DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-02-2021 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 11.02.2021 um 10.30 UTC



Am Wochenende kalte HM-Lage (Hoch Mitteleuropa). Kommende Woche von Westen
allmähliche Frostabschwächung, teils durch atlantische Störungen. Dabei im
Westen mitunter etwas Niederschlag, teils als Regen mit Glattesi.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 18.02.2021


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums zeigt die großräumige
Potenzialverteilung ein stark blockierendes, omegaähnliches Muster. Fetten
Trögen über dem mittleren Nordatlantik sowie zwischen Russland und dem zentralen
Mittelmeerraum steht ein stark amplifizierter und gar nicht mal so breiter
Rücken gegenüber, der von Südwesteuropa bis hoch zum westlichen Europäischen
Nordpolarmeer reicht. Für uns resultiert daraus eine relativ glatte nördliche
Höhenströmung, unter der sich ein kräftiges Hoch befindet. Gegenüber dem
korrespondierenden Rücken leicht nach Osten versetzt weist es eine ebenso
imposante meridionale Ausdehnung auf wie sein Pendant in der Höhe. Das Zentrum
des Hochs befindet sich mit etwas über 1040 hPa mitten über Deutschland, was uns
einen ruhigen, vor allem aber überwiegend sonnigen Sonntag beschert. Dabei
bleibt es weiterhin kalt, auch wenn insbesondere nach Westen hin eine
Frostabschwächung erkennbar ist (T850 am Abend zwischen rund -4°C an der Grenze
zu Benelux und rund -10°C an der Grenze zu Polen und Tschechien).

Zu Beginn der neuen Woche erfährt das gesamte Strömungsmuster trotz einer
angestoßenen Amplifizierung des atlantischen Troges (die allerdings weit
westlich ansetzt) eine gewisse Progression. Das Bodenhoch wandert unter leichter
Abschwächung (die 1040-hPa-Isobare wird getilgt) ins östliche Mitteleuropa,
dafür rückt der nachfolgende Rücken bis zu uns vor. Auf seiner Nordwestflanke
schwenkt tagsüber ein KW-Trog via UK/Irland in Richtung Nordsee, um in der Nacht
zum Dienstag den Rücken zu umlaufen und damit auf den Nordwesten des
Vorhersageraums überzugreifen. Damit supportet er ein erstes atlantisches
Frontensystem - das zugehörige Tief liegt weit weg über der Irminger See -, das
versucht, die kontinentale Blockade zu lockern. IFS von heute 00 UTC jedenfalls
zeigt sich optimistisch ob der Erfolgsaussichten, sprich, das zugehörige
Niederschlagsgebiet erfasst im Laufe des Tages den Westen, in der Nacht zum
Dienstag dann weite Teile der Westhälfte. Da die 850-hPa-Temperatur bis
Tagesende im Westen auf ca. 0°C ansteigt (im äußersten Osten auf rund -4°C),
können die Niederschläge je nach Timing und Vorgeschichte als Schnee oder Regen
mit regionalem Glatteis (die Prognosetemps deuten entsprechende Profile an)
fallen.

Am Dienstag kommt der Frontenzug kaum noch nach Osten voran und auch die
Niederschläge schwächen sich mit Abzug des KW-Troges rasch ab. Der Höhenrücken
wird dadurch leicht retrograd, so dass wir wieder mehr unter seine Vorderseite
gelangen, wo Absinken Trumpf ist. Bodennah stellt sich auf der Westflanke eine
schwache bis mäßige südöstliche Grundströmung ein, in der im Osten und Südosten
leichter Dauerfrost herrscht.

Schon in der Nacht zum Mittwoch versucht die nächste, weitgehend okkludierte
Front eines neuen Tiefs unweit von Island ihr Glück, wahrscheinlich aber nur mit
mäßigen Teilerfolgen. Immerhin simuliert IFS von der Deutschen Bucht bis
hinunter zum westlichen Alpenrand leichte Niederschläge. Bei T850 zwischen 0 und
+4°C sollte überwiegend Regen am Start sein, der, je weiter er nach Osten
vorankommt und somit in die Frostluft respektive auf gefrorene Böden fällt,
gefährliches Glatteis zur Folge hätte.
Tagsüber bekommt die Front Unterstützung von einem sich von UK nähernden
KW-Trog, der sich über Frankreich und Benelux in den kontinentalen Rücken
"bohrt" und vorderseitig etwas synoptisch-skalige Hebung generiert. So kommt es
von der Nordsee über die Westhälfte bis hinunter zu den Alpen zu weiteren
Niederschlägen, während sich die östlichen und südöstlichen Landesteile nach wie
vor auf die Blockadewirkung des mit seinem Zentrum inzwischen zum Baltikum bzw.
Westrussland abgewanderten Hochs verlassen können. Anfangs besteht noch
regionale Glatteisgefahr, bevor im Tagesverlauf die flüssige respektive nicht
gefrierende Phase überwiegen sollte. Da die Luft im Westen niedertroposphärisch
etwas abkühlt (T850 0 bis -2°C am Abend), könnte es im höheren Bergland sogar
für etwas Schnee reichen. Insbesondere im Schwarzwald und in den Alpen könnte es
für etwas Neuschnee reichen, da dort die Niederschläge auch in der Nacht zum
Donnerstag noch andauern sollen.

Ab Donnerstag deutet sich für den Höhenrücken eine deutliche Frischzellenkur an,
die weitere zyklonale Attacken vom Atlantik her unwahrscheinlich macht. Das umso
mehr, als dass sich auch das Bodenhoch nicht nur verstärkt, sondern darüber
hinaus deutlich retrograd wird (Zentrum am Freitag erst über Polen, zum
Wochenende dann bei uns bzw. über Südskandinavien). Dabei nimmt der östliche bis
südöstliche Wind im Vorhersageraum zu, wodurch zumindest ein Teil der nach Osten
abgeschobenen Kaltluft wieder zurückgeholt wird.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann summa summarum als solide bewertet werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das am Wochenende wetterbestimmende Hoch
mit Beginn der neuen Woche langsam nach Osten abgedrängt wird. Die Folgen wären
nicht nur eine allmähliche Frostabschwächung von West nach Ost, zudem würden
atlantische Frontensysteme mit Bewölkung und evtl. auch Niederschlag Zugriff auf
den Vorhersageraum bekommen (siehe oben). Timing und Intensität dieser Störungen
werden von Modelllauf zu Modelllauf allerdings etwas anders simuliert, weshalb
hier auch nicht das Gütesiegel "gute bis sehr gute Konsistenz" verliehen werden
kann.
Als Beispiel sei der Montag bzw. die Nacht zum Dienstag genannt, wo der neueste
Lauf von heute 00 UTC ein deutlich progressiveres Übergreifen von Schnee und
Regen (mit regionaler Glatteisgefahr) auf die Westhälfte des Landes simuliert
als in den Versionen zuvor.

In der zweiten Wochenhälfte deutet sich nach einigen weiteren zyklonalen
Störattacken (die aber im Wesentlichen die Westhälfte betreffen) eine
Regeneration der Hochdrucklage an, was auch von den Vorläufen so gesehen wurde.
Offen ist dabei allerdings noch das Temperaturniveau, auf das wir uns einstellen
müssen. So kalt wie derzeit scheint es zwar nicht mehr zu werden, gleichwohl
offeriert die aktuelle Modellversion ein sichtbares Interesse, einen Teil der
nach Osten abgedrängten Kaltluft wieder zurückzuholen. Das war bei den jüngeren
Vorläufen so nicht zu sehen.


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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die meisten der an dieser Stelle für gewöhnlich begutachteten Globalmodelle
folgt im Großen und Ganzem dem Kurs von IFS. UKMO ist dabei sogar defensiver mit
dem Übergreifen atlantischer Frontensysteme (was eher zu den Vorläufen von IFS
passt) und auch GFS macht zumindest bei der "Montagsattacke" (genau genommen ist
es eine "Rosenmontagsattacke", aber der ist in diesem Jahr ja nichts wert) nicht
mit. Erst am Aschermittwoch, wenn eigentlich alles vorbei ist, schließt sich GFS
dem IFS-Szenario mit Niederschlägen im Westen an.
Eine ganz putzige Version bietet und ICON für die Faschingstage an. Hoher
Luftdruck und frostige Kaltluft werden völlig respektlos mir nichts, dir nichts
nach Osten abgeschoben, als würde man einen Antialkoholiker unter den Tisch
saufen. Stattdessen können Niederschläge und deutliche mildere atlantische
Luftmassen bereits ab der Nacht zum Montag scheinbar problemlos auf Teile
Deutschlands übergreifen (Nordwesten) und wie das Messer durch die Butter nach
Osten vordringen. Die Folge wäre eine veritable Unwetterlage "Glatteis" am
Rosenmontag - ein Szenario mit Alleinstellungsmerkmal. Ursache für die
ungewöhnlich hohe Progressionsgeschwindigkeit sind u.a. ein stärker ausgeprägtes
Bodentief bei Island mit ausgeprägtem Trog über der Nordsee sowie ein deutlich
schnelleres Abflachen des Höhenrückens. Sehr zweifelhaft das Ganze und rein aus
Erfahrung schwer zu glauben, bedarf es doch normalerweise größerer Anstrengungen
und auch mehrerer Versuche, einen kontinentalen Kälteblock im Winter
wegzuräumen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis einschließlich kommenden Sonntag zeigen die IFS-EPS-Rauchfahnen
repräsentativer deutscher Städte einen eng gebündelten Verlauf, der kaum Zweifel
am deterministisch geschilderten Geschehen lässt. Am Montag beginnen die
Ensemblelösungen zu divergieren, wobei sich der zuvor schon eingeschlagene
Aufwärtstrend bei T850 und Pot500 weiter fortsetzt. Vor allem im Westen kommt es
zu einer Häufung von Niederschlagssignalen, während diese in den übrigen
Regionen nur sporadisch und klar unterzahlig auftreten. Gut rausgearbeitet wird
der weitgehend trockene Dienstag, bevor zum Mittwoch die Signaldichte wieder
zunimmt (nicht allerdings im Osten). Der Trend in der zweiten Wochenhälfte zu
wieder mehr Hochdruckeinfluss lässt sich auch probabilistisch nachvollziehen,
allerdings verläuft der Median der 850-hPa-Temperatur um einige Grad über den
Kurven des Haupt- und Kontrolllaufs.

Die zugehörige Clusterung bietet für den Zeitraum T+120...168h (Dienstag bis
Donnerstag) das volle Programm, also sechs Cluster. Bis auf CL 4, das am
Dienstag und Mittwoch vorübergehend dem Klimaregime "NAO positiv" zugeordnet
wird, zeigen alle Cluster zu allen Tagen die Fortdauer der Blockierung.
Unterschiede bezogen auf unseren Raum ergeben sich hauptsächlich in der
Geometrie des allzeit präsenten Höhenrückens, der mal mehr, mal weniger durch
kurzwellige Troganteile "angeknabbert" wird.

Auch von Freitag bis Sonntag (T+192...240h) setzt sich das Regime "Blocking" fort,
wobei die Clusterzahl aber auf zwei reduziert wird. In beiden dominiert bei uns
Hochdruckeinfluss mit etwas unterschiedlicher Positionierung des Bodenhochs, was
freilich einen Einfluss auf das Temperaturniveau hat. Hier ist noch keine klare
Aussage möglich, doch spricht Vieles dafür (darunter auch die zunehmende
Tageslänge), dass es nicht mehr so kalt wird wie in dieser Woche.

FAZIT: Die Frostabschwächung von Westen her scheint sicher, wenn vielleicht auch
nicht so schnell wie z.B. von den DMOs, aber auch MOS gezeigt. Unsicher ist
derzeit noch die genaue Niederschlagsentwicklung, während ein Refresh des Hochs
in der zweiten Wochenhälfte sehr wahrscheinlich ist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


FROST:
Tendenziell ist eine allmähliche Frostabschwächung von Westen her als sicher
anzusehen. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es auch frostfrei bleibt
(wird gerne mal so aufgefasst). Gerade nach Osten hin kann es (mindestens) bis
Mitte nächster Woche tagsüber leichten und nachts gebietsweise strengen Frost
geben.

NIEDERSCHLAG:
Der unsicherere Kantonist unter den möglichen signifikanten Wettererscheinungen.
Mit geringer Wahrscheinlichkeit kommt es am Montag in der Westhälfte
gebietsweise zu gefrierendem Regen mit Glatteis. Auch am Mittwoch bzw. in der
Nacht zuvor ist gleiches Phänomen zwar möglich, aber keinesfalls sicher. Auch
wenn die Modelle derzeit anderes simulieren, ist auch eine weitgehend
niederschlagsfreie Milderung durchaus noch in Betracht zu ziehen, was von
einigen Ensembles auch so gesehen wird. Hier gilt es, die weiteren Läufe plus
Anschlussverfahren genau zu sichten (eigentlich gilt das immer in der
Vorhersagemeteorologie, sagt man aber so).

WIND:
Wenig bis nichts zu holen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit z.T. etwas nach unten korrigiertem IFS-MOS. Auf die ICON-Beiträge
(sowohl deterministisch als auch in Form von MOS-Mix) wird aufgrund der extremen
Außenseiterlösung verzichtet.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann