DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-02-2021 09:30
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 15.02.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Good bye HM (Hoch Mitteleuropa), not welcome S bis SW z/a (Süd bis Südwest
zyklonal, später mehr antizyklonal)

Beginn einer markanten Wetterumstellung - einsetzende Milderung mit
Niederschlägen, teils als gefrierender Regen mit Glatteis (Unwetter), nach Osten
hin zunächst als Schnee.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Montag... Tja, liebe Winterfreunde, der Zeitpunkt ist gekommen, langsam Abschied
zu nehmen. Abschied von einem denkwürdigen Winterintermezzo mitten bei uns in
Deutschland, das einen würdigen Platz in den Wetterchroniken erhalten wird. Und
auch ihr solltet euch dieses Ereignis fett mit rotem Filzstift in eure
Tagesbücher eintragen: riesige Schneemassen, bizarre Verwehungen, nordischer
Sport mitten in der City großer Metropolen, dazu Dauerfrost und strenger
Nachtfrost bis unter -20°C, entsprechend gefrorenen Gewässern (nicht nur Binnen)
- wer weiß, wann wir so etwas mal wieder erleben dürfen. Zugegeben, Frost, Eis
und Schnee sind nicht jedermanns Sache und auch im Verkehr sowie in der
Infrastruktur war und ist die Wetterlage mit z.T. mit erheblichen
Schwierigkeiten verbunden. Trotzdem tut es gut zu sehen, dass in Zeiten des
Klimawandels die Natur respektive der Winter trotzdem noch in der Lage sind, ein
echtes "Pfund" zu setzen und gerade jüngere Leute erfahren, was alles so möglich
ist, wenn die Wetterlage passt. Der Verfasser jedenfalls macht keinen Hehl
daraus, dass er sich glücklich schätzt, diese Lage vom Schreibtisch vorhersagen
und "verwalten" hat dürfen. Mit dem Selbsterleben hat es leider nicht so
funktioniert, gehörte das Rhein-Main-Gebiet mit seiner 1-2 cm dünnen und
inzwischen merklich ausgeaperten Schneedecke eher zu den Randbezirken des
deutschen "winter wonderland".

Jetzt aber zu den Fakten, startet doch die neue Woche gleich mit einem echten
Paukenschlag. So wandert das bisher wetterbestimmende Hoch HELIDA peu a peu nach
Osten bzw. Südosten ab (aktuell landesweit Druckfall). Gleiches gilt für den
korrespondieren, leicht nach Westen versetzten Höhenrücken, der bereits jetzt
von WLA überlaufen wird und später auch noch von einem KW-Trog attackiert wird.
Dieser wird gegen Mittag von der südwestlichen Nordsee und Benelux auf den
Vorhersageraum übergreifen, den Rücken quasi umrunden und nachfolgend
ost-südostwärts über Deutschland hinwegschwenken. Rückseitig wölben sich die
Isohypsen erneut auf, so dass der Rücken scheinbar retrograd wird. Während also
synoptisch-skalig alles gerichtet ist für einen Wetterumschwung, gilt es noch
die Strukturen in der unteren Troposphäre bzw. in Bodennähe zu analysieren.

Drucktechnisch fällt da zunächst das kräftige Tief XANTHOS bei Island ins Auge,
dessen Frontensystem von Westen her Kurs auf unser Land nimmt. Dabei wird in den
nächsten Stunden über der Nordsee ein flaches Teiltief bilden, das eher die Form
eines Bodentroges annimmt. Dieser wird via Deutsche Bucht Jütland ansteuern und
kommende Nacht die westliche Ostsee erreichen. Damit macht das Frontensystem
unter zunehmender Okkludierung Boden nach Osten hin gut, hängt allerdings nach
Süden hin zurück, wo es in die Warmfront einer flachen Welle nordwestlich der
Biskaya (12 UTC) übergeht. Die frontalen Niederschläge jedenfalls greifen noch
in den Morgenstunden auf die westlichen Landesteile über, von wo aus sie sich
vergleichsweise zügig auswärts ausbreiten. Dabei kommen 1 bis 5 l/qm, im Norden
und Westen gebietsweise 5 bis 10 l/qm innert 12 h zusammen. Weitgehend
ausgespart bis zum Abend bleiben die Regionen zwischen Ostsachsen und
Ostvorpommern sowie der Osten und Südosten Bayerns.

Die große Frage, die sich dabei nun stellt, lautet: In welcher Form fällt der
Niederschlag? Die kalte Grundschicht ist weitgehend negativ temperiert und
selbst da, wo heute früh schon zarte Plusgrade auftreten (Westen/Nordwesten),
ist zumindest der Boden noch gefroren. Schaut man sich den Frühaufstieg von
Essen an, weiß man, in welche Richtung der Hase läuft. Eine flache Kaltlufthaut
wird von einer dicken "warmen Nase" überdeckt (bis 800 hPa Plusgrade von z.T.
mehr als 5°C, sowohl advektiv als auch absinkbedingt), die allerdings noch sehr
trocken ist. So verwundert es nicht, dass die im Radar schon beobachteten
schwachen Niederschläge unten noch nicht ankommen. Das wird sich aber im Laufe
des Morgens bzw. Vormittags ändern, wenn nämlich die Intensität zunimmt und
damit die untere Troposphäre immer weiter durchfeuchtet. Dann geht es los mit
gefrierendem Regen und Glatteis, die entsprechenden Unwetterwarnungen wurden die
Gebiete zwischen Saarland/Westliches RP bis hoch zur Deutschen Bucht bereits
herausgegeben.

Mit Vorankommen des Niederschlags nach Osten wird die Antwort auf die Frage nach
der Phase immer schwieriger. Grund ist die Abnahme des positiven Integrals (also
der warmen Nase) hin in den negativen oder zumindest gefrierpunktnahen
isothermen Bereich. Das belegen nicht nur die beobachten Frühaufstiege weiter
östlich gelegener Standorte, auch ein prognostischer Vertikalschnitt von West
nach Ost zeigt eindrucksvoll die Schwierigkeit der Warmluft, sich auch im Osten
durchzusetzen. Dass sie es am Ende schaffen wird, steht mittlerweile außer
Frage, nur wird es nicht so schnell gehen wie weiter westlich. Und das bedeutet
nichts anderes, dass die Niederschläge mit Erreichen der Mitte, was aufgrund der
o.e. sehr trockenen unteren Troposphäre noch etwas dauert, zunehmend in Schnee
übergehen. Wo genau die Demarkationslinie des Phasenübergangs liegen wird, ist
auch jetzt noch nicht zu 100% klar. Vor allem vom südlichen Niedersachsen über
Hessen bis hinunter nach BW, vielleicht auch noch bayerisch Schwaben (man
bedenke allerdings die schwächeren Niederschlagsraten im Süden) muss regional
noch mit Glatteis gerechnet werden, während weiter östlich die feste Phase immer
wahrscheinlicher wird - zumindest tagsüber. Eine Ausweitung der Vorabinformation
"Glatteis" sowohl nach Süden als auch nach Osten scheint nicht erforderlich.

Während also etwa ab Mittag von der Mitte her ostwärts 1 bis 5 cm, im zentralen
Mittelgebirgsraum lokal bis zu 10 cm zunehmend feuchter Neuschnee zu erwarten
sind, schwächt sich der Regen von Westen her ab. Mitteltroposphärisch trocknet
es zusehends ab, während die untere Troposphäre noch weitgehend gesättigt
bleibt. Entsprechend kann es auch noch zu Nieselregen kommen, die
Glättesituation dürfte sich aber nicht zuletzt wegen fortschreitender Milderung
zusehends entspannen, auch wenn man die Lage gerade in den Mittelgebirgen
weiterhin genau monitoren sollte.

Der südöstliche bis südliche, später im Westen auf Südwest drehende Wind frischt
vornehmlich im Küstenbereich (allerdings ablandig, was dämpfende Wirkung ausübt)
sowie im zentralen und westlichen Bergland incl. des Harzes böig auf. In freien
Lagen sowie an den Nordrändern (Lee) sind Böen 7 Bft, in exponierten Hochlagen 8
Bft, vereinzelt 9 Bft, auf dem Brocken bis 10 Bft zu erwarten. Ansonsten bleibt
der Wind meist unter den Warnschwellen, lebt aber im Norden und Osten soweit
auf, dass man kurz sogar über Schneeverwehungen nachdenken muss. Ja, die wird es
strichweise und vorübergehend sicherlich geben, allerdings hat sich der
Altschnee schon vielfach gefestigt und der neue Schnee wird zunehmend feucht, so
dass wohl auf eine Warnung verzichtet werden kann.

Temperaturmäßig geht es heute hoch auf 0 bis +3°C, im Westen und Südwesten lokal
schon bis zu +7°C. Schwerer tut sich der Temperaturanstieg in der Osthälfte, wo
z.T. viel Schnee liegt, die Startwerte sehr niedrig sind, noch lange Südostwind
weht und später Schnee reinfällt. Mit anderen Worten, gerade die von MOS
propagierte Milderung in den leicht positiven Bereich ist mit Vorsicht zu
genießen, vielfach bleibt es heute noch bei 0°C oder leichtem Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag überquert die inzwischen vollständig okkludierte Front
den Norden und Osten, was auch für den korrespondierenden KW-Trog gilt. Im Süden
schleift die Front hingegen bzw. wird wieder rückläufig, indem sie in die
Warmfront eines weiteren Tiefs übergeht, das westlich an Irland vorbei zu den
Färoers zieht (YUKON). In der rückseitig einfließenden erwärmten Meeresluft
lockert die Wolkendecke nur sporadisch auf, und wenn, ist alles schnell
zugenebelt, da die Luft feucht und unten durch den Schnee alles noch kalt. Somit
besteht auch die Gefahr von dichtem Mischungsnebel und insbesondere in den
Mittelgebirgen kommt es zu Sichtbehinderungen durch aufliegende Wolken.

Ansonsten gilt es natürlich die Niederschläge im Osten und Süden zu erwähnen. Im
Osten fallen zunächst noch ein paar Zentimeter Schnee, bevor dieser nach Polen
und Tschechien abzieht. Die Gefahr von "richtigem" Glatteisregen (also mit
höheren Intensitätsraten) ist zwar nicht gänzlich wegzudiskutieren,
wahrscheinlicher ist aber im Schlepptau des eigentlichen Niederschlagsgebietes
gefrierender Nieselregen aus der feuchten Grundschicht (die mittlere Troposphäre
trocknet von Westen her zusehends ab). Darüber hinaus besteht auch die Gefahr
gefrierender Nässe, da noch immer Frost im Boden steckt und der Bodenwärmestrom
negativ ist. Hier sollte eine offensive Warnstrategie gewählt werden mit
zumindest regional markanten Glättewarnungen.
Im Süden, vornehmlich in Bayern, aber auch noch in Mittelgebirgskältelöchern
BWs, ist gefrierender Regen mit Glatteis bis hin zu Unwetter wahrscheinlicher,
weil die Warmluft progressiver nach Osten vorstoßen kann.

Während es im Westen meist frostfrei bleibt, muss sonst noch mal mit leichtem,
in den östlichen Mittelgebirgen teils mäßigem Frost gerechnet werden, auch wenn
es im Laufe der Nacht teilweise milder wird. Von daher gilt auch in den
Regionen, wo kein Niederschlag mehr fällt, es aber vom Tage noch nass ist (und
z.T. noch Frost im Boden steckt): Aufpassen, es kann glatt werden!

Der südliche bis südwestliche Wind nimmt tendenziell ab, gleichwohl sind in
einigen Hoch- und Leelagen sowie an der Ostsee noch Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft
möglich.

Dienstag... wandert der scheinbar retrograde Rücken von Westen her zu uns rein,
was im Grunde für antizyklonalen Einfluss spricht. Und tatsächlich halten sich
nennenswerte Hebungsprozesse tagsüber in Grenzen. Im Süden und Osten fällt
anfangs gebietsweise noch etwas Schnee oder (Niesel)Regen, teils gefrierend. Und
auch im äußersten Norden und Nordwesten können mitunter ein paar Tropfen fallen.
Ansonsten bleibt es aber häufig trocken, wenn auch stark bewölkt oder bedeckt
bzw. neblig-trüb. Beste Chancen auf einige Sonnenstunden haben das südliche BW
sowie im Tagesverlauf auch der westliche Alpenrand nebst Vorland. Der südliche
bis südwestliche Wind weht nur schwach bis mäßig, einzig einige exponierte
Hochlagen warten mit Böen 7-8 Bft, der Brocken vielleicht 9 Bft auf. Die
Milderung macht weitere Fortschritte - in 850 hPa steigt die Temperatur bis zum
Abend auf +1°C am Oderhaff und bis zu 9°C an der Grenze zur Schweiz -, so dass
morgen mit Höchstwerten von 7 bis 13°C in der Südwest- und 0 bis 7°C in der
Nordosthälfte gerechnet werden kann. MOS lässt im Oberrheingraben gar eine 15°C
aufblinken, was nicht vollkommen abwegig ist. Vom Winter mit
Schallgeschwindigkeit direkt in den Frühling, wow. Für die Gebiete, wo es die
dicken Schneemassen abzutauen gilt, sei der Hinweis erlaubt, dass die
MOS-Temperaturen wohl etwas zu hoch simuliert werden, da ein Teil des
Energieinputs für den Schmelzprozess draufgeht.

In der Nacht zum Mittwoch überqueren uns die teilokkludierte Kaltfront des o.e.,
in Richtung Island ziehenden Tiefs sowie ein korrespondierender KW-Trog
ostwärts. Dabei fällt überwiegend Regen (bis zu 5 l/qm innert 12 h), der im
Osten und Südosten sowie in einigen Mittelgebirgstälern regional gefrieren kann.
Zwar steigt die Lufttemperatur im Zuge des auf Südwest drehenden und mitunter
etwas auflebenden Windes sukzessive an, so dass außer im Osten und Südosten der
Gefrierpunkt kaum noch unterschritten wird. Dafür steckt im Boden zum Teil noch
Frost, was eben regionale Glatteisgefahr birgt.

Mittwoch... steigen Luftdruck und Potenzial an, Front und Trog werden nach Osten
verabschiedet. Rückseitig setzt sich erwärmte Meereskaltluft durch (T850 -3 bis
+1°C), in der 2m-Temperaturen von rund 5°C in Vorpommern bis zu 13°C im
südlichen Oberrheingraben zu erwarten sind. Zwar bleibt es mit Ausnahme des
Südens, wo öfters die Sonne rauskommt, vielfach stark bewölkt, nennenswerte
Niederschläge fallen nach Abzug der Okklusion aber erst mal nicht mehr. Erst zum
Abend hin steigt mit Annäherung einer weiteren Kaltfront die
Regenwahrscheinlichkeit im Nordwesten wieder an. Vor allem in höheren Lagen weht
anfangs noch ein frischer südwestlicher Wind, der am Nachmittag und Abend aber
nachlässt.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle haben sich inzwischen weitgehend angeglichen. Problematisch ist nach
wie vor die Positionierung der Übergangzone Schnee/gefrierender Regen.
Entsprechen wird beim Warnmanagement etwas stärker auf Sicht gefahren als bei
den präventiv herausgegebenen Unwetterwarnungen. Vielleicht reichen bei der
Osterweiterung auch markante Glättewarnungen.
Noch mal der Hinweis auf die nicht synchrone Entwicklung der Luft- zur
Bodentemperatur. Hier sollte man nicht den Fehler machen, mögliche
Glätteerscheinungen nur an der Lufttemperatur festzumachen. Frost im Boden und
ein negativer Wärmestrom lassen sich von einer positiven 2m-Temperatur nicht
oder nur bedingt beeindrucken, vor allem wenn die Taupunkte niedrig sind. Von
daher empfiehlt sich gerade in der nächsten, bedingt aber auch noch in der
übernächsten Nacht eine eher offensive Warnstrategie vor Glätte durch
gefrierende Nässe.
Und noch eine Bemerkung zum Tauwetter. Klar, den zum Teil erheblichen
Schneemassen geht es in den nächsten Tagen mächtig an den Kragen. Dadurch, dass
die Regenfälle aber moderat ausfallen, ist das Niederschlagsdargebot nicht so
hoch, dass Etwaige Warnungen nötig sind.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann