DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-02-2021 18:01
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 11.02.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts häufig strenger, örtlich sehr strenger Frost, vereinzelt unter -20 Grad.
Tagsüber leichter bis mäßiger Frost.

Vor allem im Osten und Nordosten anfangs noch örtlich leichter Schneefall, dabei
im Ostseeküstenbereich Schneeverwehungen. Auch im Südwesten bei böigem Wind
Verwehungen. Am Wochenende weitestgehend trocken und verbreitet sonnig.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... ist ein Langwellentrog von Nordwestrussland zum östlichen
Mitteleuropa gerichtet. Während die Hauptachse des Troges von Polen aus zum
östlichen Mittelmeer verläuft und in der Nacht auch etwas nach Osten vorankommt,
weist ein zweiter, kurzwelliger Anteil des Trogs über Dänemark hinweg zur
Nordsee und damit nach Westen. Somit hat der Gesamttrog in etwas die Form eines
abgerundeten, windschiefen, auf dem Kopf stehenden Amboss'. Im Westen wird der
Langwellentrog von einem Höhenrücken flankiert, auf dessen Rückseite - und damit
noch westlich der Britischen Inseln - ein markanter Kurzwellentrog abläuft.
Dieser erreicht zum Morgen die Biskaya und Gibraltar, und im Bodendruckfeld
korrespondiert mit ihm ein Frontensystem, das in seinem südlichen Teil die
Iberische Halbinsel überquert, in seinem nördlichen Teil aber
verlagerungstechnisch etwas zurückhängt, weil es Probleme hat, gegen den
Höhenrücken anzulaufen. Letztendlich ist das alles für uns erst ab dem morgigen
Freitag relevant. Derweil liegt Deutschland unter einem massigen kalten Hoch mit
Scherpunkt über Südnorwegen, dessen Divergenzachse etwa von der Elbmündung zu
den Alpen orientiert ist und das in 850 hPa Temperaturen von zum Teil unter
-16°C aufweist. Im 500-hPa-Niveau liegen die Temperaturen über Vorpommern nur
knapp über -40°C, über dem Südwesten dagegen um -25°C. Schon die thermische
Schichtung lässt also über dem Nordosten mehr Labilität erwarten. Dazu kommen
aber noch die Hebungsimpulse des Dänemark-Troges und der Wärme- und Feuchteinput
der Ostsee. Das alles lässt zusammen mit dem dort auflandigen Wind durch den
Lake-Effekt Schauer landeinwärts ziehen. Bis zum morgigen Vormittag sind dabei
an der mecklenburgischen, insbesondere aber an der vorpommerschen Küste bis zu
15 cm Neuschnee in der Spitze möglich. Zusammen mit dem durch Ageostrophie
lebhaften Wind (meist Bft 5-6) kann das auch zu Verwehungen führen, wobei sowohl
der Schnee als auch die Verwehungen im mäßigen Bereich liegen. In
Schleswig-Holstein und rund um die Nordsee fallen nur einzelne Flocken, etwas
mehr kommt gebietsweise im Bereich zwischen Ostsee und Erzgebirge bzw. Thüringer
Wald zusammen, wobei dort 5cm Neuschnee bis morgen früh das höchste der Gefühle
sind. Die Nacht wird wieder bitter kalt mit Tiefstwerten zwischen -8 und -15°C
und örtlich auch sehr strengen Frost zwischen -15 und -20°C. In einigen
Kältelöchern sind auch noch tiefere Werte möglich, wenn der Himmel klar bleibt.
Nut an den Küsten ist es mit Minima um -5°C nicht ganz so kalt.

Freitag ... verlagert sich der Langwellentrog etwas nach Osten, der
Dänemark-Teil schwenkt über dem Nordosten Deutschlands nach Süden, seine Achse
erreicht zum Abend etwa die Mittelgebirgsschwelle. Damit ist in der Osthälfte
noch etwas Schneefall verbunden. Für eine explizite Schneefallwarnung dürfte es
aber, wenn überhaupt, nur in Vorpommern reichen, wo im Tagesverlauf nochmal bis
zu 2 cm Neuschnee zusammenkommen können. Für das übrige Geflöckel zwischen
Ostsee, Erzgebirge und Thüringer Wald reicht eine Glättewarnung allemal aus.
Ansonsten dominiert Hochdruckeinfluss. Der Höhenrücken schiebt sich noch ein
klein wenig näher an uns heran, über Nordwesteuropa verliert sich auch der an
ihm ablaufende Kurzwellentrog im Nirwana. Zwar ist die Höhenströmung im
500-hPa-Niveau leicht zyklonal gekrümmt, aber das reicht bei weitem nicht, um
zwischen Nordsee und Alpen nennenswerte Hebung in dem massiven (und mit
Taupunkten zwischen -10 und -15°C staubtrockenen) Kaltluftkörper auszulösen.
Oder, anders gesagt: Abgesehen vom Osten bleibt es trocken, allenfalls ein paar
Stratocumuli trüben den Sonnenschein, mit im Tagesverlauf durch das ansteigende
Geopotential nachlassender Tendenz. Etwas anders sieht das über Südwesteuropa
aus. Das Frontensystem, das am Vortag über der Iberischen Halbinsel nach Osten
gezogen ist, kommt weiter zum westlichen Mittelmeer voran. Der stärkste
Druckfall ist dabei über Südfrankreich zu beobachten, von wo aus sich ein
Bodentrog nach Oberitalien ausweitet. Dieser Druckfall drückt den Gradienten
über dem Südwesten Deutschlands etwas zusammen. Nach EZMW und ICON sind damit in
den Gipfellagen stürmische Böen oder Sturmböen Bft 8-9 vorstellbar; alles, was
im Mittelgebirgsraum zwar exponiert, aber nicht ganz so hoch gelegen ist, wäre
dann mit steifen Böen Bft 7 dabei. Da im Südwesten auch etwas Schnee liegt und
dieser durch die andauernde Kälte teils noch pulvrig ist, sind möglicherweise
auch Schneeverwehungen mit von der Partie. Neben dem Wind macht sich das
Italien-/Frankreichtief mit hohen und mittelhohen Wolken bemerkbar. Es bleibt
aber auch dort trocken. Ansonsten ist nicht viel los, im Bereich der
Divergenzachse des Hochs, also von der Nordsee bis zum Erzgebirge, ist es sogar
ausgesprochen windschwach.
Es herrscht weiter leichter, im Osten und Süden auch mäßiger Dauerfrost.

In der Nacht erreicht die Achse des Randtroges den Süden Deutschlands, ohne dass
er große Wetterwirksamkeit zeigt, da er von KLA überlaufen wird - und da die
Luft natürlich immer noch sehr trocken ist. Einzelne Schneeschauer sind im
östlichen Mittelgebirgsraum aber dennoch möglich. Im Südwesten bleibt der Wind
lebhaft, er schwächt sich aber etwas ab, was auch daran liegt, dass das Tief
über Südfrankreich und Oberitalien etwas nach Süden abgedrängt wird. In
Hochlagen sind aber weiterhin Sturmböen möglich. Und am Alpenrand und am
Hochrhein halten sich noch tiefe Wolken, aus denen GFS und EURO4 auch ein paar
Flocken in die Deutschen Alpen zaubern - im Gegensatz zu ICON oder EZMW, die es
dort trocken lassen. Es bleibt häufig bei strengem Nachtfrost zwischen -10 und
-19°C und vereinzelt kann es bei längerem Aufklaren unter -20°C kalt werden.

Samstag ... zieht der Randtrog über die Alpen hinweg nach Süden, ausgangs der
Nacht zum Sonntag erreicht er den nördlichen Balkan. Der Höhenkeil über
Westeuropa zieht langsam nach Osten, wölbt sich dabei noch etwas auf und
erreicht mit seiner Achse am Sonntagmorgen die Nordsee. Vorderseitig wandert der
Schwerpunkt des 1040er Hochs HELIDA allmählich nach Süden, über den Norden
Deutschlands hinweg in den Bereich des Erzgebirges. Damit bleibt trocken-kalte
Arktikluft wetterbestimmend, wobei die Chancen auf Sonnenschein besser stehen
als am Vortag. Auf der Ostflanke der Divergenzachse das Hochs stehen die
östlichen Mittelgebirge in einem mäßig günstigen Anstau des nördlichen Windes.
Entsprechen simulieren die Modelle noch dichteres tiefes Gewölk und vor allem im
Erzgebirge könnte es noch etwas schneien, was GFS zeigt, wozu sich EZMW und ICON
aber nicht durchringen können. Immerhin: Über dem Westen steigen die 850er
Temperaturen durch WLA auf der Westflanke des Hochs und durch Absinken von etwa
-12°C am Samstagmorgen auf etwa -5°C am Sonntagmorgen an (im Osten bleibt es bei
Werten um -10°C). Bodennah wirkt sich dies aber zunächst kaum aus. So liegen die
Höchsttemperaturen in 2 m immer noch zwischen -9 und 0°C, lokal vielleicht auch
noch etwas darunter. Ähnlich wie am Vortag bleibt der Wind im Südwesten recht
flott unterwegs. Auf höheren Gipfeln reicht es dann weiterhin für starke bis
stürmische Böen. Erst in der Nacht zum Sonntag, wenn der Druck über dem
westlichen Mittelmeer, Südfrankreich und Norditalien wieder steigt, lässt der
Wind durch das Auffächern des Gradienten nach. Wie der Tag so ist auch die Nacht
wolkenarm. ICON simuliert über dem Norden teils tiefe Wolken, die das Modell mit
Nebelsymbolen ausschmückt. Sollte es tatsächlich Nebel geben, so ist zu
erwarten, dass die Trübung für warnrelevante Sichteinschränkungen (unter 150m)
aufgrund der trockenen Luft nicht ausreichen sollte. Dafür ist aber der strenge
Frost wieder am Start. Vereinzelte Werte unter -20 Grad sind weiter möglich.

Sonntag ... zeigt die großräumige Potenzialverteilung weiter das stark
blockierendes, omegaähnliches Muster des Vortages. Dem massiven Trog über
Osteuropa und einem weiteren über dem mittleren Nordatlantik steht der stark
amplifizierte und nicht sehr breite Rücken gegenüber, der jetzt von
Südwesteuropa bis hoch zum westlichen Europäischen Nordpolarmeer reicht. Für uns
resultiert daraus eine relativ glatte nördliche Höhenströmung, unter der sich
ein kräftiges Hoch befindet. Gegenüber dem korrespondierenden Rücken leicht nach
Osten versetzt weist es eine ebenso imposante meridionale Ausdehnung auf wie
sein Pendant in der Höhe. Das Zentrum des Hochs befindet sich mit etwas über
1040 hPa mitten über Deutschland, was uns einen ruhigen, vor allem aber
überwiegend sonnigen Sonntag beschert. Dabei bleibt es weiterhin kalt, auch wenn
insbesondere nach Westen hin eine Frostabschwächung erkennbar ist (850er
Temperatur am Abend zwischen rund -4°C an der Grenze zu Benelux und rund -10°C
an der Grenze zu Polen und Tschechien).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage recht ähnlich. Auf
einzelne Modellunterschiede wurde im Text hingewiesen. Von großer Warnrelevanz
sind die Unterschiede nicht, allenfalls die Frage, ob der Wind über dem
Südwesten eine Nuance stärker oder schwächer weht und ob die eine oder andere
Flocke mehr oder weniger fällt, ist zwischen den Modellen strittig.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas