DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-02-2021 09:30
SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 06.02.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W s Übergang zu HNF z

Unwetterlage durch Starkschneefall mit Verwehungen und Glatteisregen an einer
scharfen Luftmassengrenze über Deutschland. In der Folge deutliche Abkühlung und
Übergang zu extrem kaltem Winterwetter in kontinentaler arktischer Polarluft.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegen wir an der Südwestflanke eines blockierenden Hochs über dem
Nordmeer, dass seine Fühler in Form eines Keils nach Osteuropa ausstreckt. Im
Gegenzug beginnt über Frankreich vor einem Höhentrog, der sich von Westen her
nähert, der Druck stärker zu fallen und es entwickelt sich im Lee der Pyrenäen
ein Tief, das sich auf 995 hPa verstärkt und in der Nacht zum Sonntag über
Belgien ankommen soll. Auf seiner Vorderseite wird noch mildere Luft in den
Süden Deutschlands geführt, an den Alpen stellt sich eine Föhnlage ein, während
mit Annäherung des Tiefs aus dem Hochkeil von Osten her immer kältere arktische
Polarluft angesaugt wird.

Die Druck- und Temperaturunterschiede über Deutschland verschärfen sich damit in
den nächsten Stunden bis Sonntag früh markant. Dabei frischt zunächst der
Ostwind in weiten Landesteilen auf. An den Küsten muss mit starken bis
stürmischen Böen gerechnet werden, an der westlichen Ostsee und über der Nordsee
mit Sturmböen. Auch über dem nördlichen Binnenland kann es steife Böen um 55
km/h aus Ost geben.

In Kammlagen der Mittelgebirge kann es ebenso steife bis stürmische Böen geben
und in den Alpen kommt der erwähnte Föhn in Gang. Auf den Alpengipfeln kann es
vor allem abends und nachts dann schwere Sturmböen oder orkanartige Böen geben.
Zudem sorgt eine Druckdifferenz von 8 bis 9 hPa zwischen Bozen und Innsbruck für
einzelne steife oder sogar stürmische Böen in den Föhntälern. Der Föhn sorgt
dann auch für Auflockerungen von den Alpen her und weiter vorfrühlingshafte
Temperaturen, denn in 850 hPa breitet sich die 10-Grad-Isotherme im Alpenvorland
aus.

Deren Gegenspieler, die -10-Grad-Isobare kommt dank dem frischen Ostwind in
Norddeutschland langsam südwestwärts voran und erreicht fast Hamburg. Dort im
Nordosten gibt es Dauerfrost immerhin etwas Sonne, wobei aber über der Ostsee
mit
Schneeschauern gerechnet muss. Die Luftmassengrenze, die vom nördlichen NRW nach
Westsachsen reicht, wird mit Annäherung einer Warmfront von Süden etwas
aktiviert. Auch an der über der Mitte Deutschlands angekommenen Warmfront, die
stationär wird und mit der alten Luftmassengrenze beginnt zu verschmelzen, muss
mit weiteren Niederschlägen gerechnet werden. Diese fallen mit Schwerpunkt in
etwa in einem Streifen zwischen NRW und Rheinland-Pfalz bis Sachsen und
Nordbayern. An der Nordflanke schiebt sich kalte Luft unter die darauf
aufgleitende Warmluft und es fällt Schnee. Da die Temperaturen tagsüber im
Norden und über der Mitte eher leicht zurückgehen, sind gebietsweise in diesem
Bereich schon um 5, örtlich 10 cm Neuschnee möglich. Nach Süden zu regnet es.
Auch wenn ICON-EU Schlangen zeigt, sollte tagsüber gefrierender Regen noch keine
große Rolle spielen. Allerdings ist noch etwas unsicher, wie sehr sich die
Kaltluft von Osten her unter dem Niederschlagsgebiet durchsetzen kann.

In der Nacht zum Sonntag wird es richtig spannend: Das Tief über Frankreich
zieht nach Belgien, ein Leetief an den Alpen nach Osten. An der Ostflanke und
Nordflanke der Tiefs wird bodennah Kaltluft angesaugt, bzw. gewinnt mit weiter
auffrischendem Ost- bis Nordostwind weiter nach Südwesten an Raum, während
darüber kräftige Warmluftadvektion zu finden ist. Dies führt über
Westdeutschland, im weiteren Verlauf auch in einem Bogen über Nordhessen und
Südniedersachsen bis nach Sachsen zu sich deutlich intensivierenden
Niederschlägen, wobei bis Sonntagfrüh gebietsweise 10 bis 15, in Spitzen bis 20
l/qm Niederschlag simuliert werden. Nach Osten hin, Richtung Sachsen, nehmen die
Intensitäten dann aber ab.

Diese Niederschläge fallen meist als Schnee, so dass bis zum Morgen vom
nördlichen NRW bis in die Harzregion schon um 15 cm Neuschnee fallen können.
Dies allein reißt schon das Unwetterkriterium, aber es kommt noch der Wind dazu:


Dieser frischt an der Nordostflanke des Tiefs noch weiter auf und über dem
Norden und der nördlichen Mitte muss verbreitet mit steifen bis stürmischen Böen
gerechnet werden, aber auch einzelne Sturmböen sind nicht ausgeschlossen.
Bei Temperaturen, die im Laufe der Nacht häufig unter -5°C sinken, fällt
lockerer Pulverschnee und es kommt zu teils unwetterartigen Schneeverwehungen.
Vor allem im Süden Niedersachsens, Nordhessen und Harzbereich könnte es nicht
nur große Schneemengen, sondern auch
sehr starke Verwehungen geben, was hier ein extremes Unwetter ergibt.
Nach Süden zu geht der Schneefall in Regen über, wobei durchaus auch
mehrstündiger gefrierender Regen ein Thema ist. Da wir auch in diesem Punkt von
teils großen Niederschlagsmengen reden, besteht Unwettergefahr durch Glatteis,
wobei mit Schäden auch durch Eisbruch gerechnet werden muss, da teilweise 5 bis
10 mm in gefrierender Phase fallen können. Hier ist der wahrscheinlichste
Bereich vom südlichen NRW/Eifel bis Thüringen Oberfranken/Oberpfalz.

An der Ostsee sind ebenfalls noch einige Schneeschauer möglich, die diabatisch
vom "warmen" Wasser mit +3°C bei T850 -13°C ausgelöst werden.

Der Wind weht auch ganz im Norden stark aus Ost, wo es noch meist trocken
bleibt. An den Küsten treten stürmische Böen oder Sturmböen aus Ost auf, über
der Nordsee schwere Sturmböen. Ruhiger ist es im Süden, dort fällt nach Westen
hin etwas Regen.
Noch kurz zum Temperaturniveau insgesamt: Von Osten dringt die bodennahe
Kaltluft massiv nach Westen vor, so dass im Bereich der kräftigen Niederschläge
die Temperatur durchaus bis -5 Grad absinken kann, ganz im Nordosten bis -10
Grad. Dagegen bleibt es im Süden weiter frostfrei. Der Föhn schwächt sich von
West nach Ost ab.


Sonntag... schwächt sich das Tief über Belgien langsam ab und zieht sich etwas
nach Südwesten zurück. An seiner Südostflanke und mit Annäherung des Höhentroges
von Westen her gelangt etwas kältere Luft in den Süden Deutschlands, dort fällt
aber abgesehen vom höheren Bergland oberhalb von 700 bis 1000m weiterhin Regen.

Der Föhn an den Alpen bricht zusammen. Weiterhin kräftige Niederschläge durch
Aufgleiten der milden Luft auf die sich darunter schiebende arktische Polarluft,
gibt es in einem breiten Streifen vom Westen/Nordwesten bis in den Osten und
Nordosten, mit Schwerpunkt von Südniedersachsen, Nordhessen bis zur Altmark.
Dort kann es gebietsweise weitere 10 bis 15 l/qm Niederschlag geben, meist fällt
in diesen Bereichen Schnee, der häufig auch trocken ist. Nur in den südlichen
Bereichen des Niederschlagsstreifens geht der Regen erst im Tagesverlauf von
Westen in Schnee über, was dann aber auch die Glatteisgefahr verringert.
Südlich einer Linie Mosel-Mittelhessen bis zur Oberpfalz bleibt es bis zum Abend
noch meist frostfrei. Im Süden regnet es bei +5 bis +10 Grad gebietsweise. Die
Windsituation in der gesamten Nordhälfte ändert sich zunächst kaum, erst zum
Nachmittag kommt es zu einer Abschwächung durch den dann abflauenden Gradienten.


Vor allem vom Emsland bis zur Altmark dürften weitere 10 bis 20 cm Neuschnee
fallen, die stark verweht werden. Nach Norden hin nehmen die Neuschneehöhen
rasch ab, aber auch dort wird alles, was fällt, stark verweht. Das wird dadurch
unterstützt, dass die Tagestemperaturen im Norden deutlich im Frostbereich
(gebietsweise mäßiger Dauerfrost) verharren. Weitgehend niederschlagsfrei bleibt
es von Schleswig-Holstein bis nach Vorpommern und in den äußersten Norden
Brandenburgs, aber auch dort sorgt Dauerfrost und strammer Ostwind für zumindest
ungemütliches Sonntagswetter.

In der Nacht zum Montag dreht die Strömung bis in den Süden auf östliche bis
nordöstliche Richtungen. Die kalte Luft kann aber ganz im Südwesten noch nicht
Fußfassen, ansonsten gehen die Temperaturen auch im Süden auf 0 Grad oder etwas
darunter zurück. Dabei kommen im Südosten vor der von Westen hereinschwenkenden
Trogspitze teils kräftige Niederschläge auf, die durch das Einsickern der
kälteren Luft durchweg in Schnee übergehen. Hier werden von den Modellen
teilweise 10 bis 15 mm, örtlich 20 mm als Schnee angeboten, was auch dort in den
Unwetterbereich gehen könnte. Fraglich ist allerdings wie viel davon wirklich
liegen bleibt; die Modelle simulieren auch Mengen und Regionen noch
unterschiedlich.

Über dem Norden und der nördlichen Mitte schneit es noch zeitweise, aber mit
abnehmender Tendenz. Im Nordwesten sind noch einmal 5 bis stellenweise 10 cm
Neuschnee in 12 Stunden möglich. Der Gradient fächert langsam weiter auf, vor
allem anfangs sind aber verbreitet steife Böen aus Ost bis Nordost zu erwarten,
entsprechend ist die Verwehungsgefahr noch nicht vorbei, sie nimmt aber ab. An
den Küsten bleibt es dagegen stürmisch mit Lake Effect Schneeschauern und der
Option von Schauerstraßen.
Während der Südwesten teilweise frostfrei bleibt, sinkt die Temperatur im Norden
gebietsweise auf -10°C, Richtung Oder auch etwas darunter.


Montag... setzt sich die arktische Luftmasse weiter nach Süden durch, erreicht
den Südwesten aber nicht vollständig. Wir liegen dabei zwischen dem beständigen
Hochdruckgebiet, das weite Teile Nordeuropas überdeckt und der Tiefdruckzone,
die sich weiter nach Süden zu den Alpen und in den Mittelmeerraum zurückzieht.
Die östliche Strömung lässt dabei etwas nach, vor allem an den Küsten sind aber
nach wie vor stürmische Böen oder Sturmböen aus Ost bis Nordost zu erwarten.
Ansonsten wird der Wind nicht mehr warnrelevant.
Bei T850 von teilweise -15°C herrscht tagsüber im Norden und Osten häufig
mäßiger Dauerfrost, wobei in einigen Regionen im Nordosten die -10°C nur wenig
überschritten werden, Maxima -8/-9 Grad. Im Norden ist die Luft teilweise sehr
trocken, sodass dort gebietsweise längere Zeit die Sonne scheint, ansonsten
bringt ein von Westen hereinschwenkender Höhentrog zyklonale Verhältnisse, die
in gebietsweise, meist aber leichte Schneefälle münden.
Häufig fallen 1 bis 5, im Südosten bis 10 cm Neuschnee in 12 Stunden.
Ganz im Süden und Südwesten hat sich Polarluft nicht breitgemacht, hier liegen
die Temperaturen tagsüber bei 0 bis +5 Grad, sonst herrscht Dauerfrost. An den
Küsten sind bei -14°C in 850 hPa und (noch) offenem Wasser teils starke
Schneeschauer und Verwehungen denkbar.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich der Höhentrog nur wenig und um dessen
Drehzentrum über der Mitte kommt es zu teils schauerartigen Schneefällen, die 1
bis 5, lokal an die 10 cm Neuschnee bringen können. Trocken bleibt es
gebietsweise im Norden und Richtung Südostbayern.
Niedertroposphärisch bestimmt die sehr kalte arktische Luftmasse das Geschehen
und auch im äußersten Südwesten gehen die Temperaturen auf Werte um oder etwas
unter den Gefrierpunkt zurück. Ansonsten gibt es mäßigen bis strengen Frost,
über Schnee bei Aufklaren -15°C oder etwas darunter. Am Erdboden dürfen die
-20°C anvisiert werden. An der Ostsee gehen die Schneeschauer weiter, bei Bft 7
bis 8 aus NE teilweise mit Verwehungen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren weitgehend ähnlich, an der außergewöhnlichen Unwetterlage
durch starken Schneefall/Schneeverwehungen/gefrierenden Regen bestehen keine
Zweifel. Allerdings bleiben leichte Inkonsistenzen. Die
Niederschlagsschwerpunkte variieren weiter, der schmale Streifen mit dem
gefrierenden Regen ist warntechnisch nur schwer in den Griff zu bekommen,
weshalb die Ausgabe der entsprechenden Akutwarnungen in den Nachmittag
verschoben wird. Auch die Schneefallschwerpunkte wurden in den letzten Läufen
etwas nach Süden verschoben und geringfügig abgeschwächt. Hier werden die
Warnungen dennoch bis zum Mittag scharfgeschaltet. Am Montag und Dienstag mehren
sich die Unsicherheiten. Unstrittig ist der Übergang zu einer deutschlandweit
sehr kalten Winterlage, wie viel und wo es dann noch schneit ist unsicher. Die
Lake Effect Schneeschauer liefern an der Ostsee noch lokales Unwetterpotential.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner