DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

01-03-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.03.2021 um 10.30 UTC



Nach Kaltfrontpassage unter Hochdruckeinfluss kälter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 08.03.2021


Insgesamt erwartet uns eine warntechnisch ruhige Mittelfrist. Sie soll aber
nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns zum Ende dieses Vorhersagezeitraums
im Umbruch zu einer dynamischeren Lage befinden.

Der Polarwirbel in der Stratosphäre (SPW) wie auch der in der Troposphäre (TPW)
befindet sich in einem "gesunden" Zustand. GEFS und IFS-EPS zeigen beide einen
zonal bei 60 Grad Nord gemittelten Zonalwind, der über dem jeweiligen
Modellklima liegt. Bei u.a. fehlenden Wärmeflüssen wird sich daran auch vorerst
wenig ändern. Vor allem deutet sich in der (erweiterten) Mittelfrist eine
verstärkte Kopplung beider Wirbel an, was auch den zu erwartenden sprunghaften
Anstieg der NAM auf Werte erklärt, die wir in diesem Jahr noch nicht gesehen
haben, wobei dies besonders für den Zeitraum ab dem 10. März gilt.
Die MJO tritt zwar nun ihren Weg über den Westpazifik an, befindet sich jedoch
innerhalb des zentralen Kreises (RMM Darstellung) und fällt somit
vergleichsweise schwach aus bzw. es findet weiterhin eine womöglich destruktive
Interferenz mit den vorherrschenden La Nina Bedingungen statt, wobei sich die
ENSO allmählich aus dem "Anomalietal" herausarbeitet.

Die NAO pendelt um den Neutralzustand, wobei die Mehrzahl der Member jedoch zum
Ende der Mittelfrist in den leicht positiven Zustand tendiert.

Bleiben wir aber noch kurz bei der NAM. Bevor diese ihren Höhenflug startet
kippt sie zum Beginn der Mittelfrist vorübergehend nochmal in einen leicht
negativen Bereich.
Der Grund dafür sollte u.a. bei zwei quasi-stationären Rossby-Wellenzügen zu
finden sein, die bei rund 70 und 130 Grad West liegen (vor der Ostküste und
Westküste der USA). Beide weisen sich immer wieder regenerierende Tröge im
mittleren Niveau der Troposphäre auf, die zyklonal brechen. Dies geschieht dabei
in Phase mit jeweils vorgelagerten, schwach positiven Geopotenzialanomalien, die
durch das Brechen jeweils zügig verstärkt werden. Dadurch bildet sich von Island
über Grönland, Kanada bis in die nördlichen High Plains der USA reichend eine
Hochdruckbrücke aus - ein Muster, dass wir in diesem Winter schon wiederholt
bestaunen durften. Zudem kommt es zwischen dem 5. und 8. März zusätzlich zu
einer Geopotenzialbrückenbildung über dem Nordostatlantik, die sich von Island
bis zu einer anormal kräftigen (Azoren-) Subtropenhochdruckzelle erstreckt.
Fazit: der Atlantik wird vorübergehend geblockt.

Auch wenn diese Brücke rasch wieder abgebaut wird, so bleibt das kräftige
Azorenhoch in der Folge auch für uns das dominante Thema und da kommen wir nun
zum sprunghaften Anstieg der NAM bzw. zur erweiterten Mittelfrist (10. März und
Folgetage), die wir noch kurz mit anhängen.

Ein Anfang März dominant über Ostkanada liegender Höhentrog (im Übergangsbereich
von Troposphäre und Stratosphäre) wird mit dem Abbau des Geopotenzials über dem
Nordostatlantik deutlich mobiler und verliert während der Ostverlagerung auch an
Amplitude. Dabei scheint er Europa ab dem 10. März in Phase mit einer mobilen
Subtropenhochdruckzelle zu passieren, die über Nordafrika ostwärts wandert.
Dieses Ereignis fällt auch mit der angedeuteten Kopplung von SPW/TPW zusammen
und wäre verbunden mit einer deutlichen Zunahme des Geopotentialgradienten bzw.
mit der Intensität der Frontalzone übe West- und Mitteleuropa. Kurz und knapp,
ab der kommenden Wochenmitte deutet vieles auf eine deutlich dynamischere
Westlage hin, wobei noch unsicher ist, wie weit südlich sie ansetzt bzw. wie
verwellt sie Europa erreicht. Aus aktueller Sicht wird vorerst ein deutlich
windigerer und wechselhafter Wetterabschnitt angedeutet, doch man kann auch
nicht die zahlreichen Einzelmember mit giftigen Sturmlagen unterschlagen. Es
könnte also spannender weitergehen.

Wie gestaltet sich aber nun diese Mittelfrist, die am Donnerstag, den 4. März,
beginnt und am Montag, den 8. März, endet.

Der Donnerstag verläuft tagsüber besonders über der Mitte und dem Westen
wolkenverhangen und regnerisch, bevor sich der Niederschlag abends auch bis an
die Alpen ausweitet. Der Grund dafür ist ein Höhentrog über dem Ärmelkanal, der
nicht nur etwas feuchtere Luftmassen präfrontal der südwärts ziehenden Kaltfront
nach Deutschland advehiert, sondern auch das Aufgleiten entlang einer sukzessive
südwärts ziehenden Kaltfront etwas verschärft. Örtlich kann auch ein kurzes
Gewitter im Westen nicht ausgeschlossen werden (EFI CAPE leicht erhöht).
In der Nacht zum Freitag verlagert sich der Niederschlagsschwerpunkt dann
zunehmend nach Süddeutschland, sodass abgesehen vom Norden bis Freitag früh
verbreitet mit 4-8 l/qm, strichweise mit rund 10 l/qm und im Allgäu mit 10-20
l/qm zu rechnen ist. Großartige Neuschneemengen sind nach IFS während dieses
Zeitraums nicht zu erwarten, da die Kaltfront erst abends die Mitte erreicht und
dann nur noch wenig Niederschlag bringt. Im Verlauf der Nacht sinkt die
Schneefallgrenze im Süden allmählich auf rund 1200 m, im Stau auch etwas tiefer.
Allerdings sei erwähnt, dass es auch andere Lösungen gibt wie z.B. ICON, die
postfrontal noch einen aktiven Bodentrog über Norddeutschland ziehen lassen, der
dort für eine dünne Neuschneedecke gut wäre.

Freitag liegt dann der Schwerpunkt der Niederschläge am Alpenrand, wo die
Schneefallgrenze abends allmählich bis in tiefe Lagen sinkt (während die 850 hPa
Temperatur auf unter -4 Grad zurückgeht). Dabei fallen im Alpenstau 10-20
l/qm/24h, sodass man sich oberhalb von 1000 m auch eine markante
Schneefallwarnung vorstellen könnte. Auch hier muss man noch abwarten, wie zügig
die Kaltfront an die Alpen vorankommt. Ansonsten setzt sich nach IFS postfrontal
rasch Hochdruck und sonniges/trockenes Wetter durch, während bei anderen
Modellen wie ICON noch dichtere Bewölkung und Schneeschauer entlang der
zentralen Mittelgebirge das Gesamtbild trüben. IFS ist also auf der deutlich
freundlicheren Seite angesiedelt.

Das Wochenende verläuft dann ruhig und die Sonne scheint häufig von einem
wolkenwarmen Himmel. Es gibt aber eine Ausnahme: Norddeutschland (grob
Niedersachsen-Brandenburg und nordwärts), wo von Westen wiederholt dichte
Stratusbewölkung durchzieht und den Menschen dort einen trüben Sonntag beschert
(am Samstag kann sich die Sonne anfangs wenigstens im Nordosten noch länger
zeigen, während es im Umfeld der Deutschen Bucht bereits leicht regnet). Der
Grund für den trüben Norden ist beständiger Bodendruckfall über Nordwesteuropa
und eine auf West kippende niedertroposphärische Strömung, die zunehmend feuchte
Atlantik-/Nordseeluft heranführt.

Am Montag kippt die Strömung mehr auf Südwest und verdrängt die feuchte
Luftmasse im Norden vorübergehend etwas nach Nordosten, sodass deutschlandweit
nochmals ein sehr freundlicher und trockener Tag bevorsteht, bevor dann in der
Nacht zum Dienstag mit der Wetterumstellung von Westen deutschlandweit
Niederschlag auf Deutschland übergreift.

Die Höchstwerte liegen am Donnerstag über der Mitte mit 10 bis 14 Grad noch im
zweistelligen Bereich und gehen im Norden postfrontal auf 4 bis 8 Grad zurück.
In der Folge wird es dann mit dem Schwall Polarluft deutlich kälter. Am Freitag
liegen die Höchstwerte je nach Sonnenanteil zwischen +1 und +7 Grad, mit den
höchsten Werten im Südosten. Am Samstag und Sonntag zeigt sich der det. Lauf vom
IFS deutlich harmonischer mit den MOS Berechnungen, sodass mit Höchstwerten von
2 bis 8 Grad gerechnet wird. Dabei bleiben wir über anderen Läufen wie z.B.
ICON, die in Bayern (wohl mit mehr (Hoch)Nebel) teils Dauerfrost sehen, aber
auch abseits der MOS-Spitzen von 10 Grad entlang des Oberrheins am Sonntag.
Auf jeden Fall werden die Nächte nach der Kaltfrontpassage deutlich frostiger
mit leichtem bis mäßigem Nachtfrost, über Schnee und bei Aufklaren lokal auch
mit strengem Frost (Alpenrand).

Die dominante Windrichtung postfrontal ist Nord, wobei diese im Norden im
Verlauf des Wochenendes rasch wieder auf West wechselt. Abgesehen von einzelnen
Windböen über der Deutschen Bucht und stürmischen Böen auf dem Brocken verbleibt
der Wind im warnfreien Bereich.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Grundsätzlich zeigt sich in den vergangenen IFS-Läufen eine gute Übereinstimmung
mit Blick auf die synoptische Entwicklung. Am Donnerstag und Freitag wird die
Passage eines Troges angedeutet, mit der modifizierte Polarluft nach Deutschland
gelangt. Während der letzte IFS-Lauf noch ein Abtropfen über den Seealpen zeigte
ist diese Option im aktuellen Modelllauf wieder vom Tisch. Letztendlich hätte
das nur längeren Stau am Alpenrand zur Folge.
Das Wochenende über befindet wir uns dann im Übergangsbereich zwischen einem
umfangreichen Langwellentrog über Nordosteuropa sowie einem kräftigen
Azorenhoch. Tendenziell ist die Höhe nur schwach zyklonal geprägt, während
bodennah hoher Luftdruck vorherrscht, sodass das Wochenende wettertechnisch
ruhig verläuft. Dennoch deutet kontinuierlich fallendes Geopotenzial in 500 hPa
auf eine Wetterumstellung hin, die zum Beginn der kommenden Woche einsetzt. Dann
sollte sich eine kräftige Westströmung ausbilden mit der Zufuhr milder
Atlantikluft. Bezüglich Sturmpotenzial ist noch unsicher, wie weit südlich die
Frontalzone ansetzt. Nach IFS wäre eher der Mittelmeerraum betroffen,
dahingehend gibt es jedoch noch größere Unsicherheiten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Beim Vergleich der anderen Globalmodelle ergeben sich am Donnerstag und Freitag
ebenfalls kaum Unterschiede. Geringe geometrische Differenzen beim Geopotenzial
spiegeln sich beim Niederschlag kaum wider.
Auch das Wochenende wird wie beim IFS als Übergangsbereich gezeigt und dank
hohem Bodendruck sollte sich nach der Kaltfrontpassage am Donnerstag/Freitag ein
ruhiger Wetterabschnitt einstellen.
Zum Beginn der kommenden Woche gehen GFS und IFS deutlicher auseinander. Beide
Modelle zeigen zwar ein ähnliches Grundmuster, allerdings mit zahlreichen
Unterschieden bei der Lage und Intensität von Randtrögen und -tiefs. Diese
schaukeln sich in der deutlich dynamischeren Umgebung rasch auf und erhöhen
dadurch die Unsicherheiten. Auf jeden Fall aber scheint der Atlantik deutlich an
Einfluss zu gewinnen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die heutige Clusteranalyse beginnt während dieser Mittelfrist mit nur einem
Cluster, der das klimat. Regime "Atlantikrücken" besitzt. Deutschland liegt am
Rande eines kräftigen Kaltluftausbruchs, der vor allem Nordosteuropa nochmals
einen tiefwinterlichen Abschnitt beschert.

In der Folge ergeben sich bis Sonntag drei Cluster mit demselben Regime, wobei
der Kontroll- und der det. Lauf jeweils im ersten Cluster zu finden sind. Bei
allen Clustern wird die positive Geopotenzialanomalie über Grönland/Kanada zügig
abgebaut, mit dem verbleibenden Schwerpunkt über dem Nordostatlantik. Zwischen
einem beständigen Langwellentrog über Südwesteuropa und dem dominanten Haupttrog
über Skandinavien liegt Deutschland zwischen den Stühlen. Besonders für
Norddeutschland ist noch nicht ganz sicher, wie nachhaltig das hohe Geopotenzial
die Frontalzone auf Abstand hält, doch auch ohne synoptisch-skaligen Input
sickert von Westen zunehmend feuchte Luft ein. Alles in allem zeigen alle drei
Cluster eine ähnliche Entwicklung während diesem Mittelfristabschnitt.

Zum Wochenbeginn wechseln die weiterhin vorhandenen drei Cluster in das klimat.
Regime "NAO negativ", was ein bisschen verwundert, denn z.B. bei den
prozentualen Aufteilungen der zu erwartenden Wetterregime würde eher NAO positiv
überwiegen. Ich erkläre es mir als eine versetzte Wellenphase, die östlich der
"Berechnungspunkte" die klassischen Merkmale einer positiven NAO aufzeigt. Alle
Cluster zeigen ein anormal kräftiges Azorenhoch, das in der Folge unter
Abschwächung nach Osten in Richtung Nordafrika wandert. Die Frage auch innerhalb
der IFS-Member bleibt, wie kräftig ein Langwellentrog über Mitteleuropa nach
Nordafrika vorstoßen kann (Cluster 1), oder auf vergleichsweise südlicherer Bahn
weniger amplifiziert das westliche Mittelmeer erfasst (Cluster 2 und 3). Auch
hier gibt es giftige (stürmische) Einzellösung für Westeuropa. Entweder wir
rutschen unter den Trog (ruhiger), oder wir verbleiben in Frontalzonennähe mit
erhöhten Wahrscheinlichkeiten für mehr Wind.

Ausgewählte Meteogramme in Deutschland zeigen die nach der Kaltfrontpassage zu
erwartende Wetterberuhigung mit höheren Temperaturschwankungen zwischen Tag und
Nacht (verschärftem Nachtfrost). Besonders am Alpenrand springen viele Member
auf nennenswerten Neuschnee an, wobei sich bis nach München vorübergehend eine
dünne Neuschneedecke ausbilden kann.
Es gibt kein Signal für gröbere Windereignisse (erst zur kommenden Wochenmitte
nimmt die Streuung der Memberschar rasch zu) und besonders die Rauchfahne des
500 hPa Geopotenzials verläuft die Mittelfrist über sehr eng gebündelt. Die
Rauchfahne der 850 hPa Temperatur streut ab Sonntag etwas mehr, was aber eher
daran liegt, dass wir "zwischen den Stühlen" liegen und sich geringe
Geopotenzialunterschiede auch bei der Luftmassenadvektion auswirken.
Bei der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Niederschlagsphasen im IFS-EPS deutet
sich auch im Süden ein recht später Übergang von Regen in Schnee an, sodass sich
die Neuschneemengen meist in Grenzen halten sollten (abgesehen vom Alpenrand).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE:
Am Freitag und in der Nacht zum Samstag kann es am Alpenrand oberhalb von 1000 m
markante Neuschneemengen von 15 bis 30 cm geben. Ansonsten fallen die
Neuschneemengen gering aus.

FROST und GLÄTTE:
Die Nacht zum Freitag verläuft im Norden frostig (leichter Luftfrost). In den
Folgenächten muss dann deutschlandweit mit leichtem bis mäßigem, über
Schneefälle (Alpenrand) auch lokal mit strengem Nachtfrost gerechnet werden.
Anfangs ist Glätte durch Restnässe ein Thema, besonders, wenn sich die
ICON-Entwicklung mit postfrontalem Bodendruck durchsetzt.

WIND:
Abgesehen von einzelnen Sturmböen auf exponierten Gipfeln deuten sich keine
markanten Windereignisse an.

Der EFI zeigt am Donnerstag im Süden noch leicht zu hohe Temperaturwerte voraus,
bevor nachfolgend keine nennenswerten Signale ins Auge stechen.
Am Rande sei erwähnt, dass der EFI CAPE am Donnerstag im Westen eng begrenzt
anspringt. Es sollte daher nicht verwundern, wenn es an dem Tag im Westen mal
kurz "rumpelt".
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy