl über Cornwall vorübergehend vor Anker geht. Vorderseitig
schaufelt das hochreichende Tief schließlich feuchtmilde Luft nordwärts, die in
der Nacht mit hohen Wolkenfeldern auch den Westen Deutschlands erreicht. Aber
viel wichtiger als die paar Wolkenfelder, die kaum ins Gewicht fallen und auch
über Frankreich kaum Niederschlag produzieren, ist der Startschuss für die
Umbaumaßnahmen der Wetterlage ab der Nacht zum Mittwoch. Durch die nordöstliche
Verlagerung des Cut-Off wird die Achse des breiten Rückens ostwärts geschoben
und der Rücken selber auf der Nordseite abgehobelt. Zudem kann sich auf der
Nordwestseite des hochreichenden Tiefs das hohe Geopotential stärken und sich
ausgehend von den Britischen Inseln nordwärts über Island hinweg ausdehnen.
Nachfolgend kann sich zwischen Grönland und Nordskandinavien langsam eine
nördliche Strömung ausbilden, die kalte Polarluft anzapft und mit Schwung nach
Süden schiebt.

Mittwoch ... sind große Teile von Deutschland weiter antizyklonal geprägt.
Allerdings büßt der Rücken, ausgehend vom westliche und zentralen
Mittelmeerraum, weiter an Amplitude ein. Die Achse hat dabei Deutschland hinter
sich gelassen und erstreckt sich nun von Italien bis zum Baltikum. Gleichzeitig
kann sich der Rücken vom Ostatlantik und den Britischen Inseln noch weiter
nordwärts amplifizieren. Auf der Ostseite stärkt sich wiederum der
Langwellentrog, der zudem von Lappland südwestwärts einen markanten
Kurzwellentrog aufweist und bodennah ebenfalls mit einem Trog inklusive
Kaltfront einhergeht. Nachfolgend gelangt der Norden Deutschlands zunehmend in
den Bereich der Frontalzone. Nicht zu vergessen ist auch der kleinräumige
Cut-Off, der sich über England dreht und vorderseitig durch PVA seinerseits
Hebungsimpulse liefert. Entsprechend beider synoptischer Strukturen ziehen im
Norden, im Verlauf auch im Westen dichtere Wolkenfelder auf, die in der Nacht
allenfalls lokal etwas Regen bringen können. Aus Sicht der Temperaturen gibt es
aber noch nichts Neues. Das Temperaturniveau bleibt bei Werten in 850 hPa von 4
bis 8 Grad zunächst weiter hoch. In der Nacht zum Donnerstag kann sich der
Rücken zu einem stabilen und kräftigen, hochreichenden Hoch bei Island
aufplustern. Da gleichzeitig auch der Langwellentrog über Nordost- und Osteuropa
mit den Muskeln spielt, kann sich zwischenbeiden Strukturen nahezu über alle
troposphärischen Schichten eine Polarluftautobahn ausbilden. Der Kurzwellentrog
kommt dabei zusammen mit dem korrelierenden Bodentrog langsam südwärts voran und
schnappt sich schließlich auch den kleinräumigen Cut-Off. Dieser
Eingliederungsprozess kann die Kaltfront aber nur kurz ausbremsen. Schon
ausgangs der Nacht klopft sie im Norden Deutschlands an. Durch die Annäherung
des Kurzwellentroges wird bodennah das Hoch südwärts verdrängt, sodass sich in
der Nordosthälfte allmählich zyklonale Verhältnisse breitmachen.
Donnerstag ... steht dann ganz im Zeichen der Wetterumstellung. Dem mächtigen,
weit nach Norden amplifizierten Rücken, von Südwesteuropa bis nach Grönland
reichend, steht im Osten ein bereit und stark aufgestellter Langwellentrog
gegenüber, der von Nordwestrussland bis nach Nordfrankreich einen markanten
Kurzwellentrog aufweist. Bodennah stützt dieser weiter einen Bodentrog, der sich
tagsüber ausgehend von einem Tief über Russland über den Norden von Polen und
die Küstengebiete Deutschlands hinweg bis nach Cornwall zieht, um im Verlauf
südwärts voranzukommen. In den Bodentrog ist weiter eine signifikante Kaltfront
eingebettet, welche die auf der Polarluftautobahn südwärts transportierte kalt
Luft von der milden Frühlingsluft trennt. Ausgangs der Nacht zum Freitag soll
die Kaltluft schließlich die Alpen erreichen und somit ganz Deutschland geflutet
haben. Die Temperaturen in 850 hPa sollen dabei nach ICON in der Nacht zum
Freitag nur noch zwischen -2 an den Alpen und -12 Grad im Nordosten liegen.
Nennenswerte Niederschläge sind bevorzugt im Umfeld der Front durch
frontogenetische Prozesse sowie PVA auf der Vorderseite des Kurzwellentroges zu
erwarten. Gewisse Hebungsimpulse liefert zusätzlich der eingefangene und zu
einem Kurzwellentrog umgewandelte Cut-Off. Mit Vorankommen der Kaltluft können
nach Übergang der Niederschläge in Schnee vor allem im Süden sowie im Nordstau
der Berge in höheren Lagen ein paar Zentimeter Neuschnee zusammenkommen.
Rückseitig wird aber rasch wieder hochreichend hoher Luftdruck wetterwirksam,
indem sich das Hoch von Island mit seinem Schwerpunkt nach Schottland schiebt
und somit antizyklonale Strömungsverhältnisse bis nach Deutschland hervorruft.
Nachfolgend klingen die Niederschläge vor allem im Nordwesten und Westen rasch
wieder ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die weiteren zum ICON betrachteten Globalmodelle (IFS, GFS, UKMO) beschreiben
die großskaligen Strukturen bis einschließlich Mittwoch nahezu bis in Detail
vergleichbar. Bezüglich des Wetters gibt es also modellübergreifend bis zum
Donnerstag keine zwei Meinungen. Aber ab der Nacht zum Donnerstag sind dann
erste, im Verlauf zunehmende Abweichungen zu erkennen. Im Fokus steht dabei die
Ankopplung des kleinräumigen Cut-Offs. Beim ICON und GFS geschieht diese nahezu
zeitgleich über Benelux und Westdeutschland. Beim IFS schreitet das Einfangen
langsamer voran. Als Folge wird beim GFS und ICON das Residuum des Cut-Offs als
Kurzwellentrog noch vor dem Haupttrog mit der Strömung ostwärts geführt, während
es beim IFS der Haupttrog selber ist, der das Cut-Off-Tief schluckt. Die
Auswirkungen auf das Wettergeschehen sind aber insgesamt gering, allenfalls die
Niederschlagsschwerpunkte und das genaue Timing können sich aufgrund der
Modellabweichungen leicht unterschieden. Vor allem bei IFS kommt die Kaltfront
langsamer voran und erreicht ausgangs der Nacht zum Freitag erst die südliche
Mitte, während ICON diese schon im Alpenvorland sieht. GFS beschreibt eine
Zwischenlösung. Bei der advehierten Luftmasse sind aus Temperatursicht GFS und
ICON mit bis -12 Grad im Nordosten gleich aufgestellt, IFS lässt die Werte auf
850 hPa allerdings weniger stark absinken (-9 Grad).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel